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Berufungsentscheidung - Strafsachen (Senat), UFSW vom 11.10.2011, FSRV/0015-W/11

Berufung des Amtsbeauftragten gegen die Strafhöhe. Der durch die Tat lukrierte Zinsgewinn als Untergrenze der Geldstrafe. Keine Feststellungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschuldigten im erstinstanzlichen Erkenntnis.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0015-W/11-RS1
Der durch die Tat lukrierte Zinsgewinn ist als äußerste Untergrenze der Geldstrafe anzusehen, bei deren Unterschreitung eine Geldstrafe ihren Zweck verfehlen würde (vgl. , ). Da die eingeschränkte Liquidität des Beschuldigten Ursache für die sehr späte Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben war und nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Beschuldigte die Gelder bis zu deren Bezahlung verzinslich anlegte, bestand sein Zinsgewinn in der Ersparnis von Fremdfinanzierungskosten.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Finanzstrafsenat Wien 2 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger, das sonstige hauptberufliche Mitglied Hofrat Mag Gerhard Groschedl sowie die Laienbeisitzer Dr. Wolfgang Seitz und Mag. Dr. Jörg Krainhöfner als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen E.S., Adresse1, vertreten durch Hübner & Hübner WP u. StB GmbH & Co KG, 1120 Wien, Schönbrunner Straße 222, wegen des Finanzvergehens der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung des Amtsbeauftragten AB vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 als Organ des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom , SpS, nach der am in Anwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers Mag. Klaus Hübner, des Amtsbeauftragten AB sowie der Schriftführerin E.M. durchgeführten mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

Der Berufung des Amtsbeauftragten wird Folge gegeben und der Strafausspruch sowie der Kostenausspruch des angefochtenen Erkenntnisses des Spruchsenates wie folgt abgeändert:

Gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG, unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG, wird über den Beschuldigten eine Geldstrafe in Höhe von € 6.000,00 und eine gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Tagen verhängt.

Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG hat der Beschuldigten die Kosten des Finanzstrafverfahrens in Höhe von € 500,00 zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom , SpS, wurde der Beschuldigte E.S. der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG für schuldig erkannt, er habe im Bereich des Finanzamtes Wien 8/16/17 vorsätzlich Lohnsteuer für 1-12/2007 in Höhe von € 21.194,00, für 4-12/2008 in Höhe von € 21.144,00 und für 1-12/2009 in Höhe von € 23.822,00 nicht spätestens am 5. Tag nach jeweils eingetretener Fälligkeit entrichtet.

Gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG wurde über den Beschuldigten deswegen eine Geldstrafe in Höhe von € 4.000,00 und eine gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen verhängt.

Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG habe der Beschuldigte die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 363,00 zu ersetzen.

Begründend wird im Erkenntnis des Spruchsenates ausgeführt, über die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse des finanzstrafrechtlich unbescholtenen Beschuldigten würden dem Spruchsenat keine Angaben vorliegen. Er habe Sorgepflichten für zwei Kinder.

Der Beschuldigte habe es unterlassen, für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume die lohnabhängigen Abgaben zeitgerecht abzuführen. Einer diesbezüglich vor Beginn einer abgabenbehördlichen Prüfung erstatteten Selbstanzeige komme mangels damit verbundener Entrichtung eine strafbefreiende Wirkung zu.

Im eingeleiteten Finanzstrafverfahren liege eine geständige Rechtfertigung vor.

Nach Zitieren der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen stellte der Spruchsenat fest, das Verhalten des Beschuldigten erfülle das vom Gesetz vorgegebene Tatbild in objektiver und subjektiver Hinsicht und es sei daher mit einem Schuldspruch vorzugehen gewesen.

Bei der Strafbemessung sah der Spruchsenat als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten, sein Geständnis und die volle Schadensgutmachung, als erschwerend hingegen keinen Umstand an.

Bei Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und die Täterpersönlichkeit sei die ausgesprochene Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.

Die Entscheidung über die Kosten beruhe zwingend auf der genannten Gesetzesstelle.

Gegen dieses Erkenntnis des Spruchsenates richtet sich die vorliegende frist- und formgerechte Berufung des Amtsbeauftragten AB, welche sich gegen die Höhe der festgesetzten Strafe richtet.

Es wird beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und eine tätergerechte und schuldangemessene höhere Strafe zu verhängen.

