Verrechnung im Insolvenzverfahren
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des MV, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des IM, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Rückzahlung (§ 239 BAO) und Abrechnung (§ 216 BAO) entschieden:
Der Berufung wird insoweit Folge gegeben als ausgesprochen wird, dass die Umbuchung des Betrages von € 7.491,12 am vom Abgabenkonto St.Nr.: 1/2 auf das Abgabenkonto St.Nr.: 1/7 , die Überrechnung des Betrages von € 574,47 am vom Abgabenkonto St.Nr.: 1/2 auf das Abgabenkonto St.Nr.: 0/7 und die Abweisung des Rückzahlungsantrages vom mit Bescheid vom zu Unrecht erfolgten.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom beantragte der Berufungswerber (Bw) die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von € 3.773,49.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw aus, dass der Bescheid zur Gänze wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werde.
Nach Abschluss der Veranlagung für das Jahr 2010 habe sich ein Steuerguthaben gemäß Buchungsmitteilung Nr. 1 in Höhe von € 3.773,49 ergeben, dessen Rückzahlung mit Schreiben vom·, eingelangt beim Finanzamt am , beantragt worden sei.
In weiterer Folge sei mit Bescheid vom auch die Einkommensteuer 2011 festgesetzt worden, woraus sich eine weitere Gutschrift in Höhe von € 4.697,00 ergeben habe.
Unter Berücksichtigung des ausgesetzten Steuerrückstandes (Konkursforderungen) in Höhe von € 187,50 ergebe sich sohin nach Abschluss der Veranlagung ein Gesamtguthaben von € 8.253,09.
Zugleich mit Abweisung des gestellten Rückzahlungsantrags seien zwei Übertragungen vom Steuerkonto des Schuldners erfolgt, und zwar € 4.791,12 auf das Steuerkonto Nr. 1/7der PM-KG zur Abdeckung des dort bestanden habenden Rückstandes, sowie eine weitere Übertragung in Höhe von € 574,47 auf ein nicht näher bezeichnetes Steuerkonto. Diese Buchung sei für den Bw nicht nachvollziehbar, insbesondere ob es dabei um möglicherweise einen weiteren bislang nicht bekannten Abgabenrückstand des Schuldners handle, oder einer dritten Person.
Die vorbezeichneten Übertragungen seien offenbar amtswegig und ohne Rechtsgrundlage erfolgt, sodass diesen ausdrücklich widersprochen werde.
Bei der PM-KG handle es sich um ein eigenes Rechtssubjekt mit eigener Steuernummer, sei sohin eine von Herrn PM verschiedene Person. Die Übertragung eines Steuerguthabens von dem Abgabenkonto eines Abgabenpflichtigen auf dasjenige eines anderen sei insbesondere in der Insolvenz des Abgabenschuldners mit dem Guthaben unzulässig, für eine solche Aufrechnung gebe es weder in der Abgabenordnung, noch viel weniger in der Insolvenzordnung eine Rechtsgrundlage.
Der Bw erkläre daher, den gestellten Rückzahlungsantrag zu wiederholen und auf das nach Abschluss der Veranlagung für das Jahr 2011 bestanden habende Guthaben in Höhe von € 8.253,09 auszudehnen, sohin den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Rückzahlungsantrag vollinhaltlich stattgegeben werde.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.
In dem dagegen eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Bw vor, dass gemäß § 224 BAO die persönliche Haftung des Komplementärs in der KG durch Haftungsbescheid geltend zu machen sei. Eine unmittelbare Heranziehung der Gesellschafter für die Abgabenschulden der Personenvereinigung wäre unstatthaft.
Ein solcher Haftungsbescheid sei bislang nicht erlassen worden.
Zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten einer Personengesellschaft könnten Guthaben auf den Abgabenkonten ihrer Gesellschafter nur dann nach Maßgabe des § 215 Abs. 1 oder Abs. 2 BAO herangezogen werden, wenn und soweit an diese bereits ein wirksames Leistungsgebot, insbesondere ein Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO, ergangen sei und sie daher Gesamtschuldner seien. Sei noch kein wirksames Leistungsgebot an in Betracht kommende Gesellschafter ergangen, so sei eine Verwendung ihrer Guthaben zur Tilgung ihrer Abgabenschuldigkeiten nur über Antrag iSd § 215 Abs. 4 BAOmöglich.
Mangels Vorliegens eines entsprechenden Antrages sowie auch eines Haftungsbescheids sei die von Amts wegen vorgenommene Umbuchung gesetzwidrig gewesen.
Hinzu komme, dass mit Beschluss des Gs vom 7/2 sowohl über das Vermögen der PM-KG als auch des persönlich haftenden Gesellschafters PM der Konkurs eröffnet worden sei und der Bw zum Masseverwalter bestellt worden sei. Zu berücksichtigen seien daher neben den Regelungen der BAO zur Aufrechnung bzw. Überrechnung insbesondere auch die insolvenzrechtlichen Spezialvorschriften zur Aufrechnung, insbesondere §§ 19 und 20 IO.
Demnach sei zwar grundsätzlich die Aufrechnung von Abgabenverbindlichkeiten betreffend einen Zeitraum vor Konkurseröffnung mit Abgabengutschriften ebenfalls betreffend den Zeitraum vor Konkurseröffnung zulässig, auch wenn die Festsetzung erst nach Konkurseröffnung erfolgt sei. Unzulässig sei jedoch die Verwendung von einem im Zeitraum nach Konkurseröffnung entstandenen Guthaben mit Verbindlichkeiten aus dem Zeitraum von vorher, oder gar die Verrechnung mit Forderungen in das konkursfreie Vermögen.
Die in der Berufungsentscheidung zitierte Finanzstrafe in Höhe von € 574,47 sei - ausgehend von der Fälligkeit - offenbar erst nach Konkurseröffnung festgesetzt worden, überdies handle es sich um einen ausgeschlossenen Anspruch gemäß § 58 Z 2 IO.
Die Aufrechnung mit der Forderung der Masse gegen die Forderung aus der strafbaren Handlung sei sohin aufgrund insolvenzrechtlicher Sonderbestimmungen unzulässig.
Abgesehen von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Überrechnung des Guthabens vom Steuerkonto des PM auf das Steuerkonto der PM-KG mangels Vorliegens eines entsprechenden Haftungsbescheides bzw. Verrechnungsantrages wäre die Aufrechnung gemäß § 19 IO unzulässig, da sich die Forderungen zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht bereits aufrechenbar gegenübergestanden seien. Gemäß § 20 Abs. 1 IO sei die Aufrechnung weiters unzulässig, wenn die Forderung gegen den Schuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden sei, was erst mit Ausstellung des Haftungsbescheides der Fall wäre.
Es werde daher das ursprüngliche Berufungsbegehren vollinhaltlich aufrechterhalten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes verbleibende Guthaben ist gemäß § 215 Abs. 2 BAO zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.
Strittig ist nach dem Vorbringen des Bw, ob das am Abgabenkonto des PM am nach Berücksichtigung des ausgesetzten Rückstandes (Konkursforderungen) in Höhe von € 187,50 verbliebene Guthaben aus den Einkommensteuerveranlagungen für 2010 und 2011 in Höhe von € 8.253,09 gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO zur Tilgung der auf den Abgabenkonten St.Nr.: 1/7 und St.Nr.: 0/7 aushaftenden Abgabenschuldigkeiten zu verwenden war oder ob das Guthaben antragsgemäß zurückzuzahlen gewesen wäre.
