Nachsicht bei einer Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch X-KEG, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Nachsicht folgender Abgabenschuldigkeiten wird bewilligt:
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Dienstgeberbeitrag | Zuschlag zum DB | |
2002 | 5.220 € | 522 € |
2003 | 5.850 € | 572 € |
2004 | 5.850 € | 572 € |
Entscheidungsgründe
1.1. Die Berufungswerberin (Bw.) ist eine GmbH, die einen Handel mit Kraftfahrzeugen und eine Reparaturwerkstätte betreibt. Unternehmensrechtliche Geschäftsführer sind die Brüder A. und B., die an der GmbH zu je 50 % beteiligt sind bzw. bis Juli 2004 zu je 45 % beteiligt waren.
1.2. Mit Eingabe vom legte der steuerliche Vertreter dem Finanzamt einen zwischen der Bw. und A. abgeschlossenen Werkvertrag mit dem Ersuchen um Beurteilung vor, ob es sich bei diesem Vertrag, der identisch mit dem zwischen der Bw. und B. abgeschlossenen Vertrag sei, um einen "Werkvertrag oder einen Dienstvertrag mit Dienstgeberbeitragspflicht" handle.
Dieser (mit datierte) Vertrag hatte folgenden Wortlaut:
"WERKVERTRAG
Die Gesellschafter der .... GmbH schließen mit Herrn A. den nachfolgenden Werkvertrag: per
1. Herr A... übernimmt es, für ein Jahr die Geschäftsführungsagenden der Gesellschaft im Rahmen des Unternehmensgegenstandes nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Wirtschaftsmöglichkeit bestmöglich zu besorgen.
2. Herr A... ist an keinerlei Weisungen hinsichtlich der einzelnen zu ergreifenden Maßnahmen gebunden.
3. Herr A... ist an keine feste Arbeitszeit gebunden. Er entscheidet frei darüber, wann seine Anwesenheit notwendig oder zweckmäßig ist. Er ist nicht in den betrieblichen Organismus eingegliedert. Welche Tätigkeitsbereiche von Herrn A... ausgeführt werden, steht ihm frei.
4. Herrn A... steht kein eigener Urlaubsanspruch zu. Es steht ihm vielmehr frei, sich in den Zeiträumen zu erholen, in denen seine Anwesenheit nach eigener Einschätzung nicht erforderlich ist.
5. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben kann sich Herr A... eines geeigneten Vertreters bedienen, allerdings dürfen daraus dem Unternehmen keine Kosten erwachsen.
6. Als Honorar erhält Herr A... einen Betrag von ATS 700.000.
Im Jahr sind zur Sicherung der Marktanteile mindestens 1200 Neuwagen- und Gebrauchtwagen-Einheiten abzusetzen. Bei Nichterreichung wird das Honorar je fehlende 100 Einheiten um 10 % gekürzt.
Dem Geschäftsführer werden 2 Akontozahlungen á 300.000 als Vorauszahlungen überwiesen. Kommt es zu Überzahlungen, sind die anteiligen Vorauszahlungen zurück zu erstatten.
7. Herrn A... wird nach Ablauf eines Jahres bekannt gegeben, ob er für das Folgejahr einen neuen Werkvertrag erhält.
Die Gesellschafter werden einen Monat vor Ablauf des Werkvertrages entscheiden, ob sie einen neuen Vertrag gegebenenfalls schließen wollen.
8. Der vorliegende Werkvertrag ist ein Werkvertrag im Sinne des § 1151 ABGB zweiter Halb-satz. Der Auftragnehmer hat für die Versteuerung des Honorars (Entgelt) im Rahmen der Einkommensteuererklärung selbst zu sorgen.
In der Eingabe vom wurde ausgeführt, dass die beiden Geschäftsführer, die an der Bw. zu je 45 % beteiligt seien, über eine Sperrminorität verfügten, weshalb Versicherungspflicht nach dem GSVG bestünde. Die Werkverträge hätten eine Laufzeit von jeweils einem Jahr. Nach dem Ende des jeweiligen Geschäftsjahres (Anm.: Bilanzstichtag 28.2.) werde geprüft, inwieweit die in der Gesellschafterversammlung vereinbarten Erfolgsziele erreicht worden seien. In der Folge würden für das nächste Geschäftsjahr neue Werkverträge mit einem neuen Erfolgsziel vereinbart. Im obigen Vertrag sei gegenüber dem für das Vorjahr abgeschlossenen Vertrag eine Steigerung des Erfolgszieles um 20 % (1.200 statt 1.000 verkaufte Fahrzeuge) festgelegt worden.
