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OGH 23.05.2006, 4Ob10/06h

OGH 23.05.2006, 4Ob10/06h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei R***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch Steger & Partner, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen 2.796,37 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 376/05h-31, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , GZ 2 C 817/04i-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 2.796,37 EUR samt 4 % Zinsen seit sowie die mit 4.751,52 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 361,42 EUR USt und 2.583 EUR Barauslage) binnen 14 Tagen zu zahlen".

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 1.936,70 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 163,78 EUR USt und 954 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein in der landwirtschaftlichen Werkstätte eines Raiffeisenverbands beschäftigter Mechaniker nahm gemeinsam mit seiner Frau für den bevorstehenden Hausbau beim Raiffeisenverband in den Jahren 1991 und 1992 zwei Kredite auf. Als Bediensteter des Raiffeisenverbands erhielt er einen günstigeren Zinssatz. Über die Höhe des Anfangszinssatzes wurde nicht gesprochen; die Schuldner gingen davon aus, dass für sie „das Beste herausgeholt werde". Beide von den Schuldnern gemeinsam beim Raiffeisenverband aufgenommenen Kredite wurden im Jahr 1993 bei der Beklagten, einer ländlichen Raiffeisenbank, zusammengefasst und gebührenfrei umgeschuldet. Im Zuge der Gespräche zur Umschuldung äußerte ein Mitarbeiter der Beklagten gegenüber dem Schuldner, die Kreditverträge würden „gleich wie bisher weiter laufen". Es wurde weder über den Anfangszinssatz noch über mögliche Zinsänderungen gesprochen. Die Schuldner waren in Kreditangelegenheiten unerfahren und nahmen an, die Kreditzinssenkungen am Kreditmarkt würden auch den Zinssatz ihres Kredits senken. Der Abstattungskreditvertrag sah die Rückzahlung des Kredits in 204 Raten vor, die Ratenhöhe war mit 5.000 S vereinbart, wobei mit den Zahlungen jeweils Zinsen und Kapital getilgt werden sollten; der Anfangszinssatz lag bei 7,75 % jährlich. Für die weitere Verzinsung des Kredits wurde vereinbart, dass die Beklagte berechtigt sein sollte, die vereinbarten Konditionen entsprechend den jeweiligen Geld-, Kredit- oder Kapitalmarktverhältnissen zu ändern, wie beispielsweise bei Erhöhung der Einlagenzinssätze oder der Bankrate oder der Kapitalmarktrendite oder bei kredit- und währungspolitischen Maßnahmen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft, des Kreditvolumens oder der Mindestreserven oder bei Änderung der Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten.

Als im ländlichen Raum agierende Kleinbank des Raiffeisensektors refinanziert sich die Beklagte zum überwiegenden Teil aus Spar- oder Primäreinlagen ihrer Privatkunden. Zum Stichtag wies ihre Bilanz ein Refinanzierungsvolumen aus Spareinlagen von etwa 70 % aus. Die restliche Refinanzierung erfolgte über ein Konto des Raiffeisenverbands, dessen Verzinsung auf einem geldmarktgebundenen Indikator beruht. Der Anteil der Spareinlagen der Beklagten an jenen der gesamten Raiffeisen-Bankengruppe des Bundeslands (bestehend aus den selbstständigen Raiffeisenkassen und -banken und dem Raiffeisenverband des Bundeslands) betrug 1993 1,47 %, 1998 1,58 % und 2002 1,79 %.

