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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 30.08.2011, RV/0463-F/10

Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld bei Schenkung eines Forderungsrechts

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Adr, vertreten durch Dr. E. Michel, Notar, 6900 Bregenz, Rathausstraße 13, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Schenkungssteuer entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit notariellem Übergabsvertrag vom XXYYZZZZ übergaben die Eheleute M und IA ihren gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb an ihren Sohn P. Dieser verpflichtete sich u. a., seinen Geschwistern G (= Berufungswerberin) und R über deren Verlangen zur Abfindung ihrer Erb- und Pflichtteilsansprüche gegenüber den Übergebern einen Entfertigungsbetrag von je 30.000,00 € zu bezahlen (Pkt. III/1/1.7 des Vertrages). Vereinbarungsgemäß sollte der Abfindungsbetrag für die Berufungswerberin innerhalb von drei Jahren, jener für R innerhalb von zehn Jahren ab Vertragsunterfertigung zu bezahlen sein. Der Vertragspunkt enthielt die Klausel: "Die Vertragsparteien vereinbaren ausdrücklich, dass die vorangeführten Entfertigungsansprüche nicht schon als mit der Gutsübergabe erworben gelten, sondern erst, wenn GA und RA die Erfüllung beanspruchen."

In der Folge ergingen - bezogen auf den Übergabeanteil des Vaters M und den der Mutter I -je zwei Schenkungssteuerbescheide an die Berufungswerberin und ihren Bruder. Unter Zugrundelegung eines jeweiligen Betrages von 15.000,00 € (x 2 = 30.000,00) und nach Abzug des Freibetrages gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG errechnete sich die Schenkungssteuer mit je 320,00 € pro Bescheid (§ 8 Abs. 1 ErbStG, Steuerklasse I).

Die Berufungswerberin führte daraufhin in einer Berufung durch ihren steuerlichen Vertreter aus: Die Übergeber hätten sich im streitgegenständlichen Übergabevertrag ausbedungen, dass der Übernehmer an seine Geschwister G und R zur Abfindung von deren Erb- und Pflichtteilsansprüchen einen Betrag von je 30.000,00 € zu bezahlen habe. Die Entfertigungsansprüche sollten - so sei es vertraglich festgehalten - ausdrücklich erst dann als erworben gelten, wenn die Geschwister jeweils die Erfüllung beanspruchten, nicht jedoch schon mit Gutsübergabe. Insofern liege "eine andere Vereinbarung" iS des § 881 Abs. 3 ABGB vor. Bisher sei die Bezahlung weder verlangt noch tatsächlich vorgenommen worden. Mangels Zahlung der Abfindungsbeträge sei keine Bereicherung eingetreten, die Schenkung somit noch nicht ausgeführt und daher bisher auch keine Steuerschuld entstanden.

Im Übrigen sei § 1 Abs. 1 Z 2 ErbStG laut , mit Wirkung ab aufgehoben worden. Da die Steuerschuld im Streitfall vor diesem Zeitpunkt nicht eingetreten sei, unterliege die künftige Abfindungszahlung keiner Steuerpflicht.

Daraufhin ergingen abweisende Berufungsvorentscheidungen, in denen die Abgabenbehörde I. Instanz ausführte: Mit dem in Streit stehenden Vertrag sei der Berufungswerberin ein Forderungsrecht eingeräumt worden, das sie berechtigte, jederzeit die Erfüllung, nämlich die Zahlung von 30.000,00 € zu verlangen. Daran ändere die vereinbarte Klausel nichts, die wohl die Fälligkeit, nicht aber die Entstehung der Steuerschuld hinausschieben könne. Dies sei im Unterschied zu einer aufschiebenden Bedingung zu sehen - eine solche liege im Streitfall nicht vor. Durch Unterfertigung des Vertrages habe die Berufungswerberin auch zu erkennen gegeben, dass sie die Leistung in Anspruch nehmen wolle. Sie sei daher bereits mit Abschluss des Notariatsaktes von materiell bereichert gewesen.

In ihrem Antrag auf Vorlage ihrer Berufungen an die Abgabenbehörde II. Instanz verwies die Berufungswerberin auf das schon bisher Vorgebrachte. Im Übrigen betonte sie nochmals die vertragliche Formulierung, wonach die Entfertigungsansprüche nicht schon als mit der Gutsübergabe erworben gelten sollten, sondern erst im Zeitpunkt der Beanspruchung. Gleichzeitig sollte die Fälligkeit eintreten. Die Vertragsunterfertigung durch die Berufungswerberin sei keineswegs rechtsbegründend, sondern lediglich in Kenntnisnahme erfolgt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 ErbStG gilt als Schenkung, was als Abfindung für einen Erbverzicht gewährt wird.

Nach § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gilt eine Schenkung an dem Tag als ausgeführt, an dem die Bereicherung im Vermögen des Beschenkten tatsächlich eintritt und der Beschenkte in den Besitz des Geschenkes kommt; als Ausführung der Zuwendung ist der Eintritt der Bereicherung auf Seiten des Beschenkten anzusehen. Es kommt nicht darauf an, was dem Beschenkten urkundlich versprochen worden ist, sondern darauf, was er- sei es im Wege der körperlichen Übergabe, sei es durch eine Gutschrift, über die er jederzeit verfügen konnte, sei es auf andere Art - tatsächlich bekommen hat ().