Werde bei einer Kapitalgesellschaft die Geschäftsführungstätigkeit von wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern nach Art eines Dienstverhältnisses ausgeübt, unterlägen die hierfür gewährten Gehälter und sonstigen Vergütungen dem Dienstgeberbeitrag. Ein Werkvertrag liege vor, wenn nicht die Arbeitskraft, sondern die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges geschuldet werde. Nach der Rechtsprechung sei das Unternehmerrisiko ein wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen einem Dienstverhältnis und einem Werkvertrag. Durch die jährliche Vereinbarung neuer Zielvorgaben für die Geschäftsführer hätten diese ein Risiko zu tragen, das mit dem eines Einzelunternehmers vergleichbar sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2000/14/0061, ausgesprochen habe, müsse die Abgabenbehörde feststellen, ob ein Entlohnungssystem vorliege, das Einkünften i. S. d. § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG und damit einer Dienstgeberbeitragspflicht entgegenstehe.
Bei einer die Jahre 1996 bis 1999 umfassenden Lohnsteuerprüfung seien die Geschäftsführer der Bw. zu ihren Bezügen befragt worden. Eine Beurteilung des obigen Werkvertrages sei jedoch nicht erfolgt, weil der Prüfungszeitraum 1999 geendet habe.
1.3. Mit Schreiben vom erteilte das Finanzamt dem steuerlichen Vertreter die Auskunft, dass die Geschäftsführerbezüge "aufgrund der vorgelegten Unterlagen" als dienstgeberbeitragspflichtiges Entgelt angesehen würden.
Mit weiterem Schreiben vom wurde dem steuerlichen Vertreter vom Finanzamt die gegenteilige Auskunft erteilt, dass die Geschäftsführerbezüge nicht dem Dienstgeberbeitrag unterlägen, weil bei der im Werkvertrag beschriebenen Tätigkeit neben der Weisungsgebundenheit auch die übrigen Merkmale eines Dienstverhältnisses nicht mehr erkennbar seien.
Wie einem diesbezüglichen Aktenvermerk des betreffenden Sachbearbeiters des Finanzamtes vom zu entnehmen ist, sei er "nach nochmaliger Durchsicht und Beschäftigung mit dieser Rechtsmaterie" zum Schluss gelangt, dass die Geschäftsführerbezüge als dienstgeberbeitragsfreies Entgelt anzusehen seien. Der Inhalt des obiges Werkvertrages in Verbindung mit der Rechtsprechung (insbesondere ; ; Zorn, SWK 2001, S 347) spreche im Sinne einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden Rechtsverhältnisses gegen die Annahme, dass der Geschäftsführer seine Arbeitskraft schulde. Somit lägen die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses nicht vor.
1.4. Bei einer für den Zeitraum vom bis zum durchgeführten Lohnsteuer-prüfung wurde festgestellt, dass die Bw. von den Bezügen der beiden Geschäftsführer weder Dienstgeberbeitrag noch Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag entrichtet hatte. Von diesen Bezügen wurden die Dienstgeberbeiträge samt Zuschlägen ermittelt und der Bw. mit (mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen) Haftungs- und Abgabenbescheiden vom vorgeschrieben.
1.5. Mit Eingaben vom ersuchte die Bw., die auf die Bezüge der beiden Geschäftsführer entfallenden Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge 2001 bis 2004 gemäß § 236 BAO wie folgt nachzusehen:
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Dienstgeberbeitrag | Zuschlag zum DB | |
2001 | 4.578,39 € | 518,88 € |
2002 | 5.220 € | 522 € |
2003 | 5.850 € | 572 € |
2004 | 5.850 € | 572 € |
Die Bw. verwies auf die Richtlinien zum Grundsatz von Treu und Glauben ( GZ. 010103/0023-VI/2006) und führte aus, dass die Geschäftsführerbezüge deshalb nicht dem Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag unterworfen worden seien, weil das Finanzamt in der Anfragebeantwortung vom zur Ansicht gelangt sei, "dass der Werkvertrag steuerfrei ist". Die Abgabeneinhebung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei somit sachlich unbillig.
1.6. Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt die Bw. um Mitteilung, worin der Vertrauensschaden gelegen sei, den sie durch die offensichtlich unrichtige Auskunft des Finanzamtes vom erlitten habe. Insbesondere möge mitgeteilt werden, welche Dispositionen bei Kenntnis der Unrichtigkeit dieser Auskunft nicht oder anders getroffen worden wären. Weiters wurde auf die ursprüngliche Auskunft des Finanzamtes vom sowie auf die Berufungsentscheidung der FLD für Tirol vom (GZ. RV/965/1-T6/01) hingewiesen, mit welcher eine von der Bw. erhobene Berufung gegen die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und Dienstgeberzuschlages für das Jahr 2000 abgewiesen worden sei.