Die Beklagte legte der Kalkulation ihrer Kreditzinsen das Zinsenniveau ihrer Primäreinlagen und den „Landeszinssatz", das ist der Indikator „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" des Bundeslands, zugrunde, der vom Raiffeisenverband des Bundeslands aufbereitet wird. Dieser Indikator beruht auf einer Erhebung des Privateinlagenniveaus der 67 Raiffeisenbanken des Bundeslands. Die jeweilige Raiffeisenbank wählt die konkrete Zinshöhe; bei dieser Kalkulation wird auch ein Vergleich mit Krediten anderer Kreditinstitute außerhalb des Raiffeisensektors angestellt. Je nach Bonität des Kunden lag der Aufschlag zwischen 3,5 und 4,5 %. Die Beklagte beurteilte die Bonität der Kreditnehmer des vorliegenden Kredits als mittel. Der nominelle Ausgangszinssatz von 7,75 % war unter Berücksichtigung der Zinsbegünstigung angemessen. Ausgehend von einem von der Beklagten den Kreditnehmern während der Laufzeit vereinbarungswidrig verrechneten Aufschlag von 0,5 % und unter Heranziehung des Indikators „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" beträgt die Zinsmarge 3,6397 %. Nach Zahlung eines Betrags von 2.073 EUR am wurde das Kreditkonto an diesem Tag geschlossen. Unter Heranziehung des Indikators „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" wäre der Kredit bereits im Mai 2002 zurückgezahlt gewesen. Davon ausgehend haben die Kreditnehmer 1.975,08 EUR an Zinsen zu viel gezahlt. Die Beklagte leistete auf diesen Betrag am 1.677,25 EUR sA. Die Durchrechnung des Kredits für den Zeitraum bis zum Jahresende 2000 unter Berücksichtigung einer am arithmetischen Mittel aus Sekundärmarktrendite Bund und VIBOR/EURIBOR 3 orientierten Anpassung der Höhe der jeweiligen Kreditzinsen ergibt eine Kreditzinsenüberzahlung von 4.473,62 EUR.

Für den Kapitalmarkt wird die Sekundärmarktrendite als repräsentativer Indikator verwendet. Der Geldmarkt wird seit 1989 durch den VIBOR und seit 1999 durch den EURIBOR bestimmt. Eine Großbank, die sich auch im internationalen Geschäft bewegt, wird stärker durch den Kapital- und Geldmarkt geprägt als eine lokal agierende Kleinbank wie die Beklagte, die sich überwiegend aus den lokal aufgebrachten Primäreinlagen (Spareinlagen) refinanziert. Der Zinssatz für diese Primäreinlagen orientiert sich aber ebenso am Geld- und Kapitalmarkt, und zwar für kurzfristige Spareinlagen am Geldmarkt und für längerfristige Spareinlagen am Kapitalmarkt. Seit verwenden österreichische Kreditinstitute Zinsanpassungsklauseln auf Basis des VIBOR/EURIBOR und der Sekundärmarktrendite; davor orientierten sich Großbanken eher am Geld- und Kapitalmarkt, während lokal agierende Banken auf den Durchschnitt ihrer Einlagenzinsen abstellten. Mit der Veränderung des Durchschnitts aus EURIBOR 3 und Sekundärmarktrendite Bund wird der Geld- und Kapitalmarkt dargestellt, während der Indikator „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" eher den einlageseitigen Aspekt hervorhebt.

Der Kläger begehrt (nach Einschränkung wegen Teilzahlung der Beklagten) 2.796,37 EUR sA. Die Beklagte habe es verabsäumt, den Zinssatz aus dem Verbraucherkredit entsprechend den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben geldmarktkonform anzupassen.

