Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 04.11.2013, RV/1632-W/10

Kein Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG für die Entrichtung von Schulgeld

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling vom und betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 und 2010 entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

In den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 beantragte der Berufungswerber die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Ausmaß des Pauschales für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 für seinen Sohn D..

Dazu führte der Berufungswerber aus, dass sein Sohn im Juli 2008 die X. mit Matura abgeschlossen hat. Danach hat er eine Ausbildung am SAE Institute Wien, einer privaten Ausbildungsstätte, begonnen, wo man ohne nachgewiesene Vorkenntnisse den viersemestrigen Lehrgang "Audio Engineer Diploma" absolvieren kann und darauf aufbauend auch den Grad eines "Bachelor of Arts/Sience (Honours), Audio Production" erwerben kann. Die Ausbildung ist mit einem Fachhochschulstudium bzw. einem Bachelorstudium vergleichbar.

Für das von seinem Sohn angestrebte Berufsbild als Tonmeister bzw. Sound Engineer ist dies nach dem Vorbringen des Berufungswerbers die einzig mögliche Ausbildung; im Sinne von § 34 Abs. 8 EStG 1988 vergleichbare kostenfreie oder nur mit staatlichen Studiengebühren belastete Ausbildungsmöglichkeiten gebe es in Österreich nicht. Sein Sohn hat die Ausbildung am mit Diplom abgeschlossen.

Der Berufungswerber gab dazu an, dass für diese Ausbildung allerdings Schulgeld von 11.120 € für vier Semester im Voraus zu bezahlen gewesen ist. Im Einkommensteuerverfahren für 2008 wurden diese Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt (UFS RV/3174-W/09). Er hat gegen diese Berufungsentscheidung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben (B 703/10).

In Hinblick auf rechtliche Erwägungen verwies der Berufungswerber zunächst auf seine Berufungsergänzung vom betreffend Einkommensteuer 2008. Weiters habe er in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde ua. vorgebracht, es möge der Tatbestand des § 34 Abs 8 EStG 1988 im Wege der Analogie ausdehnend angewendet werden. Dies deshalb, weil weder dem Gesetz selbst noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber die Begünstigung des § 34 Abs. 8 EStG tatsächlich auf Mehrkosten für die Ausbildung eines Kindes auf Grund räumlicher Entfernungsverhältnisse einschränken wollte.

Es liegt nach Auffassung des Berufungswerbers somit eine planwidrige Lücke vor. Diese könnte durch ausdehnende Interpretation und Anwendung der Begünstigung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 auf alle Sachverhalte, in welchen unüblich hohe Ausbildungskosten deshalb erwachsen, weil im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende mit den "üblichen" Ausbildungskosten belastete Ausbildungsmöglichkeit besteht, in verfassungskonformer Weise geschlossen werden. Dass ein derartiger Lückenschluss im Abgabenrecht zulässig ist, hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach entschieden ( und ).

Der Berufungswerber hofft, dass der Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshof entscheiden wird, dass § 34 Abs. 8 EStG in seinem Fall anzuwenden ist oder dass im Jahr 2008 sogar die tatsächlichen Kosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.

Über Vorhalt der Berufungsbehörde hielt der Berufungswerber mit Schreiben vom fest, dass er in den streitgegenständlichen Jahren in Zusammenhang mit dem Studium seines Sohnes keine unüblich hohe Kosten zu tragen hatte, diese erwuchsen im Jahr 2009 (gemeint offensichtlich 2008). Dennoch ist nach dem Vorbringen des Berufungswerbers der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 zu gewähren, da der Anspruch unabhängig davon ist, wann der unüblich hohe Aufwand entstanden bzw abgeflossen ist. So sind Fälle denkbar, in denen die gesamten Kosten für den unüblichen Mehraufwand eines auswärtigen Studiums zu Beginn dieses Studiums geleistet werden - etwa in Form einer Mietvorauszahlung für eine Wohnung am Studienort. Vergleichbar damit hatte der Berufungswerber das Schulgeld seines Sohnes zu Beginn des Studiums zu bezahlen.

Der Berufungswerber gestand zu, dass Schulgeld nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung darstellt. Ein unüblicher Mehraufwand ist Schulgeld jedoch allemal. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich nach Ansicht des Berufungswerbers mit dem Schulgeld noch niemals unter dem Aspekt beschäftigt, dass dieses zwangsläufig anfällt, weil eine vergleichbare Ausbildung ohne diesen unüblichen Mehraufwand nicht möglich ist. Gerade diese Sachverhaltskonstellation liegt im Fall des Berufungswerbers vor, auf den daher die bisherige Judikatur zum Schuldgeld nicht ohne weiteres anwendbar ist.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes , hilft nicht weiter, weil im dort zugrunde liegenden Sachverhalt das Kind im Zeitpunkt der Aufnahme des kostenpflichtigen Studiums bereits selbsterhaltungsfähig war und die steuerliche Berücksichtigung allein mangels zivilrechtlicher Verpflichtung ausgeschlossen ist. In seinem Fall - so der Berufungswerber - kann die rechtliche Verpflichtung zur Finanzierung der gewählten Ausbildung nicht verneint werden. Es handelte sich um eine unmittelbar nach Matura und Zivildienst begonnene und erfolgreich abgeschlossene Ausbildung, welche seinem Sohn nunmehr ein fixes Dienstverhältnis und die Selbsterhaltungsfähigkeit sichert.

