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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 07.09.2011, RV/0586-W/11

Steuerpflicht der Ausschüttung einer Agrargemeinschaft ins Privatvermögen des Anteilsberechtigten als Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Einkommensteuer-Veranlagung 2008

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., geb. XX.XX.19XX, A_whft., vertreten durch StB., B_etabl., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Einkommensteuer 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (in der Folge Bw. genannt) erzielte im Jahr 2008 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Zum Privatvermögen des Bw. gehört das Eigentum an einer so genannten Stammsitzliegenschaft, mit der Anteile an der Agrargemeinschaft Z. (in der Folge AG genannt) verbunden sind.

Wegen dem Ausbau einer Landesstraße verkaufte die AG Teile der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft, EZ XX, an das Land Niederösterreich und schüttete auf Beschluss der Vollversammlung der AG den Großteil des Verkaufserlöses an ihre Mitglieder aus. Die Bw. erhielt aus diesem Grunde im Jahr 2008 eine Ausschüttung von € 6.600, wovon die Agrargemeinschaft KESt in Höhe von € 1.650 einbehielt und an das Finanzamt Wien 1/23 abführte.

In Folge des Erkenntnisses des betreffend Kapitalertragssteuerabfuhr von Agrargemeinschaften stellte die AG gestützt auf § 240 BAO den Antrag auf Rückzahlung zu Unrecht abgeführter KESt. Dieser Antrag wurde im Instanzenzug vom UFS, RV/2605-W/09 vom als unbegründet abgewiesen, weil der AG einerseits keine Antragslegitimation zukam und andererseits auch bei Ausschüttungen an jene Mitglieder, die ihre Anteile im Privatvermögen hielten, eine Steuerpflicht gemäß § 27 Abs. 4 EStG bestehe (Sulz/Nidetzky, ÖStZ 1996, 389).

Vom Wohnsitzfinanzamt der Bw. wurde im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom die Ausschüttung als nicht endbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert und die einbehaltene und abgezogene KESt angerechnet. Zur weiteren Begründung wurde auf die im vorangegangenen Verfahren gegenüber der AG ergangene Entscheidung des UFS, RV/2605-W/09 vom verwiesen.

Gegen den ESt-Bescheid 2008 vom erhob die Bw. durch ihren steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom form- und fristgerecht Berufung und begehrte die Ausschüttung als nicht einkommensteuerbaren Vermögenszufluss zu behandeln. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"Im § 27 EStG werden Erträge aus der Nutzungsüberlassung von Kapital erfasst. Die Agrargemeinschaft Z. ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Über die Anteile an der AG kann der Anteilsinhaber nicht frei verfügen. Die Bw. ist mittels ihres Eigentums an einer bestimmten Stammsitzliegenschaft "Zwangsmitglied" der AG. Als "Vertreter" der Stammsitzliegenschaft hat die Bw. auch niemals der Agrargemeinschaft Kapital zur Verfügung gestellt, daher können Ausschüttungen der Agrargemeinschaft an ihre Mitglieder auch niemals Einkünfte aus Kapitalvermögen sein.

Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in Reaktion auf das Erkenntnis des VwGH, vom , 2006/15/0050 im Budgetbegleitgesetz 2009 (BBG 2009) die Ausschüttungen von Agrargemeinschaften in einer eigenen lit. d. des § 27 Abs. 1 Z. 1 EStG verankert hat. Dieser Maßnahme hätte es nicht bedurft, wenn - wie in mancher Literatur zu lesen - solche Ausschüttungen ohnehin vom § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG umfasst wären. Unter diese Z. 4 fallen die Ausschüttungen der Agrargemeinschaft jedoch nicht, weil dieser Tatbestand "Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" der Steuerpflicht unterwerfe. Das Mitglied einer Agrargemeinschaft hat aber keine Kapitalforderung gegen die Agrargemeinschaft, sondern es ist bloß wegen seines Eigentums an einer bestimmten Liegenschaft Zwangsmitglied. Diese Rechtsansicht werde auch in der Fachliteratur vertreten (Mayer, SWK, 28/2001, S 684, offenbar auch Brauner/Urban, SWK 26/2009, S 786).

Auch der Sondertatbestand des § 29 Z. 1 EStG wird durch die Ausschüttung nicht verwirklicht, weil es sich um keinen wiederkehrenden Vermögenszufluss handelt. Die Ausschüttung der AG stellt eine seltene Ausnahme auf Grund eines notwendig gewordenen Liegenschaftsverkaufs dar, sodass kein wiederkehrender Vorteil vorliegt.

