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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 01.09.2011, RV/2250-W/11

Antrag auf Bescheidaufhebung (Rückzahlung von Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld) gemäß § 299 BAO wegen Aufhebung der Rechtsgrundlage durch den VfGH

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1184/11 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2250-W/11-RS1
Eine Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO eines Bescheides betreffend Rückforderung von Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld mit der Begründung, dass der VfGH (Erkenntnis vom , G 184-195/10) § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG als verfassungswidrig aufgehoben hat, ist nicht zulässig. Die Entscheidung des VfGH hat keine Auswirkung auf Rückzahlungsaufforderungen, die bereits rechtskräftig sind.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt, 2460 Bruck an der Leitha, Schlossmühlgasse 14, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) wurde mit Bescheid vom auf Grund des § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG zur Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2004 verpflichtet. Eine dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Berufungsentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Am langte beim Finanzamt ein Antrag des Bw. auf Aufhebung des Bescheides vom gemäß § 299 BAO ein. Dazu wurde ausgeführt, der Spruch habe sich als nicht richtig erwiesen. Der Verfassungsgerichtshof habe § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG in seiner Stammfassung wegen Verfassungswidrigkeit mit Wirkung ex tunc aufgehoben. Das Finanzamt wies den Aufhebungsantrag mit Bescheid vom ab, da das angesprochene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für bereits rechtskräftige Bescheide keine Wirkung entfalte.

In der Berufung brachte der Vertreter des Bw. nach Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufes vor, dass von der Abgabenbehörde nunmehr noch nicht rechtskräftige Bescheide unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 184-195/10, ersatzlos aufgehoben werden. Auch im Fall des Bw. sei durch die Aufhebung des § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG die Rechtsgrundlage seiner Zahlungsverpflichtung weggefallen. Der ihn betreffende Bescheid über die Rückzahlungsverpflichtung sei jedoch schon in Rechtskraft erwachsen, die Berufungsentscheidung sei dem Bw. am zugestellt worden. Es werde daher bei völlig identen Sachverhalten danach differenziert, ob eine Entscheidung bereits rechtskräftig sei.

Die Rechtskraft diene der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Wohlerworbene Parteirechte sollen geschützt werden. Dem Gesetzgeber könne jedoch nicht unterstellt werden, dass er bei Schaffung der Bestimmungen über die Rechtskraft gewollt hätte, dass eklatantes Unrecht und gleichheitswidrige Differenzierungen Teil des Bestandes der österreichischen Rechtsordnung bleiben, nur weil sie bereits in Rechtskraft erwachsen seien. Es sei gleichheitswidrig, wenn gleich Sachverhalte ungleich behandelt werden.

Die gesetzliche Grundlage des Bescheides vom sei weggefallen, daher werde die Aufhebung des Bescheides vom beantragt sowie in der Sache selbst die ersatzlose Aufhebung des Bescheides vom .

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Bw. beantragte die Aufhebung des Bescheides vom über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2004. Strittig ist, ob in Hinblick auf die Aufhebung des § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 184-195/10, die Rechtsgrundlage des Bescheides vom weggefallen ist.

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht (Ritz, BAO, § 299 Tz 10).

Die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid vom wurde mit Berufungsentscheidung vom , welche sich u.a. auf § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG gestützt hat, als unbegründet abgewiesen. Mit der Zustellung an den Bw. am trat die formelle Rechtskraft der Berufungsentscheidung ein. Am erging das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, G 184/10, mit dem der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, in seiner Stammfassung betreffend Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld als verfassungswidrig aufhob. Aufgrund der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, dürfen ab der Kundmachung der Verfassungsgerichtshofentscheidung im Bundesgesetzblatt am keine (neuen) Rückzahlungsaufforderungen für vergangene Jahre ergehen bzw sind noch nicht rechtskräftige Rückforderungsbescheide aufzuheben.

Für das gegenständliche Verfahren ist jedoch folgende Aussage des Verfassungsgerichtshofs von Relevanz: "§ 18 Abs. 1 Z 1 KBGG in der Stammfassung steht mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung." Das bedeutet, dass Rückzahlungsaufforderungen, die bereits rechtskräftig wirksam sind, von der Aufhebung der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG nicht betroffen sind. Tatsache ist auch, dass der Bw. die Berufungsentscheidung vom nicht mit Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof angefochten hat und somit das Rückforderungsverfahren des Bw. kein sogenannter Anlassfall beim Verfassungsgerichtshof geworden ist.

Festzustellen ist somit, dass die Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld gegenüber dem Bw. auf einem (unbestritten) rechtskräftigen Bescheid basiert, dessen Rechtsgrundlage weiterhin in Geltung steht. Eine Durchbrechung der Rechtskraft des Bescheides vom durch Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO ist daher nicht zulässig.

Der steuerliche Vertreter wendete ein, dass die Aufrechterhaltung der Rückforderung des Zuschusses zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führe. Dem ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Erkenntnis zum Ausdruck gebracht hätte, wenn die Aufhebung der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG auch für bereits rechtkräftige Rückzahlungsaufforderungen wirksam werden sollte. Dies hat er jedoch nicht getan. Vielmehr ist der genannten VfGH-Entscheidung - wie oben zitiert - ausdrücklich zu entnehmen, dass die Bestimmung für die Vergangenheit weiter gilt (siehe auch Presseinformation des zu G 184/10 - G 195/10).

Da also die Ausführungen seitens des Bw. eine Gesetzwidrigkeit des Rückforderungsbescheides vom nicht aufzuzeigen vermögen, bietet § 299 BAO keine verfahrensrechtliche Handhabe zur Aufhebung dieses Bescheides, sodass dem diesbezüglichen Antrag des Bw. vom Finanzamt nicht Folge gegeben werden konnte.

Die Berufung gegen den Bescheid vom war daher abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 18 Abs. 1 Z 1 KBGG, Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at