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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 07.11.2013, RV/0261-G/13

Haftung eines gemäß § 15a GmbHG bestellten Notgeschäftsführers

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Gerd Weidacher, 8200 Gleisdorf, Business Park 4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Oststeiermark vom betreffend Haftung gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtbetrag von 18.849,50 € eingeschränkt:


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Abgabenart
Fälligkeit
Betrag €
Dienstgeberbeitrag 2009
587,76
Zuschlag zum DB 2009
52,25
Lohnsteuer 2010
306,82
Dienstgeberbeitrag 2010
1.094,34
Zuschlag zum DB 2010
97,28
Umsatzsteuer 12/2010
862,01
Kraftfahrzeugsteuer 10-12/2010
20,36
Kraftfahrzeugsteuer 01-12/2010
81,44
Umsatzsteuer 01/2011
373,94
Lohnsteuer 02/2011
646,93
Dienstgeberbeitrag 02/2011
712,39
Zuschlag zum DB 02/2011
63,33
Umsatzsteuer 02/2011
6.101,62
Umsatzsteuer 2010
174,43
Säumniszuschlag A 2011
134,70
Umsatzsteuer 03/2011
1.335,60
Lohnsteuer 04/2011
519,49
Dienstgeberbeitrag 04/2011
440,36
Zuschlag zum DB 04/2011
39,14
Kraftfahrzeugsteuer 01-03/2011
81,44
Körperschaftsteuer 04-06/2011
238,17
Umsatzsteuer 04/2011
3.656,30
Säumniszuschlag A 2011
125,81
Säumniszuschlag B 2011
67,35
Lohnsteuer 07/2011
671,21
Dienstgeberbeitrag 07/2011
285,61
Zuschlag zum DB 07/2011
14,01
Säumniszuschlag A 2011
65,41

Entscheidungsgründe

Der Alleingesellschafter und handelsrechtliche Geschäftsführer der M.GmbH, M, verstarb am .

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes L vom wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 15a GmbHG zum Geschäftsführer der M.GmbH bestellt.

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes L vom wurde über das Vermögen der M.GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und die Gesellschaft in Folge der Insolvenz aufgelöst. Das Insolvenzverfahren wurde mit dem Beschluss des Landesgerichtes L vom gemäß § 139 IO aufgehoben (Konkursquote 3,78099 %) und die M.GmbH in weiterer Folge gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.

Mit dem Vorhalt vom wurde dem Bw. seitens der Abgabenbehörde zur Kenntnis gebracht, dass am Abgabenkonto der M.GmbH Abgabenbeträge in der Höhe von insgesamt 20.876,55 € offen aushafteten. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde der Bw. aufgefordert, eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen, sofern die Gesellschaft ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe. In dieser Aufstellung seien alle damaligen Gläubiger der Gesellschaft, die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte der Bw. aus, dass er lediglich als Notgeschäftsführer der M.GmbH tätig gewesen und in dieser Funktion bereits wieder im Firmenbuch gelöscht worden sei. Die Abgabenbehörde hätte sich bezüglich der im Vorhalt gestellten Fragen an den Masseverwalter zu wenden.

Mit dem Haftungsbescheid vom wurde der Bw. als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgaben der M.GmbH in der Höhe von 19.498,71 € in Anspruch genommen. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, die angeführten Abgaben seien an den Fälligkeitstagen nicht entrichtet worden. Von einer schuldhaften Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen des Bw. sei demnach auszugehen. Überdies sei die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO eine Ausfallshaftung und die Abgaben durch die Eröffnung des Konkursverfahrens uneinbringlich. Der Geschäftsführer hafte auch dann für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er die Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Lohnsteuer ergebe sich die schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten aus der Nichtbeachtung der Kürzungspflicht gemäß §§ 79 Abs. 1 bzw. 78 Abs. 3 EStG 1988. Demzufolge seien auszubezahlende Löhne entsprechend zu kürzen, wenn die vorhandenen Mittel für die Entrichtung der Löhne und die darauf entfallenden Lohnabgaben nicht ausreichten. Die Konkursquote in der Höhe von 3,78099 % sei im Haftungsbescheid berücksichtigt worden.