Zinsenabwärtsbewegungen seien nicht an die Kreditnehmer weitergegeben worden. Die im Kreditvertrag enthaltene Zinsanpassungsklausel sei gesetz- und sittenwidrig, weil darin entgegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG aF die Parameter für eine Zinssatzänderung nicht deutlich festgelegt seien. Der in der nichtigen Klausel enthaltene Parameter „Änderung der Geld- und Kapitalmarktverhältnisse" werde objektiv durch die Sekundärmarktrendite (SMR) und VIBOR/EURIBOR dargestellt. Ein Ermessensspielraum bei der Zinsanpassung sei der Beklagten nicht eingeräumt worden. Es sei daher sachgerecht, bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens das arithmetische Mittel aus SMR und VIBOR/EURIBOR heranzuziehen, weil dadurch Änderungen des Zinsniveaus auf dem Geld- und Kapitalmarkt gleichermaßen berücksichtigt würden. Seit verwendeten österreichische Kreditinstitute entsprechende Zinsgleitklauseln. Eine an den Einlagenzinssätzen orientierte Zinsgestaltung gehe wegen der Beeinflussungsmöglichkeit von keinem objektiven Parameter aus. Die Kreditnehmer hätten sich bei Vertragsabschluss nicht damit abgefunden, wenn sich die Beklagte bei der Zinsengestaltung durch Einbeziehung aus Sicht der Kreditnehmer nicht nachvollziehbarer wirtschaftlicher Überlegungen, insbesondere durch Berücksichtigung ihrer Refinanzierungskosten von Spareinlagen, einen Ermessensspielraum vorbehalten hätte. Sie hätten vielmehr darauf bestanden, dass bei einem Sinken der Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt die Kreditzinsen entsprechend gesenkt würden. Die „Verlagerung" des Kreditverhältnisses zur Beklagten sei nur aufgrund des Wohnsitzes der Kreditnehmer erfolgt, wobei aber ausdrücklich die mit dem Raiffeisenverband vereinbarten Konditionen beibehalten worden seien. Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung sei daher auf die mit dem Raiffeisenverband vereinbarten Kreditkonditionen abzustellen. Die Beklagte wendete - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ein, sie stelle bei der Kalkulation ihrer Kreditzinsen auf ihre Refinanzierungskosten ab. Bei Kenntnis der Ungültigkeit der verwendeten Zinsanpassungsklausel hätte die Beklagte eine Zinsanpassung analog der Entwicklung ihrer Refinanzierungskosten vereinbart. Bei Anwendung des Indikators „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" hätten die Kreditnehmer keinerlei Forderung gegenüber der Beklagten. Als rechtlich selbstständige Einheit unterliege sie auch keinen Weisungen der Raiffeisen-Zentralbank Österreich oder der Raiffeisen-Landesbanken. Auch im vorliegenden Fall sei der Beklagten ein Spielraum eingeräumt gewesen, innerhalb dessen sie eine Zinsanpassung nach billigem Ermessen habe vornehmen können. Eine Umdeutung der vereinbarten Zinsanpassungsklausel in eine Zinsgleitklausel entspreche daher nicht dem hypothetischen Parteiwillen. Bei Heranziehung des verwendeten Indikators „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" wäre die Zinsmarge der Beklagten während der Kreditlaufzeit etwa gleich geblieben. Auf die von ihr selbst gewährten Einlagenzinsen habe die Beklagte bei der Zinsanpassung ohnehin nicht abgestellt. Sie habe den Parameter „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" nicht beeinflussen können, weil dieser ein Mittelwert der Primäreinlagenverzinsung aller 67 Raiffeisenbanken des Bundeslands sei.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 284,90 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 2.511,47 EUR sA ab. Die hier verwendete Zinsanpassungsklausel sei mangels Bestimmtheit ungültig. Bei der Vertragsanpassung nach dem hypothetischen Parteiwillen sei zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte als lokal agierende Kleinbank zum überwiegenden Teil aus lokal aufgebrachten Primäreinlagen und erst in zweiter Linie über den Raiffeisenverband des Bundeslands refinanziere. Die Beklagte nehme daher am Geld- und Kapitalmarkt nicht direkt teil. Der Indikator „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" habe am ehesten ihrer Refinanzierungssituation entsprochen. Da einem durchschnittlichen Kreditnehmer der Zusammenhang zwischen dem steigenden Zinsniveau für Einlagen und dem steigenden Zinsniveau für Kredite erkennbar habe sein müssen, sei auch aus Sicht der Kreditnehmer ein den einlageseitigen Aspekt hervorhebender Indikator am ehesten in Betracht zu ziehen. Eine Veränderung der Zinsenmarge sei durch die Zinssatzanpassungen nicht erfolgt, weshalb auch die subjektive Äquivalenz gewahrt worden sei. Aufgrund des unter 2 % liegenden Anteils der Beklagten an den Einlagen des Raiffeisensektors ihres Bundeslands habe sie den Indikator auch nicht messbar beeinflussen können. Die Heranziehung dieses Indikators entspreche daher eher dem hypothetischen Parteiwillen als der von der Klägerin gewünschte Indikator, der den Geld- und Kapitalmarkt widerspiegle, an dem die Beklagte nicht direkt und nur in geringem Umfang über ihr Konto beim Raiffeisenverband indirekt teilnehme. Der Indikator entspreche ihrer Refinanzierungssituation nicht und weise Begriffe und Inhalte auf, mit denen ein durchschnittlicher Kreditnehmer nichts anfangen könne. Auf die Refinanzierungssituation des Raiffeisenverbands des Bundeslands als Großbank sei nicht abzustellen, weil mit dem Abstattungskreditvertrag aus dem Jahr 1993 ein neues Vertragsverhältnis mit der Beklagten begründet worden sei. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Teilzahlung verbleibe daher lediglich eine Überzahlung von 294,90 EUR. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bei einem Konsumentenkredit im Fall einer nichtigen Zinsanpassungsklausel zuzulassen sei. Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens führe in diesem Fall zur Anwendung des Indikators „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe". Dadurch werde nicht nur eine Relation zu den von der Beklagten selbst festgesetzten Einlagezinsen als Indikator für Zinsanpassungen verwendet, sondern indirekt auch der Geld- und Kapitalmarkt berücksichtigt, weil sich auch lokal agierende Kleinbanken wie die Beklagte bei der Verzinsung ihrer Primäreinlagen am Geld- und Kapitalmarkt orientierten, und zwar kurzfristige Spareinlagen am Geldmarkt und längerfristige Spareinlagen am Kapitalmarkt ausgerichtet würden. Auch sei die subjektive Äquivalenz gewahrt, weil die Anwendung einlagenseitiger Indikatoren die Marge für die Beklagte nicht ändere. Wäre sich die Beklagte der Ungültigkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel bewusst gewesen, so hätte sie den Indikator herangezogen, der ihrer Refinanzierungssituation am ehesten entsprochen hätte. Den Kreditnehmern hingegen wäre der Zusammenhang zwischen dem Zinsniveau für Einlagen und jenem für Kredite durchaus erkennbar gewesen, sodass auch für sie ein den einlageseitigen Aspekt hervorhebender Indikator am ehesten in Betracht gekommen wäre. Der Indikator „Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" sei durchaus objektiv, weil die Beklagte darauf keinen messbaren Einfluss habe. Die von der Klägerin angestrebte Klausel (Zinsgleitklausel ausgehend von SMR und VIBOR/EURIBOR) stelle ausschließlich auf den Geld- und Kapitalmarkt ab, ohne die übrigen Faktoren zu berücksichtigen, was angesichts der Refinanzierungssituation der Beklagten nicht ihrem hypothetischen Parteiwillen entsprochen hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt. Auf die vor dem von den Zedenten als Verbraucher mit der Beklagten vereinbarte Zinsanpassungsklausel ist § 6 Abs 1 Z 5 KSchG in folgender Fassung anzuwenden:

„Für den Verbraucher sind besonders solche Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, dass die für die Erhöhung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben sind und ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt". Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Zinsanpassungsklausel, die eine Bank berechtigt, den vereinbarten Zinssatz abzuändern, wenn sich das Zinsniveau für Einlagen oder auf dem Geld- oder Kapitalmarkt verändert oder kreditpolitische oder währungspolitische Maßnahmen Änderungen auf dem Kreditmarkt bewirken, mangels ausreichender Bestimmtheit ungültig ist (4 Ob 73/03v = SZ 2003/73 ua; zuletzt 3 Ob 236/05k; RIS-Justiz RS0117774). Dass dieses Nichtigkeitsurteil auch die im vorliegenden Fall zu beurteilende Zinsanpassungsklausel trifft, ist nicht mehr strittig. Die gesetzwidrige Vertragsbestimmung bewirkt nach dem Normzweck des § 6 KSchG aF die Teilnichtigkeit des Darlehensvertrags ex tunc. Es ist zwar die gesetzwidrige Klausel, nicht aber der gesamte Vertrag nichtig. Ein vertragliches Regelungsbedürfnis der in der nichtigen Klausel behandelten Ordnungsfrage ist zu bejahen, weil die Refinanzierung der Beklagten von mitunter stark schwankenden Parametern bestimmt wird, ist zu bejahen. Unzweifelhaft ist auch, dass die Parteien keinen Fixzinssatz wollten. Ein ersatzloses Wegfallen der nichtigen Bestimmung scheidet daher aus (4 Ob 73/03v mwN uva; RIS-Justiz 0016420).

