Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 06.12.2013, RV/0166-I/13

Antrag auf Nichtfestsetzung von Anspruchszinsen infolge Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A, vertreten durch AWT Wirtschaftstreuhand- und Beratungsgesellschaft m.b.H., Wirtschaftstreuhänder, 6370 Kitzbühel, Im Gries 18, vom , eingebracht am , gegen die Bescheide des Finanzamtes C vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) für 2006 bis 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

1) Die Berufungswerberin (Bw) erwarb mit B vom unter anderem Eigentum an der W. Mit Vertrag vom wurden diese Objekte an die Y GmbH um einen monatlichen Pachtzins von 3.500 € zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer, zunächst für die Dauer vom bis , verpachtet. Der Beginn der Verpachtung wurde dem Finanzamt mit Fragebogen mitgeteilt. Am wurden diese Objekte veräußert.

2) Neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wurden die aus Vermietung und Verpachtung erklärten Verluste mit vorläufigen Einkommensteuerbescheiden gem. § 200 Abs. 1 BAO wie folgt veranlagt:

2006 vom -17.873,53 €

2007 vom -25.325,41 €

2008 vom -11.385,43 €.

3) Am ergingen für die Jahre 2006, 2007 und 2008 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültige Einkommensteuerbescheide. Die aus der Vermietung und Verpachtung erklärten Verluste wurden nicht angesetzt. Die Begründung lautete:

"Laut Erhebung vom durchgeführt in K war von Anfang geplant, das Objekt Kb zu verkaufen. Dieser Verkauf des seit 2006 vermieteten Objektes hat am stattgefunden. Somit liegt für die Beurteilung als Einkunftsquelle ein abgeschlossener Beobachtungszeitraum vor. Nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Vorschriften ist von einer Liebhaberei auszugehen, wenn die Vermietung von vornherein auf einen begrenzten Zeitraum geplant gewesen ist und die Vermietungstätigkeit vor Erzielen eines positiven Gesamtergebnisses beendet wurde. An der Beurteilung als Liebhaberei und am Gesamtverlust ändert sich auch nichts, wenn wie im Schreiben des steuerlichen Vertreters vom beantragt, die Abschreibung auf jährlich 10.350 € korrigiert wird. Angemerkt wird, dass nach der Aktenlage auch kein Notverkauf vorliegt, da sich der Verkauf des Objektes lediglich aufgrund einer testamentarischen Verfügung (Verkauf um mindestens 2,000.000 €) bis zum Kalenderjahr 2011 hingezogen hat."

4) Der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidungen und Bescheid betreffend Gegenstandsloserklärung gemäß § 256 Abs. 3 BAO vom , nach durchgeführter abgabenbehördlicher Prüfung (Bericht vom , ABNr. 125042/12), Rechnung getragen. Für das Jahr 2007 wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -9.857,41 € und für 2008 solche von 1.550,57 € in Ansatz gebracht. Laut dem Prüfungsbericht - Tz 3 und Tz 5 - betrugen die fiktiven Anschaffungskosten des Mietobjektes nach dem im Verlassenschaftsverfahren erstellten Ertrags- und Verkehrswert-gutachten 253.000 €. Die Prüferin gelangte zum Ergebnis, dass keine Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO vorliege, weil bis zum Verkauf der Liegenschaft ein Gesamtüberschuss zu erwarten sei. Maßgeblich hierfür war die Neuberechnung der Absetzung für Abnutzung anhand der geänderten Abschreibungsbasis und die unbestrittenermaßen in der zweiten Jahreshälfte 2007 geplante und umgesetzte Vermietung der Liegenschaft.

Die Berufungsvorentscheidungen betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 und der Bescheid gem. § 256 Abs. 3 BAO erwuchsen in Rechtskraft.

5) Zeitgleich mit den endgültigen Einkommensteuerbescheiden ergingen Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen wie folgt:

2006 - für den Zeitraum vom bis insgesamt - 627,32 €

2007 - für den Zeitraum vom bis insgesamt - 383,87 €

2008 - für den Zeitraum vom bis insgesamt - 213,71 €.

6) Mit der Berufungsvorentscheidung vom wurde für das Jahr 2007 ein weiterer Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen, der zu einer Gutschrift von 310,03 € führte, ausgefertigt.

7) Gegen die Anspruchszinsenbescheide 2006, 2007 und 2008 vom wurde mit Eingabe vom , eingelangt am , Berufung erhoben. Begründend brachte der steuerliche Vertreter vor, die Abgabenbehörde habe zunächst die erklärten Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung anerkannt, dann Liebhaberei unterstellt und nach der Prüfung sei nun eine endgültige Regelung getroffen worden. Es werde die Berichtigung der angefochtenen Bescheide im Sinne der Bestimmungen des § 205 Abs. 6 BAO beantragt, da es sich um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO handle.

8) Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, dass die Beurteilung ob Liebhaberei oder eine Einkunftsquelle vorliege, kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstelle.

9) In der am beantragten Vorlage der Berufung vom wurde vorgebracht, dass für das Jahr 2006 ein rückwirkendes Ereignis vorliege, weil die Betriebsprüfung im Widerspruch zur vorherigen Liebhabereierledigung eine unternehmerische Tätigkeit unterstellt habe. Aufgrund der neu ergangenen Anspruchszinsenbescheide seien die alten zwingend aufzuheben.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) § 205 der Bundesabgabenordnung (BAO) lautet auszugsweise:

"§ 205 (1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,

b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,

c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

(3) ...

(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Anspruchszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen."

Die Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. Ritz, BAO4, § 205 Tz 2). Erweist sich der genannte Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem neuen an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (zB Gutschriftzinsen als Folge des Wegfalles einer rechtswidrigen Nachforderung). Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid; es erfolgt daher keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides (vgl. Ritz, BAO4, § 205 Tz 35 und die dort zitierte Rechtsprechung).

2) Im Zusammenhang mit der Berufung gegen den Anspruchszinsenbescheid 2007 vom - Abgabenschuld von 383,87 € - darf nicht unerwähnt bleiben, dass der nachfolgende Anspruchszinsenbescheid 2007 vom mit einer Gutschrift von 310,03 € die Anspruchszinsenbelastung erheblich - auf 73,84 € - reduzierte.

3) Nach § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Grundsätzlich verändern nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4) eingetretene Ereignisse nicht den Bestand und Umfang des Abgabenanspruches. Die Rückwirkung von Ereignissen muss sich aus den Abgabenvorschriften ergeben. § 295a ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor dem Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheides. Es ist daher eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches) zukommt (vgl. Ritz, BAO4, § 295a Tz 3 ff).

Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Bei der veranlagten Einkommensteuer ist dies nach Abs. 2 lit a Z 2 leg. cit. spätestens mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Tatbestand ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen. Ist ein gesetzlicher Tatbestand verwirklicht, so entsteht der Abgabenanspruch unabhängig vom Willen und der subjektiven Meinung des Abgabenschuldners und der Abgabenbehörde (vgl. Ritz, BAO4, § 4 Tz 7).

Der Einkommensteueranspruch entsteht mit Verwirklichung eines der im § 2 Abs. 3 EStG 1988 taxativ aufgezählten Tatbestände. Zu den in § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgelisteten Einkunftsarten gehören unter anderem die im gegenständlichen Fall relevanten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Außer Streit steht die Feststellung der Betriebsprüfung, dass nach erfolglosem Versuch die die Liegenschaft zum - testamentarisch vorgegebenen - Kaufpreis von 2,000.000 € zu veräußern, 2007 die Absicht zu vermieten entstand und der Pachtvertrag am abgeschlossen wurde. Mit den zitierten Berufungsvorentscheidungen (Punkt 4) wurde bestätigt, dass in den Berufungsjahren 2007 und 2008 - neben den unstrittigen nichtselbständigen Einkünften - steuerlich relevante Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung zugeflossen sind. Im Jahr 2006 erzielte die Berufungswerberin lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Damit war aber auch bereits mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungsjahres der entsprechende Abgabenanspruch an Einkommensteuer entstanden. Die Feststellung des Finanzamtes in den Berufungsvorentscheidungen, dass es sich bei der Betätigung der Berufungswerberin nicht um Liebhaberei gehandelt hat, hatte bloß deklarativen Charakter, änderte aber nichts am Entstehen und am Umfang des Abgabenanspruchs.

Es konnte nicht von einem rückwirkenden Ereignis, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang des Abgabenanspruches gehabt hätte, ausgegangen werden. Von rückwirkenden Ereignissen kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn nach der Steuerschuldentstehung Sachverhalte eintreten, die sich in der Vergangenheit in der Weise auswirken, dass an die Stelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr der Besteuerung ein veränderter Sachverhalt zu Grunde zu legen ist (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall war der Sachverhalt (Erzielung von Einkünften) in den einzelnen Jahren jedenfalls verwirklicht; lediglich die rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes (Betätigung als Liebhaberei oder Einkunftsquelle) war strittig.

Die im Zuge der Prüfung durchgeführte Sachverhaltsermittlung brachte Tatsachen neu hervor, die der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der vorläufigen und endgültigen Bescheiderlassung noch nicht bekannt waren. Diese neu hervorgekommenen Tatsachen iSd § 303 BAO rechtfertigen eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 leg. cit., keinesfalls aber eine Abänderung des Einkommensteuerbescheides nach § 295a BAO.

Im gegenständlichen Fall führte das Prüfungsergebnis zu Änderungen der noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2008.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 2 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 205 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at