Verspätungszuschlag wegen Nichtabgabe der Steuererklärung, fehlendes Wissen über Steuerpflicht
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Verspätungszuschlag wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2010 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw) erzielte in den Jahren 2007 bis 2010 Umsätze auf Grund der für das Ingenieursbüro erbrachten Leistungen, wobei er für seine Leistungen auch Umsatzsteuer in Rechnung stellte.
Er reichte in der Folge keine Umsatzsteuererklärungen ein. Das Finanzamt setzte eine Nachfrist zur Einreichung der Umsatzsteuererklärung und verhängte in der Folge wegen Nichtabgabe der Erklärung eine Zwangsstrafe. Da diese Maßnahmen des Finanzamtes keine Abgabe von Umsatzsteuererklärungen seitens des Bw bewirkten, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer auf Grund der Mittellungen des Auftraggebers des Bw. Gleichzeitig wurden auch Bescheide über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages wegen Nichtabgabe der Erklärungen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2010 in der Höhe von 10 Prozent des Abgabenbetrages erlassen.
Gegen diese Bescheide betreffend Verspätungszuschlag wurde Berufung erhoben. Der Bw brachte darin vor, dass er im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses beschäftigt sei und monatliche Lohnabrechnungen erhalte. Zusätzlich sei ihm vom Dienstgeber ein Formular zur Unterschrift vorgelegt worden, welches die geleisteten Stunden und die darauf entfallende Umsatzsteuer enthielt. Dieses habe er unterzeichnet. Aufgrund der vorliegenden Lohnabrechnung, bei der auch die Sozialversicherungsbeträge abgezogen worden waren, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass ihm die Abfuhr der Umsatzsteuer obliege. Er sei davon ausgegangen, dass alle Abgaben vom Dienstgeber einbehalten und abgeführt worden seien. Er ersuche daher, keine Verspätungszuschläge festzusetzen.
Das Finanzamt entschied mit abweisender Berufungsvorentscheidung. Da der Bw trotz mehrfacher Aufforderung keine Steuererklärungen abgegeben habe, sei der Verspätungszuschlag zu Recht festgesetzt worden.
Der Bw erhob gegen die Berufungsvorentscheidung neuerlich Berufung und wiederholte sein bisheriges Berufungsvorbringen.
Das Finanzamt legte die Berufung zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Unabhängige Finanzsenat ist bei seiner Entscheidung von nachfolgendem Sachverhalt ausgegangen:
Der Bw hat Einnahmen erzielt, indem er Leistungen für das Ingenieursbüro erbrachte. Er stellte für diese Leistungen Umsatzsteuer in Rechnung, indem er die geleisteten Stunden, den Stundensatz und die darauf entfallende Umsatzsteuer auf einem vom Auftraggeber erstellten Rechnungsformular durch seine Unterschrift bestätigte.
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2007 | 2008 | 2009 | 2010 | |
---|---|---|---|---|
Währung | € | € | € | € |
Entgelte netto lt. Berufung vom betreffend Umsatzsteuer 2007 bis 2010 | 6.588,22 | 10.658,02 | 10.546,95 | 12.268,53 |
In Rechnung gestellte Umsatzsteuer | 1.317,64 | 2.131,60 | 2.109,39 | 2.453,71 |
Der Bw reichte keine Umsatzsteuererklärungen ein. Auch nach Setzung einer Nachfrist und nach Verhängung einer Zwangsstrafe gab der Bw keine Umsatzsteuererklärungen ab.
Der Bw verzichtete mit Schreiben vom auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab dem Kalenderjahr 2007.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Vorbringen des Bw und dem elektronischen Abgabeninformationssystem des Bundes und ist insoweit nicht strittig.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 21 Abs. 4 UStG 1994 wird der Unternehmer nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben. Die Erklärungspflicht trifft grundsätzlich jeden Unternehmer. Gemäß § 134 Abs. 1 BAO ist die Abgabenerklärung für die Umsatzsteuer bis zum Ende des Monats April des Folgejahres einzureichen.
Diese Verpflichtung entfällt allerdings für Kleinunternehmer im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idgF, deren Umsätze aus Leistungen im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen und die für diesen Zeitraum keine Steuer zu entrichten haben. Die Veranlagung unterbleibt in diesem Fall.
Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs. 12 UStG 1994 idgF). Auch im Falle des Nichtüberschreitens der 30.000 €-Grenze hat der Unternehmer jedenfalls die Steuerbeträge, die sich auf Grund der Anwendung des § 11 Abs. 12 UStG 1994 idgF (Steuerschuld aufgrund der Rechnung) ergeben, zu entrichten (Kolacny/Caganek, UStG3 (2005) § 6, Anmerkung 74, Seite 356).
Gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idgF befreit sind, gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verzichtet. Diese Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre.
Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; so lange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Der Verspätungszuschlag bildet dem Grunde und der Höhe nach ein Akzessorium zur Abgabenfestsetzung. Ändert sich die Abgabenfestsetzung, so ist der Verspätungszuschlag entsprechend anzupassen.
Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Behörde und setzt voraus, dass ein Abgabepflichtiger die Frist zur Einreichung einer Erklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist.
Eine Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn den Abgabepflichtigen daran ein Verschulden trifft. Bereits der leichteste Grad der Fahrlässigkeit (culpa levissima) schließt die Entschuldbarkeit aus (vgl. Ritz, BAO4, § 135, Tz. 4 und 10).
Leichte Fahrlässigkeit liegt vor bei Fehlern, die auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterlaufen.
Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nur dann entschuldbar und als Fahrlässigkeit nicht zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Der Abgabepflichtige hat bei Beurteilung des Sachverhaltes und der Rechtslage jenes Maß an Sorgfalt aufzuwenden, das von ihm objektiv nach den Umständen gefordert werden muss und das ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zugemutet werden kann. In der Unterlassung einer entsprechenden oder gebotenen oder zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden. Bei Zweifeln über die Gesetzeslage und die Richtigkeit einer rechtlichen Beurteilung ist von einer Verpflichtung, sich fachkundig informieren und beraten zu lassen, auszugehen. Unter solchen Voraussetzungen sind objektive Verletzungen der Erklärungspflicht durch den Abgabepflichtigen nicht entschuldbar (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Seite 1530).
Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens der Behörde ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung. Die im § 20 BAO erwähnten Ermessenskriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit sind grundsätzlich und subsidiär zu beachten. Zu berücksichtigen ist auch der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (Ritz, BAO4, § 20, Tz. 6).
Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben.
Zweck des Verspätungszuschlages ist, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und Entrichtung der Abgaben sicherzustellen. Er hat auch die Funktion der Abgeltung von erhöhtem, durch die nicht rechtzeitige Einreichung der Abgabenerklärungen verursachten Verwaltungsaufwand. Weiters stellt er die Einhaltung einer geordneten Abgabenfestsetzung sicher.
Der Verspätungszuschlag ist eine administrative Ungehorsamsfolge und Druckmittel eigener Art (Ritz, BAO4, § 135, Tz. 3). Entsprechend herrschender Lehre und Judikatur sind bei der Ermessensübung folgende Kriterien zu berücksichtigen:
Das Ausmaß der Fristüberschreitung
Die Höhe des durch die verspätete Einreichung erzielten Vorteils
Das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen
Der Grad des Verschuldens
Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Der Bw hat für seine Leistungen in den Jahren 2007 bis 2010 Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Diese in Rechnung gestellte Umsatzsteuer schuldete der Bw. Er wäre daher verpflichtet gewesen, bis Ende April des Folgejahres eine Umsatzsteuererklärung einzureichen. Der Bw wurde im April 2011 aufgefordert, Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2010 abzugeben. Der Bw ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
Durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2010 wurde die Frist zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung nicht gewahrt. Die grundsätzliche Berechtigung zur Auferlegung eines Verspätungszuschlages nach Maßgabe des § 135 BAO war für die Finanzbehörde damit gegeben.
Bezüglich Entschuldbarkeit bringt der Bw vor, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass ihm die Abfuhr der Umsatzsteuer obliege, da sein Dienstgeber auch die Sozialversicherungsbeiträge abgezogen und abgeführt habe. Anlässlich der Aufnahme der Tätigkeit wäre es dem Bw jedoch zumutbar gewesen, sich über die geltende Rechtslage zu informieren. Dass der Bw nicht gewusst habe, dass er die Umsatzsteuer abführen müsse, ist zumindest leicht fahrlässig gewesen. Hinzu kommt noch, dass der Bw auch nach Aufforderung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung dieser Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist. Ab diesem Zeitpunkt war für ihn ersichtlich, dass eine Erklärungspflicht seinerseits gegenüber der Finanzbehörde bestand. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er sich fachkundig beraten lassen oder informieren müssen und mit der Abgabe der Erklärung reagieren müssen. Dies schließt eine Entschuldbarkeit der Nichtabgabe der Abgabenerklärung aus.
Ermessensübung:
Der Gesetzeszweck des Verspätungszuschlages ist darin zu erblicken, die Abgabepflichtigen zur Erfüllung ihrer ihnen obliegenden Verpflichtungen zur rechtzeitigen Einreichung von Abgabenerklärungen anzuhalten. Bei der Ermessensübung ist demnach im Rahmen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit die Zielrichtung des Verspätungszuschlages und Art und Ausmaß der unbestreitbaren Pflichtwidrigkeit in Betracht zu ziehen.
Der Bw hat die Pflicht zur rechtzeitigen Abgabenerklärung wiederholt verletzt. Es waren die Abgabenerklärungen von insgesamt vier Veranlagungszeiträumen betroffen. Die Fristüberschreitung ist insofern unbegrenzt, als der Bw die Erklärungen nicht verspätet, sondern gar nicht eingereicht hat. Durch das Verhalten des Bw wurden der Gang des Veranlagungsverfahrens und die Sicherheit des Abgabenaufkommens berührt. Die Behörde musste ein Aufforderungsverfahren zur Erklärungsabgabe in Gang setzen, es erwuchs ihr damit ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Im Hinblick auf den Zweck des Verspätungszuschlages und die ordnungspolitische Funktion desselben war angesichts der vorliegenden wiederholten Pflichtverletzungen und der Dauer der Pflichtverletzungen die Verhängung eines Verspätungszuschlages im Höchstausmaß angemessen.
Der Verspätungszuschlag in dieser Höhe erscheint zweckmäßig zur Erreichung des Zieles, den Bw zur Einhaltung von Fristen und zur rechtzeitigen Abgabe von Abgabenerklärungen anzuhalten.
Dass der Verhängung des Verspätungszuschlages berechtigte Interessen des Bw entgegenstünden, ist aus dem Akteninhalt nicht erkennbar. Der Bw hat diesbezüglich auch nichts vorgebracht. Die Verhängung des Verspätungszuschlages erscheint dem Unabhängigen Finanzsenat im vorliegenden Fall damit auch nicht unbillig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 134 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
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