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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 03.10.2011, RV/2684-W/11

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen wegen Studienwechsels

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, vertreten durch ADir. Rudolf Stifter, vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis  entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der Bescheid, wird betreffend den Rückforderungszeitraum vom bis zum aufgehoben.

Die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für das Kind S werden als für den Zeitraum bis unrechtmäßig bezogen im Ausmaß von 2.979 € (FB) sowie von 970,30 € (KAB) rückgefordert.

Entscheidungsgründe

In Anbetracht der Tatsache, dass die Bw. dem, dem Finanzamt am übermittelten Formular "Überprüfung das Anspruches der Familienbeihilfe" für ihren im Jahr 1986 geborenen Sohn S sowohl eine Bestätigung des Studienerfolgs der TU Wien hinsichtlich der im Studienfach "Wirtschaftsingenieurwesen- Maschinenbau" im Zeitraum bis absolvierten Prüfungen (6 Prüfungen bzw. 14 ECTS- Punkte), als auch Leistungsnachweise für das Wintersemester 2008/2009, das Sommersemester 2009 sowie das Wintersemester 2009/2010 der FH Campus Wien für das FH- Bachelor Studium "High Tech Manufacturing" nachgereicht hat, wurde diese mit Vorhalt vom aufgefordert den Zeitpunkt des Studienwechsels ihres Sohnes bekannt zu geben.

Den nunmehr nachgereichten Unterlagen konnte entnommen werden, dass der Sohn der Bw. vom bis inklusive Sommersemester 2008 als Hörer des Bachelorstudiums "Wirtschaftsingenieurwesen- Maschinenbau" an der TU Wien gemeldet gewesen sei.

Mit der Begründung, dass im Falle eines Studienwechsels nach dem dritten inskribierten Semester, respektive im zweiten Ausbildungsjahr ein Anspruch auf Familienbeihilfe erst dann bestehe, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium zurückgelegt hat, wurden mit Bescheid vom Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge als im Zeitraum vom bis zum unrechtmäßig bezogen, rückgefordert.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom führte die Bw. -unter Vorlage einer entsprechenden Bestätigung des Lehrgangsleiters der FH Campus Wien - begründend aus, dass ihr Sohn S seit dem ordentlicher Student des Bachelorstudiengangs "High Tech Manufacturing" sei, wobei anzumerken sei, dass nämlicher Studienlehrgang erstmals und zwar beginnend mit dem Wintersemester 2008/2009 angeboten worden sei.

Es seien seitens der FH Campus Wien zwar einige Lehrveranstaltungen der TU aus dem Bachelorstudium "Maschinenbau" zur Anrechnung gelangt, dessen ungeachtet sei, - wie bereits an oberer Stelle ausgeführt, - ob des erstmaligen Starts des Studiengangs der Einstieg in ein höheres Semester nicht möglich gewesen.

Derzeit absolviere S das 5. Semester, welches mit Ende Jänner 2011 beendet werde. Im Übrigen liege nach dem Dafürhalten der Bw. generell kein Studienrichtungswechsel vor, sondern sei vielmehr nur eine Änderung in Bezug auf das lehrende Institut eingetreten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde dem Rechtsmittel der Bw. dahingehend entsprochen, in dem das Finanzamt in Abänderung des angefochtenen Bescheides den Rückforderungszeitraum vom bis zum eingeschränkt hat.

Hierbei vertrat die Abgabenbehörde erster Instanz unverändert die Ansicht, dass im vorliegenden Fall- in Ermangelung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 17 Abs. 2 StudFG, der gemäß ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 leg. cit. im Falle der Anrechnung der Vorstudienzeiten (30 ECTS/Semester) von einem Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 StudFG auszugehen sei. Insoweit seien daher entsprechend letztgenannter Norm alle Semester aus den vorherigen Studien, von denen eine Fortsetzungsmeldung vorgelegen sei und für die Familienbeihilfe bezogen worden sei in Bezug auf die Wartezeit bis zu Wiedergewährung der Familienbeihilfe für das neue Studium heranzuziehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die FH Campus Wien evidenter Maßen auf der TU Wien absolvierte Prüfungen im Umfang von 14 ECTS zur Anrechnung gebracht habe sei in Abweichung des Rückforderungsbescheids vom der Rückforderungszeitraum um das Sommersemester 2010 zu "reduzieren".

