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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 07.09.2011, RV/1103-W/05

Türkischer Student (alte Rechtslage)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Oktober 2004 (bis Dezember 2005) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber, geb. am Datum, (im Folgenden Bw.) beantragte mit Eingabe vom (beim zuständigen Finanzamt eingelangt am ) die Gewährung der Familienbeihilfe für sich selbst und legte u.a. einen Zulassungsbescheid der Universität zum Wintersemester 2004, das Studienblatt als außerordentlicher Studierender für das Sommersemester 2005 sowie Kopien aus seinem Reisepass vor.

Das Finanzamt wies den Antrag des Bw. mit Bescheid vom mit folgender Begründung ab Oktober 2004 (Beginn des Wintersemesters 2004) ab:

"Gem. Verordnung Europäischer Wirtschaftsraum betreffend Familienleistungen bezieht sich der Geltungsbereich auf Arbeitnehmer und Selbständige. Die Verordnung findet auf nichterwerbstätige Personen grundsätzlich keine Anwendung. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist nur auf Personen anzuwenden, auf welche die Verordnung Anwendung findet.

Gem. § 2 Abs. 8 Familienlastenausgleichsgesetz in der derzeit geltenden Fassung haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben.

Gem. § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz in der derzeit geltenden Fassung hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört bzw. die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, Anspruch auf Familienbeihilfe. Obiger Antrag wird abgewiesen, da Ihr Bruder für Sie die Unterhaltskosten überwiegend trägt. Sie halten sich nur zu Ausbildungszwecken in Österreich auf und ist somit der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen nicht in Österreich."

In der gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Berufung führte der Bw. aus:

"Ich erhebe gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes X. vom VersNr. y fristgerecht Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und beantrage in Stattgebung meiner Berufung mir die Familienbeihilfe antragsgemäß zu gewähren und begründe diese wie folgt:

Es ist auch unrichtig dass ich auch im Ausland einen Wohnsitz habe. Mein Hauptwohnsitz ist an meinem Studienort in G., wo ich mich auch das ganze Jahr über aufhalte. Ich beabsichtige nach Absolvierung meines Studiums A auf Grundlage des FremdenG in Österreich zu bleiben und hier zu arbeiten, wodurch die Wohnsitzqualität erhöht wird.

Ich habe jedenfalls gem § 2 Abs 8 FLAG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht den Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in Österreich. Ausreichende Feststellungen dazu hat das Finanzamt in Verkennung der Rechtslage nicht getroffen.

Außerdem hat das Finanzamt nicht erkannt, daß gemäß dem Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit BGBL. 428/1977 türkische Staatsbürger bei der Gewährung der Familiebeihilfe den österreichischen Staatsbürgern gleich gestellt sind.

Da meine Eltern nicht in der Lage sind, mich zu erhalten, mein Bruder, der mich mit monatlich € 200.- aus Freigiebigkeit unterstützt, ist mir gegenüber nicht unterhaltspflichtig und ich habe keinen Rechtsanspruch auf seine Zuwendungen. Es trägt somit niemand für mich irgendwelche Unterhaltskosten.

Ich beantrage in Stattgebung der Berufung die Familienbeihilfe wie beantragt zu gewähren."

In einer Vorhaltsbeantwortung vom teilte der Bw. dem Finanzamt seine finanziellen und familiären Verhältnisse mit und das Finanzamt wies die Berufung des Bw. mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab wie folgt:

"Obiger Berufung wird der Erfolg versagt. da Ihr Familienwohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ist, Sie sich nur zu Ausbildungszwecken in Österreich aufhalten und Ihr Unterhalt durch Ihren Bruder und Ihrer Mutter überwiegend getragen wird. Sie gehören zum Haushalt Ihrer Familie (Bruder) in der Bundesrepublik Deutschland und Sie befinden sich nur für Zwecke der Berufsausbildung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausbildung, wo Sie eine Zweitunterkunft benutzen.

Ein Antrag auf Familienleistung wäre daher in der Bundesrepublik Deutschland durch Ihre Familie (Bruder) zu stellen."