Der Berufungswerber führte weiter aus, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 grundsätzlich unüblichen Mehraufwand im Zusammenhang mit der Berufsausbildung von Kindern steuerlich anerkennen möchte. Im Entstehungszeitpunkt dieser Norm waren kostenpflichtige Ausbildungen nach der Matura noch weitaus weniger verbreitet. Unüblicher Mehraufwand für eine Ausbildung war damals nur in Verbindung mit der Entfernung zum Wohnort denkbar. Die Entwicklung auf dem Bildungsmarkt hat jedoch in den letzten 25 Jahren dazu geführt, dass eine Vielzahl spezifischer Ausbildungsmöglichkeiten privater Anbieter geschaffen wurde, welche jedoch oft nur gegen hohe Kostenbeiträge zugänglich sind und einzigartige Inhalte bieten, welche in vergleichbarer Form ansonsten nicht existieren. Somit führte diese Entwicklung zu einer planwidrigen Regelungslücke, weil der Wortlaut des § 34 Abs. 8 EStG 1988 die zuletzt genannten Sachverhalte zugegebenermaßen nicht abdeckt.

In diesem Zusammenhang wies der Berufungswerber darauf hin, dass im Falle einer planwidrigen Regelungslücke die ausdehnende Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus nicht ausgeschlossen, sondern gegebenenfalls geboten ist. Im Wege der Analogie ist daher die Bestimmung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 auf seinen Fall anzuwenden, da eine vergleichbare Interessenslage vorliegt wie bei einem Elternteil, der ein auswärtiges Studium zu finanzieren hat, welches in vergleichbarer Form im Einzugsbereich des Wohnortes nicht angeboten wird. In seinem Fall liegt eine teure kostenpflichtige Ausbildung vor, welche ohne Schuldgeld im Einzugsbereich des Wohnortes nicht angeboten wird. Das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsprinzip gebietet dieses Vorgehen. Die im Fall des Bw. ergangenen höchstgerichtlichen Beschlüsse haben nach Meinung des Berufungswerbers lediglich klargestellt, dass ansonsten keine andere passende Norm existiert, um den angefallenen unüblichen Mehraufwand dem Leistungsfähigkeitsgebot entsprechend steuerlich zu berücksichtigen. Diese Beschlüsse haben jedoch keine Aussage zu dem aufgezeigten Erfordernis des Lückenschlusses durch Analogie getroffen bzw haben ein solches Vorgehen nicht ausgeschlossen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich und zwangsläufig erwachsen sein sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Abzugsfähigkeit von Unterhaltsverpflichtungen als außergewöhnliche Belastung ist insofern eingeschränkt, als gemäß § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 Unterhaltsleistungen für ein Kind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag abgegolten sind.

Abweichend davon ist in § 34 Abs. 8 EStG 1988 die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes geregelt. Diese Aufwendungen gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht, und wird dafür ein monatlicher Pauschbetrag von 110 € berücksichtigt.

Im gegenständlichen Fall blieben in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für 2009 und 2010 die vom Berufungswerber an die Ausbildungseinrichtung geleisteten Gebühren unberücksichtigt. Strittig ist, ob diese Aufwendungen für die Berufsausbildung des Sohnes als Tontechniker eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 8 EStG 1988 beim unterhaltsverpflichteten Berufungswerber darstellen. Der Familienwohnort befindet sich in Y., der Ausbildungsort liegt in Wien.

Das gesamte Schulgeld von 11.120 € war zu Beginn des Studiums im Jahr 2008 zu bezahlen. In den Jahren 2009 und 2010 fielen keine derartigen Kosten an. Diesem Umstand kommt aber insofern keine rechtliche Bedeutung zu, als im Rahmen der pauschalierenden Regelung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 auf den Zeitpunkt der Bezahlung der Mehraufwendungen nicht Rücksicht zu nehmen ist ().