1.7. Im Antwortschreiben vom machte die Bw. geltend, dass die schriftliche Auskunft des Finanzamtes vom nicht "offensichtlich unrichtig" gewesen sei. Im Fall einer offensichtlichen Unrichtigkeit dieser Auskunft würde sich nämlich die Frage stellen, warum es "so viele Urteile zu diesem Sachverhalt, auch noch im Jahr 2006" gebe. Die Unrichtigkeit der Auskunft des Finanzamtes sei für die Bw. nicht erkennbar gewesen. Vielmehr habe das Finanzamt eine vertretbare rechtliche Beurteilung getroffen. Eine vorangegangene Auskunft vom sei der Bw. nicht bekannt. Die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom habe nur eine von der Bw. geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 41 Abs. 3 FLAG betroffen (vgl. ). Eine Beurteilung der Tätigkeit der Geschäftsführer durch die Berufungsbehörde sei nicht erfolgt.
Laut Werkverträgen "über die zu verkaufenden Autos" seien die Geschäftsführervergütungen von der Anzahl der im Unternehmen verkauften Autos abhängig, welche Regelung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes getroffen worden sei. Ein Vertrauensschaden sei insofern entstanden, als im Fall einer negativen Auskunft des Finanzamtes die Bezüge der beiden Geschäftsführer auf null gekürzt worden wären, wobei anstatt einer unentgeltlichen Überlassung von im Privatvermögen der Geschäftsführer befindlichen Grundstücken an die GmbH Miete verrechnet worden wäre. Als Alternative dazu hätten die Geschäftsführer auch Gewerbeberechtigungen beantragen und gegenüber der Bw. als Unternehmer mit eigenen Gewerbebetrieben auftreten können, was zu dienstgeberbeitragsfreien Einkünften aus Gewerbebetrieb geführt hätte. Somit habe die Bw. durch die Auskunft des Finanzamtes einen erheblichen steuerlichen Nachteil erlitten, der im Wege eine Nachsicht beseitigt werden möge.
1.8. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab. Ausgeführt wurde, dass das Finanzamt lediglich einen "Werkvertrag" beurteilt habe. Die Feststellung in Punkt 3 dieses Vertrages, die Geschäftsführer seien nicht in den betrieblichen Organismus der GmbH eingegliedert, widerspreche den tatsächlichen Verhältnissen.
Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben sei die ungeschriebene Rechtsmaxime zu verstehen, dass jeder, der am Rechtsleben teilnehme, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen habe, und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen dürfe, was er früher vertreten habe und worauf andere vertraut hätten. Das im Art. 18 B-VG verankerte Legalitätsprinzip sei jedoch stärker als jedes andere Prinzip, sodass die Gesetzesbindung des Behördenhandelns Vorrang vor anderen allgemeinen Rechtsgrundsätzen habe. Eine Verpflichtung zu einem Verwaltungshandeln contra legem bestehe nicht; der Grundsatz von Treu und Glauben könne nicht ein rechtsfreies Handeln legitimieren.
Behördliche Auskünfte seien Wissenserklärungen, somit keine Bescheide und grundsätzlich nicht rechtlich bindend. Allerdings könne sich für Steuerpflichtige ein Schutz vor Vertrauensschäden ergeben, soweit
a) die Auskunft durch die zuständige Abgabenbehörde erteilt wurde,
b) die Unrichtigkeit der Auskunft für den Abgabepflichtigen bzw. seinen Vertreter nicht erkennbar war,
c) Dispositionen des Abgabepflichtigen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft getroffen wurden,
d) diese Dispositionen kausal sind für eine Besteuerung entgegen der Auskunft und dadurch ein Vertrauensschaden entstanden ist,
e) ein Vollzugsspielraum vorhanden ist, somit nicht bei eindeutiger Rechtslage.
Träfen diese Voraussetzungen zu, habe der Abgabepflichtige einen Anspruch auf eine allgemeine Billigkeitsmaßnahme (z. B. Nachsicht).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung i. S. d. § 236 BAO gegeben, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht gewolltes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und - verglichen mit anderen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen müsse seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst habe, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei.
Dem Standpunkt der Bw., die Einhebung des Dienstgeberbeitrages und des Dienstgeberzuschlages sei sachlich unbillig, sei entgegenzuhalten, dass die sich aus einer Gesetzesänderung ergebenden Unterschiede in der Besteuerung von Fällen, je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach der Änderung verwirklicht wurden, zwar subjektive Härten darstellen könnten, aber in allen gleichen Lagen und damit allgemein eintreten würden. Eine aus einer Gesetzesänderung resultierende Belastung trete allgemein ein und führe ebenso wenig wie eine Änderung der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen bzw. zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall. Die Bw. habe die beantragte Nachsicht nicht auf einen besonderen Umstand gestützt, der die Abgabeneinhebung unbillig erscheinen ließe. Vielmehr liege eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor, von der alle Steuerpflichtigen betroffen seien, die den betreffenden Steuertatbestand verwirklichten. § 236 BAO biete keine Handhabe dafür, einer dem Gesetz entspringenden Unbilligkeit im Wege einer Nachsicht abzuhelfen, selbst wenn ein offensichtliches Versehen des Gesetzgebers vorliege, weil eine solche Maßnahme, die nicht auf den Besonderheiten des Einzelfalles beruhe, den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletze. Da der vorliegende Sachverhalt keine Besonderheit des Einzelfalles betreffend die Entrichtung der gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten aufweise, liege kein sachlicher Unbilligkeitstatbestand vor.