Der Bw. beantragte Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde 2. Instanz und brachte ergänzend vor:

"Die Annahmen der Berufungsvorentscheidung sind insofern unzutreffend, als ich den Mittelpunkt meiner Lebensinteressen an meinem Studienort in Österreich habe - und nirgendwo sonst.

Tatsächlich unrichtig ist auch die Berufungsbegründung, daß mir meine Mutter überwiegend Unterhalt leisten würde, dies auch nicht in Verbindung mit meinem Bruder. Auf Unterhalt von meinem Bruder habe ich keinen Rechtsanspruch.

Ebenso unrichtig in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ist, daß ich zum Haushalt eines Bruders gehören würde. Ich habe nie in seinem Haushalt gewohnt. Ein allfälliger Besuch während der Ferien, begründet keine Haushaltszugehörigkeit. Eine eidesstättige Erklärung meines Bruders kann ich nachreichen.

Unrichtig ist, daß ich bei meinem Bruder eine zuständigkeitsbegründete "Zweitunterkunft" hätte.

Ich halte meine Anträge auf Gewährung von Familienbeihilfe sowie meine Berufungsanträge vollinhaltlich aufrecht."

Über die Berufung wurde erwogen:

Zum strittigen Zeitraum im vorliegenden Fall ist vorerst auszuführen: Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat das Finanzamt den Antrag des Bw. für den Zeitraum "ab Oktober 2004." abgewiesen. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (). Da sich die Rechtslage im gegenständlichen Fall durch die Neufassung des § 3 FLAG 1967 bzw. Änderung des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 (BGBl I 100/2005) mit Wirkung ab geändert hat, ist im Berufungsfall der Bescheidzeitraum des angefochtenen Bescheides mit beschränkt.

Laut Aktenlage liegt im Berufungsfall folgender Sachverhalt vor:

Der im strittigen Zeitraum bereits volljährige Bw.

- ist türkischer Staatsbürger und lebt laut seinen Angaben auf dem Antragsformular seit in Österreich in einem Studentenheim, als Familienwohnort wurde vom Bw. eine Adresse in Deutschland (Adresse-D) angegeben,

- ist laut eigenen Angaben Halbwaise (der Vater ist verstorben, als der Bw. fünf Jahre alt war, die Mutter Hausfrau),

- wird laut vorgelegter Bestätigung vom von seinem in Deutschland lebenden Bruder finanziell unterstützt: am mit € 300; am mit € 250 und ab März 2005 monatlich in Höhe von € 200 (Dauerauftrag),

- hat laut Vorhaltsbeantwortung vom monatliche Einnahmen in Höhe von € 300 (€ 200 vom Bruder, € 40 von der Mutter und € 60 "Gelegenheit"), die Ausgaben betragen € 405 (€ 114 für Studentenheim alles inklusive, ohne Essen, € 30 für Straßenbahn, € 130 für Deutschkurs, € 21 für Versicherung, € 40 für Lehrmittel - Telefon, € 50 für Lebensmittel),

- wurde mit Bescheid vom unter der Voraussetzung des Nachweises der Kenntnisse der deutschen Sprache (nach Ablegung einer ausländische Reifeprüfung) zum Studium der Studienrichtung StudiumA (Bakkalaureatsstudium) an der Universität zum Wintersemester 2004 zugelassen (befristet mit ),

- besuchte laut vorgelegtem Studienblatt im Wintersemester 2004 und im Sommersemester 2005 einen Universitätslehrgang (Vorstudienlehrgang) als außerordentlicher Studierender,
- war im strittigen Zeitraum laut Versicherungsdatenauszug ab (bis ) in der Krankenversicherung nach § 16 ASVG selbstversichert,

- Versicherungszeiten aus einer Beschäftigung liegen (bis zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung) in Österreich nicht vor, ebenso ist der Bw. steuerlich nicht erfasst und seit ist der Bw. in Österreich auch nicht mehr gemeldet.

Strittig ist im Berufungsfall, ob der Bw. selbst nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 bzw. aufgrund des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) Anspruch auf Familienbeihilfe hat, wobei sich die innerstaatliche Rechtslage wie folgt darstellt

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 idF BGBl. 311/1992 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben minderjährige Kinder (bzw. Vollwaisen) Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Kinder haben nach § 6 Abs. 2 lit. a leg.cit. Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, wobei § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 anzuwenden sind.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gilt bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht, wenn für ein vorgehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Eine Berufsausbildung ist nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung (BGBl. 142/2004) haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben.