In der gegen den Haftungsbescheid eingebrachten Berufung vom führte der Bw. aus, er sei zum Geschäftsführer der M.GmbH bestellt worden, um die Abwicklung und weitere Vorgehensweise der GmbH im Zusammenhang mit dem Verlassenschaftsverfahren zu prüfen. Nachdem er Ende Juli 2011 nach der Fertigstellung des Jahresabschlusses (Stichtag: ) davon Kenntnis erlangt habe, dass die M.GmbH zahlungsunfähig und überschuldet sei, habe er am die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt.

Die Abgabenschuldigkeiten resultierten zu einem Großteil aus dem Zeitraum vor der Bestellung des Bw. zum Geschäftsführer. Eine schuldhafte Verletzung von Pflichten im Sinne des § 9 BAO liege nicht vor. Gerade wenn es sich um einen mit Beschluss bestellten Notgeschäftsführer handle, dessen Aufgabe die Abwicklung der Gesellschaft des verstorbenen 100 %-Gesellschafters sei, könne von einer schuldhaften Verletzung von Abgabenpflichtigen nicht gesprochen werden.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Berufung als unbegründet ab und führte aus, der Bw. sei im Zeitraum bis Geschäftsführer der M.GmbH gewesen, zähle demnach zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter und könne deshalb zur Haftung nach § 9 BAO herangezogen werden. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben stehe aufgrund der am erfolgten Konkurseröffnung fest.

Im Haftungsverfahren sei es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden könne. Habe der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so dürfe die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit gewesen sei. Nicht die Abgabenbehörde habe das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Andernfalls hafte der Geschäftsführer für die zur Haftung herangezogenen Abgaben zur Gänze.

Der Bw. habe den Vorhalt vom zwar beantwortet, aber keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht. Die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten ende nicht mit dem Zeitpunkt der Entstehung der (Abgabenzahlungs-)schuld, sondern erst mit deren Abstattung. Der Primärschuldner bleibe verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr bzw. Einzahlung er in Rückstand geraten sei, zu erfüllen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung sei der Geschäftsführer einer GmbH verhalten. Dieser müsse sich bei Übernahme seiner Funktion auch darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, und es obliege ihm, auch die vor seiner Bestellung fällig gewordenen, noch nicht abgestatteten Abgabenschuldigkeiten aus den vorhandenen Mitteln zu entrichten.

Aus der Argumentation des Bw. in der Berufung, er habe erst Ende Juli 2011 davon Kenntnis erlangt, dass die M.GmbH zahlungsunfähig und überschuldet sei, gehe klar und eindeutig hervor, dass es der Bw. bei Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit unterlassen habe, sich darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Es habe schon zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit durch den Bw. ein vollstreckbarer Rückstand in der Höhe von 9.978,20 € bestanden. Der Bw. habe, ohne dass ihm eine ordnungsmäßige Buchhaltung und Bilanz bzw. Steuererklärung der Vorjahre vorgelegen sei, bzw. ohne sich bei der Abgabenbehörde über die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch den Vorgeschäftsführer zu erkundigen, die Geschäftsführung der M.GmbH übernommen.

Der Bw. sei, trotz Kenntnis des Fehlens des Jahresabschlusses zum und trotz eigener Verantwortung zur Abgabe der fehlenden Steuererklärungen, als zu diesem Zeitpunkt verantwortlicher gesetzlicher Vertreter der M.GmbH nicht der ihm obliegenden Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe der fehlenden Steuererklärungen nachgekommen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung in Bezug auf die haftungsgegenständlichen Beträge sei daher ohne jeden Zweifel gegeben. Aus dem Protokoll vom des zuständigen Notars sei zudem ersichtlich, dass der Bw. über die Rechte und Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers aufgeklärt worden sei.

