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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 13.12.2013, RV/0559-L/10

Verspätungszuschlag trotz beschlagnahmter Unterlagen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Bernhard Renner und die weiteren Mitglieder Hofrätin Mag. Susanne Feichtenschlager, Dr. Barbara Postl und Leopold Pichlbauer über die Berufung des BW, vertreten durch Stb, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Verspätungszuschlag hinsichtlich Einkommensteuer 2004 und 2005 nach der am in 4010 Linz, Bahnhofplatz 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Die Verspätungszuschläge hinsichtlich Einkommensteuer 2004 und 2005 werden jeweils mit 0,-- festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde erster Instanz betreffend Einkommensteuer 2004 wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung einen Verspätungszuschlag von 4 % (379,94 €) fest. Ebenfalls mit Bescheid vom wurde wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 2005 ein Verspätungszuschlag von 7,3 % festgesetzt. Zur Begründung wurde jeweils ausgeführt, dass die Festsetzung des Verspätungszuschlages aufgrund der Bestimmungen des § 135 BAO erfolgt sei.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen die Bescheide betreffend Festsetzung der Verspätungszuschläge das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Mit Schriftsatz vom wurde begründend vorgebracht, dass anlässlich der Hausdurchsuchung die Unterlagen, die für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen 2004 und 2005 erforderlich gewesen seien, nicht zur Verfügung gestanden seien und aufgrund der Turbulenzen, die allgemein nach Hausdurchsuchungen entstehen würden, Verständigungsprobleme mit dem früheren abgabenrechtlichen Vertreter eingetreten seien, sodass diese Umstände bei der Ermessenübung zu berücksichtigen seien. Somit würden die angefochtenen Bescheide den Berufungswerber (Bw.) in seinem Recht auf Nichtfestsetzung von Verspätungszuschlägen verletzen.

Mit Bericht vom legte die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom wurde dem Bw. vorgehalten, dass ein Verschulden an der Verletzung der Erklärungspflicht auch dann gegeben sei, wenn die für die Erstellung der Abgabenerklärungen maßgeblichen Unterlagen gemäß § 89 FinStrG beschlagnahmt seien, aber der Abgabenpflichtige nicht um Einsichtnahme der beschlagnahmten Unterlagen ersucht habe. Um eine Stellungnahme bis wurde ersucht.

Mit Schriftsatz vom brachte der steuerliche Vertreter des Bw. ergänzend vor, dass der Bw. mehrfach bei der Abgabenbehörde erster Instanz vorgesprochen und Unterlagen verlangt hätte, darüber hinaus gehe er davon aus, dass sich auch der seinerzeitige Steuerberater beim Prüfer nach dem ihm fehlenden Unterlagen erkundigt habe. Über diese Vorsprachen habe der Prüfer mit Sicherheit Aktenvermerke angefertigt. Dem Bw. seien jedoch die Zeitpunkte nicht mehr erinnerlich. Jedenfalls bleibe der Umstand der Beschlagnahme der Unterlagen, der zumindest im Rahmen des Ermessens auf die Höhe des zu verhängenden Verspätungszuschlages Einfluss haben müsse.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde von beiden Parteien das bisherige Vorbringen wiederholt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabenpflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, bis zu 10 % der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.

Zweck des Verspätungszuschlages ist, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und Entrichtung der Abgaben sicherzustellen.

Die dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen liegende Festsetzung eines Verspätungszuschlages setzt voraus, dass ein Abgabenpflichtiger die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist. Das durch § 135 BAO eingeräumte Ermessen ist gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände auszuüben.

Eine Verspätung ist bereits bei Vorliegen leichter Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB, die einen minderen Grad des Versehens gleichzusetzen ist, nicht entschuldbar. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Eine Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn der Abgabenpflichtige oder sein Vertreter die nach ihren persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben.

Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Entschuldbar ist eine Verspätung nur dann, wenn dem Abgabenpflichtigen überhaupt kein Verschulden zugerechnet werden kann.

Kriterien für die Ermessenübung sind insbesondere der Grad des Verschuldens, das Ausmaß der Fristüberschreitung, die Höhe des durch die verspätete Erklärungsabgabe erreichten finanziellen Vorteils und der Umstand, ob der Abgabenpflichtige nur ausnahmsweise oder bereits wiederholt säumig gewesen ist.

Nach § 134 Abs. 1 BAO sind die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer bis zum Ende des Monates April jeden Folgejahres einzureichen. Diese Abgabenerklärungen sind bis Ende des Monates Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt. Für Abgabenpflichtige, die von Steuerberatern oder Wirtschaftstreuhändern vertreten werden, gilt die erlassmäßig geregelte sogenannte Quotenregelung. Aufgrund dieser Regelung wäre die Einkommensteuererklärung 2004 bis , die Einkommensteuererklärung 2005 bis einzureichen gewesen. Fristverlängerungsansuchen wurden von der Abgabenbehörde erster Instanz abgewiesen, weil Gründe vorliegen würden, die eine Veranlagung vordringlich erscheinen ließen. Tatsächlich wurden die Abgabenerklärungen überhaupt nicht eingereicht. Das Tatbestandsmerkmal der Verspätung ist damit unbestritten erfüllt. Weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages ist, wie bereits oben angeführt, dass die Verspätung nicht entschuldbar ist. Aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass der Bw. steuerlich vertreten ist - und auch im berufungsgegenständlichen Zeitraum war. Es ist daher davon auszugehen, dass ihm seine Erklärungspflicht bewusst war. Dies wird im Berufungsverfahren auch nicht bestritten. Der Bw. bzw. dessen steuerlicher Vertreter ersucht die Säumnis mit dem Umstand zu rechtfertigen, dass die notwendigen Unterlagen aufgrund einer Hausdurchsuchung nicht zur Verfügung gestanden seien.

