OGH vom 25.02.2016, 2Ob185/15t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** A*****, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in Baden, gegen die beklagte Partei E***** P*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Schwarz KG in Oberpullendorf, wegen 10.000 EUR sA, über den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 85/15w 10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Oberpullendorf vom , GZ 2 C 83/15i 6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist die Enkelin der am verstorbenen Erblasserin. Diese hatte mit Notariatsakt vom der Beklagten, die nicht zum Kreis ihrer Pflichtteilsberechtigten gehört, diverse Liegenschaften übergeben. Die Beklagte als Übernehmerin verpflichtete sich, der Erblasserin als Entgelt für die Übergabe auf Lebensdauer unentgeltlich ein Fruchtgenussrecht am gesamten Vertragsvermögen einzuräumen, im Krankheitsfalle und bei zunehmendem Alter für entsprechende Pflege, Krankenpflege, Reinigung und Instandhaltung von Kleidung, Wäsche, Schuhen und Wohnung zu sorgen, sowie die Kosten eines ortsüblichen Begräbnisses zu bestreiten. Ausdrücklich wurde vereinbart, dass die Übergabe und Übernahme des Vertragsvermögens in den tatsächlichen Besitz und Genuss der Übernehmerin erst mit Ablauf des vereinbarten Fruchtgenussrechts erfolgt, von welchem Tag an auch Gefahr und Zufall sowie die Verpflichtung zur Leistung von Steuern und öffentlichen Abgaben auf die Übernehmerin übergehen sollten. Letztlich war dieser Vertrag mit Bezug auf die zwischen der Übernehmerin und dem Sohn der Übergeberin bestehende Ehe insofern resolutiv bedingt, als im Falle der Auflösung der Ehe aus welchem Grund immer die Übergabe „null und nichtig“ sein sollte, und die Übernehmerin bereits im Übergabsvertrag die Einwilligung erteilte, dass aufgrund dieses Vertrags sowie eines rechtskräftigen, gerichtlichen Scheidungserkenntnisses oder eines rechtskräftigen, behördlichen Nachweises über die Scheidung oder Auflösung der Ehe der Übernehmerin mit dem Sohn der Übergeberin das Eigentumsrecht am Vertragsvermögen für die Übergeberin grundbücherlich wieder einverleibt werden könne, wobei zur Sicherung dieses Anwartschaftsrechts auch ein grundbücherlich einzuverleibendes Belastungs und Veräußerungsverbot zugunsten der Übergeberin vereinbart wurde.
Die Klägerin begehrt mit der am eingebrachten Klage 10.000 EUR sA zur Deckung ihres Pflichtteils im Umfang eines Zwanzigstels des Werts der übergebenen Liegenschaft, weil ansonsten kein Nachlassvermögen vorhanden sei. Verfristung sei nicht eingetreten, weil noch keine Frist zu laufen begonnen habe. Die Übergeberin habe sich von der Liegenschaft überhaupt nicht getrennt, sondern die vollkommene Nutzung durch ein Fruchtgenussrecht bis zum Lebensende vorbehalten und darüber hinaus noch eine Resolutivbedingung für den Fall der Scheidung oder Auflösung der Ehe zwischen der Übernehmerin und dem Sohn der Übergeberin vereinbart.
Die Beklagte bestritt und vertrat die Ansicht, dass Schenkungen, sofern die vorgeschriebene Form erfüllt sei, gemacht seien. Der Zeitpunkt der Erfüllung sei gleichgültig. Selbst wenn aber die Übergabe als Schenkung anzusehen wäre und die zweijährige Frist zu Lebzeiten der Großmutter der Klägerin nicht zu laufen begonnen hätte, hätte sie jedenfalls am zu laufen begonnen und wäre daher im Zeitpunkt der Klage abgelaufen gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemacht sei eine Schenkung im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB schon dann, wenn ein formgerechter Schenkungsvertrag geschlossen worden sei. Der Zeitpunkt der Erfüllung sei unerheblich.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung über Berufung der klagenden Partei auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach 2 Ob 39/14w sei dann, wenn dem Beschenkten sowohl die Nutzungsmöglichkeit an der Liegenschaft als auch die Verfügungsmöglichkeit über deren Substanzwert bis zum Tod der Geschenkgeberin vorbehalten werde, die geschenkte Sache bis zum Wegfall der Einschränkung nicht aufgegeben und somit die Schenkung nicht im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“ worden, weshalb die dort normierte Frist nicht zu laufen begonnen habe. Dies gelte auch hier, weil nicht nur ein unentgeltliches Fruchtgenussrecht am gesamten Vertragsvermögen vorbehalten, sondern sogar die Übergabe und Übernahme des Vertragsvermögens erst mit dem Ablauf des vereinbarten Fruchtgenussrechts vereinbart, und weiters eine auflösende Bedingung im Hinblick auf den Bestand der Ehe zwischen der Übernehmerin und dem Sohn der Übergeberin eingeräumt worden sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, weil eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage des Beginns des Laufs der zweijährigen Frist des § 785 Abs 3 ABGB nicht vorhanden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs an den Obersten Gerichtshof § 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO) der beklagten Partei, der unter Bezug auf die Entscheidungen 1 Ob 198/71 und 1 Ob 652/92 auf die „jahrzehntelang gefestigte“ Rechtsprechung verweist, wonach eine Schenkung „gemacht“ sei, wenn ein formgerechter Schenkungsvertrag geschlossen worden sei. Der Fall der Entscheidung 10 Ob 45/07a habe eine Stiftungserklärung mit umfassendem Änderungsvorbehalt und Widerrufvorbehalt zugunsten des Stifters betroffen. Lediglich in der bislang vereinzelt gebliebenen Entscheidung 2 Ob 39/14w sei die Vermögensopfertheorie im Zusammenhang mit Schenkungen thematisiert worden. Diese Ansicht sei aber verfehlt, weil das Vermögensopfer bereits erbracht sei, wenn das Eigentum übertragen werde. Dann könne der Übergeber diese Sache nicht mehr durch Veräußerung zu Geld machen oder sich durch dessen Verwendung als Sicherungsmittel einen Kredit verschaffen. Wären solche Rechte fristschädlich, wäre dies mit einer nicht zu tolerierenden Rechtsunsicherheit verbunden. Auch sei der Entscheidung 2 Ob 39/14w eine Schenkung zugrunde gelegen, während es sich hier um einen Übergabsvertrag mit namhaften Gegenleistungen handle. Die Rekurswerberin beantragt daher die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung; in eventu, die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die neuerliche Entscheidung durch das Rekursgericht.
