OGH vom 08.09.2009, 1Ob101/09y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stefan G*****, gegen die beklagte Partei Dr. Wolfgang S*****, vertreten durch Stütz & Ortner Rechtsanwälte GesbR in Linz, wegen 15.000 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 180/08s-11, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 1 Cg 86/08z-7, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 976,68 EUR (darin enthalten 162,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Wilma O***** (im Folgenden: „Zedentin") wurde vom hier klagenden Rechtsanwalt in diversen Zivil- bzw Strafverfahren vertreten. Sie brachte gegen den hier beklagten Rechtsanwalt beim Landesgericht Linz am eine Schadenersatzklage ein. Aus dieser beim Landesgericht Linz geltend gemachten Schadenersatzforderung trat sie dem Kläger am mittels „stiller Zession" 15.000 EUR zur Abdeckung dessen offener Honorarforderungen ab. Das Verfahren vor dem Landesgericht Linz endete am mit einem Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, bis 30.000 EUR an die Zedentin zu leisten. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Schärding vom wurde einer Bank die Exekution durch Pfändung und Überweisung der den Gegenstand des Vergleichs bildenden Forderung der Zedentin gegen den Beklagten bewilligt. Diesem wurde als Drittschuldner die Auszahlung der gepfändeten Forderung an die Zedentin verboten und aufgetragen, innerhalb von vier Wochen die Drittschuldnererklärung zu übermitteln. Dieser Beschluss wurde dem Beklagten am zugestellt. Einen Tag später, am , ging diesem ein Telefax zu, in dem ihn der Kläger von der Zession der 15.000 EUR verständigte und ihn zur Zahlung dieses Betrags an ihn bis spätestens aufforderte. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach, sondern überwies Anfang März 2008 den „Vergleichsbetrag" auf ein Treuhandkonto der Bank.
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 15.000 EUR in Anspruch. Die Zession sei eine „Vollzession", bei welcher die Forderung durch die am schriftlich festgestellte Willensübereinstimmung zwischen der Zedentin und ihm auf ihn übergegangen sei. Das spätere gerichtliche Pfandrecht erfasse diese Forderung nicht, weil Letztere noch vor Begründung des Pfandrechts übertragen worden sei. Die trotz Verständigung von der Zession geleistete Zahlung wirke nicht schuldbefreiend.
Der Beklagte wendete ein, dass die Umstände der behaupteten Abtretungserklärung „äußerst sonderbar" erschienen. Die Abtretungserklärung sei unmittelbar nach Einbringung der Schadenersatzklage beim Landesgericht Linz erfolgt, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zedentin noch gar nicht habe wissen können, ob und in welchem Umfang ein Vergleich geschlossen werde. Gehe man dennoch von einer „Vollzession" aus, bedeute dies, dass die aktive Klagslegitimation auf den Neugläubiger übergegangen sei. In diesem Fall habe der Zedentin im Schadenersatzprozess vor dem Landesgericht Linz aber bereits die Klagslegitimation gefehlt. Das „Grundgeschäft" und sohin auch das vor dem Landesgericht Linz abgeführte Verfahren seien deshalb nichtig. Das Vorliegen einer „stillen Zession" werde bestritten. Sollte eine solche vorliegen, gehe das Pfandrecht der Bank vor, weshalb der an die Bank geleisteten Zahlung schuldbefreiende Wirkung zukomme.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, seine Forderung gerichtlich geltend gemacht bzw Exekution geführt zu haben, weshalb der Beklagte der Bank völlig zu Recht die gerichtlich gepfändete Forderung überwiesen habe. Im Übrigen könne ein Drittschuldner einem betreibenden Gläubiger, der durch Forderungspfändung Rechte an einer zedierten Forderung erlangt habe, die vorangegangene „stille Zession" nicht entgegen halten.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Klagebegehren Folge gab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Da die Zession bereits vor Zustellung des Zahlungsverbots erfolgt sei, sei die Forderung gemäß § 300a Abs 1 EO nicht von der gerichtlichen Pfändung erfasst und diese sohin wirkungslos gewesen. Die Zahlung an die Bank sei nicht schuldbefreiend, der Beklagte müsse (ein weiteres Mal) an den Kläger als Zessionar leisten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten ist unzulässig.
1. Durch Abs 1 des mit der EO-Novelle 1991 eingefügten § 300a EO ist nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass die Pfändung einer Forderung diese dann nicht erfasst, wenn sie vor Zustellung des Zahlungsverbots zediert worden ist. In solchen Fällen geht die Exekution schlicht ins Leere. Der Drittschuldner hat eine vorrangige Zession zu beachten und die Forderung an den Zessionar zu zahlen. Ist der Drittschuldner von einer (vorrangigen) Zession verständigt worden, kann er nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den betreibenden Gläubiger leisten (3 Ob 2078/96a; Oberhammer in Angst, EO2 § 300a Rz 1 mwN). Maßgeblich ist die zeitliche Reihenfolge vom Wirksamwerden der Zession und Zustellung des Zahlungsverbots. Ist eine Zession vor Zustellung des Zahlungsverbots wirksam geworden, hat der Drittschuldner das Gericht gemäß § 301 Abs 1 Z 3 EO von der Zession in Kenntnis zu setzen und die Zahlung an den betreibenden Gläubiger zu verweigern.