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben zudem die Voraussetzungen nach § 3 FLAG 1967 zu erfüllen:

§ 3 FLAG 1967 idF BGBl.Nr. 142/2004 (in Geltung vom bis ) lautet:

(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

Für den Anspruch des Bw. auf Familienbeihilfe muss im gegenständlichen Fall somit nach § 2 Abs.8 FLAG 1967 der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Bundesgebiet liegen, weiters ist es für den Anspruch des Bw. auf Familienbeihilfe erforderlich, dass der Bw. sich in Berufsausbildung befindet und nach den Bestimmungen des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 von seinen Eltern ihm nicht überwiegend Unterhalt geleistet wird.

Doch selbst wenn der Bw. den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich hätte und die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs.5 und Abs.2 FLAG 1967 vorliegen würden, müssten für den Anspruch auf Familienbeihilfe nach innerstaatlichem Recht auch die nach § 3 FLAG 1967 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Der Bw. war im strittigen Zeitraum weder bei einem Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt noch hatte er im genannten Zeitraum Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sodass die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs.1 FLAG 1967 in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung nicht vorlagen. Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 FLAG 1967, wonach ein 5 jähriger, ständiger Aufenthalt in Österreich zum Anspruch führt, ist - für den im gegenständlichen Verfahren strittigen Zeitraum - auch nicht vorgelegen, da sich der Bw. unbestritten erst seit Jänner 2004 in Österreich aufhält. Damit sind nach innerstaatlichem Recht die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Zum Vorbringen des Bw, türkische Staatsbürger wären gemäß dem Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit BGBI. 428/1977 bei der Gewährung der Familienbeihilfe den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, ist auszuführen:

Nach Art. 8 dieses Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) stehen Personen, die im Gebiet eines Vertragsstaates wohnen und für die dieses Abkommen gilt, hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus den Rechtsvorschriften jedes Vertragsstaates, dessen Staatsangehörigen gleich (soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt).

Nach Art. 58 des genannten Abkommens hängt die Anwendung der Abschnitte 1 (Familienbeihilfen) und 2 des Kapitels 6 (betreffend Familienleistungen) vom Abschluss von zwei- oder mehrseitigen Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten ab, die auch Sonderregelungen enthalten können.

Das im Anhang III des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) (zu Art.6 Abs.3 des Abkommens) angeführte Abkommen über soziale Sicherheit "Österreich - Türkei" vom (BGBl 91/1985) wurde mit (BGBl. 349/1996) gekündigt und (nach einem abkommenslosen Zeitraum) durch ein neues Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und der Türkei (BGBl III 67/2002) ersetzt. Im Anhang V des Europäischen Abkommens wurde der ursprünglich geltende Wortlaut gestrichen; ebenso wurde im Anhang V zur Zusatzvereinbarung hinsichtlich "Österreich - Türkei" der geltende Wortlaut ersetzt durch "Vereinbarung vom zur Durchführung des Abkommens über soziale Sicherheit vom ").

Dieses zweiseitige Nachfolgeabkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und der Türkei (BGBl III 67/2002) enthält keine Regelungen über Familienleistungen und somit kommt nach Art 58 des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) dieses Abkommen zwischen Österreich und der Türkei hinsichtlich der Familienbeihilfe für den strittigen Zeitraum nicht mehr zur Anwendung.

Gemäß Art. 6 des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) berührt letztgenanntes Abkommen jedoch nicht die Bestimmungen über Soziale Sicherheit im Vertrag vom zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die in diesem Vertrag vorgesehenen Assoziierungsabkommen und die Maßnahmen zur Durchführung dieser Bestimmungen.

