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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 18.12.2013, RV/3230-W/11

Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Hofrätin Mag. Eva Woracsek und die weiteren Mitglieder Hofrat Mag. Ernst Bauer, KR Gregor Ableidinger und Dr. Franz Kandlhofer über die Berufung des Bw., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO betreffend Einkommensteuer 1989 nach der am in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom (eingelangt am ), beantragte der Bw. (Berufungswerber) die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO betreffend Einkommensteuer 1989, der den Rechtszustand wiederherstelle, der vor Erlassung des rechtswidrigen abgeleiteten (weil von einem nichtigen Bescheid abgeleitet) Bescheides vom bestanden habe.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass mit Bescheid vom festgestellt worden sei, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung gem. § 188 BAO vom mangels gültigem Bescheidadressaten ein Nichtbescheid sei, welcher keine Rechtswirkungen entfalte.

Da die Rechtsgrundlage für den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1989 vom weggefallen sei, habe von Amts wegen gemäß § 295 BAO ein Anpassungsbescheid erlassen zu werden, der dem Einkommensteuerbescheid vom entspreche. Festzuhalten sei, dass diese Anpassung von Amts wegen zu erfolgen habe und diesbezüglich eine Verjährung im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 209a BAO nicht eingetreten sei. Der Bw. beantrage daher, in Abänderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1989 vom , unter Berücksichtigung von in der Berufung angeführten Einkünften, einen neuen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 zu erlassen.

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag vom , gemäß § 295 BAO einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 zu erlassen, zurück. Begründend führte das Finanzamt aus, aus dem Wortlaut der §§ 295 Abs. 1 und 295 Abs. 3 BAO ergebe sich, dass der Gesetzgeber in § 295 BAO, anders als etwa in § 299 leg. cit., kein Antragsrecht normiert habe. Nachdem der gestellte Antrag auf Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 auf § 295 BAO gestützt worden sei, sei er mangels gesetzlicher Grundlage zurückzuweisen.

Zu den weiteren Ausführungen im Antrag und im Schreiben vom werde mitgeteilt, dass § 295 BAO nur die amtswegige Änderung oder Aufhebung von Bescheiden vorsehe. Maßnahmen nach § 295 seien jedoch nur dann zwingend von Amts wegen vorzunehmen, wenn alle in der Bestimmung genannten und dieser Bestimmung zu Grunde liegenden beziehungsweise mit ihr verbundenen Voraussetzungen vorlägen. Im Anwendungsbereich des § 295 BAO werde der Behörde kein Ermessen eingeräumt. Seien die Voraussetzungen des § 295 BAO gegeben, so habe die Behörde unter Berücksichtigung grundlegender verfahrensrechtlicher Bestimmungen (wie zB §§ 207 ff BAO iVm § 302 leg. cit.) von Amts wegen tätig zu werden, seien die Voraussetzungen nicht gegeben, so habe die Behörde keine Möglichkeit eine auf § 295 BAO gestützte Maßnahme zu setzen.

Unbedingte Voraussetzung für die (amtswegige) Anwendung des § 295 Abs. 1 BAO sei die rechtliche Existenz eines anders lautenden Feststellungsbescheides (vgl. u.a. ). Im gegenständlichen Fall sei der letzte für das Jahr 1989 ergangene Einkommensteuerbescheid am gemäß § 295 BAO erlassen worden. Dieser sei, nachdem er nicht mit Berufung angefochten worden sei, 1 Monat nach Bekanntgabe in Rechtskraft erwachsen und noch immer im Rechtsbestand. Nach hiesiger Aktenlage sei bis dato von dem für die einheitliche und gesonderte Feststellung zuständigen Finanzamt kein rechtsgültiger Grundlagenbescheid erlassen worden. Nachdem bis dato kein rechtsgültiger Grundlagenbescheid, welcher aber eine unbedingte Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 295 Abs. 1 BAO sei, vorliege, könne von Amts wegen, mangels Rechtsgrundlage, bereits aus diesem Grund keine auf § 295 Abs. 1 leg. cit. gestützte Änderung des gegenständlichen Einkommensteuerbescheides 1989 erfolgen.