Im Vorlageantrag vom führte der Bw. begründend aus, dass es Aufgabe des Finanzamtes sei, eine schuldhafte Pflichtverletzung eines Geschäftsführers nachzuweisen. Dies sei weder im Haftungsbescheid vom noch in der Berufungsvorentscheidung gelungen. Es werde einfach nur eine schuldhafte Pflichtverletzung behauptet, ohne hiezu das Vorbringen des Bw. zu berücksichtigen. Wenn die Abgabenbehörde vermeine, es genüge, eine schuldhafte Pflichtverletzung anzunehmen, übersehe sie, dass auch für diese Annahme zumindest Anhaltspunkte vorliegen müssen, solche aber tatsächlich nicht gegeben seien.

Der Bw. habe nach Übernahme der Tätigkeit als Notgeschäftsführer die Fertigstellung des Jahresabschlusses per veranlasst und auch begonnen zu prüfen, ob das Unternehmen fortgeführt oder liquidiert werden solle. Nach Fertigstellung des Jahresabschlusses 2011 habe der Bw. Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der M.GmbH erlangt und sei anlässlich dessen ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die M.GmbH gestellt worden. Die Zahlungsunfähigkeit der M.GmbH sei dem Bw. vor der Bestellung zum Notgeschäftsführer nicht erkennbar gewesen, weshalb diesen auch keine schuldhafte Pflichtverletzung gegenüber der Abgabenbehörde treffe.

Auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass den Bw. ein schuldhaftes Verhalten an einer verspäteten Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder an einer Ungleichbehandlung von Gläubigern treffe.

Die Behauptung der Abgabenbehörde, der Bw. habe sich über die steuerliche Gebarung der M.GmbH nicht unterrichtet, sei ebenfalls unrichtig. Gerade zur Feststellung von offenen Forderungen bzw. einer Zahlungsunfähigkeit habe der Bw. den Jahresabschluss erstellen lassen. Überdies seien seitens der steuerlichen Vertretung der M.GmbH keinerlei Informationen über offene Rückstände übermittelt worden.

Vor der Bestellung des Bw. zum Notgeschäftsführer hätte dieser überdies keine Befugnis zur Einsicht in alle Unterlagen der Gesellschaft gehabt. Hinsichtlich möglicher nicht abgegebener Steuererklärungen sei auch darauf zu verweisen, dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt steuerlich vertreten gewesen sei.

Inwieweit der Bw. tatsächlich über die Rechte und Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers belehrt wurde, ergebe sich in keiner Form aus dem von der Abgabenbehörde zitierten Protokoll des zuständigen Notars oder der Berufungsentscheidung.

Die Forderung der Abgabenbehörde sei insbesondere deshalb rechtswidrig erhoben worden, da es sich bei den mit Haftungsbescheid vom geltend gemachten Beträgen zum Großteil um solche handle, welche aus dem Zeitraum vor der Bestellung des Bw. zum Notgeschäftsführer resultierten. Eine Bezahlung der Abgabenbeträge wäre jedenfalls anfechtbar gewesen, zumal dies zu einem Zeitpunkt erfolgt wäre, in dem der Abgabenbehörde das Erkennen einer Zahlungsunfähigkeit vorgehalten hätte werden können.

Der Notgeschäftsführer hätte keine weiteren Zahlungen mehr tätigen können, zumal der operative Betrieb bereits eingestellt und der Insolvenzantrag bereits eingebracht war bzw. die jeweiligen Beträge erst nach Insolvenzeröffnung fällig geworden seien. Dies betreffe insbesondere Beträge ab Juli 2011.