Ein Verschulden kann jedoch auch vorliegen, wenn die für die Erstellung der Abgabenerklärungen maßgeblichen Unterlagen gemäß § 89 FinStrG beschlagnahmt sind, aber die Partei nicht gemäß § 92 FinStrG um Einsichtnahme (Abschriftnahme) der beschlagnahmten Unterlagen ersucht. Ein derartiges Ersuchen wurde seitens der berufungswerbenden Partei zwar viereinhalb Jahre nach Einbringen der Berufung behauptet, ist aber nicht aktenkundig. Da nicht plausibel begründet werden konnte, warum die Einkommensteuererklärungen nicht eingereicht worden sind, ist das Verschulden des Bw. als schwerwiegend anzusehen.

Bei der Höhe des durch die verspätete Einreichung der Erklärung erzielten finanziellen Vorteils sind nicht nur die Zinsvorteile, sondern wirtschaftliche Vorteile aller Art, wie beispielsweise Liquiditäts- oder Wettbewerbsvorteile gegenüber pflichtgemäß pünktlich erklärenden Abgabenpflichtigen, zu berücksichtigen.

Ein evidenter finanzieller Vorteil lag für den Bw. darin, dass er den sich ergebenden Nachforderungsbetrag aufgrund der wesentlich verzögerten Erklärungsabgabe weitaus später zu entrichten hatte.

Wird in Anlehnung an die für den Zeitraum der Verspätung geltenden Stundungszinsen, welche der Bw. bei Aufschub der Zahlung zu entrichten gehabt hätte, von 4,88 % per anno ausgegangen, so betrug der geschätzte Zinsgewinn für die Dauer von 3 bzw. 2 Jahren für 2004 rund 1.390,-- € und für 2005 rund 2.065,-- €.

Wenn man das Verschulden des Bw., die nicht unerhebliche Einkommensteuernachforderung und den damit verbundenen Zinsgewinn, das Ausmaß der Fristüberschreitung sowie die wiederholte Missachtung der Fristen für die Einbringung der Abgabenerklärung (auch für das Veranlagungsjahr 2002 wurde die Einkommensteuererklärung verspätet eingereicht) betrachtet, erscheint es als durchaus angemessen, dass die Abgabenbehörde erster Instanz einen Verspätungszuschlag von 4 % bzw. 7,3 % verhängt hat. Nach ho. Ansicht hat sie sich damit am unteren Rand des Ermessensspielraumes bewegt.

Allerding ist noch zu beachten, dass mit Bescheid vom auch Anspruchszinsen betreffend Einkommensteuer 2004 und 2005 festgesetzt wurden. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes hat der Verspätungszuschlag auch die Funktion der Abgeltung von Verzugszinsen. Eine ähnliche Zielsetzung weisen Anspruchszinsen auf, die mögliche Zinsvorteile oder Zinsnachteile ausgleichen sollen, welche sich aus den unterschiedlichen Zeitpunkten von Abgabenfestsetzungen ergeben. Durch die Vorschreibung von Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO ist daher von einer zumindest teilweisen Abgeltung von "Verzugszinsen" bei der gegenständlichen Abgabenfestsetzung auszugehen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist daher nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates auch die Tatsache miteinzubeziehen, dass für den Zeitraum von bis bzw. von bis Anspruchszinsen und Verspätungszuschläge vorgeschrieben worden sind. Die Anspruchszinsen sind daher bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge zu berücksichtigen. Die Anspruchszinsen für das Jahr 2004 betragen 615,38 €, jene für 2005 1.905,95 € und sind damit höher als die jeweils festgesetzten Verspätungszuschläge. Im Rahmen der Ermessensentscheidung blieb daher für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen kein Raum.

Auf Basis dieser Sach- und Rechtslage hat sich daher ein weiteres Auseinandersetzen mit dem Vorbringen des Bw. bzw. seines steuerlichen Vertreters erübrigt und war spruchgemäß zu entscheiden.

Abschließen sei darauf hingewiesen, dass mit heutigem Tag über die Berufung betreffend Einkommensteuer 2000 bis 2005 entschieden wurde (vgl. RV/0558-L/10). Diese Entscheidung hat auf die gegenständliche Entscheidung insofern keinen Einfluss, als sich zwar die Einkommensteuer aufgrund einer teilweisen Stattgabe verringert, sich in der Folge aber auch die Verspätungszuschläge und Anspruchszinsen verringern, sodass die Entscheidung im Ergebnis gleich bleibt.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Möglichkeit der Einsichtnahme und Abschriftnahme der beschlagnahmten Unterlagen
Anrechnung der Anspruchszinsen auf Verspätungszuschlag

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at