In der dagegen eingebrachten Berufung wird nach umfangreicher Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens zusammengefasst darauf hingewiesen, dass sich aus der Bestimmung des § 295 Abs. 1 BAO zunächst ergäbe, dass lediglich im Falle einer nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) von Amts wegen die zuständige Abgabenbehörde verpflichtet sei, einen neuen abgeleiteten Bescheid (Folgebescheid) betreffend den jeweiligen Abgabepflichtigen zu erlassen. Der Hinweis von Amts wegen sowie die Wortfolge "ist" lege diesbezüglich nur fest, dass die Behörde zwingend Änderungen und Aufhebungen gemäß § 295 BAO bei abgeleiteten Bescheiden bei entsprechenden Änderungen und dergleichen im Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) zu erlassen habe und diesbezüglich kein Ermessen vorliege. Aus dieser Bestimmung sei allerdings keineswegs abzuleiten - wie dies im Bescheid des Finanzamt zum Ausdruck komme -, dass der betreffende Abgabepflichtige auf Erlassung eines solchen Abänderungs- oder Aufhebungsbescheides gemäß § 295 BAO kein Antragsrecht habe. Dies ergäbe sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut des § 295 BAO.

Der angefochtene Bescheid sei daher zunächst deshalb rechtswidrig, weil die Abgabenbehörde erster Instanz zu Unrecht die Bestimmung des § 295 BAO dahingehend ausgelegt habe, dass dem betroffenen Abgabepflichtigen als Partei im Abgabenverfahren diesbezüglich kein Antragsrecht zustehe. Die Abgabenbehörde erster Instanz hätte nach Ansicht des Bw. materiell über die Anträge gemäß § 295 BAO zu entscheiden gehabt.

Nach § 295 Abs. 1 BAO sei ein von einem Feststellungsbescheid abgeleiteter Bescheid nicht nur bei einer nachträglichen Abänderung, sondern auch im Falle von einer Aufhebung zu ändern, sowie ferner, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, was bedeute, dass ein von einem Grundlagenbescheid abgeleiteter Bescheid immer dann zu ändern sei, wenn der Grundlagenbescheid nicht mehr rechtlich existent sei. Dies bedeute, dass ein Änderungsbescheid gemäß § 295 BAO durch die zuständige Abgabenbehörde nachträglich zu ändern sei, wenn sich herausstelle, dass der Grundlagenbescheid, der zur Erlassung des abgeleiteten Bescheides geführt habe, rechtlich gar nicht existent gewesen sei, dies auch im Zusammenhang mit Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren, in denen sich dies nachträglich herausstelle. Es wird beantragt, den angefochtenen Berufungsbescheid vom dahingehend abzuändern, dass ein neuer Einkommensteuerbescheid unter Berücksichtigung der in Berufung angeführten Einkünfte gemäß § 295 Abs. 1 BAO für das Jahr 1989 erlassen wird.

Mit Schreiben des wurde dem Bw. die beabsichtigte Aussetzung gemäß § 281 BAO iVm § 282 Abs. 2 BAO der Entscheidung über seine Berufung bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ 2009/13/0214 anhängigen Verfahrens zur Kenntnis und Stellungnahme mitgeteilt. Dem angeführten Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegenden Sachverhalt nahezu ident ist.

In der Stellungnahme des Vertreters des Bw. vom wird auf die zwischenzeitliche Novellierung des § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung Abgabenänderungsgesetz 2011 (BGBl I 2011/76) verwiesen. Es werde auf die aufgrund der novellierten Bestimmung nunmehr zu prüfende Verjährungsproblematik im Zusammenhang mit dem (damals) beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren des Bw. zu Zl. 2011/13/0113 hingewiesen.