Im Berufungsfall sei auch keine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gegeben, zumal eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Bw. durch die Abgabeneinhebung nicht erkennbar sei.
1.9. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben relevante Enttäuschung vorliege, wenn eine von der Abgabenbehörde erteilte Rechtsauskunft Grundlage für eine die Steuerfolgen auslösende Disposition des Steuerpflichtigen gewesen sei (; ; ).
Das Finanzamt (betriebliche Veranlagung) habe mit Schreiben vom die Dienstgeberbeitragspflicht für die Bezüge der Geschäftsführer verneint. Im Vertrauen auf diese Auskunft habe die Bw. Dispositionen vorgenommen, die nunmehr Steuerfolgen (Dienstgeberbeitrags- und Dienstgeberzuschlagspflicht für 2001 bis 2004) nach sich gezogen hätten. Nach der Rechtsprechung sei zwar das in Artikel 18 B-VG verankerte Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als der Grundsatz von Treu und Glauben, doch könne sich dieser Grundsatz in jenem Bereich auswirken, in welchem es auf Fragen der Billigkeit ankomme (). Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben könne eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen, wenn ein unrichtiges Verhalten der Behörde, auf das der Abgabepflichtige vertraut habe, für ihn eindeutig und unzweifelhaft zum Ausdruck gekommen sei und er seine Dispositionen danach eingerichtet und als Folge davon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitten habe (Ritz, ÖStZ 1991, 285 ff).
Hätte das Finanzamt der Bw. die Auskunft erteilt, dass die Bezüge der Geschäftsführer dem Dienstgeberbeitrag zu unterwerfen seien, wären keine Geschäftsführerbezüge vereinbart worden, sondern die der Bw. unentgeltlich zur Verfügung gestellten privaten Grundstücke der Geschäftsführer an die GmbH vermietet worden.
Unrichtige Auskünfte im Einzelfall könnten den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen und eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung bewirken ().
Im mit Berufung bekämpften Bescheid sei "als Grund für den Widerspruch zur seinerzeitigen Auskunft" angeführt worden, dass lediglich ein Werkvertrag beurteilt worden sei, der im Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen stehe. Diese Ausführungen seien unschlüssig, weil nicht ersichtlich sei, "was...anderes als der Werkvertrag" vom Finanzamt hätte beurteilt werden sollen. Wenn nunmehr die damalige Beurteilung des Werkvertrages mit dem Argument revidiert werde, dieser widerspreche den tatsächlichen Verhältnissen, so handle es sich um eine bloße Schutzbehauptung, um den Grundsatz von Treu und Glauben "zu verneinen".
Eine Unbilligkeit i. S. d. § 236 BAO stelle auf die Abgabeneinhebung ab. So wie sich in aller Regel aus der materiellen Rechtswidrigkeit eines rechtskräftigen Abgabenbescheides keine Unbilligkeit der Einhebung ergebe, schließe umgekehrt die allfällige Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung nicht aus, dass eine Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles gegeben sein könne (vgl. ).
Insoweit eine Abgabenfestsetzung den Grundsatz von Treu und Glauben verletze, liege eine Unbilligkeit i. S. d. § 236 BAO vor, sodass eine Nachsicht in Höhe des Vertrauensschadens zu bewilligen sei, wenn nicht gewichtige Gründe gegen eine positive Ermessensübung sprächen. In der Literatur werde der Begriff des Vertrauensschadens umschrieben als Differenz zwischen der Steuer laut falscher Auskunft und der Steuer, die sich aus jenem Sachverhalt ergibt, den der Abgabepflichtige bei richtiger Auskunft verwirklicht hätte (Ritz, ÖStZ 1991, 285 ff). Somit belaufe sich der Vertrauensschaden auf 23.683,27 €, weil der bei einer richtigen Auskunft verwirklichte Sachverhalt zu keiner Dienstgeberbeitragspflicht geführt hätte.
Der Verwaltungsgerichtshof sei im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, von seiner früheren Judikatur abgegangen, der zufolge es bei der Beurteilung, ob "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" vorliegen - abgesehen von der hinzuzudenkenden Weisungsgebundenheit - auf die Kriterien einer Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Kapitalgesellschaft sowie auf das Fehlen eines Unternehmerwagnisses und eine laufende Entlohnung angekommen sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verstießen gesetzliche Vorschriften, die nachträglich an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen knüpften und dadurch die Rechtsposition des Abgabepflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechterten, gegen den Gleichheitssatz, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht worden seien und keine besonderen Umstände eine solche Rückwirkung rechtfertigten (VfSlg 12.186/1889; VfSlg 23.322,12.416,12.479/1990; VfSlg 12.890/1991; VfSlg 13.020, 13.197/1992; VfSlg 13.655, 13.657/1995; VfSlg 15.060/1997; Doralt/Ruppe, Steuerrecht I4, 185).
