Abschlussarbeiten erst längere Zeit nach Benutzbarkeit eines Einfamilienhauses als Sonderausgaben (Wohnraumschaffung, -sanierung)?
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) erhielt im streitgegenständlichen Jahr gleichzeitig Bezüge von mehreren auszahlenden Stellen. Auf Grund des Vorliegens des Pflichtveranlagungstatbestandes gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 wurden ihr vom Finanzamt entsprechende Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zugesandt; da trotz Erinnerung keine ausgefüllte Abgabenerklärung der Bw. beim Finanzamt einlangte, erfolgte die Arbeitnehmerveranlagung entsprechend den übermittelten Lohnzetteln (Einkommensteuerbescheid 2009 vom ).
Gegen diesen Bescheid erhob die Bw. am Berufung. Dieser war eine ausgefüllte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009 beigeschlossen, in der die Bw. unter der Kennzahl 456 (Wohnraumschaffung, -sanierung) einen Betrag von 583,20 € und unter der Kennzahl 458 (Kirchenbeiträge) einen Betrag von 100,00 € als Sonderausgaben geltend machte; weiters wurde die Zuerkennung des "großen" Pendlerpauschales in Höhe von 1.356,00 € beantragt.
Mit Ersuchen um Ergänzung vom wurde die Bw. vom Finanzamt aufgefordert, bis zum die unter den Punkten "Wohnraumschaffung, -sanierung" sowie "Kirchenbeiträge" geltend gemachten Ausgaben belegmäßig nachzuweisen; weiters wurde die Bw. aufgefordert, Nachweise für die Zuerkennung des "großen" Pendlerpauschales zu erbringen.
Dieses Ersuchen um Ergänzung wurde von der Bw. nicht beantwortet (Aktenvermerk vom , S 8 Arbeitnehmerveranlagungsakt für 2009, im Folgenden kurz: ANV-Akt). Am wurde die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen; dieser Bescheid enthält folgende Begründung:
"Nachdem Sie den Vorhalt vom [gemeint. das Ergänzungsersuchen vom ] bis zu der gesetzten Frist weder beantwortet noch den abverlangten Nachweis nachgereicht haben, muss angenommen werden, dass die erforderlichen Nachweise nicht beigebracht werden können und daher die beantragten Aufwendungen und Ausgaben steuerlich nicht begünstigt bzw. zu berücksichtigen sind."
Am brachte die Bw. einen diesbezüglichen Vorlageantrag beim Finanzamt ein. In diesem wurden an Kirchenbeiträgen 36,20 € sowie an Aufwendungen zur Wohnraumschaffung 583,20 € geltend gemacht und das "große" Pendlerpauschale beantragt.
Zum Pendlerpauschale führte die Bw. aus, die Wegstrecke (drei Mal wöchentlich) zum Arbeitsort in A betrage 22,5 km; die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei ihr nicht zumutbar, da sie schon vor 6 Uhr früh ihre Arbeit verrichten müsse.
Die geltend gemachten Kirchenbeiträge von 36,20 € wurden von der Bw. belegmäßig nachgewiesen.
Zu den Aufwendungen zur Wohnraumschaffung führte die Bw. aus, sie habe beim Haus B-Gasse bei der Abfahrt zur Garage das alte Baumaterial, das noch vom Aushub (Erde mit Steinen gemischt) stamme, beseitigen und mit Asphaltgranulat anschütten und walzen lassen müssen, damit die Zufahrt zur Garage gefestigt werde. Diesbezüglich waren dem Vorlageantrag beigelegt:
- Ein an die Bw. adressiertes "Angebot - Kostenschätzung" der D-GmbH, vom , mit auszugsweise folgendem Wortlaut (S 13 ANV-Akt):
"25 m2 Garagenabfahrt ca. 40 cm Erde ausheben und entsorgen, Einbringen von Frostschutz ca. 30 cm und 10 cm Asphaltgranulat inkl. Verdichten
Pauschal 650,00 €
+20% MwSt. 130,00 €
Gesamtbetrag: 780,00 €
Abgerechnet wird nach tatsächlichem Ausmaß und Aufwand.
[...]"
- Drei Fotos eines Eigenheimes (Einfamilienhauses) mit abschüssiger, planierter Garageneinfahrt, überschrieben mit "C, B-Gasse, " (S 14 f ANV-Akt); die Garage befindet sich im Untergeschoß des Hauses.
