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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.10.2011, RV/1722-W/11

Familienbeihilfe - Ausbildung zur Seelsorgerin am Islamischen Institut in Österreich

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. Faber, Mag. Kühteubl, Rechtsanwälte, 2700 Wr. Neustadt, Neunkirchner Straße 34, gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt betreffend Familienbeihilfe ab entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) beantragte im Mai 2011 für seine Tochter E., geb. 1993, die Familienbeihilfe ab April 2011.

E. absolvierte 2010/11 die Ausbildung zur Seelsorgerin am Islamischen Institut in Österreich. Die Ausbildung dauert 4 Jahre; ein Ausbildungsjahr umfasst den Zeitraum von Oktober bis Ende Juni/Anfang Juli des Folgejahres. Die Feiertage und Semesterferien richten sich nach österreichischem Schulrecht. E. besuchte die dritte Klasse vom bis .

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass die Ausbildung zur Seelsorgerin im Islamischen Institut keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstelle.

Der Bw. - nunmehr steuerlich vertreten - erhob gegen den Abweisungsbescheid fristgerecht Berufung und begründete diese wie folgt:

"...Die Tochter des Berufungswerbers besucht derzeit die erste Klasse des islamischen Institutes in 1100 Wien.... Die Tochter des Berufungswerbers erlernt den Beruf der Seelsorgerin. Mit dieser Ausbildung kann die Tochter des Berufungswerbers in den verschiedensten islamischen Institutionen in Österreich arbeiten.

Die seelsorgliche Begleitung im islamischen Glauben entspricht dem Beruf der Pastoralassistentin im katholischen Glauben. Der Islam ist in Österreich eine anerkannte Staatsreligion. Niemand darf aufgrund seiner Religion diskriminiert werden. Würde die Ausbildung zur Seelsorgerin nach islamischem Recht nicht anerkannt werden, so handelt es sich um einen Grundrechtsverstoß.

§ 2/1 lit. b FLAG besagt, dass Anspruch auf Familienbeihilfe volljährige Kinder haben, die das 26. Lebensjahr noch nicht beendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, soweit sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Dass eine Berufsausbildung zur Seelsorgerin im islamischen Institut kein Beruf im Sinne des FLAG ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und daher willkürlich. Eine solche grundrechtswidrige Auslegung darf dem Gesetz nicht unterstellt werden.

Wie der Ausbildungsbestätigung zu entnehmen ist, nimmt die Berufsausbildung Frau E.C. die volle Zeit (30 Unterrichtsstunden in der Woche) in Anspruch. Nach ständige Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Genau dies liegt im konkreten Fall vor.

Darüber hinaus erhalten die Mitschüler/innen von Frau E.C., die in die Zuständigkeit des Finanzamtes Baden und Wien fallen, ebenso die Familienbeihilfe weiter..."

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Die steuerliche Vertretung des Bw. übermittelte über Anforderung der Berufungsbehörde

- eine korrigierte Bestätigung des islamischen Instituts, derzufolge die Tochter des Bw. ab Oktober 2008 bis Juli 2011 die Seelsorgerinnen-Ausbildung des islamischen Instituts besucht hat;

- einen Prüfungsnachweis über das Sommersemester 2011 vom , aus dem hervorgeht, dass die Tochter insgesamt 13 Pflichtgegenstände positiv absolviert hat, in Fiqh (islamische Rechtslehre) offenbar wegen Fehlstunden nicht beurteilt wurde und nicht zum Aufsteigen in die nächst höhere Schulstufe berechtigt ist;

- einen Stundenplan, aus dem hervorgeht, dass im dritten Schuljahr 45 Wochenstunden à 40 Minuten zu absolvieren sind und pro Semester zwei Prüfungen in jedem Fach stattfinden.

Die Berufungsbehörde richtete an das Finanzamt als Amtspartei folgendes Schreiben:

"Wie aus dem beigeschlossenen Prüfungsnachweis sowie dem Stundenplan ersichtlich ist, handelt es sich bei der Ausbildung zur Seelsorgerin um einen Lehrgang, der in zeitlicher Hinsicht die an eine Berufsausbildung iSd FLAG geknüpften Voraussetzungen erfüllt. Gleiches gilt für die Art der Ausbildung; entscheidend ist nämlich, welche Voraussetzungen nach den kircheninternen Normen tatsächlich für die Zulassung als Religionslehrer bestehen ( ; , 2009/16/0232; , 2010/16/0128 )...

Verwiesen wird weiters auf die im FB-Akt abgeheftete Entscheidung des , mit der der Berufung in einem Parallelfall stattgegeben wurde. Die Berufungsbehörde beabsichtigt daher, auch der vorliegenden Berufung Folge zu geben."

Das Finanzamt nahm das Schreiben ohne weitere Äußerung zur Kenntnis.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26.Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Vom Finanzamt wurde nicht bestritten, dass die Tochter der Bw. am islamischen Institut zur Seelsorgerin ausgebildet wird. Das Finanzamt vertritt allerdings die Ansicht, dass die Ausbildung zur Seelsorgerin am islamischen Institut keine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt.

In , führt der Gerichtshof Folgendes aus::

"Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Zur Berufsausbildung gehört aber zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung. Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/14/0100, vom , Zl. 2003/13/0157, vom , Zl. 2006/15/0178, und vom , Zl. 2006/15/0080)...

Zur Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG zählt aber nicht nur die Ausbildung an einer Schule. Eine Ausbildung, die nach Art und Dauer die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht, vermittelt den Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie die übrigen von der Rechtsprechung geforderten, oben angeführten Voraussetzungen erfüllt.

Von einer Berufsausbildung kann auch dann ausgegangen werden, wenn es in Österreich keinen "gesetzlich festgesetzten Ausbildungsweg" gibt (vgl. das zur Berufsausbildung zum Tonassistenten ergangene hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0192). Selbst wenn für bestimmte Ausbildungsrichtungen oder Zweige eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. etwa die zum Besuch einer Maturaschule ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 90/14/0108 und vom , 2000/14/0093, sowie das zur Studienberechtigung ergangene Erkenntnis vom , 2006/15/0178)..."

Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke FLAG, § 2 Rz 36).

Gemessen an diesen Kriterien ist in die Ausbildung der Tochter des Bw. zur islamischen Seelsorgerin als Berufsausbildung iSd FLAG anzusehen; wie bereits im Schreiben an das Finanzamt festgehalten, ist für die Art der Ausbildung entscheidend, welche Voraussetzungen nach den kircheninternen Normen tatsächlich für die Zulassung als Religionslehrer bestehen (zur Verfassung der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich sh. die bereits zitierte Entscheidung des ). Auch in zeitlicher Hinsicht nahm die Ausbildung die volle Zeit der Tochter in Anspruch. Da sie tatsächlich Prüfungen abgelegt hat, ist auch nicht entscheidend, ob sie zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe berechtigt ist oder nicht.

Wien, am

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