Heiligen der Letzten Tage (HLT - Mormonen)
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des HM, V, vertreten durch MP, Wirtschaftstreuhänder, v., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für KM, 1986, für den Zeitraum Oktober 2006 - Feber 2008 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom beantragte der Berufungswerber (Bw.) die Gewährung der Familienbeihilfe u.a. für seinen Sohn KM. K sei im Auftrag der Kirche der Heiligen der Letzten Tage (HLT/Mormonen) auf Mission. Seine Mission dauere noch bis Jänner 2008. Beigelegt wurde eine hinsichtlich der Einkommensteuer (auswärtige Berufsausbildung eines Mormonen) eine stattgebende Entscheidung des UFS Linz (RV/0981-L/02 vom ) sowie ein (nicht aktenkundiges Erkenntnis des VwGH) betreffend Berufsausbildung. Dem Schreiben des Österreichischen Kirchenvorstandes der HLT vom ist zu entnehmen, dass KM im Schuljahr 2006/2007 bis Jänner 2008 als Vollzeit-Missionar der Kirche Jesu Christi HLT dient.
Das Finanzamt hat mit Bescheid vom den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den volljährigen Sohn des Bw., KM, für die Zeit von Oktober 2006 - Februar 2008 unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b - f des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) abgewiesen. Die Zeiten der Missionstätigkeit (Missionar der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) seien iSd leg. cit. nicht als Berufsausbildung anzusehen. Aus diesem Grunde sei der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abzuweisen.
Die dagegen - nach Fristverlängerung - eingebrachte Berufung vom wurde wie folgt begründet:
Ziele:
Um einen Außenstehenden (= nicht Angehörigen der HLT = Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage), die für die Entscheidung dieses Rechtsmittels nötigen Zusammenhänge einsichtig machen zu können, müssen wir zunächst einmal darstellen, welche Ziele die HLT grundsätzlich verfolgt. Das Wissen darüber ist deshalb von großer Bedeutung, weil die gesamte Ausbildung der heranwachenden Generation der HLT auf diese noch zu definierenden Ziele ausgerichtet ist:
- "Verkündigung des Evangeliums" Bedeutet das Nahebringen der Lehre der HLT an Außenstehende.
- "Vervollkommnung der Heiligen" Bedeutet die Lehre der HLT der Angehörigen der Kirchen immer wieder neu zu vermitteln und zu vertiefen, um ihnen damit die Rahmenbedingungen für ihr geistiges und zeitliches Wohlergehen zu schaffen.
- "Erlösung der Verstorbenen" Dem Glauben der HLT entsprechend ist der Weg eines Menschen nicht mit dem Tod zu Ende. Es ist daher notwendig und möglich die Ziele der Kirchen auch hinsichtlich der Toten zu verfolgen, um diesen die möglicherweise zu Lebzeiten versäumten heiligen Handlungen noch angedeihen zu lassen.
Selbst einem, mit der Lehre der HLT nicht Vertrauten dürfte an dieser Stelle erkennbar sein, welche komplexen Inhalte einem heranwachsenden Angehörigen der Kirche vermittelt werden müssen, ehe er in der Lage ist als Lehrender tätig zu werden. Aus diesem Grund hat die HLT ein umfangreiches, fundiertes Konzept entwickelt, was den Ausbildungsweg betrifft.
Ausbildungsweg
- Der Weg zum Lehrenden beginnt bereits bei den Kindern, indem im Religionsunterricht (BGBl. 239/1988) "Lehrplan für den Religionsunterricht der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an Pflichtschulen, mittleren und höheren Schulen") das Fundament dafür gelegt wird. Bis zum 13. Lebensjahr gilt das für alle Kinder der HLT.
- Ab dem 14. Lebensjahr kommt der sog. Seminarunterricht dazu, welcher täglich an Schultagen stattfindet. Dieser ist für diejenigen verpflichtend, die im Rahmen des weiterführenden Programms zum Lehrenden innerhalb des CES (= church educational system, = Bildungsprogramm der HLT) ausgebildet werden wollen. Dieser Unterricht ist auf einem Zeitraum von vier Jahren ausgelegt. Am Ende dieser Phase erhält der erfolgreiche Teilnehmer ein Seminarabschlusszeugnis, das ihn zum weiteren Besuch der Bildungseinrichtungen der HLT berechtigt.
- Nachdem die Auszubildenden eine Prüfung zunächst vor dem Bischof und dann vor dem zuständigen Pfahlpräsidenten bestanden haben, findet diese Ausbildung ihren Höhepunkt und Abschluss in der Entsendung der Auszubildenden in die Vollzeitmissionstätigkeit. Jetzt sind die jungen Menschen gefordert, das zunächst nur theoretisch Erlernte in die Praxis umzusetzen, indem sie die oben dargestellten Grundziele der HLT in der Tat verfolgen. In der Regel beginnt diese Phase zwischen dem 18. Und 19. Lebensjahr. Sollte der staatliche Bildungsweg des Auszubildenden länger dauern (z.B. Matura in der HAK), so verschiebt sich der Zeitplan entsprechend. Diese besuchen in der Zwischenzeit das sog. Institutsprogramm, dessen Absolvierung mit einem Abschlusszeugnis zertifiziert wird.