2. Zur Frage, ob zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbots die Zession wirksam zustande gekommen war, traf das Erstgericht die Feststellung, die Zedentin habe die Forderung „mittels stiller Zession" am (Blg ./C) abgetreten. Der Inhalt dieser Feststellung ist auslegungsbedürftig, da dem Begriff „stille Zession" zwei Bedeutungen beigemessen werden könnten. Vorwiegend in der älteren Rechtsprechung wurde als „stille Zession" jene Zession bezeichnet, bei der sich der Zedent verpflichtet, die Forderung im eigenen Namen einzutreiben und sodann die vom Schuldner erhaltene Leistung an den Zessionar abzuliefern. Aufgrund dieser Vereinbarung verbleibt die Forderung im Vermögen des Gläubigers, der Zedent ist - wie jeder indirekte Stellvertreter - zur Eintreibung im eigenen Namen legitimiert, auch wenn dem anderen Teil bekannt ist, dass er für Rechnung eines anderen auftritt (RIS-Justiz RS0032609, RS0000735, RS0032602; jüngst noch 3 Ob 234/08w = ÖBA 2009, 527 mit kritischer Anmerkung Apathys). In der Entscheidung 3 Ob 522/95 (= SZ 68/36) wurde aber bereits ausgesprochen, dass als stille Zession nur eine solche bezeichnet werden sollte, bei der der Schuldner vorerst von der Zession nicht verständigt wird. Nach § 1392 ABGB sei Wesensmerkmal einer Zession, dass eine Forderung von einer Person an die andere übertragen und von dieser angenommen werde. Gehe man vom klaren Wortlaut des § 1392 ABGB aus, so führe jede Zession (gleichgültig, ob der Schuldner davon verständigt werden soll oder nicht) zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit. Es sei daher nicht nur zur Beendigung der in der Praxis entstandenen Begriffsverwirrung zweckmäßig, sondern vor allem aus dogmatischen Gründen geboten, dem Begriff „stille Zession" in Hinkunft nur mehr die zuletzt genannte Bedeutung beizumessen. Diesen Ausführungen wurde in der Folge im Schrifttum (Iro, RdW 1995, 375; Apathy aaO) und in weiteren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (insbesondere 1 Ob 638/95 = SZ 69/57) beigetreten. Auch der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht vollinhaltlich an.
Im Sinne der Ausführungen in 3 Ob 522/95 ist auch die vom Erstgericht getroffene Feststellung zu verstehen, es liege in Ansehung der 15.000 EUR eine „stille Zession" vor. Dies ergibt sich nicht nur aus der Abtretungserklärung (Blg ./C) selbst, wonach die Zedentin „nunmehr" die Forderung abtritt, sondern auch aus dem in der Beweiswürdigung enthaltenen Hinweis auf das Vorbringen des Klägers, der dem Begriff „stille Zession" eindeutig diese Bedeutung zumaß.
Ist aber ein Übergang der Rechtszuständigkeit bereits am erfolgt, geht die Forderungsexekution aufgrund des erst später erworbenen gerichtlichen Pfandrechts ins Leere. Der Beklagte hätte gegenüber der Bank die Zahlung verweigern müssen.
3. Auch mit dem Vorbringen, das Verfahren bzw der Vergleich vor dem Landesgericht Linz sei nichtig, zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Wie er in erster Instanz selbst vorbrachte, erfolgte die Abtretungserklärung „unmittelbar nach Klageeinbringung". Nun wurde - wie sich dem Akt 1 Cg 133/07k des Landesgerichts Linz unschwer entnehmen ließ und als gerichtsbekannt angenommen werden muss - die Klage der Zedentin dem Beklagten am zugestellt und war damit Streitanhängigkeit gegeben. Wird aber eine streitverfangene Forderung während des Prozesses abgetreten, hat dies auf den Rechtsstreit keinen Einfluss (§ 234 ZPO). Auf die Zession ist nicht Rücksicht zu nehmen, sondern in der Sache so zu entscheiden, als ob die Zession nicht erfolgt wäre. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Änderung der Rechtszuständigkeit nach Streitanhängigkeit für die materiellrechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs ohne Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0039242). Der Zedentin kam im Schadenersatzprozess vor dem Landesgericht Linz somit weiterhin die Aktivlegitimation zu. Schon deshalb kann von der behaupteten Nichtigkeit keine Rede sein.
Dies führt zur Zurückweisung der Revision als unzulässig.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.