In dem mit datierten Vorlageantrag führte die Bw. ins Treffen, dass ihr Sohn erstmals im Wintersemester 2008/2009 in der Lage gewesen sei das zwischenzeitig am mit dem Grad eines Bachelor abgeschlossene Studium zu wählen. Ungeachtet dessen habe S alle 6 Semester des neuen Studiums nicht nur einen günstigen Studienerfolg gehabt, sondern auch zwei Semester mehr als beim vorherigen Studium absolviert. Darüber hinaus gebe die Bw. zu bedenken, dass ihr Sohn nicht nur seinen Präsenzdienst geleistet habe, sondern auch danach trachte, seine Ausbildung mit dem Masterstudium fortzusetzen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG ordnet an, dass bei einem Studienwechsel die in § 17 StudFG 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe gelten.

Die in dieser Verweisungsnorm genannte Vorschrift des § 17 StudFG 1992 hat in ihrer für den Streitzeitraum geltenden Fassung folgenden Wortlaut:

Studienwechsel

§ 17. (1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat. "

Einleitend ist festzuhalten, dass in Anbetracht des Faktums, dass das FLAG für den Fall eines Studienwechsel auf die Bestimmung des § 17 StudFG 1992 verweist, ist für die Anwendbarkeit letztgenannter Norm somit zu prüfen, ob überhaupt eine Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt ().

Ein Studienwechsel liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt.

Zurück kehrend zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2005/13/0142 und in Anbetracht der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b vorletzter Satz FLAG, welcher nach höchstgerichtlicher Auffassung ausdrücklich zwischen dem Wechsel der Einrichtung und dem Wechsel des Studiums unterscheidet, waren für den unabhängigen Finanzsenat zwingend in diese Richtung gehende Überprüfungen angezeigt.

Dies deshalb, da ein Wechsel der Studieneinrichtung bei gleichbleibender Studienrichtung bedeutet, dass kein in den Anwendungsbereich des § 17 StudFG 1992 fallender Studienwechsel vorliegt.

Die Klärung der Frage nach dem Vorliegen eines auch im Rechtsmittel angedeuteten Studieneinrichtungswechsel war für die Abgabebehörde zweiter Instanz im Wege eines Vergleiches des Studienplanes der TU Wien für das Bachelorstudium "Wirtschaftsingenieurwesen- Maschinenbau 033 282" einerseits sowie jenes der FH Campus Wien für das Bachelorstudium "High Tech Manufacturing" herbeizuführen.

Unter Anstellung nämlichen Vergleiches gelangte der unabhängigen Finanzsenat - ungeachtet der Identität der Studiendauer von sechs Semestern und zu erzielenden 180 ECTS Punkten - in Anbetracht der Tatsache, dass das an der TU Wien angebotene Studium "Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau" ob der Bewertung der Prüfungsfächer Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fächer, wie Mathematik 1-3 (27 ECTS- Punkte), Systemwissenschaftliche Fächer, wie Mess-, Regelung- und Schwingungstechnik (12 ECTS- Punkte), Ingenieurwissenschaftliche Fächer, wie Mechanik 1 und 2, Werkstoffkunde und Elektrotechnik sowie Elektronik (36 ECTS- Punkte), Konstruktionswissenschaften und Fertigungstechnik wie Konstruktion, Maschinenelemente (20 ECTS- Punkte), Vertiefende Grundlagen und Berufsfeldeinführung, wie Mechanik 3, virtuelle Produktentwicklung sowie Strömungs- und Wärmetechnik (27 ECTS-Punkte) einerseits und dem Prüfungsfach Wirtschaftswissenschaften, welches sich beispielsweise aus den Fächern Ökonomische Grundlagen, Betriebswirtschaftliche Optimierung, Makroökonomie und Wirtschaftsrecht rekrutiert (20 ECTS- Punkte) andererseits, in überwiegendem Ausmaß in Richtung Technik ausgestaltet ist, während der Studienplan der FH Campus Wien für das Bachelorstudium "High Tech Manufacturing" nicht nur (an der TU Wien nicht angebotene) Fächer wie Soziale Kompetenz und Kontext (1 ECTS- Punkt), Grundlagen der Kommunikation (3 ECTS- Punkte), Präsentation und Moderation (3 ECTS- Punkte), Arbeitsmedizin (1 ECTS- Punkt), Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre (3 ECTS- Punkte), Produktionsmanagement (3 ECTS- Punkte), Verhandlungstechnik (3 ECTS- Punkte), Kostenrechnung und Controlling (3 ECTS- Punkte), Konfliktmanagement (2 ECTS- Punkte), Grundlagen des Rechts, Gesellschaftsrecht und Umweltrecht (2 ECTS-Punkte), Arbeitsrecht (2 ECTS-Punkte), Marketing und Verkauf (1 ECTS-Punkt), Steuerung von Teams und Großgruppen (2 ECTS- Punkte) umfasst, sondern als auch im Übrigen als praxisorientiert ausgerichtet zu erachten ist, zur Überzeugung, dass im zu beurteilenden Fall nicht von einem bloßen Studieneinrichtungswechsel gesprochen werden kann, sondern vielmehr - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Finanzamtes - von einem Studienwechsel, mit der Folge der Anwendbarkeit des § 17 Abs.1 Z 2 StudfG auszugehen ist.

