Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.12.2013, RV/0471-W/09

Gewährung von Milchgeldvorschüssen an Genossenschaftsmitglieder


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Miterledigte GZ:
RV/0742-W/09


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0471-W/09-RS1
Die Gewährung von Milchgeldvorschüssen einer Molkereigenossenschaft an ihre Mitglieder in Form eines nicht verzinsten Darlehens, das in weiterer Folge mit dem laufenden Milchgeld abgerechnet wird, ist keine verdeckte Ausschüttung, wenn diese Vorteilsgewährung in einem inneren Zusammenhang mit der Gegenleistung der Milchlieferanten besteht, für die Dauer des Darlehens nur an die Bw. zu liefern bzw. nur mit Zustimmung und im Einvernehmen mit der Bw. über ihr Milchkontingent zu verfügen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung Adresse, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom und betreffend Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 und Haftung für Kapitalertragsteuer 2003 bis 2005 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 werden abgeändert.

Der Bescheid betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2003 bis 2005 wird aufgehoben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Bw. ist eine landwirtschaftliche Genossenschaft, die eine Molkerei in B betrieb.

Im Zuge einer Betriebsprüfung über die Jahre 2003 bis 2005 stellte die Betriebsprüfung neben anderen Feststellungen, die nicht strittig sind, fest, dass an die Genossenschaftsmitglieder sogenannte Milchgeldvorschüsse ausbezahlt wurden. Diese Milchgeldvorschüsse mussten die Genossenschaftsmitglieder innerhalb einer Laufzeit von bis zu 24 Monaten zurückzahlen, wobei die Darlehen zinsenlos gewährt wurden. Die Betriebsprüfung beurteilte die entgangenen Zinserträge (Zinssätze 2003: 3%; 2004: 3,5%; 2005: 4%) als verdeckte Gewinnausschüttungen, wobei davon ausgegangen wurde, dass die Genossenschaft die Kapitalertragsteuer getragen habe. Daraus ergaben sich folgende Zurechnungen:


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2003
2004
2005

Entgangene Zinserträge
7.594,08
13.714,60
19.128,22
33,33% KESt
2.531,36
4.571,53
6.376,07
Verdeckte Ausschüttung
10.125,43
18.286,14
25.504,30

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am dementsprechende Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005. Weiters wurde die Bw. mit Bescheid zur Haftung für die oben ausgewiesene Kapitalertragsteuer herangezogen.

Gegen diese Bescheide erhob die Bw. Berufung und beantragte die Aufhebung des Haftungsbescheides betreffend die Kapitalertragsteuer sowie die Festsetzung der Körperschaftsteuer ohne die Hinzurechnung von verdeckten Ausschüttungen im Zusammenhang mit den Milchgeldvorschüssen.

Strittig ist ausschließlich die Frage, ob aus den Milchgeldvorschüssen resultierende Zinsvorteile als verdeckte Ausschüttungen an die Genossenschaftsmitglieder anzusehen sind.

Das Finanzamt führte dazu aus, dass die Genossenschafter dadurch einen Vorteil erhalten würden, der in wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit einem höheren Kaufpreis für die Milch vergleichbar sei. Durch die gewählte Konstruktion werde dieser Vorteil aber nicht versteuert.

Der Grund für diese Vorteilsgewährung beruhe ausschließlich auf der Gesellschafterstellung der Anteilsinhaber.

Die von der Bw. vorgebrachten betriebswirtschaftlichen Gründe (Fixkostenabdeckung, Kundenbindung und Konkurrenzfähigkeit) seien für die Beurteilung, ob verdeckte Ausschüttungen vorliegen würden, irrelevant. Die Bw. habe selbst nicht betriebswirtschaftlich agiert, weil sie ihrerseits die Milchgeldvorschüsse fremdfinanziert habe. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, ob die Gewährung von Milchgeldvorschüssen branchenüblich sei. Es lägen daher jedenfalls verdeckte Ausschüttungen vor.