Im Berufungsfall handle es sich um einen rückwirkenden Eingriff von erheblichem Gewicht. Die Bw. habe ihre Dispositionen betreffend die Geschäftsführervergütungen im berechtigten Vertrauen auf eine Auskunft des Finanzamtes vorgenommen und sei in diesem Vertrauen enttäuscht worden. Besondere Umstände, die eine "rückwirkende Beitragspflicht" für die Jahre 2001 bis 2004 rechtfertigten, seien nicht gegeben.
Über die Berufung wurde erwogen:
2.1. Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die nachsichtsgegenständlichen Abgaben wurden am zur Gänze entrichtet, weshalb die Bestimmung des § 236 Abs. 1 BAO auf den Berufungsfall sinngemäß Anwendung findet (Abs. 2 leg. cit.).
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum, sondern der Antrag aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl. z. B. ; ; ).
Die auf der Grundlage des § 236 BAO erlassene und am kundgemachte Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005, bestimmt dazu Folgendes:
"§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."
2.2. Die Bw. stützt sich darauf, dass sie in ihrem Vertrauen auf die oben wiedergegebene Auskunft des zuständigen Finanzamtes vom enttäuscht worden sei und nunmehr durch die Vorschreibung der Dienstgeberbeiträge samt Dienstgeberzuschlägen von den Bezügen ihrer beiden Geschäftsführer einen nicht mehr ausgleichbaren Nachteil habe hinnehmen müssen. Die Bw. macht sachliche Unbilligkeit im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen Verletzung von Treu und Glauben und im Ergebnis auch im Sinn von § 3 Z 2 lit. a der zitierten Verordnung geltend.
2.3. Nach der Rechtsprechung ist eine Verletzung des - im Gesetz zwar nicht vorgesehenen, dennoch aber als ein allgemeines Rechtsprinzip respektierten - Grundsatzes von Treu und Glauben an sich geeignet, eine Unbilligkeit der Einhebung von Ansprüchen des Abgabengläubigers nach sich zu ziehen (vgl. z. B. ; ). Unrichtige Auskünfte können den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen und damit nach Lage des Falles eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Sinn des § 236 BAO bewirken (vgl. ; ).
Wie im angefochtenen Bescheid richtig erkannt wurde, setzt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Zusammenhang mit nachträglich als unrichtig erkannten Rechtsauskünften insbesondere voraus:
-Die Auskunft muss von der zuständigen Abgabenbehörde erteilt worden sein (vgl. ; ).
-Die Auskunft darf nicht offensichtlich unrichtig gewesen sein (vgl. ; ).
-Die Partei muss im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen haben, die sie bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Auskunft nicht oder anders getroffen hätte (vgl. ; ).
-Die Partei muss einen Schaden ("Vertrauensschaden") erleiden, wenn die Besteuerung entgegen der Auskunft vorgenommen würde (vgl. Ritz, BAO3, § 114 Tz 11-13, mwN).
Unstrittig ist, dass sich die Auskunft des zuständigen Finanzamtes Innsbruck vom , die Geschäftsführerbezüge unterlägen nicht dem Dienstgeberbeitrag (samt Zuschlag), insbesondere aufgrund der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nachträglich als unrichtig herausgestellt hat. Da der Grundsatz von Treu und Glauben nicht das Vertrauen in Rechtsauskünfte schlechthin schützt, sondern nur dort greift, wo der Abgabepflichtige im Hinblick auf eine nicht offenkundig unrichtige behördliche Rechtsauslegung disponiert hat, ist zu prüfen, ob die in Rede stehende Auskunft auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhte, sodass deren Unrichtigkeit für die Bw. bzw. ihren steuerlichen Vertreter ohne weiteres erkennbar sein hätte müssen. Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz trifft dies aus folgenden Gründen nicht zu:
2.4. Nach § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Abs. 2 dieser Bestimmung normiert, dass als Dienstnehmer im Sinn dieser Gesetzesbestimmung alle Personen anzusehen sind, die in einem Dienstverhältnis i. S. d. § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen i. S. d. § 22 Z 2 EStG. Nach § 47 Abs. 3 FLAG ist der Beitrag des Dienstgebers von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht. Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG sowie Gehälter und Vergütungen jeder Art i. S. d. § 22 Z 2 EStG. Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, der von der im § 41 FLAG festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, wird durch § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998 normiert. Gemäß § 22 Abs. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25 % beträgt. § 47 Abs. 2 EStG 1988 bestimmt, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
2.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat bis zum Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, in ständiger Rechtsprechung die Anschauung vertreten, dass Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 vom wesentlich beteiligten Geschäftsführer einer GmbH dann erzielt werden, wenn - bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse - feststeht,
dass der Gesellschafter-Geschäftsführer zufolge kontinuierlicher und über einen längeren Zeitraum andauernder Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung in den Organismus des Betriebes seiner Gesellschaft eingegliedert ist,
dass ihn weder das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen noch jenes der Schwankungen ins Gewicht fallender nicht überwälzbarer Ausgaben trifft und
dass er eine laufende, wenn auch nicht notwendig monatliche Entlohnung erhält (vgl. die im Erk. 2003/13/0018 angeführte Vorjudikatur).