Da die Ausschüttung ins Privatvermögen von keinem Steuertatbestand des EStG erfasst wird, muss sie bei der Berechnung der Einkommensteuer außer Acht bleiben."

Gegen die abweisende BVE vom wurde fristgerecht mit Schreiben vom ein Vorlageantrag zur Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.

Im Vorlagebericht (Verf46) vom teilt das Finanzamt zusammenfassend seine Rechtsauffassung wie folgt mit:

"Eine Agrargemeinschaft ist die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer von Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist. Eine Veräußerung von Anteilsrechten ist (mit Zustimmung der Agrarbehörde) möglich. Körperschaftlich organisierte Agrargemeinschaften sind Körperschaften iSd KStG (§ 1 Abs. 2 Z 2 KStG) und können der Körperschaftsteuerpflicht unterliegen. Die an der Agrargemeinschaft Beteiligten sind berechtigt, aus dem von der Agrargemeinschaft zu verwaltenden Vermögen Nutzen zu ziehen. Dieser Nutzen kann auch in der Ausschüttung der Erträge an die Beteiligten liegen.

Unter Anteilsrechten an einer Agrargemeinschaft ist die Gesamtheit der Berechtigungen und Verpflichtungen zu verstehen, die aus der Mitgliedschaft zu einer Agrargemeinschaft entspringen. Diese Anteile bestimmen nicht nur die materiellen Ansprüche und Verpflichtungen, das Ausmaß der Nutzungen und bei Teilung die Größe der Abfindung in Grund und Boden, sondern auch das Maß der Teilnahme an der Verwaltung. Überall dort, wo das Gesetz nichts anderes verfügt, ist das nach Anteilsrechten abgestufte Mitgliedschaftsrecht als einheitliches Recht für alle Formen der Teilhabe an der Gemeinschaft maßgebend.

Es ist somit festzuhalten, dass eine Agrargemeinschaft als Körperschaft wirtschaftlich tätig werden kann, mit dem Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit der Körperschaftsteuer unterliegen kann und Ausschüttungen an die Mitglieder der Körperschaft vornehmen kann. Abgesehen von einem stärkeren hoheitlichen Einfluss (den es aber auch bei juristischen Personen des Privatrechts gibt - z.B. bei Kreditinstituten durch die Finanzmarktaufsicht) und einer Art "Zwangsmitgliedschaft" ist die Agrargemeinschaft durchaus mit herkömmlichen juristischen Personen des Privatrechts vergleichbar.

Mit Erkenntnis vom , 2006/15/0050 hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften keiner KESt-Pflicht nach § 93 Abs 2 Z 1 lit c EStG (idF vor BBG 2009) unterliegen, weil keine Genussrechte iSd § 93 Abs 2 Z 1 lit c EStG vorliegen. Auf Grund der gleichlautenden Bestimmung des § 27 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG ist eine Ausschüttung aus körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften wohl auch nicht unter diesen Tatbestand der Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 EStG subsumierbar.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 27 Abs. 1 Z 4 EStG auch Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art. Dieser Begriff wurde erstmals im EStG 1972 verwendet. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des EStG 1972 sollten dadurch alle Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art erfasst werden, die nicht als Zinsen angesehen werden können. Dabei ist vor allem an die Gewinnanteile aus ausländischen Kapitalgesellschaften, welche weder als Aktiengesellschaften noch als GmbH qualifiziert werden konnten, gedacht worden (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 27 Rz. 29).

Für Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften in das Privatvermögen - wie im gegenständlichen Fall - kommt somit § 27 Abs. 1 Z 4 EStG in Betracht, weil es sich bei derartigen Ausschüttungen um "andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" handelt. § 27 Abs. 1 Z 4 EStG ist somit vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand normiert worden, um eine systemwidrige Nichterfassung bestimmter Erträge zu vermeiden und dementsprechend wurde diese Bestimmung sehr weit gefasst (vgl. Rauscher, Die einkommensteuerliche Behandlung von Anteilsrechten an Agrargemeinschaften, SWK 29/2000, S 694; Sulz/Nidetzky, Zur Besteuerung von Agrargemeinschaften, ÖStZ 1996, 389).