Die Bw. brachte vor, dass die gewährten Milchgeldvorschüsse aus betriebswirtschaftlichen Gründen gewährt würden. Im Einzugsbereich der Molkerei der Bw. hätten Landwirte vermehrt die Milch an andere Landwirte veräußert, die Ihr Kontingent nicht bei der Bw. anliefern würden. Dadurch würden die mit der Milchanlieferung zusammenhängenden Fixkosten der Bw. nur mehr auf eine geringere Milchmenge aufgeteilt werden können.

Im Hinblick auf den dramatischen Rückgang der Anzahl der Betriebe in der österreichischen Milchwirtschaft sei es für die Bw. von großer Bedeutung durch günstige Lieferkonditionen die Bauern zur Aufrechterhaltung ihrer Produktion zu bewegen und an die Bw. zu binden. Dies sei auch wesentlich für die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der Bw.

Im Jahr 2005 habe die Bw. 1.028 Anteilinhaber aufgewiesen, die mit insgesamt 140.466 Anteilen an der Bw. beteiligt gewesen seien. Aufgrund der damit verbundenen marginalen Machtposition des einzelnen Genossenschaftsmitgliedes, könne der Grund für die zinsenlose Gewährung des Milchgeldvorschusses wohl nicht in ihrer Stellung als Gesellschafter liegen.

Im konkreten Fall werde im Antrag auf Gewährung des Milchgeldvorschusses gleichzeitig die Verpflichtung des Landwirtes, das Milchkontingent bis zur vollständigen Rückzahlung des Milchgeldvorschusses an die Bw. zu liefern bzw. nur mit Zustimmung und im Einvernehmen mit der Molkereigenossenschaft über dieses Kontingent zu verfügen, festgeschrieben. Hier handele es sich eindeutig um eine Zuwendung in die Gegenrichtung, somit vom Genossenschaftsmitglied an die Genossenschaft. Leistung und Gegenleistung würden zum selben Zeitpunkt und im selben Vertrag festgelegt. Die Leistung des Milchlieferanten, nämlich die verpflichtende Lieferung ausschließlich an die betreffende Molkereigenossenschaft wiege die Leistung der Molkerei, die in der Gewährung des zinsenlosen Darlehens liegt, jedenfalls auf. Es lägen somit eindeutig die Voraussetzungen eines Vorteilsausgleiches vor. Eine verdeckte Gewinnausschüttung sei aus diesem Grund ausgeschlossen.

Die Gewährung von unverzinsten Milchgeldvorschüssen zur Finanzierung des Quotenkaufes hätten ihre Ursache im betrieblichen Interesse der Genossenschaft hat und würden nicht aus der Gesellschafterstellung resultieren. Auch wenn die Eigentümerstellung ausgeblendet werde, sei eine derartige Vorgangsweise unter Beachtung der Rahmenbedingungen in der österreichischen Milchbranche betriebswirtschaftliche sinnvoll und nachvollziehbar.

Weiters wurde zur Frage, ob auch bei anderen Molkereien Milchgeldvorschüsse gewährt würden auf mehrere Zeitungsartikel verwiesen, aus denen hervorgeht, dass derartige Vorschüsse auch dort gewährt würden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 8 Abs. 1 KStG 1988 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Einlagen und Beiträge jeder Art insoweit außer Ansatz, als sie von Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, Mitglieder oder in ähnlicher Eigenschaft geleistet werden.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist es für die Ermittlung des Einkommens ohne Bedeutung, ob das Einkommen
- im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt oder
- entnommen oder
- in anderer Weise verwendet wird.

Der Entscheidung wird folgender als erwiesen festgestellter Sachverhalt zugrunde gelegt:

Von der Bw. wurden in den Jahren 2003 bis 2005 an Genossenschaftsmitglieder Milchgeldvorschüsse ausbezahlt. Diese Vorschüsse wurden zinsenlos gewährt und mussten - abhängig von der Höhe des Darlehens - innerhalb von 12 bzw. 24 Monaten rückgezahlt werden. Die Rückzahlung des Darlehens erfolgte in gleich bleibenden monatlichen Raten durch Einbehalt eines Teils des Milchgeldes, das von der Genossenschaft monatlich ausbezahlt wurde. Im Gegenzug zu dem gewährten Vorschuss verpflichtete sich das Genossenschaftsmitglied sein Milchkontingent bis zur vollständigen Rückzahlung des Milchgeldvorschusses an die Bw. zu liefern bzw. nur mit Zustimmung und im Einvernehmen mit der Bw. über dieses Kontingent zu verfügen. Diese Verpflichtung ist auf dem entsprechenden Antrag auf Gewährung eines Milchgeldvorschusses ausdrücklich angeführt und musste vom Antragssteller akzeptiert werden (siehe die Ablichtung eines derartigen Antrages auf Seite 101 des Arbeitsbogens der Betriebsprüfung). Damit Landwirte Milch an die Bw. überhaupt liefern konnten, war die Genossenschaftsmitgliedschaft Voraussetzung. Ende 2005 betrug der Stand der Genossenschaftsmitglieder der Bw. gesamt 1.028, welche insgesamt 140.466 Geschäftsanteile hielten.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Parteienvorbringen und ist zwischen den Parteien nicht strittig.

Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben.

Im Rahmen des so genannten Vorteilsausgleiches wird eine überhöhte Zuwendung an einen Anteilsinhaber durch eine Zuwendung in die "Gegenrichtung" (also vom Anteilsinhaber an die Körperschaft) ausgeglichen. Das Veranlassungsprinzip erfordert, grundsätzlich jede einzelne Leistungsbeziehung isoliert auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Im Bereich der Betriebsausgaben zweifelt wohl niemand daran, dass jeder einzelne Aufwand auf seine betriebliche Veranlassung hin zu untersuchen ist. Es ist allerdings einzuräumen, dass ein Zusammenziehen mehrerer Leistungsbeziehungen seine Wurzel in der Einkommenserzielung haben kann. Ob dies der Fall ist, muss anhand eines Fremdvergleiches beurteilt werden. Der Fremdvergleich darf sich diesfalls aber eben nicht auf den saldomäßigen Vorteil des Anteilsinhabers beschränken, sondern muss auch die innere Beziehung der Rechtsgeschäfte, innerhalb derer der Vorteilsausgleich vorgenommen werden soll, mitumfassen. Es muss also davon auszugehen sein, dass es auch zwischen einer Körperschaft und "Nichtanteilsinhabern" zu derartigen Aufrechnungen kommen würde (Quantschnigg, ÖStZ 1985, 165).

Dem Finanzamt ist grundsätzlich zu folgen, dass die Gewährung eines nicht verzinsten Darlehns an Gesellschafter in der Regel als verdeckte Ausschüttung zu beurteilen ist. Gegenständlich steht diese Vorteilsgewährung aber in einem inneren Zusammenhang mit einer Gegenleistung der Milchlieferanten, die darin besteht für die Dauer des Darlehns nur an die Bw. zu liefern bzw. nur mit Zustimmung und im Einvernehmen mit der Bw. über Ihr Milchkontingent zu verfügen.

Aus den im Arbeitsbogen enthaltenen Unterlagen (Antrag auf Milchgeldvorschuss) geht dieser innere Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung deutlich hervor. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Milchwirtschaft in den letzten Jahren, die durch eine zunehmend größere Flexibilität der Milchlieferanten gekennzeichnet war, stellt die Bindung der Milchlieferanten über einen längeren Zeitraum zweifellos eine vermögenswerte Leistung an die Bw. dar und erscheint der dafür getätigte Aufwand in Höhe von € 7.594,08 (2004), € 13.714,60 (2005) und € 19.128,22 (2005) nicht unangemessen. Insbesondere die Fixkostenreduzierung ist ein auch betriebswirtschaftlich unmittelbar erfassbarer Wert.

Die zwischen der Bw. und ihren Genossenschaftern getätigten Leistungen halten daher einem Fremdvergleich stand. Darüber hat die Bw. aufgezeigt, dass auch von anderen Molkereien Milchgeldvorschüsse gewährt wurden.

Es liegen daher gegenständlich keine verdeckten Ausschüttungen an die Gesellschafter der Bw. vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 3 Berechnungsblätter

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Milchgeldvorschuss
Vorteilsausgleich
Zitiert/besprochen in
Hirschler/Sulz/Oberkleiner in BFGjournal 2014, 110
StExp 2014/104

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at