- Eine an die Bw. adressierte Rechnung der D-GmbH, vom (S 16 ANV-Akt) über einen Betrag von 583,20 € brutto (betreffend Baggertransport, Bagger, LKW 3-Achs-Kipper, Walzenmiete, 3 m3 Aushub, 5 m3 Asphaltrecycling, 3 m3 Schotter), Ausführungsdatum , mit dazu gehörender Einzahlungsbestätigung der Bw. vom (S 17 ANV-Akt).
Schließlich befindet sich auf S 18 ANV-Akt ein Aktenvermerk eines Organwalters des Finanzamtes vom (ohne Handzeichen bzw. Unterschrift) mit folgendem Wortlaut:
"[...]
B-Gasse lt. Gemeinde C unbewohnt seit ; Baubew. vom ; Baufertigstellung ."
Am erging eine Vorladung der Abgabenbehörde I. Instanz an die Bw., in der diese ersucht wurde, "in der Angelegenheit Berufung (Vorlageantrag) gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 als Berufungswerberin" am beim Finanzamt vorzusprechen.
Auf S 20 ANV-Akt befindet sich ein Aktenvermerk eines Organwalters des Finanzamtes vom mit folgendem Wortlaut:
"Tel. v. Sohn entschuldigt, Zustimmung z. 2. BVE folgt."
Am erging ein Schreiben der Abgabenbehörde I. Instanz an die Bw. mit folgendem Wortlaut (S 21 ANV-Akt):
"Betreff: Vorlageantrag vom [gemeint: 2011] und Vorladung zur Vorsprache vom
Sehr geehrte Frau [Name der Bw.]!
Wie bereits telefonisch besprochen, stellen die beantragten Kosten (Beseitigung des alten Baumaterials und Anschütten mit Asphaltgranulat bei der Abfahrt zur Garage) nach Ansicht des Finanzamtes keine Aufwendungen zur Wohnraumsanierung und damit keine Sonderausgaben dar.
Die beantragten Kosten Kirchensteuer und das Pendlerpauschale werden vom Finanzamt anerkannt.
Geben Sie mir bitte bis schriftlich bekannt, ob Sie - wie oben dargestellt - der Erlassung einer 2. Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt zustimmen. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt keine Zustimmung erfolgen, wird Ihre Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat Wien zur Entscheidung vorgelegt.
[...]"
Am wurde das Rechtsmittel der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
Im Vorlagebericht führte das Finanzamt aus, die Bw. habe ua. Aufwendungen, die für die Beseitigung von Baumaterial bei der Garageneinfahrt erforderlich gewesen seien, als Sonderausgaben geltend gemacht; nach Ansicht der Abgabenbehörde I. Instanz stellten diese Kosten keine Ausgaben zur Schaffung oder Sanierung von Wohnraum dar. Die weiteren beantragten Aufwendungen (Pendlerpauschale, Kirchenbeiträge) würden vom Finanzamt anerkannt, weshalb beantragt werde, der Berufung teilweise stattzugeben.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Rechtsgrundlagen:
Nach § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, sind Ausgaben zur Wohnraumschaffung oder zur Wohnraumsanierung bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.
Dabei handelt es sich nach § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 um Beträge, die zur Errichtung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen verausgabt werden. Eigenheim ist ein Wohnhaus im Inland mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Das Eigenheim kann auch im Eigentum zweier oder mehrerer Personen stehen. Das Eigenheim kann auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden sein. [...] Auch die Aufwendungen für den Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen durch den Steuerpflichtigen bzw. einen von ihm Beauftragten sind abzugsfähig.
§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 normiert, dass Ausgaben zur Sanierung von Wohnraum als Sonderausgaben abzugsfähig sind, wenn die Sanierung über unmittelbaren Auftrag des Steuerpflichtigen durch einen befugten Unternehmer durchgeführt worden ist, und zwar
- Instandsetzungsaufwendungen einschließlich Aufwendungen für energiesparende Maßnahmen, wenn diese Aufwendungen den Nutzungswert des Wohnraumes wesentlich erhöhen oder den Zeitraum seiner Nutzung wesentlich verlängern oder
- Herstellungsaufwendungen.