Für das Vorliegen von Einkünften aus Kapitalvermögen stellt es auch keinen Hinderungsgrund dar, dass der Agrargemeinschaft kein Geldkapital überlassen wurde; schließlich führen auch Ausschüttungen aus Körperschaften, bei denen die Zufuhr des Kapitals durch Sachgründung erfolgt ist, zu Einkünften aus Kapitalvermögen (vgl. Sulz/Nidetzky, Zur Besteuerung von Agrargemeinschaften, ÖStZ 1996, 389).

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Entgelt für die Kapitalnutzung darstellen. Unerheblich ist, welcher Titel dem zu Grunde liegt. Selbst eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung führt zu Einkünften aus Kapitalvermögen (vgl. ).

Aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zum BBG 2009 ist ersichtlich, dass die ausdrückliche Verankerung des Kapitalertragsteuerabzugs in § 93 Abs. 2 Z 1 lit. f EStG als Reaktion auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2006/15/0050 erfolgte. Außerdem wurde dieser Tatbestand auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs 1 Z 1 lit d EStG) eingefügt. Damit ist lediglich klargestellt, dass Bezüge, die ab dem ins Privatvermögen zufließen, nicht mehr dem § 27 Abs 1 Z 4 EStG, sondern dem § 27 Abs 1 Z 1 lit d EStG unterliegen. Zu einer derartigen Verkleinerung des Anwendungsbereichs des § 27 Abs. 1 Z 4 EStG ist es auch schon in der Vergangenheit gekommen. Während für den Anwendungszeitraum des EStG 1972 Gewinnanteile aus ausländischen Kapitalgesellschaften noch unter § 27 Abs 1 Z 4 EStG subsumiert wurden, fallen derartige Gewinnanteile nach heutiger Auffassung unter § 27 Abs 1 Z 1 lit a EStG - obwohl vergleichbare ausländische Gesellschaften vom Wortlaut dieser Norm gar nicht erfasst werden.

Somit ist davon auszugehen, dass der historische Gesetzgeber die Nichterfassung von Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften niemals wollte. Selbst wenn man zu der Auffassung gelangen sollte, dass Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften nicht unter den normierten Tatbestand des § 27 Abs. 1 Z 4 EStG fallen, ist klar ersichtlich, dass es sich um eine erkennbare, planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes handelt. Geht man von einer Unvollständigkeit des Gesetzes aus, die sich aus einem Vergleich zwischen der tatsächlichen Regelung (keine ausdrückliche Nennung der Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften) und der erwarteten Regelung (steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Ausschüttungen aus Körperschaften) ergibt, liegt eine Lücke vor, die im Wege eines Analogieschlusses zu schließen wäre.

Eine Lückenschließung mittels Analogie ist auch im Steuerrecht zulässig (vgl. z.B. und die dort beschriebene Lücke: Das EStG enthält keine ausdrückliche Regelung für die Zurechnung der Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft. Trotzdem sind die Einkünfte aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft steuerpflichtig, weil die Zurechnung an die Beteiligten in analoger Anwendung des § 23 EStG zu erfolgen hat. In Bezug auf eine Lücke hinsichtlich der Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften bedeutet dies, dass diese Ausschüttung genauso behandelt werden muss, wie Ausschüttungen auf Grund eines Beschlusses der Vollversammlung von anderen Körperschaften. Ein Auslegungsergebnis, das die Ausschüttung aus Agrargemeinschaften als Einkünfte aus Kapitalvermögen ansieht, schafft keinerlei neuer Tatbestände und es wird dabei kein Ergebnis erzielt, das gegen den Zweck der Vorschrift des § 27 EStG verstoßt. § 27 EStG wäre dann in analoger Anwendung auf derartige Ausschüttungen heranzuziehen.

Nach Ansicht des Finanzamtes ist die Subsumtion von Ausschüttungen von Agrargemeinschaften auch vom Wortlaut des § 27 Abs 1 Z 4 EStG gedeckt; lediglich der von der Verwaltungspraxis (EStR Rz 7723 ff) vertretene Kapitalertragsteuerabzug (Erhebungsform der Steuer) fand bis zum BBG 2009 in der Bestimmung des § 93 EStG keine gesetzliche Grundlage. Auf Grund der Subsidiarität der Einkünfte gehen die Einkünfte aus Kapitalvermögen den sonstigen Einkünften (§ 29 EStG) vor.

Es wird daher die Abweisung der Berufung beantragt."

