OGH vom 09.06.2009, 1Ob102/09w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael S*****, vertreten durch Dr. Franz Niederleitner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Maria S*****, vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 4.487 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 52/09b-4, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 21 C 648/08g-10, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 445,82 EUR (darin enthalten 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der am verstorbene Vater des Klägers hinterließ seine mit Testament vom als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau (Beklagte) und drei pflichtteilsberechtigte Kinder. Strittig ist, ob die dem Kläger im Jahr 2002 übergebenen Sparbücher nach § 789 ABGB als Vorschuss auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers anzurechnen sind.
Die Vorinstanzen haben dies bejaht und das Begehren des Klägers auf Zahlung seines Pflichtteils abgewiesen.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil auf diesen Fall anwendbare höchstgerichtliche Judikatur zur Anrechnung von Vorschüssen auf den Erb- oder Pflichtteil fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Nach § 789 ABGB sind in den Pflichtteil die als Vorschuss darauf geleisteten Zuwendungen des Erblassers einzurechnen. Diese Anrechnung setzt freiwillige, zu Lebzeiten erbrachte Leistungen des Erblassers und eine Vereinbarung zwischen Erblasser und Noterben über die Anrechnung voraus (RIS-Justiz RS0012996; RS0012985; Welser in Rummel³ §§ 788, 789 ABGB Rz 12; Apathy in KBB² § 789 ABGB Rz 3). Diese Vereinbarung kann auch schlüssig erfolgen (8 Ob 527/86). Die Abgrenzung zwischen derartigen Vorschüssen und einer Schenkung, die sich unter den Voraussetzungen des § 785 Abs 1 ABGB nur auf den Schenkungspflichtteil auswirken kann, bestimmt sich nach dem Inhalt der Parteienvereinbarung über die Anrechnung. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Vorschuss iSd § 789 ABGB nicht nur auf den Pflichtteil, sondern auch auf den gesetzlichen Erbteil anzurechnen ist (Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht [2001], 34).
Wie Parteienvereinbarungen im Einzelfall auszulegen sind, begründet nur bei einem unvertretbaren Auslegungsergebnis eine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042936 ua), was hier nicht zutrifft. Dem Erblasser ging es vor allem darum, seiner Frau und den Kindern so viel zukommen zu lassen, dass niemand darüber hinaus noch einen Pflichtteil geltend machen sollte. In einem früheren Testament hatte er deshalb vorgesehen, dass unter anderem der Kläger und eine seiner Schwestern als Erben jeweils Häfteanteile an Liegenschaften erhalten sollten. Der Kläger wusste von der ihm zugedachten Zuwendung. Nachdem eine Schwester des Klägers auf sämtliche Pflichtteilsansprüche verzichtet hatte, erhielt sie von ihren Eltern mit Übergabevertrag die Liegenschaft, deren dem Vater gehörende Hälfte sie nach dem Testament hätte erben sollen. Der Kläger sollte anstatt des Hälfteanteils an der mittlerweile verkauften Liegenschaft Sparbücher bekommen. Nachdem er gegenüber seinem Vater beanstandet hatte, dass seine Schwester bereits zu Lebzeiten etwas erhalten hatte, entschloss sich sein Vater zur Übergabe eines Teils dieser Sparbücher. Dabei wurde dem Kläger mitgeteilt, dass „das, was laut Testament für ihn bestimmt war, schon jetzt übergeben werden sollte". Damit war der Wille des Vaters, den Kläger seiner (ebenfalls) pflichtteilsberechtigten Schwester hinsichtlich der Anrechnung von Vorausempfängen gleich zu stellen, sowie der Vorschusscharakter dieser bereits zu Lebzeiten zugewendeten Vermögenswerte aus der Sicht des begünstigten Klägers eindeutig erkennbar. Daran ändert auch der Beisatz auf der Übernahmebestätigung „als Geschenk übernommen" nichts, steht diese Qualifikation doch in eindeutigem Widerspruch zu der übereinstimmend beabsichtigten Anrechnung. Vom gesetzlichen Erbteil des Klägers wurde nie gesprochen, was eine einschränkende Interpretation, der Vorausempfang sei nur auf den gesetzlichen Erbteil (§ 790 Satz 2 ABGB), nicht aber auf den Pflichtteil anzurechnen, nicht nahelegt. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage aufgrund der Parteienvereinbarung einen auf den Pflichtteil anrechenbaren Vorschuss im Sinn des § 789 ABGB angenommen haben, so begründet das keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.