Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 06.11.2013, RV/0406-S/13

Berufungswerber ist Familienangehöriger einer Verwaltungsmitarbeiterin des Generalkonsulates der Republik Türkei; Anspruchsvoraussetzungen; FB für minderjährige Kinder

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des C.T., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Familienbeihilfe für die beiden Kinder T. und F. ab entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Für die Kinder T, und F, ist die Familienbeihilfe ab Oktober 2012 zu gewähren.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) reiste im August 2011 als türkischer Staatsangehöriger nach Österreich ein. Seit ist er bei der Fa. FK GmbH als Kommissionierer beschäftigt. Seine Ehefrau ist als Verwaltungspersonal im Dienst des Türkischen Generalkonsulates in Ort beschäftigt. Am stellte der Bw den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe (FB) für die beiden minderjährigen Kinder NameVErs, und Name+Vers. Dem Antrag beigelegt waren unter anderem eine vom Arbeitsmarktservice Ort am für den Zeitraum bis ausgestellte Beschäftigungsbewilligung für die Fa. FK GmbH als Arbeitgeber des Bw, die Schulbesuchsbestätigungen/Schuljahr 2012/2013 der Volksschule P. bzw. des Gymnasiums für die beiden Kinder sowie die Legitimationskarten für die gesamte Familie.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für die beiden minderjährigen Kinder als unbegründet ab. Das Finanzamt begründet die Abweisung damit, dass Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals einer Mission gem. dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (BGBl. Nr. 66/1966) keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, sofern sie weder österreichische StaatsbürgerInnen noch in Österreich ansässig sind oder auf sie die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 vorrangig anzuwenden seien.

Der Bw erhob am das Rechtsmittel der Berufung und verwies darin auf die Entscheidung des Zl. 2009/16/0179), wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe allein danach zu beurteilen sei, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 FLAG erfüllt wären.

Mit Berufungsentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab: Ab wäre im Zuge der unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Rahmenbedingungen erfolgenden Harmonisierung des Fremdenrechtes im so genannten Fremdenpaket, welches auch ein neues Niederlassungs-und Aufenthaltsgesetz, Asylgesetz 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005, beinhaltete, die die Familienbeihilfe für Fremde regelnde Bestimmung des § 3 FLAG 1967 neu gefasst worden. Art. 8 des europäischen Abkommens über soziale Sicherheit hätte somit auch in Bezug auf türkische Staatsangehörige sowie insgesamt in Beziehung auf die österreichische Familienbeihilfe keinen Anwendungsspielraum mehr. Dies gälte folglich auch in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei, welcher ein Gleichbehandlungsgebot für türkische Arbeitnehmer in der EU und deren Bereich eines Mitgliedstaates wohnenden Familienangehörigen enthalten würde.

Der Bw stellte daraufhin den Antrag die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorzulegen und begehrte gleichzeitig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Schreiben vom zog der BW den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Finanzsenat zurück.

Gegen die am ergangene Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates wurde Beschwerde durch den Bw erhoben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Bw klaglos gestellt. Die Beschwerde der Bw wurde mit als gegenstandslos erklärt worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist vorerst anzumerken, dass durch die Aufhebung eines Bescheides das Verfahren gemäß § 300 Abs. 3 Bundesabgabenordnung (BAO) in die Lage zurücktritt, in der es sich vor der Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Die Berufungsentscheidung vom wurde mit Bescheid vom gemäß § 300 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Berufung vom gegen den Bescheid vom betreffend Gewährung der Familienbeihilfe für die beiden Kinder T. und F. ab gilt somit wieder als unerledigt.

Unbestritten ist, dass der Bw in Österreich erwerbstätig ist und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 erfüllt sind (minderjährige Kinder, Schulbesuch)

Der Verwaltungsgerichtshofes hat in seinem Erkenntnis vom , 2012/16/0093, zur Anwendung des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 3/80 vom (ARB), der die Unanwendbarkeit des § 3 Abs. 2 FLAG zur Folge hat, Folgendes ausgeführt:

Gestützt auf Art. 39 des Protokolls vom zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der (damaligen) Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom erließ der durch das Abkommen geschaffene Assoziationsrat am den Beschluss Nr. 3/80 - ARB 3/80. Nach seinem Art. 1 hat für die Anwendung dieses Beschlusses der Ausdruck Familienbeihilfen die Bedeutung, wie er in Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 14081/71 des Rates definiert ist. Weiters bezeichnet der Ausdruck "Arbeitnehmer" u.a. jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.

Der ARB 3/80 gilt nach seinem Art. 2 für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, und die türkische Staatsangehörige sind, und für die Familienangehörigen dieser Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen.

Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 lautet:

"Art. 3 Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die dieser Beschluss gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats, soweit dieser Beschluss nichts anderes bestimmt."

Art. 4 Abs. I ARB 3/80 lautet:

"(1) Dieser Beschluss gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

h) Familienleistungen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0179 (mwN), ausgeführt hat, kommt Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten zu; er ist somit unmittelbar anwendbar. Für den persönlichen Anwendungsbereich des ARB 3/80 ist es ohne Belang, ob der türkische Staatsangehörige als Wanderarbeitnehmer nach Österreich eingereist ist oder aus anderen Gründen. Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 verdrängt insoweit § 3 Abs. 1 FLAG und stellt die dort genannten Personen österreichischen Staatsbürgern gleich. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers Asylwerberin sein mag, ist im Beschwerdefall völlig unerheblich. Dass der Beschwerdeführer selbst Asylwerber wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt, würde im Beschwerdefall aber nichts daran ändern, dass für den in Österreich als Arbeitnehmer beschäftigten Beschwerdeführer die Bestimmungen des ARB 3/80 gelten, wobei der Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 auch § 3 Abs. 2 FLAG verdrängt.

Die Unanwendbarkeit des § 3 Abs. 2 FLAG durch die Anwendung des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 3/80 vom ist gegeben. Der Bw ist als türkischer Staatsangehöriger und Erwerbstätiger österreichischen Staatsbürgern auf Grund des "ARB 3/80" gleichgestellt. Die Voraussetzungen des § 2 Abs.1 FLAG sind erfüllt. Für die Kinder T. und F. besteht daher Anspruch auf Familienbeihilfe ab .

Über die Berufung war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Salzburg, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at