Die Agrargemeinschaft Z. in ihrer heutigen Form wurde laut Auskunft der Agrarbezirksbehörde (A. H.) und der Gemeinde Z. mit Satzung vom , Zl. AG5429-263 als Körperschaft öffentlichen Rechts gemäß § 46 des Nö. Flurverfassungs Landesgesetzes errichtet. Die gemeinschaftlichen Grundflächen (Weiden und Wälder) der Agrargemeinschaft Z. hatten aber schon lange Zeit davor bestanden und ihre historische Wurzeln reichen ins 19. Jahrhundert. Früher Vorläufer der AG war die so genannte Weide- und Stiergenossenschaft Z. . Bei der Agrargemeinschaft Z. handelt es sich daher um eine reine, typische AG mit echtem Gemeinschaftsgut und nicht um eine "Gemeindegutsagrargemeinschaft", der im Regulierungsverfahren Gemeindegut ins Eigentum übertragen wurde (vgl. VfGH-Erkenntnisses vom , B464/07).

Über die Berufung wurde erwogen:

In Streit steht die Rechtsfrage, ob die Ausschüttung der AG an die Bw. der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 EStG sind.

1. Wesen und Grundlagen von Agrargemeinschaften

Historisch betrachtet gehen die Agrargemeinschaften auf die bereits in ältester Zeit existierende "Allmende", somit auf gemeinschaftliche Wälder, Weiden und Alpen zurück. Die in weiterer Folge entstandenen vielfältigen Erscheinungsformen der agrarischen Gemeinschaften sind das Ergebnis einer jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen den alteingesessenen Bauern und der übrigen, später zugezogenen Bevölkerung um die Nutzungsrechte an der Allmende. In diesem Zusammenhang ist auch die historische Entwicklung des Gemeinderechts und die Anlegung neuer Grundbücher in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bedeutend. Dabei wurden teilweise alte Gemeinschaften in Einzeleigentum aufgeteilt, teilweise wurden die Gemeinschaften im Eigentumsblatt des Grundbuchs eingetragen (z.B. als Nachbarschaft, Interessentenschaft oder Genossenschaft bezeichnet). In Regulierungsverfahren sind dann diese gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte an Weide und Wald von der politischen Ortsgemeinde mit ihren kommunalen Aufgaben abgetrennt worden (ReichsrahmenG aus 1883).

Nach der heutigen Rechtslage bilden die Agrargemeinschaften eine Personen- und Sachgemeinschaft, die auf Grundlage des Art 12 Abs. 1 Z. 3 B-VG im Flurverfassungs Grundsatzgesetz 1951 und den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen der Länder (hier das Nö.-Flurverfassungs-Landesgesetz 1975) geregelt sind (insb. die Organe der Agrargemeinschaft, Mitgliedschaftsrechte und -pflichten, Aufsicht der Agrarbehörde, Regulierungs- und Teilungsverfahren).

Die Agrargemeinschaft besteht aus der Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Stammsitzliegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist sowie jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen. Die im agrargemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücke werden von der AG verwaltet und im Interesse ihrer Mitglieder genutzt: Bestimmungsgemäß für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, bei besserer und höherwertigerer Eignung mit Zustimmung der Agrarbehörde aber auch für andere Nutzungen (z.B. Golfplatz, Campingplatz, Schipisten, Gaststätten, Schotterabbau usw.).

2. Agrargemeinschaft als Körperschaften

Agrargemeinschaften sind nach den jeweiligen Landesausführungsgesetzen i.d.R. als Körperschaften öffentlichen Rechts oder als Körperschaften privaten Rechts eingerichtet.

Das Körperschaftssteuerrecht knüpft an die jeweilige Rechtsform der AG an. Im Ergebnis sind aber im Wesentlichen sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich statuierte AG mit ihrer land- und forstwirtschaftlichen Kerntätigkeit persönlich steuerbefreit und mit Einkünften aus Gewerbebetrieben und der Überlassung von Gewerbebetrieben und Grundstücken zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken körperschaftssteuerpflichtig (siehe zu AG-KöR: § 1 Abs. 2 Z. 2 i.V.m. § 2 KStG; und zu AG-KpR: § 1 Abs. 3 Z. 3 i.V.m. § 5 Z. 5 KStG).