- Der Weg der Missionare wird von der HLT aufmerksam verfolgt, weil die Missionare von der Bevölkerung als Repräsentanten der Kirche wahrgenommen werden und daher ein Fehlverhalten der Missionare dem Image der HLT mehr Schaden zufügen kann, als alle positiven Bemühungen der übrigen Missionare. Aus diesem Grund wurde eine strenge Qualitätskontrolle eingeführt. Eine dreistufige Hierarchie (Distriktsleiter, Zonenleiter, Missionspräsident) wacht über die Tätigkeit der Missionare. Damit diese die Qualitätskriterien einhalten und vor allem die bereits dargestellten Ziele verfolgen können, findet laufend ein Coaching der Missionare statt. Diese sind ferner verpflichtet, sowohl mündlich als auch schriftlich, laufend und detailliert über ihre Tätigkeit zu berichten, indem sie unter anderem selbst eine Einschätzung darüber abzugeben haben, ob und welche Fortschritte sie gemacht haben. In der Ausbildung bisher haben sie gelernt, was sie den Menschen mitzuteilen haben, nun lernen sie, wie sie es den Menschen verständlich nahebringen können. Die Missionare unter einander haben eine Evaluierung ihrer Kollegen dahingehend vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß ihre Kollegen die Inhalte der Lehre vermitteln konnten.
Rechtliche Würdigung
Aus der bereits ergangenen Entscheidung des UFS glauben wir erkennen zu können, dass folgendes Missverständnis vorliegt:
Nicht die während der Mission zu besuchenden Schulungen, Präsentationen, Belehrungen etc. sind die eigentliche Ausbildung, sondern die Missionstätigkeit selbst. Die jungen Menschen wurden, wie oben dargestellt von klein auf dazu ausgebildet, die Ziele der Kirche zu verfolgen. Wenn sie schließlich ihre Mission antreten und versuchen "Das Evangelium zu verkünden", die "Heiligen zu vervollkommnen" und "die Verstorbenen zu erlösen", dann machen sie genau das, wofür die Ausbildung überhaupt aufgenommen wurde. Die Mission ist ebenso als Praktikum anzusehen, wie es in allen anderen Berufen Gang und Gebe ist. In den weltlichen Berufen stellt sich allerdings das Problem der fehlenden Familienbeihilfe nicht, wenn z.B. ein Mediziner nach Abschluss seines Studiums als Turnusarzt tätig ist, weil er dann selbst Einkommen erzielt. In unserem Fall, in dem ein Missionar für die Tätigkeit im Rahmen seines Praktikums nicht entlohnt wird, ist die Familienbeihilfe allerdings von größter Bedeutung, da alle mit dem Praktikum verbundenen Kosten von den Eltern getragen werden müssen. Umgekehrt formuliert bedeutet das: Weil Missionare nicht entgeltlich beschäftigt werden können, im wahrsten Sinne des Wortes also um Gottes Lohn tätig sind, und daher eigenes Einkommen nicht erzielen können, werden sie gegenüber anderen Auszubildenden benachteiligt. In bestimmten Fällen kann das sogar dazu führen, dass sie den kirchlichen Ausbildungsweg einfach nicht zu Ende beschreiten können.
Ein Vergleich mit Auszubildenden der römisch katholischen Kirche zeigt, dass diesen, nur weil sie ihre zukünftigen Religionslehrer auf staatlichen Schulen ausbildet, bevorzugt wird. Die HLT als ebenso staatlich anerkannte Kirche, hat einen anderen Ausbildungsweg gewählt, weil er ihrer Lehre und ihren Zielen besser entspricht. Warum sollten die Eltern nicht ebenso in den Genuss der Familienbeihilfe kommen?
Die HLT kann ihren Ausbildungsweg nicht ändern, denn was die Missionare im Zuge der Mission, also durch das Praktikum erlernen, kann auf theoretischem Wege nicht vermittelt werden. Sie können die Ziele der HLT nur verfolgen, indem sie auf Menschen zugehen, mit Menschen kommunizieren und lernen Menschen zu verstehen. Das sind Fertigkeiten, die ohne tatsächlichen Kontakt zu den Menschen nicht erworben werden können. Wer diese Fähigkeiten selbst nie erlernt hat, wird sie auch nie als Lehrender anwenden können und damit für die nächste Generation von auszubildenden Missionaren völlig ungeeignet bleiben.