Die klagende Partei beantragt den Rekurs zurückzuweisen; in eventu, ihm keine Folge zu geben. Das Rechtsmittel zeige keine erhebliche Rechtsfrage auf, sondern führe lediglich eine Rechtsrüge aus. Auch inhaltlich komme dem Rekurs im Hinblick auf die Entscheidung 2 Ob 39/14w keine Berechtigung zu.
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab:
Rechtliche Beurteilung
1. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 39/14w (JBl 2014, 795 = NZ 2015, 20 [ Battlogg ] = EF Z 2015, 38 [ A. Tschugguel ] = [ Mondel ] = ecolex 2015, 273 [ Schoditsch ]) die zunächst in stiftungsrechtlichem Zusammenhang (10 Ob 45/07a SZ 2007/92 = EF Z 2007, 187 [ Zollner ] = ecolex 2007, 674 [ Limberg ] = GesRZ 2007, 437 [ Arnold ]) herangezogene „Vermögensopfertheorie“ auch auf die Schenkung von Liegenschaften angewendet. Werde dem Geschenknehmer sowohl die Nutzungs als auch die Verfügungsmöglichkeit bis zum Tod des Geschenkgebers vorenthalten, so sei die Schenkung trotz des Vertragsschlusses noch nicht im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten lag auch der Entscheidung 2 Ob 39/14w ein Übergabsvertrag zugrunde, der, insoweit keine entsprechende Gegenleistung vereinbart war, als Schenkung qualifiziert worden war.
2. Der erkennende Senat hat an dieser Entscheidung unter ausführlicher Auseinandersetzung der hiezu inzwischen ergangenen (auch kritischen) Stimmen im Schrifttum in 2 Ob 125/15v im Kern festgehalten und darauf hingewiesen, dass der Zweck der Zweijahresfrist in § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB nach den Gesetzesmaterialien darin liege, dass bei innerhalb dieser Frist gemachten Schenkungen typischerweise der Verdacht einer bewussten Verkürzung der Pflichtteilsberechtigten bestehe, diese typisierende Betrachtung aber voraussetze, dass der Geschenkgeber tatsächlich ein „Vermögensopfer“ erbringe. Der Annahme eines relevanten „Vermögensopfers“ stehe aber nicht nur die Möglichkeit, die Veräußerung durch einseitige Rechtshandlung rückgängig zu machen, sondern auch ein Zurückbehalten aller Nutzungen entgegen, unabhängig von einem (obligatorischen oder dinglich wirkenden) Belastungs-und Veräußerungsverbot. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei eine typisierende Betrachtung erforderlich: Das „Vermögensopfer“ könne bei Schenkungen einer Liegenschaft nur dann verneint werden, wenn sich der Geschenkgeber tatsächlich sämtliche Nutzungen durch Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts zurückbehalte, somit im Regelfall bei Fruchtnießung im Sinne des § 509 ABGB, und nicht dagegen wie im Falle der Entscheidung 2 Ob 125/15v bei Vorliegen eines (bloßen) Wohngebrauchsrechts.
3. Da also mittlerweile eine klare Entscheidungslinie vorliegt, der das Rechtsmittel keine neuen Argumente entgegensetzt, wird damit keine erhebliche Rechtsfrage an den Obersten Gerichtshof herangetragen.
4. Sollte sich daher im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass der vorliegende Übergabsvertrag eine (teilweise) Schenkung darstellt, steht die Frist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB dem Klagebegehren nicht entgegen. Im Falle der Klagestattgebung wird auch auf die Umformulierung des Klagebegehrens in der Streitverhandlung vom (ON 5) Bedacht zu nehmen sein, die bei der Spruchformulierung in ON 6 offensichtlich „übersehen“ wurde.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, dient ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (RIS Justiz RS0035979).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00185.15T.0225.000