Mit Bescheid vom war das Verfahren nach § 281 BAO ausgesetzt worden. Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte und nunmehr in der - der Aussetzung zugrundeliegenden - Rechtssache die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu GZ 2009/13/0214 am ergangen ist, war gemäß § 281 Abs. 2 BAO aufgrund der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gegeben hat, das ausgesetzte Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof verweist im angeführten Erkenntnis darauf, dass der vorliegende Beschwerdefall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht dem mit dem hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0064, entschiedenen Beschwerdefall, gleicht.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2010/15/0064, wörtlich ausgeführt:

... "2. Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO:

Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

§ 295 Abs. 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide - hier der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 - dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid (und der materiellen Rechtslage) entsprechen. Die grundsätzliche Funktion der genannten Vorschrift besteht darin, abgeleitete Bescheide mit den aktuellen Inhalten der zu Grunde liegenden Feststellungsbescheide in Einklang zu bringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0115, mwN). Eine Abänderung (oder Aufhebung) nach § 295 Abs. 1 BAO setzt aber voraus, dass nachträglich (nach Erlassung des "abgeleiteten" Bescheides, hier also im Jahr 1998) ein Feststellungsbescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird (vgl. Ritz, aaO § 295 Tz 3).

Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor:

Der "Feststellungsbescheid", auf den sich der abgeleitete Einkommensteuerbescheid 1989 stützte, wurde nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides nicht abgeändert oder aufgehoben; es wurde auch kein Feststellungsbescheid (erstmals) erlassen. Es wurde vielmehr durch Zurückweisung der Berufung gegen diesen Feststellungsbescheid im Rahmen der Begründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete. Dieser Umstand führt zwar dazu, dass sich der Einkommensteuerbescheid 1989 als rechtswidrig erweist, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO im Jahr 1998 die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO, nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies wäre aber in einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen gewesen (vgl. hier etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/15/0088, und vom , 93/14/0203). Der Einkommensteuerbescheid 1989 erwuchs aber - unstrittig - unangefochten in Rechtskraft. Die Bestimmung des § 295 Abs. 4 (idF BGBl. I Nr. 76/2011) ist im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden.

Eine Abänderung eines Grundlagenbescheides (oder eine erstmalige Erlassung eines solchen), auch nicht in der Weise, dass ein "negativer Grundlagenbescheid iSd § 188 BAO" erlassen worden wäre, liegt damit aber nicht vor. Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 nicht gegeben.

Der belangten Behörde kann daher schon deswegen nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO keine Folge gegeben hat."

Diese Begründung der höchstgerichtlichen Entscheidung trifft vollinhaltlich auf die vorliegende Berufung, die inhaltlich der verfahrensgegenständlichen Berufung in weiten Bereichen entspricht, zu.

§ 295 Abs. 1 räumt dem Abgabepflichtigen kein subjektives Recht zur Stellung eines Antrages ein (arg. von Amts wegen). Diese Bestimmung bindet ausschließlich die Abgabenbehörde. Ein auf diese Norm gestützter Antrag ist folglich mangels Antragslegitimation zurückzuweisen. Die Unzulässigkeit eines solchen Antrages besteht unabhängig vom Eintritt der (absoluten) Verjährung (vgl. ).

Soweit im Schriftsatz vom auf die zwischenzeitliche Novellierung des § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung Abgabenänderungsgesetz 2011 (BGBl I 2011/76) verwiesen wird, ist festzustellen und näher auszuführen, dass diese Bestimmung mit in Kraft getreten ist (§ 323 Abs. 31).

Es liegt gegenständlich auch kein Antrag gem. § 295 Abs. 4 vor, da der streitgegenständliche Antrag bereits mit Schriftsatz gestellt wurde, als es den Absatz 4 des § 295 BAO noch nicht gegeben hat.

Der Zurückweisungsbescheid vom ist auch zu einer Zeit ergangen, als der Absatz 4 des § 295 noch nicht in Geltung stand.

Im Übrigen aber könnte durch einen Antrag gemäß § 295 Abs. 4 nichts gewonnen werden, weil die Frist nach § 304 BAO auf die im § 295 Abs. 4 verwiesen wird, bereits vor 2008 abgelaufen ist. Dies wurde bereits in der an den Bw. ergangenen Berufungsentscheidung vom , RV/0438-W/10 ausführlich dargestellt.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at