Abschließend stellte der Bw. fest, dass im vorliegenden Fall die Steuerrückstände ohne einen Notgeschäftsführer weiter angewachsen wären und darüber hinaus eine ordnungsgemäße Abwicklung der Gesellschaft in Form eines Insolvenzverfahrens nicht möglich gewesen sei bzw. erst stark verzögert erfolgt wäre. Im Falle des Aufrechtbleibens des Haftungsbescheides sei davon auszugehen, dass das System des Notgeschäftsführers ad absurdum geführt werde und sich niemand mehr bereit erklären werde, sich zum Notgeschäftsführer bestellen zu lassen, wenn für Steuerschulden vor Bestellung gehaftet werden müsse, wenn entsprechendes Vermögen jedoch nicht mehr vorhanden sei bzw. die entsprechende Liquidität nicht zur gänzlichen Bezahlung sämtlicher Schulden ausreiche und daher die Bezahlung von Rückständen jedenfalls anfechtbar sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme eines Vertreters einer juristischen Person sind somit das Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Vertretenen, eine Pflichtverletzung des Vertreters der juristischen Person, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da nach der Aktenlage das über das Vermögen der M.GmbH eröffnete Konkursverfahren mit dem Beschluss des Landesgerichtes L vom aufgehoben und die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht wurde. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist ausgeschlossen.

Unbestritten ist weiters, dass der Bw. vom bis alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der M.GmbH war.

Zu den gesetzlichen Vertretern im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO gehören auch die gemäß § 15a GmbHG vom Gericht bestellten Geschäftsführer (). Eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis für gemäß § 15a GmbHG bestellte Geschäftsführer besteht nicht, weshalb auch in diesem Fall die Vertretungsbefugnis gemäß § 20 Abs. 2 GmbHG nach außen unbeschränkt und unbeschränkbar ist.

Der Bw. zählt damit zu jenem Personenkreis, der gemäß § 9 BAO zur Haftung der im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenverbindlichkeiten herangezogen werden kann.

Nur die rechtliche Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zieht eine Verpflichtung zur Sicherstellung der Entrichtung der im Zeitraum der jeweiligen Geschäftsführung anfallenden Abgaben nach sich. Da der Bw. nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über die M.GmbH am nicht mehr als deren Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 18 Abs. 1 GmbHG anzusehen ist, kann der Bw. für die nach diesem Zeitpunkt fälligen, im Haftungsbescheid angeführten Abgaben (Dienstgeberbeitrag 01-08/2011 und Zuschlag zum DB 01-08/2011, fällig am und Säumniszuschlag B 2011, fällig am ) nicht als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen werden.

Der Berufung ist daher hinsichtlich eines Teilbetrages in der Höhe von 649,21 € stattzugeben.

Eine weitere Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestandes des § 9 BAO ist eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter. Zu dessen Pflichten gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabebehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (; , 2009/16/0108).

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat (z.B. ; , 2005/13/0040; "Gleichbehandlungsgrundsatz").

Nicht die Abgabebehörde hat daher dem Geschäftsführer eine schuldhafte Pflichtverletzung nachzuweisen, sondern der Bw. hat die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Am Bw. wäre es auch gelegen, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten, wozu er im Vorhalt des Finanzamtes Oststeiermark vom auch ausdrücklich aufgefordert wurde.

Eine den Anforderungen der dem Bw. im Haftungsverfahren auferlegten Beweislast genügende Beantwortung des Vorhaltes des Finanzamtes ist bis dato - wobei auch auf den Vorhaltscharakter der ausführlich begründeten Berufungsvorentscheidung vom hinzuweisen ist - unterblieben.

Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, wird aber der Nachweis hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht erbracht, erfolgt die Haftung für die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze (Ritz, BAO-Kommentar³, § 9 Tz 27).

Das Finanzamt ist daher zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bw. bei der Nichtabfuhr der im Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit fällig gewordenen Abgabenverbindllichkeiten ausgegangen.