2. Festgestellter Sachverhalt:
Fest steht im gegenständlichen Fall, dass es sich bei der Liegenschaft C, B-Gasse um ein Eigenheim (Einfamilienhaus) handelt. Gemäß den Ermittlungen des Finanzamtes wurde die Baubewilligung für das Haus am erteilt; die Baufertigstellung erfolgte am , seit ist das Gebäude unbewohnt. Im Dezember 2009 wurde über Auftrag der Bw. von einem befugten Unternehmer bei der Abfahrt zur Garage, die sich im Untergeschoß des Hauses befindet, das alte, noch vom Aushub stammende Baumaterial beseitigt; anschließend wurde die Garagenabfahrt mit Asphaltgranulat angeschüttet und gewalzt. Die dafür angefallenen Kosten von 583,20 € wurden von der Bw. getragen und als Sonderausgaben (Aufwendungen zur Wohnraumschaffung bzw. -sanierung) im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung für 2009 geltend gemacht.
3. Rechtliche Würdigung:
Zu den nach § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 (Wohnraumschaffung) begünstigten Aufwendungen gehören va. die Aufwendungen für den Erwerb des Grund und Bodens, die Errichtungskosten für das Gebäude, die Kanal-, Strom- Telefon- und Wasseranschlussgebühren und die Aufschließungskosten (vgl. Doralt/Renner, EStG10, § 18 Tz 142).
Abschlussarbeiten (zu denen - im Gegensatz zur Meinung des Finanzamtes - nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates auch die streitgegenständliche Beseitigung von Aushubmaterial mit anschließendem Anschütten und Walzen der Garagenabfahrt zählt) sind zwar grundsätzlich ebenfalls begünstigt, allerdings nur dann, wenn diese im zeitlichen Nahebereich mit der Benutzbarkeit (bzw. Benützungsbewilligung) stehen, gilt doch die Errichtung eines Eigenheimes mit seiner Bewohnbarkeit als abgeschlossen (), weshalb später getätigte Aufwendungen nicht mehr zu den Errichtungskosten zählen (). Fallen derartige Aufwendungen (zB Vorplatzpflasterung und Mauerrichtung an der Grundstücksgrenze: Doralt/Renner, § 18 Tz 147) erst längere Zeit nach Fertigstellung bzw. Bezug eines Eigenheimes an, sind sie nicht nach § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 begünstigt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Baubewilligung für das Haus am erteilt; die Baufertigstellung erfolgte am , seit ist das Gebäude unbewohnt. Von einem zeitlichen Nahebereich der Gebäudeerrichtung (Benutzbarkeit) mit den unstrittig erst im Dezember 2009 (sohin erst 24 Jahre nach Erteilung der Baubewilligung bzw. 8 Jahre nach Baufertigstellung) getätigten, hier zu beurteilenden Aufwendungen kann somit nicht mehr gesprochen werden, gilt doch die Errichtung eines Eigenheimes mit seiner Bewohnbarkeit als abgeschlossen (, siehe oben).
Da sohin im gegenständlichen Fall keine Errichtungskosten im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 (Wohnraumschaffung) vorliegen, bleibt zu prüfen, ob die getätigten Aufwendungen unter § 18 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 (Wohnraumsanierung) subsumiert werden können:
Da sich die Bezug habende Gesetzesbestimmung nur auf die Sanierung von Wohnraum bzw. die Sanierung des Gebäudes an sich bezieht, stellen Maßnahmen im "Umfeld" eines Gebäudes, von denen der Wohnraum selbst nicht betroffen ist (wie hier die Beseitigung von Aushubmaterial mit anschließendem Anschütten und Walzen der Garagenabfahrt) keine begünstigten Sanierungsaufwendungen dar (Doralt/Renner, § 18 Tz 203, mit Verweis auf -I/03).
Der Berufung ist daher - wie vom Finanzamt beantragt - hinsichtlich der nachgewiesenen Kirchenbeiträge von 36,20 € und des "großen" Pendlerpauschales von 1.356,00 € stattzugeben; im Übrigen ist sie als unbegründet abzuweisen.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Sonderausgaben Wohnraumschaffung Wohnraumsanierung Eigenheim Einfamilienhaus Abschlussarbeiten Aushub Garage zeitlicher Nahebereich Fertigstellung Benutzbarkeit |
Zitiert/besprochen in | StExp 2011/334 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at