Diese - durch das obige Erkenntnis eines verstärkten Senates revidierte - Vorjudikatur war von der Annahme einer Gleichwertigkeit der vorgenannten Kriterien für das Vorliegen von Einkünften i. S. d. § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG geprägt. In Abkehr von dieser Rechtsauffassung ist der Verwaltungsgerichtshof in dem in Rede stehenden Erkenntnis eines verstärkten Senates zum Ergebnis gelangt, dass die Kriterien des Fehlens eines Unternehmerwagnisses und des laufenden Anfallens einer Entlohnung in den Hintergrund zu treten hätten und entscheidende Bedeutung vielmehr dem Umstand zukomme, ob der Gesellschafter bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert sei.
Zwar war die der Bw. erteilte Auskunft des Finanzamtes vom vor dem Hintergrund der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes offensichtlich unrichtig, weil es seither bei einer Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes der Gesellschaft, die bereits bei einer auf Dauer angelegten Geschäftsführungstätigkeit gegeben ist, auf das Bestehen oder Fehlen eines Unternehmerrisikos bei der Betrachtung der Tätigkeit eines Gesellschafters für seine Gesellschaft nicht mehr ankommt. Im Nachsichtsverfahren kann jedoch als Maßstab für die Beurteilung einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Auskunft des Finanzamtes nur die bis zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dienstgeberbeitragspflicht von Geschäftsführervergütungen wesentlich beteiligter GmbH-Geschäftsführer herangezogen werden. Danach konnten deutliche Schwankungen des Geschäftsführerhonorars ein Unternehmerrisiko in der Geschäftsführungstätigkeit begründen, das bei der nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 gebotenen Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse den Ausschlag gegen ein Dienstverhältnis geben konnte (vgl. , , 2000/14/0061, ). Auch im Erkenntnis vom , 2001/13/0115, brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass deutliche erfolgsbedingte Schwankungen des Geschäftsführerhonorars ein entscheidungsrelevantes Unternehmerrisiko in der Geschäftsführungstätigkeit begründen könnten. Aussagen darüber, dass solche Schwankungen zur Begründung eines Unternehmerrisikos geeignet seien, finden sich auch in den Erkenntnissen vom , 2001/13/0098, und , 2001/13/0086. Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof das Bestehen der Möglichkeit einer zu einem Unternehmerrisiko des Gesellschafter-Geschäftsführers führenden Entlohnungsgestaltung grundsätzlich bejaht, auch wenn ein dem Gesellschafter-Geschäftsführer aus der Geschäftsführungstätigkeit erwachsenes und rechtlich dieser Tätigkeit zuzuordnendes Unternehmerwagnis tatsächlich fast nie erwiesen werden konnte (vgl. , Pkt.5.3.)
Im Nachsichtsverfahren sind nicht Fragen zu beantworten, die im Abgabenfestsetzungsverfahren zu beurteilen waren. Daher ist im vorliegenden Berufungsfall auch nicht zu prüfen, ob die Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. ein (ausnahmsweises) Unternehmerwagnis getroffen hat, das vor dem Hintergrund der damaligen Rechtsprechung bei der nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 gebotenen Gesamtbetrachtung der Verhältnisse den Ausschlag gegen ein Dienstverhältnis hätte erbringen können. Aus dem Blickwinkel des Grundsatzes von Treu und Glauben ist vielmehr entscheidend, dass der in der schriftlichen Auskunft des Finanzamtes vom vertretene Rechtsstandpunkt, bei der Tätigkeit der beiden Geschäftsführer der Bw. seien "neben der Weisungsgebundenheit auch die übrigen Merkmale eines Dienstverhältnisses nicht mehr erkennbar", der bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht so augenscheinlich widersprach, dass die Unrichtigkeit dieser Rechtsauslegung offen zu Tage getreten (offensichtlich gewesen) wäre. Zwar wurde mit Berufungsentscheidung der FLD für Tirol vom , GZ. RV/965/1-T6/01, eine von der Bw. erhobene Berufung gegen die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag für die an die Gesellschafter-Geschäftsführer ausbezahlten Vergütungen (betreffend den Zeitraum 1.1. bis ) abgewiesen, doch waren in diesem Berufungsverfahren ausschließlich Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 41 Abs. 3 FLAG 1967 zu behandeln. Da somit keine nähere Auseinandersetzung mit der Leistungsbeziehung zwischen der Bw. und den Gesellschafter-Geschäftsführern vor dem Hintergrund der für das Vorliegen von Einkünften gemäß § 22 Abs. 2 Z 2 EStG maßgeblichen einfachgesetzlichen Rechtslage erfolgte, ergab sich aus dieser Berufungsentscheidung kein zwingender Schluss auf eine Unrichtigkeit der Auskunft des Finanzamtes vom .