Zur Begründung führt der Amtsbeauftragte aus, mit dem angefochtenen Erkenntnis sei der Beschuldigte der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG hinsichtlich Lohnsteuer 1-12/2007, 4-12/2008 und 1-12/2009 in einer Höhe von insgesamt ca. € 66.000,00 für schuldig erkannt worden.

Als mildernd seien bei der Strafbemessung die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten, sein Geständnis, sowie die Schadensgutmachung, als erschwerend hingegen kein Umstand berücksichtigt worden.

Nach Ansicht des Finanzamtes wäre auch der Umstand, der sich über einen Deliktszeitraum von beinahe drei Jahren erstreckenden, wiederholten Tatentschlüsse als erschwerend zu berücksichtigen.

Nicht unberücksichtigt solle bleiben, dass die verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben erst ca. ein halbes bis zu dreieinhalb Jahren verspätet entrichtet worden seien. Stelle man nun die Höhe der mit lediglich 6% des strafbestimmenden Wertbetrages verhängten Geldstrafe dem angefallenen Zinsgewinn, eventuell sogar einem nicht eingetretenen Zinsverlust gegenüber, so erscheine - da eventuell sogar hinter den durch die verspätete Entrichtung erwirkten wirtschaftlichen Vorteil zurückbleibend - eine präventive Wirkung der Strafe nicht gegeben.

Es werde daher beantragt, eine entsprechend höhere, auch den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessene Geldstrafe festzusetzen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters.

Abs. 2: Bei Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob die Verkürzung oder der Abgabenausfall endgültig oder nur vorübergehend hätte eintreten sollen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß.

Abs. 3: Bei der Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

Abs. 4: Bei Finanzvergehen, deren Strafdrohung sich nach einem Wertbetrag richtet, hat die Bemessung der Geldstrafe mit mindestens einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe zu erfolgen. Die Bemessung einer diesen Betrag unterschreitenden Geldstrafe aus besonderen Gründen ist zulässig, wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt.

Die gegenständliche Berufung richtet sich ausschließlich gegen die Strafhöhe.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher von einer Teilrechtskraft des Schuldspruches auszugehen, welcher daher keiner näheren Überprüfung zu unterziehen war.

Gemäß der Bestimmung des § 23 FinStrG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters, wobei Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen sind und bei der Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten zu berücksichtigen sind.

Ausgehend von der Schuldform des Eventualvorsatzes der zugrunde liegenden Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG sah der Spruchsenat bei der Strafbemessung als mildernd zutreffend die bisherige finanzstrafbehördliche Unbescholtenheit des Bw., sein Geständnis und die zur Gänze erfolgte Schadensgutmachung an.

Zu der geständigen Rechtfertigung des Bw. ist auszuführen, dass sich diese sowohl auf die objektive als auch die subjektive Tatseite bezog, hat er doch im Rahmen einer (nicht strafbefreienden) Selbstanzeige die verfahrensgegenständlichen Lohnabgaben eigenständig offengelegt und in der Folge auch eine vollinhaltlich geständige Rechtfertigung zur subjektiven Tatseite abgegeben. Wenn dazu in dem die mündliche Berufungsverhandlung vorbereitenden Schriftsatz des Verteidigers vom ausgeführt wird, dass der Milderungsgrund der rechtzeitigen, jedoch nicht strafbefreienden Selbstanzeige weit schwerer wiege als ein bloßes Geständnis, so ist diesem Vorbringen entgegen zu halten, dass die zugrunde liegende Selbstanzeige nach Anmeldung der Außenprüfung vor Prüfungsbeginn abgegeben wurde und somit die Tatentdeckung unmittelbar bevorstand, sodass hier ein über die vollinhaltlich geständige Rechtfertigung des Beschuldigten hinausgehender Milderungsgrund nicht gesehen werden kann.

Laut Aktenlage erfolgte die gänzliche Schadensgutmachung durch eine am auf seinem Abgabenkonto eingegangene Überweisung in Höhe von € 70.000,00.

Zu Recht bringt der Amtsbeauftragte in der gegenständlichen Berufung vor, dass bei der erstinstanzlichen Strafbemessung der Erschwerungsgrund des oftmaligen Tatentschlusses über einen Tatzeitraum von drei Jahren unberücksichtigt blieb, hat doch der Spruchsenat keine erschwerenden Umstände berücksichtigt.