Die Vertragsanpassung hat nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung und -ergänzung zu erfolgen. Als Behelf ergänzender Auslegung kommt zunächst die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen in Betracht. Die Suche nach einer angemessenen Regelung hat sich daran zu orientieren, was redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten, wenn sie sich bei Vertragsschluss der Ungültigkeit der von ihnen gewollten Zinsanpassungsklausel bewusst gewesen wären. Bei der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung ist insbesondere sicherzustellen, dass die Zinsanpassungsklausel die Bank nicht einseitig begünstigt. Es muss gewährleistet sein, dass eine Bank bei sinkendem Zinsniveau und Verbesserung der Refinanzierungskonditionen auch zur entsprechenden Herabsetzung des Zinssatzes gegenüber dem Kreditnehmer verpflichtet ist (Anpassungssymmetrie). Die Frage, was redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten, wenn sie sich bei Vertragsschluss der Ungültigkeit der hier zugrundegelegten Zinsanpassungsklausel bewusst gewesen wären, ist demnach danach zu beurteilen, was mit den in der tatsächlich zunächst vereinbarten Klausel angeführten Umstände gemeint war und ob es für die damit gemeinten Umstände - gemessen am Erfahrungshorizont und Zeitpunkt des Abschluss des Kreditvertrags - objektive Parameter gibt (4 Ob 73/03v mwN; zuletzt 3 Ob 236/05k). Sofern der „hypothetische Parteiwille" nicht feststellbar ist, ist hilfsweise auf die redliche Verkehrsübung sowie Treu und Glauben abzustellen. Selbst wenn feststünde, dass sich die Parteien wegen Übermacht einer Partei hypothetisch auf eine einseitig belastende Regelung geeinigt hätten, dürfte der Richter nur einen angemessenen Interessenausgleich vorsehen (6 Ob 172/05w mwN).

Der Oberste Gerichtshof hat in der E 6 Ob 172/05w zu einem dem vorliegenden Fall gleichgelagerten Kreditzinsenfall ausgeführt:

„Die prinzipielle Ablehnung des der Klage zugrundeliegenden aus dem Mittel von VIBOR und SMR gebildeten Indikators durch das Berufungsgericht steht mit der neueren Rechtsprechung nicht im Einklang. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 Ob 62/04i (= ecolex 2005, 445 = ÖBA 2005, 642) eine derartige, von zahlreichen Kreditinstituten seit 1997 verwendete Klausel als möglicherweise dem hypothetischen Parteiwillen am ehesten entsprechend angesehen, weil im zugrundeliegenden Fall schon in der ursprünglichen Klausel Elemente des Kredit- als auch des Geld- und Kapitalmarkts angedeutet waren. G. Graf pflichtete diesem Ansatz bei (G. Graf, ÖBA 2005, 648 [Anm zu 9 Ob 62/04i]). Die Maßgeblichkeit der späteren Vertragspraxis liegt darin, dass die Verwendung der Klausel durch die Bank zum Ausdruck bringt, dass diese Klausel aus ihrer Sicht am besten geeignet ist, das angestrebte Ziel der Anbindung des Vertragszinses an die allgemeine Entwicklung des Geld- und Kapitalmarkts zu gewährleisten (G. Graf aaO). In diesem Sinn könnten daher auch von der Beklagten nach 1997 verwendete (zulässige) Zinsgleitklauseln Aufschlüsse über den aus Sicht der Beklagten am ehesten geeigneten Indikator bieten. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in der ursprünglichen Zinsanpassungsklausel gerade nicht ausschließlich auf die Höhe der Einlagenzinssätze abgestellt, sondern auch auf Änderungen in der Bankrate, der Kapitalmarktrendite, kredit- und währungspolitische Maßnahmen und die Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten, mithin auch auf Aspekte des Kapital- und Geldmarkts. Im Hinblick darauf wäre das von der Revisionswerberin vertretene Abstellen nur auf die konkrete Refinanzierungssituation der Beklagten unter Ausklammerung der Entwicklung des Geld- und Kapitalmarkts einseitig.