Der Begriff der offensichtlichen Unrichtigkeit ist auch in § 293b BAO zu finden. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die hilfsweise herangezogen werden kann, ist eine offensichtliche Unrichtigkeit anzunehmen, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (vgl. z. B. ). Auf den vorliegenden Berufungsfall trifft dies allerdings nicht zu: Zum einen existierte (soweit ersichtlich) zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung durch das Finanzamt kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, mit welchem die Dienstgeberbeitragspflicht von Geschäftsführervergütungen wesentlich beteiligter GmbH-Geschäftsführer auf der Grundlage eines mit dem vorliegenden Streitfall in allenwesentlichen Einzelheiten gleich gelagerten Sachverhaltes festgestellt worden wäre. (Lediglich dem Erkenntnis vom , 97/13/0197, lag eine mit dem eingangs wiedergegebenen Werkvertrag vergleichbare Vereinbarung zugrunde. Dieser Beschwerdefall betraf jedoch eine an der Gesellschaft nicht beteiligte Geschäftsführerin, wobei der Gerichtshof das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses auf Seiten dieser Geschäftsführerin als gegeben erachtete.) Andererseits war die bis zur Erteilung der Auskunft vom veröffentlichte einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes recht kasuistisch, sodass es einer eingehenden Analyse zahlreicher einschlägiger Judikate bedurft hätte, um die Unrichtigkeit der Rechtsauskunft des Finanzamtes erkennen zu können. Dies gilt insbesondere für den impliziten Standpunkt des Finanzamtes, in der Vereinbarung jährlich neuer Zielvorgaben für die Geschäftsführer in Verbindung mit einem von der Anzahl verkaufter Fahrzeuge abhängigen Entlohnungssystem könne bereits ein Unternehmerrisiko erblickt werden, weil auch die Unrichtigkeit dieser Rechtsauslegung nicht ohne nähere Untersuchung im Rechtsbereich feststellbar war. Im Ergebnis erweist sich somit das Vorbringen der Bw., sie habe darauf vertrauen können, dass der Rechtsauskunft vom eine vertretbare Rechtsansicht zugrunde gelegen sei, als berechtigt.
2.6. Obwohl das Finanzamt zutreffend festgestellt hat, dass unrichtige Auskünfte den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen und daher einen Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme begründen können, ist dem mit Berufung bekämpften Bescheid nicht schlüssig zu entnehmen, weshalb im Streitfall die Voraussetzungen für eine Nachsicht unter dem Aspekt von Treu und Glauben nicht gegeben seien.
Die Ausführungen in der Bescheidbegründung, es sei lediglich ein "Werkvertrag" beurteilt worden, vermögen schon deshalb nicht zu überzeugen, weil nicht hervorgekommen ist, dass die nach außen in Erscheinung getretene Abwicklung der Leistungsbeziehung zwischen der Bw. und den geschäftsführenden Gesellschaftern anders (als im Werkvertrag geregelt) erfolgt sei.
Wenn in der Bescheidbegründung von einem Gegensatz zwischen Punkt 3 Satz 3 des Werkvertrages ("Er ist nicht in den betrieblichen Organismus eingegliedert.") und den tatsächlichen Verhältnissen die Rede ist, so ist nicht klar, was das Finanzamt damit gemeint hat. Falls mit diesen Ausführungen angedeutet werden sollte, es bestehe deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen der Bw., weil der Rechtsauskunft vom das Vorhandensein bestimmter Verhältnisse aufgrund unrichtiger Angaben der Bw. zu Unrecht zugrunde gelegt worden sei, so bestehen hiefür keine Anhaltspunkte. Falls mit diesen Ausführungen jedoch zum Ausdruck gebracht werden sollte, vor dem Hintergrund des vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten funktionalen Verständnisses vom Begriff der Eingliederung in den Organismus des Betriebes sei eine solche Eingliederung auch im Berufungsfall vorgelegen, dann hätte das Finanzamt damit nur eine das Abgabenfestsetzungsverfahren berührende Frage aufgeworfen, die auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abgabennachsicht keinen Einfluss hat.
Wenn im angefochtenen Bescheid auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung Bezug genommen und insbesondere auf die Erkenntnisse vom , 97/13/0237, , 95/15/0031, , 99/14/0315, verwiesen wird, dann übersieht das Finanzamt, dass den genannten Erkenntnissen vollkommen andere Fallkonstellationen zugrunde lagen, weshalb sich die Frage, ob unrichtige Behördenauskünfte zu einer sachlichen Einhebungsunbilligkeit führen können, in diesen vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen gar nicht stellte. Die weiteren Ausführungen im angefochtenen Bescheid, mit welchen einzelne Rechtssätze aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ohne konkrete Bezugnahme auf den Berufungsfall wiedergegeben wurden, sehen daran vorbei, dass das gegenständliche Nachsichtsansuchen auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben gestützt wurde, die - wie das Finanzamt selbst dargelegt hat - eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung von Ansprüchen des Abgabengläubigers nach sich ziehen kann. Schließlich konnte der in Berufung gezogene Bescheid auch nicht auf das Nichtvorliegen einer Einhebungsunbilligkeit aus persönlichen Gründen gestützt werden, weil von der Bw. gar keine persönliche Unbilligkeit behauptet wurde.