Zudem unterblieben im erstinstanzlichen Verfahren und im angefochtenen Erkenntnis des Spruchsenates Feststellungen zu der gemäß § 23 Abs. 3 FinStrG bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschuldigten. Dazu ist festzustellen, dass das Einkommen des Beschuldigten des letztveranlagten Jahres 2010 € 18.798,19 betrug, dasjenige des Jahres 2009 € 155.881,26. Entsprechend seiner schriftlichen geständigen Rechtfertigung vom ist der Bw. Eigentümer einer Liegenschaft in Adresse2. Zudem ist der Beschuldigte noch Hälfteeigentümer einer Liegenschaft in Adresse3 (Grundbuch XY). Sein derzeitiger Rückstand auf dem Abgabenkonto beträgt € 25.237,89. Es ist daher insgesamt von einer geordneten wirtschaftlichen Situation des Beschuldigten auszugehen. Dies bei Sorgepflichten für zwei Kinder.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der durch die Tat lukrierte Zinsgewinn als äußerste Untergrenze der Geldstrafe anzusehen, bei deren Unterschreitung eine Geldstrafe ihren Zweck verfehlen würde (vgl. , ). Zieht man in Betracht, dass die verfahrensgegenständlichen Verkürzungsbeträge an Lohnsteuer nach der Aktenlage allesamt Mitte Juni 2010 entrichtet wurden, also deren Entrichtung bis zu drei Jahren und vier Monaten unterblieb (in Bezug auf Lohnsteuer Jänner 2007), so wird deutlich, dass die erstinstanzlich verhängte Geldstrafe auch unter dem Blickwinkel des vom Beschuldigten erzielten Zinsvorteiles als zu gering bemessen anzusehen ist. Da die eingeschränkte Liquidität des Beschuldigten Ursache für die sehr späte Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Lohnabgaben war, ist nicht (wie im vorbereitenden Schriftsatz vom dargestellt) davon auszugehen, dass sein Zinsgewinn darin bestand, dass er die Gelder für die Entrichtung der Lohnsteuer bis zu deren Bezahlung verzinslich anlegte und damit Habenzinsen lukrierte, sondern dass sein Zinsvorteil vielmehr in niedrigeren Fremdfinanzierungszinsen lag.

Weiters ist dem Berufungsvorbringen des Amtsbeauftragten dahingehend zuzustimmen, dass der spezialpräventive Strafzweck durch die erstinstanzlich zu gering verhängte Strafe ganz offenkundig nicht erfüllt wurde. Dazu wird festgestellt, dass der Beschuldigte nach Zustellung des gegenständlichen Spruchsenatserkenntnisses am die Lohnabgaben 1-4/2001 neuerlich wesentlich verspätet entrichtet hat. Für Lohnabgaben ab Mai 2011 hat er eine rechtzeitige Meldung bzw. Entrichtung überhaupt unterlassen, weswegen die Höhe der vom Spruchsenat verhängten Strafe den spezialpräventiven Strafzweck verfehlt hat.

Der Berufung des Amtsbeauftragten war daher Folge zu geben und die dem Beschuldigten zu verhängende Geldstrafe auf ein Ausmaß zu erhöhen, welche den obgenannten Strafzumessungsgründen entspricht.

Auch die gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG neu bemessene Ersatzfreiheitsstrafe entspricht nach Dafürhalten des erkennenden Berufungssenates dem festgestellten Verschulden des Beschuldigten unter Berücksichtigung der obgenannten Milderungsgründe und des Erschwerungsgrundes.

Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG in Verbindung mit § 265 Abs. 1p FinStrG in der Fassung der Finanzstrafgesetz-Novelle 2010, BGBl I 104/2010, war aus Anlass der Berufung der Kostenausspruch des erstinstanzlichen Erkenntnisses auf € 500,00 (statt bisher € 363,00) zu erhöhen. Die Bemessung der Kosten des Strafverfahrens ist vom Verböserungsverbot des §   161 Abs. 3 FinStrG nicht erfasst (vgl. Slg 1736/54 und Kommentar Fellner, Rz. 12 zu § 161 FinStrG, sowie Reger/Hacker/Kneidinger "Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar und Rechtsprechung", Rz. 23 zu § 161 FinStrG) .

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
StExp 2011/353

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at