Selbst wenn es zuträfe, dass sich ein durchschnittlicher Kreditnehmer am ehesten unter dem Begriff 'Einlagenzinsen' etwas 'vorstellen kann', vermag dies weder die einseitige und von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung losgelöste Bindung des Zinssatzes nur an den Einlagenzinssatz noch das Abstellen gerade auf den Indikator 'Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe' zu begründen. Gegen die Heranziehung des Indikators 'Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe' spricht zudem - abgesehen davon, dass nach den Feststellungen die Beklagte sich in den letzten drei Jahren nicht einmal selbst an den von ihr gewünschten Indikator gehalten hat -, dass dieser Indikator nicht veröffentlicht wird und daher allfällige Zinsänderungen vom Kreditnehmer in keiner Weise nachvollzogen werden können. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass die vom Kreditinstitut selbst festgesetzten Einlagenzinsen keinen ausreichenden Indikator für die Anpassung der Kreditzinsen darstellen (9 Ob 62/04i), weil es hier an einem ausreichend vorhersehbaren objektiven Merkmal fehlt. Ähnliche Bedenken stellen sich aber bei dem von der Beklagten gewünschten Abstellen auf die Einlagenzinsen einer - noch dazu regional beschränkten - Bankengruppe, der die Beklagte angehört."

Diesen Überlegungen, denen inzwischen auch der dritte Senat des Obersten Gerichtshofs gefolgt ist (3 Ob 236/05k), schließt sich auch der erkennende Senat an. Auch im vorliegenden Fall lag dem Kreditverhältnis eine Zinsanpassungsklausel zugrunde, die eine Änderung der vereinbarten Konditionen „entsprechend den jeweiligen Geld-, Kredit- oder Kapitalmarktverhältnissen" vorsah. Als Anlass für eine Änderung wurden (beispielsweise) nicht nur die Erhöhung der Einlagenzinssätze, der Bankrate oder der Kapitalmarktrendite angeführt, sondern auch kredit- und währungspolitische Maßnahmen genannt und überdies Änderungen über Bestimmungen für die Verzinsung geförderter Kredite erwähnt. Auch diese Zinsanpassungsklausel deutet daher daraufhin, dass die Vertragsparteien nicht nur eine Orientierung an der überwiegend aus Spareinlagen bestehenden Refinanzierung der Beklagten anstrebten, sondern durchaus auch eine Berücksichtigung des (allgemeinen) Geld- und Kapitalmarkts sowie des (allgemeinen) Kreditzinsenniveaus wünschten. Es ist daher auch in diesem Fall davon auszugehen, dass redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile in Kenntnis der Unwirksamkeit der tatsächlich vereinbarten Zinsanpassungsklausel vereinbart hätten, die Kreditzinshöhe auch schon vor 1997 in jener Weise anzupassen, wie dies ab 1997 bei österreichischen Kreditinstituten allgemein üblich wurde, also entsprechend dem arithmetischen Mittel aus Sekundärmarktrendite Bund und VIBOR/EURIBOR 3.

Da in diesem Verfahren nach dem beiderseitigen Parteienvorbringen unstrittig geblieben ist, dass bei Berücksichtigung des arithmetischen Mittels aus Sekundärmarktrendite Bund und VIBOR/EURIBOR 3 bei Anpassung der von den Schuldnern zu leistenden Kreditzinsen - unter Berücksichtigung der bereits im Laufe des Verfahrens von der Beklagten anerkannten überhöhten Verrechnung von 1.677,25 EUR - 2.796,37 EUR zuviel an Kreditzinsen gezahlt wurden, sind die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der berechtigten Revision der Klägerin im Sinne gänzlicher Klagestattgebung abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 41 ZPO, hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens iVm § 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Kennung XPUBL
Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in
ecolex 2006/320 S 754 - ecolex 2006,754 = ÖBA 2006,922
XPUBLEND
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00010.06H.0523.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAD-31580