2.7. Nach herrschender Auffassung wird unter dem für eine Abgabennachsicht relevanten Betrag ("Vertrauensschaden") die Differenz zwischen gesetzmäßiger Steuerschuld und jener Steuerbelastung verstanden, die aus dem steuerlichen Verhalten resultiert wäre, das der Steuerpflichtige gesetzt hätte, wenn ihm die richtige Auskunft erteilt worden wäre (vgl. Ritz, BAO3, § 114 Tz 13, mwN). Dabei ist nach der Verwaltungspraxis als Verhalten nicht nur die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des abgabenrelevanten Sachverhaltes zu verstehen, sondern sind auch andere wirtschaftliche Dispositionen des Abgabepflichtigen zu rücksichtigen, die er bei richtiger Auskunft gesetzt hätte.
Von der Bw. wurde unter anderem vorgebracht, im Fall einer zutreffenden Auskunft des Finanzamtes wären keine Geschäftsführerbezüge ausbezahlt worden. Weiters wären von der Bw. betrieblich genutzte Grundstücke im Privateigentum der Gesellschafter der Bw. nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt, sondern an diese vermietet worden. Mit diesem Vorbringen hat die Bw. glaubhaft gemacht, dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen zu den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern anders gestaltet hätte, wenn ihr vom Finanzamt bekannt gegeben worden wäre, dass die Geschäftsführerbezüge dem Dienstgeberbeitrag unterliegen. Dass der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamtes ursprünglich eine solche Auskunft erteilt hat (vgl. Pkt. 1.3.) und erst nach näherer Befassung mit dieser Angelegenheit zu einer gegenteiligen Rechtsansicht gelangt ist, ändert am Vorliegen eines Vertrauensschadens, der im Übrigen unstrittig ist, nichts.
Eine andere Betrachtungsweise ist nur in Bezug auf den Dienstgeberbeitrag samt Dienstgeberzuschlag für das Jahr 2001 angebracht, weil die für eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebliche Auskunft vom der Bw. erst zu einem Zeitpunkt erteilt wurde, als die einjährige Dauer des dem Finanzamt vorgelegten (per abgeschlossenen) Werkvertrages schon fast abgelaufen war. Da diese Auskunft des Finanzamtes somit nicht die Grundlage für eine die Dienstgeberbeitragspflicht für das Jahr 2001 auslösende Disposition der Bw. war, waren insoweit die Voraussetzungen für eine Nachsicht nicht gegeben.
2.8. Soweit aus den oben erörterten Gründen eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung der Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge für die Jahre 2002 bis 2004 vorliegt, ist im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Aus der Sicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz fällt bei den anzustellenden Billigkeitserwägungen entscheidend ins Gewicht, dass die Bw. in ihrer Ansicht, die Geschäftsführerbezüge seien nicht dem Dienstgeberbeitrag zu unterwerfen, durch eine diesbezügliche schriftliche Auskunft des Finanzamtes bestärkt wurde, sodass die Bw. im Vertrauen hierauf Dispositionen getroffen hat, die zu einem nicht mehr ausgleichbaren Nachteil geführt haben. Behördenauskünfte dienen nicht zuletzt dem Dispositionsschutz, der jedoch nur dann erreicht wird, wenn die dem Auskunftswerber erteilte Information richtig ist. Wird ein solcher Dispositionsschutz - wie im vorliegenden Berufungsfall - durch eine behördliche Fehlinformation vereitelt, dann vermittelt der Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, der unter den oben dargelegten Voraussetzungen im Wege einer Nachsicht zu beseitigen ist (vgl. Ritz, BAO3, § 114 Tz 13; Stoll, BAO-Kommentar, 1317). Berücksichtigt man weiters, dass reine Zweckmäßigkeitserwägungen wie insbesondere das öffentliche Interesse an der Einbringung von Abgaben bei einer Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben in ihrem Gewicht reduziert werden, dann gibt die Orientierung der Bw. an der unrichtigen Rechtsauskunft des Finanzamtes bei der Ermessensübung den Ausschlag zu ihren Gunsten. Dass die betreffenden Abgaben bereits entrichtet wurden, steht einer Teilnachsicht nicht entgegen, weil bei der Nachsicht bereits entrichteter Abgabenschuldigkeiten kein strengerer Maßstab als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgaben anzuwenden ist (vgl. ).
Somit war wie im Spruch angeführt zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Treu und Glauben |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at