Ob eine Ausschüttung der AG auf landwirtschaftliche oder nichtlandwirtschaftliche Einkünfte zurückzuführen ist, ob diese Einkünfte bei der AG körperschaftssteuerpflichtig oder befreit sind, ist für die Beurteilung der Einkommensteuerpflicht dieser Zuwendungen auf Mitgliederebene nicht von Bedeutung. Für die Besteuerung von Bezügen aus dem Anteilsrecht der Mitglieder gegenüber der AG - in Geldes- oder Sachwert - gelten die allgemeinen, für das jeweilige Mitglied anzuwendenden Vorschriften des EStG.

3. Einkommensteuerpflicht von Ausschüttungen der AG

Gehören die Anteilsrechte zum Betriebsvermögen eines Mitglieds (insb. zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb) liegen bei Ausschüttungen betriebliche Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 EStG vor. Befinden sich die Anteilsrechte im Privatvermögen (insbesondere weil die Stammsitzliegenschaft nicht betrieblich genutzt wird) ist das Vorliegen einer außerbetrieblichen Einkunftsart zu prüfen. Hierbei kommen vor allem Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 EStG in Betracht.

Es entspricht dem Sachlichkeitsgebot, wenn der Gesetzgeber die Einkommensteuerpflicht von Ausschüttungen nicht von einer bestimmten Rechtsform einer AG oder der Zugehörigkeit der Mitgliedsanteile zum Betriebs- oder Privatvermögen abhängig gemacht hat.

In der Entscheidung des RV/0269-K/04 und dem dazu ergangen Erkenntnis des VwGH, , 2006/15/0050 wurde ausschließlich die Frage behandelt, ob Ausschüttungen von AG steuerabzugspflichtige Kapitalerträge gemäß § 93 EStG darstellen und nur dies wurde verneint. Die Verwaltungspraxis nahm bislang das Vorliegen von Bezügen aus Genussrechten an. Weder in diesen Entscheidungen noch in der darauffolgenden gesetzlichen Verankerung der Verwaltungspraxis durch den Gesetzgebers mit dem Budgetbegleit-gesetz 2009, BGBl 52/2009, lässt sich eine Aussage oder ein Schlussfolgerung dazu finden, dass Ausschüttungen auf im Privatvermögen befindlichen Anteilsrechten an AG nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 EStG 1988 steuerpflichtig sind. Nach den Erläuterungen der Gesetzesmaterialien zum BBG 2009 (GP XXIV, RV 113, AB-NR 198, AB-BR 8112) sollte der Kapitalertragssteuerabzug von Bezügen aus Agrargemeinschaften entsprechend der bisherigen steuerlichen Praxis auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Das ist ein Hinweis, dass die bei der "Gesetzesreparatur" erfolgte Einfügung der Wortfolge "Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z. 3 BV-G" auch im § 27 EStG - als Abs. 1 Z.1 lit. d - keine normative Bedeutung zukommt sondern lediglich der Klarheit und Verständlichkeit des EStG dienen sollte. Üblicher Weise werden "neue Steuern" - seien es auch nur Ausschüttungen an bestimmte Mitglieder von AG - nicht stillschweigend und kommentarlos eingeführt.

Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 Z. 1 bis 7 EStG 1988 lautet:

"Folgende Einkünfte sind, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis Z 4 gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen:

1. a) Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften.

c) Gleichartige Bezüge aus Genußrechten und aus Partizipationskapital im Sinne des Kreditwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes.

2. Gewinnanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters, soweit sie nicht zur Auffüllung einer durch Verluste herabgeminderten Einlage zu verwenden sind. Verlustanteile aus solchen Beteiligungen sind nicht zu berücksichtigen.

3. Zinsen aus Hypotheken. Bei Tilgungshypotheken ist nur der Teil der Zahlung steuerpflichtig, der als Zinsen auf den jeweiligen Kapitalrest entfällt.

4. Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, zum Beispiel aus Darlehen, Anleihen, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Kreditwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes.

5. Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen.

6. Unterschiedsbeträge zwischen der eingezahlten Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung, die

a) im Falle des Erlebens oder des Rückkaufs einer auf den Er- oder Er- und Ablebensfall abgeschlossenen Kapitalversicherung einschließlich einer fondsgebundenen Lebensversicherung,

b) im Falle der Kapitalabfindung oder des Rückkaufs einer Rentenversicherung, bei der der Beginn der Rentenzahlungen vor Ablauf von zehn Jahren ab Vertragsabschluß vereinbart ist, ausgezahlt werden, wenn im Versicherungsvertrag nicht laufende, im wesentlichen gleichbleibende Prämienzahlungen vereinbart sind und die Höchstlaufzeit des Versicherungsvertrages weniger als zehn Jahre beträgt.