Man darf nicht vergessen, dass die Einschränkung oder Behinderung des Bildungsweges der Angehörigen der HLT einer Einschränkung oder Behinderung der Religionsausübung einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft gleich kommt.
Die Berufung wurde dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Bescheid vom setzte der Unabhängige Finanzsenat die Entscheidung über die Berufung bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zu GZlen. 2010/16/0109 sowie 2010/16/0128 anhängigen (Amts-)beschwerden aus.
Mit Erkenntnis vom , Zlen. 2010/16/0128 (2010/16/0109) wies der Verwaltungsgerichtshof die vom Finanzamt eingebrachte Beschwerde als unbegründet ab.
Mit E-Mail vom übermittelte der Bw. eine Kopie der Entlassungsurkunde für KM.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. (Anm.: 24 Lebensjahr ab lt. BudgetbegleitG 2011) Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinen Erkenntnissen vom , Zl. 99/15/0080, und vom , Zl. 2009/15/0021, dargelegt, nach welchen (objektiven) Voraussetzungen eine Ausbildung zum Religionslehrer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 angesehen werden könne. Auf die Gründe jener Erkenntnisse sei verwiesen.
Im Streitfall hat die Abgabenbehörde ihre Abweisung damit begründet, dass Zeiten der Missionstätigkeiten nicht als Berufsausbildung anzusehen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 99/15/0080, zur Frage, ob Zeiten der Missionarstätigkeit im Rahmen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage als Zeiten der Berufsausbildung zum Religionslehrer anzusehen sind, zum Ausdruck gebracht, es sei relevant, welche Voraussetzungen nach den kircheninternen Normen für die Zulassung als Religionslehrer erforderlich seien, wobei, wenn sich die Missionstätigkeit als Voraussetzung für die Lehrtätigkeit erweise und die Missionstätigkeit nicht bloß in praktischer Arbeit, sondern auch in einer zielgerichteten Ausbildung in den vom Religionsunterricht umfassten Bereichen bestehe, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliege.
Wie der VwGH auch im zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0021, anführt, ist es entscheidend, welche Voraussetzungen nach den kircheninternen Normen tatsächlich für die Zulassung als Religionslehrer bestehen. Aus diesem Beschwerdeverfahren ist ersichtlich, dass der "Kirchenvorstand" dafür zuständig sei, die Kriterien für die Erteilung der Befähigung und Ermächtigung zum Religionslehrer festzulegen. Die Erteilungskriterien seien mit Beschluss des Kirchenrates vom "nochmals" niedergelegt worden, das Absolvieren der Vollzeitmission sei demnach Voraussetzung für die Befugnis als Religionslehrer. Im "Memorandum Familienbeihilfe" ist festgehalten, dass der Kirchenvorstand die erfolgreiche Absolvierung der Missionstätigkeit als Voraussetzung für die Befugnis zum Religionslehrer festgelegt habe.
Im genannten Memorandum ist weiters festgehalten, dass der Vollzeitmissionsdienst u.a. auch das tägliche Studium der heiligen Schriften, das regelmäßige Studium von (im Memorandum beispielhaft aufgezählter) Sekundärliteratur, die Teilnahme an wöchentlichen Lehrveranstaltungen (ca. 2 Stunden), die Teilnahme an Ausbildungsseminaren (1 Tag pro Monat), die Unterweisung durch den Missionspräsidenten und andere leitende Kirchenbeamte sowie den Besuch der Priestertumsversammlung (wöchentlich) und der Sonntagsschule (wöchentlich) umfasse; insgesamt nehme der Missionsdienst wöchentlich ca. 70 bis 80 Stunden in Anspruch. Außerdem geht aus dem angeführten Erkenntnis hervor, dass laut dem Präsidenten des Österreichischen Kirchenvorstandes die Ausbildung "mit vorgeschriebenen regelmäßigen Prüfungen" verbunden ist.
Im Erkenntnis vom , 2010/16/0128 führt der VwGH aus, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Berufsausbildung aus dem Motiv erfolgt, diesen Beruf später tatsächlich auszuüben, oder aus anderen Motiven. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 fordert eine tatsächliche spätere Ausübung des Berufes nicht. Dieser Umstand stünde in einem Spannungsverhältnis zu einem in dieser Bestimmung unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehenen Anspruch auf Familienbeihilfe bei einem Studienwechsel und zur höchstgerichtlichen Judikatur, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt ist ( Zl. 2000/15/0035).
KM hat die Vollzeitmission auch tatsächlich erfolgreich absolviert und die entsprechende Entlassungsurkunde - unterfertigt vom Missionspräsident - erhalten. Somit hat er die Ausbildung zum Religionslehrer der HLT erfolgreich absolviert.
In Anwendung oben angeführter Judikatur kann vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe für den strittigen Zeitraum (10/06 - 02/08) ausgegangen werden.
Aus den angeführten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b-f FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at