Betreffend die Aufwendungen des Berufungswerbers hat der Unabhängige Finanzsenat (siehe ) für das Jahr 2008 entschieden, dass die Entrichtung des Schuldgelds keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 1 EStG 1998 darstellt und auch der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1998 nicht in Betracht kommt. Die Behandlung der höchstgerichtlichen Parteibeschwerde hat der Verfassungsgerichtshof () abgelehnt und ausgeführt: "Dem Einkommensteuergesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten, wenn er in Anwendung einer Durchschnittsbetrachtung davon ausgeht, dass Studien an einem Ort außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes typischerweise einen höheren Aufwand verursachen als solche innerhalb des Einzugsbereiches, und wenn er nur für erstere eine (pauschale) Berücksichtigung vorsieht."

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung der an ihn abgetretenen Beschwerde abgelehnt, da die im angefochtenen Bescheid getroffene rechtliche Beurteilung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ().

Im gegenständlichen Berufungsverfahren hat nun der Berufungswerber für die Jahre 2009 und 2010 (wiederum) die Berücksichtigung des Pauschbetrages gemäß § 34 Abs. 8 EStG1988 beantragt. Unbestritten steht fest, dass der Sohn des Berufungswerbers in diesen Jahren eine Berufsausbildung außerhalb des Wohnortes Y., aber innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes absolviert hat.

In Anbetracht des eindeutigen Wortlautes des § 34 Abs. 8 EStG1988 ("... wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht") iVm der Durchführungsverordnung, BGBl 624/1995, ist die Anwendung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung bei Ausbildungen im Einzugsbereich des Wohnortes unzulässig.

Der Berufungswerber räumt selbst ein, dass der Wortlaut des § 34 Abs 8 EStG 1988 den zu beurteilenden Sachverhalt nicht abdeckt. Er macht aber geltend, dass hier eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die eine ausdehnende Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus erforderlich macht.

Dem ist entgegenzuhalten, dass grundsätzlich der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (Ritz, BAO4, § 21 Tz 3) und keine Anhaltspunkte für die Absicht des Gesetzgebers sprechen, mit der Regelung des § 34 Abs 8 EStG 1988 generell unüblich hohen Aufwand für die Berufsausbildung von Kindern berücksichtigen zu wollen. Die gesetzliche Bestimmung schließt sogar Ausbildungen im Einzugsbereich des Wohnortes eindeutig aus. Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung ist nicht zu erkennen. Eine Anwendung des § 34 Abs 8 EStG 1988 im Wege der Analogie ist daher abzulehnen.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass nach einhelliger Ansicht von Judikatur und Literatur der Pauschbetrag Mehraufwand bedingt durch die Auswärtigkeit des Ausbildungsortes abdecken soll, und nicht Mehraufwand aufgrund der Entrichtung von Schulgeld (, , , WankeinWiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG, § 34 Anm 76, Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer, § 34 Anhang II - ABC "Auswärtige Berufsausbildung").

Was das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, , betrifft, so liegt diesem - wie der Berufungswerber zu Recht einwendet - kein vollkommen gleichlautender Sachverhalt zugrunde. Von Bedeutung für den vorliegenden Fall ist aber jedenfalls die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dem Pauschbetrag nach § 34 Abs 8 EStG 1988 nicht die Funktion zukommt, die Entrichtung von Schuldgeld abzugelten.

Liegt die Ausbildungsstätte im Einzugsbereich des Wohnortes, kommt der Pauschbetrag nicht in Betracht, auch wenn mit der Ausbildung erhöhte Kosten verbunden sind und es sich um die einzige derartige Ausbildungsstätte in Österreich handelt (, WankeinWiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG, § 34 Anm 75).

Die Annahme des Berufungswerbers, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit § 34 Abs 8 EStG 1988 unter dem Aspekt eines durch Entrichtung von Schuldgeld veranlassten zusätzlichen Mehraufwandes bisher noch nicht auseinander gesetzt habe, trifft jedenfalls in Anbetracht der zitierten Rechtsprechung nicht zu.

Vor allem soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Berufungswerber die Berufungsentscheidung betreffend das Jahr 2008 (wegen der Nichtanerkennung der tatsächlichen Kosten als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs 7 EStG 1988 und auch) in eventu wegen Nichtanwendung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 angefochten hat. Im Verfahren vor den Höchstgerichten hat er die ausdehnende Anwendung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung gefordert. Beide Höchstgerichte sind in dieser Sache den Argumenten des Berufungswerbers nicht gefolgt und haben jeweils die Behandlung der Beschwerde des Berufungswerbers abgelehnt.

Da der Berufungswerber den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof bereits mit der Frage der Zuerkennung des Pauschbetrages - erfolglos - befasst hat, besteht bei unveränderter Sach- und Rechtslage kein Anlass, für die Jahre 2009 und 2010 eine Anwendung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 anzuerkennen.

Das Berufungsbegehren auf ausdehnende Interpretation und Anwendung der Begünstigung des § 34 Abs. 8 EStG auf alle Sachverhalte mit unüblich hohen Ausbildungskosten war daher abzuweisen.

Wien, am

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