7. Zuwendungen jeder Art einer nicht unter § 5 Z 6 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 fallenden Privatstiftung sowie Zuwendungen einer Privatstiftung im Sinne des § 4 Abs. 11 Z 1 lit. c bis zu einem Betrag von 1 460 Euro jährlich. Als Zuwendungen gelten auch Einnahmen einschließlich sonstiger Vorteile, die anläßlich der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes an die Privatstiftung vom Empfänger der Zuwendung erzielt werden. Dies gilt nicht hinsichtlich der bei der Zuwendung von Grundstücken mitübertragenen Belastungen des Grundstückes, soweit sie mit dem Grundstück in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Der Absatz 2 des § 27 lautet:

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch:

1. Besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den im Abs. 1 bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden, zB Sachleistungen, Boni und zusätzliche Zinserträge aus Wertpapierkostgeschäften, weiters nominelle Mehrbeträge auf Grund einer Wertsicherung."

Die Einkünfte aus Kapitalvermögen werden im § 27 EStG 1988 nicht eigens definiert. Die Bestimmung enthält eine unstrukturierte Auflistung von Haupt- und Nebentatbeständen, wobei der Tatbestand in Z. 4 "andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" entsprechend dem historischen Rechtsverständnisses des EStG 1967 als Auffangtatbestand sehr weit gefasst ist. Darunter fallen alle Erträge aus der entgeltlichen Nutzungsüberlassung von Kapitalvermögen jeder Art. Da auch Gewinnanteile an ausländischen Kapitalgesellschaften, die weder Aktiengesellschaften noch GmbHs vergleichbar sind, darunter fallen, sind wohl auch Ausschüttungen und Bezüge aus dem Anteilsrecht der Mitglieder gegenüber der AG erfasst. Es spielt somit für die Steuerpflicht der Ausschüttung keine Rolle, ob die AG landesgesetzlich als Körperschaft privaten Rechts oder als Körperschaft öffentliche Rechts organisiert ist (Sulz/Nidetzky, ÖStZ 1996, 389ff, Rauscher, SWK, 29/2000 S 694, derselbe SWK 2/2002, S 34).

Bei den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften handelt es sich um eine spezielle Ausprägung von historischem Miteigentum, deren privatautonome Nutzung durch die Flurverfassungs-Landesgesetze beschränkt ist. Dabei werden die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften einer Körperschaft (idR öffentlichen Rechts) zugewiesen, an der die Miteigentümer ein Anteilsrecht haben. Diese Anteilsrechte sind zwar an das Eigentum einer Stammsitzliegenschaft gebunden, sie sind aber - wenn auch mit Zustimmung der Agrarbehörde - disponibel (z.B. Absonderung eines Anteilsrechtes sowie Einzelteilung oder Sonderteilung, §§ 47, 50 Nö. Flurverfassungs-Landesgesetz). Das Anteilsrecht an einer AG ist den Mitgliedschaftsrechten oder Gesellschaftsrechten im Sinn des § 27 Abs. 1 EStG gleichartig (UFS, RV/0257-K/04 vom ).

Es handelt sich um keine echte Zwangsmitgliedschaft (z.B. Kammermitgliedschaft), weil die Anteilsrechte an dem Gemeinschaftsvermögen lediglich durch das zwischengeschaltete Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft vermittelt werden, jedoch diese - an Liegenschaftseigentum gebundenen - Anteilsrechte in einem öffentlich-rechtlich geregelten Verfahren übertragbar sind. Deshalb wird von den Anteilsberechtigten der AG auf Ebene der Gemeinschaft in Sachwerten gebundenes Kapital zur Verfügung gestellt, und zwar im Ausmaß jenes Wertes am Vermögen der Agrargemeinschaft, welches ihrem Anteil entspricht.

Sonstige Kapitalforderungen jeder Art gemäß § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG sind alle auf einen Geldbetrag gerichtete Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 27 Abs. 1 EStG erfasst sind (Doralt/Kirchmayr, EStG8, § 27 Tz. 84). Mit dem rechtsverbindlichen Ausschüttungsbeschluss der Vollversammlung der AG haben die Mitglieder als Ausfluss ihres körperschaftlichen Anteilsrechtes eine solche Kapitalforderung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG erworben.