Die Schenkung setzt eine endgültige materielle Bereicherung des Beschenkten voraus. Sie ist dann ausgeführt wenn er im Verhältnis zum Geschenkgeber frei über das Zugewendete verfügen kann (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, § 12 Rz 23).

Gegenstand einer Schenkung kann jede im Verkehr stehende Sache sein, sofern sie von wirtschaftlichem Wert ist. Die Schenkung eines Forderungsrechts ist ausgeführt, wenn dieses formgerecht abgetreten oder wirksam in der Person des Zuwendungsempfängers neu bestellt wurde. Bei einem Vertrag zugunsten Dritter entsteht das Forderungsrecht originär in der Person des Dritten ohne seine Mitwirkung allein aufgrund des Vertrages zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden (Fellner, wie oben, § 12, Rz 28b und 29d mit Hinweis auf BFH , II R 20/03).

Strittig ist: Ist die Steuerschuld bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entstanden, oder wird sie erst mit Begleichung der Forderung begründet?

Soweit sich die Berufungswerberin auf die unstrittig im Übergabsvertrag enthaltene Klausel beruft, wonach ihr Entfertigungsanspruch nicht schon mit der Gutsübergabe, sondern erst mit Geltendmachung als erworben gelten soll, ist ihr zu entgegnen: Laut Basisvertragstext (Pkt. II/1/1.7) kann sie ab Vertragsunterfertigung jederzeit die Auszahlung der 30.000,00 € verlangen ( "...er verpflichtet sich, seinen Geschwistern....über deren Verlangen...zur Zahlung eines Entfertigungsbetrages von je 30.000 €....Der Abfindungsbetrag für G ist innerhalb von drei Jahren, jener für R innerhalb von zehn Jahren, je ab Vertragsunterfertigung zu bezahlen." Vgl. auch Berufungsschriftsatz, 1: "...der Übernehmer hat einen Abfindungsbetrag.....zu bezahlen und zwar an G über deren Verlangen innerhalb von drei Jahren, an R über dessen Verlangen innerhalb von zehn Jahren, je ab Vertragsunterfertigung").

Infolge der sofortigen freien Verfügbarkeit über das Zugewendete - sie hat eine klagbare Forderung auf Auszahlung der Erbsentfertigung erworben - wurde die Berufungswerberin schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses materiell bereichert und gilt die Schenkung daher an diesem Tag als ausgeführt. Definitionsgemäß ist somit auch die Steuerschuld iS des § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG an diesem Tag entstanden. Der in der Wirklichkeit vorliegende Sachverhalt erfüllt die Merkmale des in der Norm enthaltenen Tatbestandes. Mit der Verwirklichung eines solchen, vom Gesetz als relevant erklärten Sachverhaltes, entsteht der Abgabenanspruch ex lege ohne ein behördliches Tätigwerden (Fellner, wie oben, § 12, Rz 1, 2). Auch gemäß BFH, , II R 20/03, ist die Schenkung eines Forderungsrechts in der Person des Zuwendungsempfängers wirksam bestellt, wenn dieser aus einem Vertrag zugunsten Dritter einen frei verfügbaren Anspruch auf die Leistung gegen den Versprechenden erlangt.

Wenig glaubwürdig - wenngleich irrelevant - ist der Einwand der Berufungswerberin im Vorlageantrag, wonach sie durch ihre Mitunterfertigung des Vertrages nicht zu erkennen gegeben hat, die Leistung auch in Anspruch nehmen zu wollen, sondern lediglich das Geschriebene zur Kenntnis nahm - entsteht doch bei einem Vertrag zugunsten Dritter das Forderungsrecht originär in der Person des Dritten ohne seine Mitwirkung allein aufgrund des Vertrages zwischen dem Versprechensempfänger (Übergeber) und dem Versprechenden (Übernehmer). Ein allfällig möglicher Rechtsverzicht des Dritten würde ex nunc wirken. Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung eines Vertrages dieser übrigens so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (Fellner, wie oben, § 1, Rz 31a).

Der in den streitgegenständlichen Vertrag aufgenommenen und laut Berufungswerberin als "andere Vereinbarung" gemäß § 881 Abs. 3 ABGB zu verstehenden Klausel kann nach dem Ausgeführten nicht mehr als eine Fälligstellungsqualifikation beigemessen werden, wie schon von der Abgabenbehörde I. Instanz in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt. Der Zeitpunkt der ex lege entstandenen Steuerschuld fällt daher nicht mit der nach Belieben der Berufungswerberin vorzunehmenden Fälligstellung zusammen.

Der Umstand, dass eine Auszahlung des Entfertigungsanspruches schon ab Vertragsausfertigung verlangt werden kann, steht im Übrigen auch der Annahme eines aufschiebend bedingten Erwerbes entgegen, würde bei einem solchen doch der Eintritt der Rechtswirkung von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Feldkirch, am

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