Im Hinblick auf das im Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei (Beschluss Nr.3/80 des Assoziationsrates vom über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf türkische Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige) enthaltene Gleichbehandlungsgebot ist damit auch zu prüfen, ob der Bw. in den persönlichen Geltungsbereich des letztgenannten Abkommens fällt:

" Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr. 3/80 stellt im Geltungsbereich dieses Beschlusses einen eindeutigen, unbedingten Grundsatz auf, der ausreichend bestimmt ist, um von einem nationalen Gericht angewandt werden zu können und der daher geeignet ist, die Rechtsstellung des Einzelnen zu regeln " (, Sema Sürül).

Nach Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr. 3/80, der die Überschrift "Gleichbehandlung" trägt (und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (VO) Nr. 1408/71 entspricht), haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die dieser Beschluss gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit dieser Beschluss nichts anderes bestimmt.

Nach Artikel 2 des Beschlusses Nr. 3/80 ("Persönlicher Geltungsbereich") gilt dieser Beschluss:

- für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrer Mitgliedstaaten gelten oder galten, und die türkische Staatsangehörige sind;

- für die Familienangehörigen dieser Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen;

- für Hinterbliebene dieser Arbeitnehmer."

Das im Verhältnis zur Türkei assoziationsrechtlich geltende Gleichbehandlungsgebot kommt somit nicht schlechthin türkischen Staatsbürgern, sondern nur türkischen Arbeitnehmern sowie deren Familienangehörigen, die sich in einem Mitgliedstaat aufhalten, zugute (). Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt allerdings die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten grundsätzlich nicht für Familienleistungen (vgl. ). Dass für den in Deutschland lebenden Bruder des Bw. laut Aktenlage möglicherweise die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gelten oder galten, ist nicht weiter relevant, da der Bw. iSd VO 1408/71 kein Familienangehöriger des Bruders ist und dass der noch unterhaltsberechtigte Bw., um in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses 3/80 zu fallen, seine Stellung von seiner Mutter ableiten könnte, ist laut Aktenlage ebenfalls nicht zutreffend (die Mutter ist Hausfrau).

Der Bw. ist als Student selbst kein Arbeitnehmer im Verständnis des Beschlusses 3/80, weil dazu nur Personen gehören, die gegen eines der Art. 1 lit. b des genannten Beschlusses iVm der VO (EWG) 1408/71 genannten Risken versichert sind. Eine Person besitzt die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO 1408/71, wenn sie gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer (oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte) erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist (EuGH Rs C-542/03).

Ein Studierender dagegen ist nach Artikel 1 Buchstabe ca der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 jede Person außer einem Arbeitnehmer, einem Selbständigenoder einem seiner Familienangehörigen oder Hinterbliebenen im Sinne dieser Verordnung, die ein Studium oder eine Berufsausbildung absolviert, das/die zu einem von den Behörden eines Mitgliedstaats offiziell anerkannten Abschluss führt, und die im Rahmen eines allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit oder eines auf Studierende anwendbaren Sondersystems der sozialen Sicherheit versichert ist.

Der Bw. war im strittigen Zeitraum nach § 16 ASVG in der Krankenversicherung selbst versichert. Nur ordentliche Studierende, die nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind und die an einer Lehranstalt im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 bis 7 des StudFG 1992 sind bzw. die Lehrveranstaltungen oder Hochschullehrgänge, die der Vorbereitung auf das Hochschulstudium dienen, besuchen, können sich nach § 16 ASVG in der Krankenversicherung auf Antrag selbst versichern. Diese Selbstversicherung für Studenten nach § 16 ASVG ist somit nicht gleichzusetzen einer freiwilligen (Weiter-)Versicherung für Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a Z i der VO 1408/71, wie z.B. freiwillige Weiterversicherungen nach § 17 ASVG odernach §19a ASVG, setzten letztgenannte Bestimmungen doch voraus, dass die Person bereits beschäftigt war bzw. ist.

Als Studierender fällt der Bw. somit nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Assoziationsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Türkei (Art.2 des Beschlusses 3/80) und es sind die Anspruchsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht zu erfüllen. Da die Anspruchsvoraussetzung nach § 3 FLAG 1967, wie bereits ausgeführt, nicht vorliegen, ist es im gegenständlichen Fall auch nicht weiter relevant, ob die weitern Voraussetzungen (nach § 2 Abs.8 sowie § 6 Abs.5 und Abs. 2 lit. a FLAG 1967) gegeben sind.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at