Da die amtswegige Umbuchung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nach § 215 Abs. 1 und 2 BAO auf andere Abgabenkonten zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen hat, ohne dass der Behörde dabei ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre, wäre das Guthaben in Höhe von € 8.253,09 zwingend gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO auf die am Abgabenkonto aushaftende Abgabenschuld zu verrechnen, sodass ein nach § 215 Abs. 4 BAO zurückzuzahlendes Guthaben nicht verblieb. Dem Rückzahlungsantrag wäre schon mangels verbleibenden Guthabens der Erfolg zu versagen gewesen. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht im Rückzahlungsverfahren, sondern auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren (§ 216 BAO) zu klären. Ob Umbuchungen oder Überrechnungen gemäß § 215 BAO rechtmäßig sind, ist somit im Verfahren gemäß § 216 BAO zu entscheiden ().
In Wirklichkeit besteht daher Streit über die Richtigkeit der Verbuchung am Abgabenkonto. Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist der angefochtene Bescheid nach seinem materiellen Gehalt einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO zugänglich.
Laut Aktenlage wurde gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO ein Teilbetrag des Guthabens in Höhe von € 7.491,12 auf das Abgabenkonto 1/7 der PM-KG umgebucht und ein Teilbetrag in Höhe von € 574,47 auf das Strafkonto 0/7 des PM überrechnet.
Bezüglich des zur Umbuchung auf das Abgabenkonto 1/7 erhobenen Einwandes, dass ein wirksames Leistungsgebot, insbesondere ein Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO, an PM nicht ergangen sei, ist zu bemerken, dass laut Aktenlage am zwar ein Haftungsbescheid erlassen wurde, der laut Aktenvermerk vom jedoch von der Post an das Finanzamt zurückgesendet wurde, da sich der Empfänger auf Urlaub befand. Zwar erfolgte laut diesem Aktenvermerk eine weitere Zustellung mit Zustellnachweis, doch konnte dieser Zustellnachweis vom Finanzamt nicht vorgelegt werden, sodass dem Einwand, dass ein wirksames Leistungsgebot nicht ergangen sei, mangels entgegenstehender Feststellungen nicht entgegengetreten werden kann. Die Umbuchung auf das Abgabenkonto 1/7 erfolgte somit zu Unrecht.
Zufolge § 172 FinStrG gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung über die Einhebung von Abgaben auch für die im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafen und Wertersätze. Es sind daher unter dem Begriff der "Abgabenschuldigkeiten" auch diese Strafbeträge zu verstehen, sodass Guthaben auch zur Tilgung solcher Geldstrafen zu verwenden sind (vgl. Stoll, BAO, 2308).
Entsprechend dem Vorbringen des Bw wurde mit Beschluss des Gs vom 7/2 über das Vermögen des PM das Konkursverfahren eröffnet. Die Finanzstrafe in Höhe von € 1.200,00 wurde laut Aktenlage mit Strafverfügung vom (fällig: ) und somit nach Eröffnung des Konkursverfahrens festgesetzt.
Im Insolvenzverfahren treten die abgabenrechtlichen Verrechnungsvorschriften gegenüber den insolvenzrechtlichen Verrechnungsvorschriften in den Hintergrund, da die insolvenzrechtlichen Bestimmungen als speziellere Norm vorgehen.
Zwar steht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (), falls der Abgabenanspruch bereits vor der Konkurseröffnung entstanden ist, der Aufrechnung dieses Abgabenanspruches mit bestehenden Konkursforderungen weder ein sich aus abgabenrechtlichen Vorschriften ergebendes Aufrechnungsverbot noch § 20 Abs. 1 erster Satz IO entgegen, doch können nach § 58 Z 2 IO Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art nicht als Konkursforderungen geltend gemacht werden (vgl. ). Die in § 58 IO genannten Forderungen sind ex lege nicht Konkursforderungen, ihre Inhaber daher auch nicht Konkursgläubiger.
Die Aufrechnung dieses ausgeschlossenen Anspruchs gegen Forderungen der Konkursmasse erfolgte somit ebenfalls zu Unrecht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at