Hinsichtlich jener Abgaben, die aus dem Zeitraum vor der Bestellung des Bw. zum Notgeschäftsführer resultieren, ist dem Vorbringen, der Haftungsbescheid sei diesbezüglich mit Rechtswidrigkeit behaftet, entgegen zu halten, dass sich die Haftung nicht nur auf Abgaben erstreckt, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt, sondern auch die Verpflichtung zur Entrichtung noch offener Abgabenschuldigkeiten des Vorgängers besteht (), weil die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschulden erst mit deren Abstattung endet (z.B. ).

Der Bw. hätte sich, wie in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt wird, bei der Übernahme der Tätigkeit als Geschäftsführers informieren müssen, ob und in welchem Ausmaß die Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die fehlende Buchhaltung bzw. der nicht vorliegende Jahresabschluss zum können den Bw. nicht exkulpieren, weil es für ihn im Zeitpunkt der Ernennung zum Notgeschäftsführer ein Leichtes gewesen wäre, sich mit dem zuständigen Finanzamt in Verbindung zu setzen, um die verfahrensgegenständlichen Abgabenrückstände zu eruieren. Nach der Aktenlage wurden der Gesellschaft während der Geschäftsführertätigkeit des Bw. insgesamt 16 Buchungsmitteilungen des Finanzamtes zugestellt, weshalb ihm die bestehenden Abgabenrückstände auch ohne Informationen des steuerlichen Vertreters der Gesellschaft nicht unbekannt gewesen sein können. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie der Bw. die Prüfung, ob das Unternehmen fortgeführt oder liquidiert werden solle, vornehmen konnte, ohne Informationen über Abgabenverbindlichkeiten zu besitzen bzw. ohne mit dem steuerlichen Vertreter der Gesellschaft Kontakt aufzunehmen.

Dass der Bw. keinerlei liquide Mittel zur Entrichtung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung hatte, wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus der Aktenlage, nach der auf Grund der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Meldung der Lohnabgaben im Haftungszeitraum auf eine Geschäftstätigkeit - möglicherweise in eingeschränktem Umfang - geschlossen werden kann.

Auch die Beauftragung eines Wirtschaftstreuhänders mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten vermag den Bw. nicht zu exkulpieren, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Der Vertreter hat beauftragte Personen nämlich zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (z.B. ; , 2001/14/0099). Im Übrigen kann nicht erwartet werden, dass steuerliche Vertreter von sich aus die Entrichtung von Abgabenverbindlichkeiten ihrer Klienten übernehmen. In diesem Zusammenhang geht das Vorbringen des Bw., die M.GmbH sei steuerlich vertreten gewesen, ins Leere.

Wenn der Bw. weiters vorbringt, ein schuldhaftes Verhalten sei auch deshalb nicht anzunehmen, weil sich im Rahmen des Insolvenzverfahrens keine Anhaltspunkte für eine verspätete Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben hätten, ist auszuführen, dass zu den abgabenrechtlichen Pflichten weder die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (zB ; , 2004/13/0146), noch die Pflicht, die Entstehung von Abgabenforderungen beim Vertretenen z.B. durch Betriebseinstellung zu vermeiden, zählt (; , ZIK 2002, 35). Das besondere Bemühen des Bw. im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist demnach nicht von haftungsrechtlicher Relevanz.

Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang ().

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann.

In diesem Fall ist die Einbringlichmachung beim Primärschuldner unzweifelhaft nicht gegeben, daher kann in Umsetzung des öffentlichen Anliegens der Sicherung des Steueraufkommens nur auf den Bw. zurückgegriffen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis , 97/16/0006) kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden.

Aus den genannten Gründen hat daher die Abgabenbehörde erster Instanz bei Ausübung des freien Ermessens zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse des Bw., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, den Vorzug gegeben.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Bw. - in der laut Bescheidspruch korrigierten Höhe der Verbindlichkeiten - als Haftungspflichtiger dem Grunde nach zu Recht.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at