Nach der Bestimmung des § 17 Abs. 2 Z. 2 StudFG 1992 ist jedoch ein Studienwechsel nach dem dritten Semester unter anderem dann nicht (beihilfen-)schädlich, wenn der Studienwechsel ohne Verschulden des Studierenden durch ein unabwendbares Ereignis zwingend herbeigeführt wird.

Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dieses Ereignis voraussah. Ein solches unabwendbares Ereignis könnte zum Beispiel eine Krankheit sein oder ein eintretendes Gebrechen, das die Beibehaltung und Fortführung der betriebenen Studienrichtung unmöglich macht. Das unabwendbare Ereignis muss also den Studienwechsel erforderlich machen.

Mit der Wendung "zwingend herbeigeführt", verlangt der Gesetzgeber, wie vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 97/12/0371, ausgeführt, einen qualifizierten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der über eine "bloße Kausalität" hinausgeht und es muss trotz zwingender Aufgabe des bisherigen Studiums die Durchführung eines anderen Studiums möglich sein. Somit kann nur ein das Vorstudium, nicht jedoch andere (spätere) Studien spezifisch behindernder Grund in diesem Sinne den Studienwechsel "zwingend" herbeiführen.

Hierzu bringt die Bw. in ihrer Berufung vor, dass die Aufnahme des Studiums im Studiengang "High Tech Manufacturing" an der FH Campus Wien erst ab dem möglich gewesen ist.

Im vorliegenden Berufungsfall wurde das "neue" Studium erst im Laufe des Vorstudiums eingerichtet. Insoweit hat der Sohn der Bw. eine Wahl getroffen und das bisherige Studium (freiwillig) aufgegeben, weshalb im Ergebnis die Norm des § 17 Abs. 2 Z 2 StudfG nicht Platz zu greifen vermag.

Abschließend hatte sich die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit der unstrittig erfolgten Anrechnung der an der TU Wien abgelegten Prüfungen im Ausmaß einer Wertigkeit von 14 ECTS- Punkten, respektive der mit dieser Gestion verbundenen Rechtsfolgen auseinanderzusetzen.

Hierzu ist - bei Ausmessung der Anspruchsdauer des neuen Studiums, respektive jener des Rückforderungszeitraums - festzuhalten, dass im Fall, dass der Studienerfolg in ECTS- Punkten bemessen wird, die Anzahl der aus dem Vorstudien angerechneten ECTS- Punkten als maßgeblicher Parameter zu qualifizieren ist.

In diesem Zusammenhang wird nach der für alle Bildungseinrichtungen und alle Studien maßgeblichen Bestimmung des § 51 Abs. 2 Z 26 UG 2002 das Arbeitspensum eines Studienjahres mit 60 ECTS- Punkten bemessen.

Dies bedeutet, dass pro Anerkennung von Vorstudienleistungen im Ausmaß von 30 ECTS- Punkten ein Semester zu berücksichtigen ist (bei Anerkennung von1 bis 30 ECTS- Punkten; bei Anerkennung von 31 bis 60 ECTS- Punkten zwei Semester usw.).

In Anbetracht der Tatsache, dass im vorliegenden Fall eine Anrechnung von 14 ECTS- Punkten erfolgt ist, kommt es - wie in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes in zutreffender Art und Weise ausgeführt -, im Ergebnis zu einer Verkürzung der in § 17 Abs. 2 StudfG 1992 normierten Wartezeit bis zur Wiedergewährung der Familienbeihilfe für das neue Studium um ein Semester, ein Umstand, der mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet, dass korrespondierend mit dem Aufleben des Anspruchs auf Familienbeihilfe ab dem , der Rückforderungsbescheid betreffend den Zeitraum vom bis zum aufzuheben, bzw. mit anderen Worten der Rückforderungszeitraum betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge auf den Zeitraum vom bis zum zu beschränken war.

Zusammenfassend war daher wie im Spruch zu befinden.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at