Der UFS vertritt die Auffassung, dass der Gesetzgeber im § 27 Abs. 1 EStG auf Typologien abstellt. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass einzelne Sachverhalte im Zentrum dieser Typologie stehen, andere wiederum an deren Rand rücken. Solche "Randsachverhalte" sind steuerrechtlich danach zu beurteilen, ob sie - gerade noch - dieser Typologie entsprechen oder eben nicht mehr. Das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse entspricht dem typenmäßig charakterisierten Tatbestand, wenn die Merkmale des Typus zum überwiegenden Teil in Erscheinung treten, sodass das typenmäßig vorgeformte Bild in den Hauptbelangen erfüllt ist. Der Tatbestand wird somit realisiert, ohne dass alle Einzelzüge geschlossen und gleich intensiv ausgeformt sein müssen. Allein das Fehlen einer direkten Kapitalzufuhr seitens der AG Mitglieder zum Zeitpunkt der Entstehung der AG, steht der Verwirklichung des Tatbestandstypus nicht entgegen (Rauscher,SWK 2/2002 S. 34).

Im Falle der AG werden die Hauptmerkmale " des Tatbestandes im § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG, "Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" überwiegend erfüllt. Die Anteilsberechtigten stellen - wenn auch unter den Einschränkungen des Flurverfassungs-Landesgesetzes - disponibles, agrargemeinschaftliches Liegenschaftsvermögen einer Körperschaft öffentlichen oder privaten Rechts zur entgeltlichen Nutzung zur Verfügung. Ein Anteilsberechtigter hätte bereits im Regulierungsverfahren zur Errichtung der AG die Absonderung oder Teilung seines Anteiles verlangen können und dadurch seine Mitgliedschaft an der AG ausschließen können. Mit dem Erwerb der Mitgliedschaftsrechte an der AG sind auch rechtsverbindliche Ansprüche auf Kapitalforderungen (im gegenständlichen Fall die Ausschüttung eines Veräußerungserlöses) verbunden.

Der UFS folgt daher der, schon im Verfahren gegenüber der AG Z. , RV/2605-W/09 vom geäußerten Rechtsauffassung, dass es sich bei der Ausschüttung an die Mitglieder, die ihre Anteile im Privatvermögen halten, um steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG handelt.

Die vom Finanzamt im Vorlagebericht vorgenommenen Ausführungen werden als zutreffend erachtet. Die Einwände der Bw. und die zur Untermauerung ihres Standpunktes herangezogene Literatur (Mayr, SWK 28/2001, S. 684, Brauner/Urban, SWK 26/2009, S. 786, Doralt, EStG4, § 27 Tz. 103) sowie die Entscheidung des UFS, RV/0155-I/03 vom vermögen gegenüber den eindeutigen Ergebnissen der historischen und verfassungskonformen Interpretation des § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG nicht zu überzeugen.

Mayr untersucht in seinem Beitrag eigentlich die - nicht in Streit stehende Pflicht der KESt Abfuhr von Ausschüttungen der AG und verneint das Vorliegen von Substanzgenussrechten. Für Anteilsrechte, welche im Privatvermögen gehalten werden, hält er eine "Steuerbarkeit als Einkünfte aus Kapitalvermögen für denkbar". Auch Brauner/Urban setzen sich mit der herrschenden Meinung, ob Zuflüsse von AG ins Privatvermögen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG sein können, überhaupt nicht auseinander und treffen dazu auch keine Aussage. Die von Doralt im EStG-Kommentar der 4. Auflage geäußerte Meinung (Tz. 103), dass der AG kein Kapital zur Nutzung überlassen werde und daher nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen sondern wiederkehrende Bezüge im Sinn des § 29 Z. 1 EStG vorliegen würden, findet sich in den späteren Auflagen des Werkes nicht mehr. Dieses Argument der fehlenden Kapitalüberlassung, das im Wesentlichen das Vorbringen der Bw. sowie auch die abweichenden Einzelentscheidung des UFS stützen soll, wurde offensichtlich auch von Vertretern der Lehre (Doralt/Kirchmayr) nicht weiter aufrecht gehalten.

Dem Begehren der Bw. war somit keine Folge zu geben, weil die im Jahr 2008 erhaltene Ausschüttung vom Finanzamt zu Recht als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 zur Bemessungsgrundlage herangezogen wurde.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at