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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.08.2011, RD/0035-W/11

Antrag auf Aufhebung oder Abänderung einer Berufungsentscheidung

Beachte

Verfahrenshilfe zur Zl. VH 2011/13/0034 beim VwGH beantragt.

Entscheidungstext

Bescheid

Der Unabhängige Finanzsenat hat über den an das Finanzamt für den 9., 18., und 19. Bezirk und Klosterneuburg gestellten Antrag der EK (vom ) auf Aufhebung, in eventu Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2003 vom bzw. des Bescheides des , wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts, entschieden:

Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2003 fest.

Gegen den Bescheid vom erhob die Berufungswerberin am Berufung.

Am stellte die Berufungswerberin einen Devolutionsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes über die gegen den Umsatzsteuerbescheid 2003 erhobene Berufung vom .

Mit Bescheid vom wies der unabhängige Finanzsenat den Devolutionsantrag vom als unzulässig zurück.

Am stellte die Berufungswerberin neuerlich einen Devolutionsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes betreffend die Berufung vom .

Mit Bescheid vom wies der unabhängige Finanzsenat auch den Devolutionsantrag vom als unzulässig zurück.

Mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2073-W/05, wurde über die Berufung vom entschieden. Der Umsatzsteuerbescheid 2003 vom wurde abgeändert.

Die gegen die Berufungsentscheidung vom eingebrachte VwGH-Beschwerde wies der VwGH mit Erkenntnis vom , 2006/13/0125, als unbegründet ab.

Am stellte die Berufungswerberin an das Finanzamt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2003, welcher vom Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen wurde.

Gegen den Bescheid vom erhob die Berufungswerberin am Berufung, welche mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0476-W/08, als unbegründet abgewiesen wurde.

Am stellte die Berufungswerberin an das Finanzamt einen neuerlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2003, welcher vom Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen wurde.

Gegen den Bescheid vom erhob die Berufungswerberin am Berufung, welche mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/1364-W/08, als unbegründet abgewiesen wurde.

Am stellte die Berufungswerberin an das Finanzamt einen Antrag auf Aufhebung in eventu Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2003 vom bzw. des Bescheides des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2073-W/05. Der Antrag ist wie folgt begründet:

"1.) Gemäß dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht haben Aufhebungen und Abänderungen von Amts wegen zu erfolgen, um Verletzungen von zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union zu heilen.

2.) Ich bin eine freie weisungsungebundene Journalistin und Schriftstellerin und im Sinne des Gemeinschaftsrechts eine selbständige Unternehmerin: Selbständig ist, wer im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und eigenes Risiko tätig ist (-Heerma, EUGH 2000, I-435, UR 2000, 121, Rdnr. 19).

3.) Wegen des Widerspruches mit dem Gemeinschaftsrecht ist die LVO nicht mehr anzuwenden. Wer Steuerpflichtiger (Unternehmer) ist, bestimmt der Art. 4 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie:

(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten Wirtschaftstätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten Wirtschaftstätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als Wirtschaftstätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

4.) Gemäß BAO § 23 ist weder ein Scheingeschäft noch Sittenwidrigkeit ein Hindernis für die Steuerbarkeit. Der terminus technicus "absolutes Scheingeschäft" ist ein absoluter Unsinn.

5.) Das ertragssteuerliche Ergebnis einer Wirtschaftstätigkeit ist irrelevant (Klaus Hilber, Kurzkommentar zur Liebhabereiverordnung, 2. Auflage, pag. 155-156)."

Da über den Antrag vom vom Finanzamt nicht abgesprochen wurde, stellte die Berufungswerberin am an den unabhängigen Finanzsenat den Antrag, über ihren Antrag vom zu entscheiden (Devolutionsantrag).

Über den Antrag vom wurde erwogen:

Nach § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Unter Entscheidungspflicht ist die Pflicht zum bescheidmäßigen Abspruch über ein Anbringen zu verstehen. Diese Pflicht besteht nicht nur für im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Anbringen (vgl. zB Ritz, BAO3, § 311 Tz 7).

Die Entscheidungspflicht besteht auch dann, wenn ein Anbringen zurückzuweisen ist (vgl. zB ; ).

Anbringen sind vor allem dann zurückzuweisen, wenn sie unzulässig sind (vgl. zB ).

Anträge auf Aufhebung von Berufungsentscheidungen (§ 289 Abs. 2 BAO) sind in der BAO nicht vorgesehen; § 299 Abs. 1 BAO betrifft nämlich nur Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz und nicht solche der Abgabenbehörde zweiter Instanz. § 300 BAO (Klaglosstellung) räumt kein Antragsrecht ein und ist überdies nur nach Einbringung einer VwGH- und/oder VfGH-Beschwerde und vor der diesbezüglichen Entscheidung des betreffenden Höchstgerichtes anwendbar. Anträge auf Aufhebung von Berufungsentscheidungen sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

Anträge auf "Abänderung" von Abgabenbescheiden können zwar auch auf Abänderung von Berufungsentscheidungen (§ 289 Abs. 2 BAO) gerichtet sein, setzen aber das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 293, 293b oder 295a BAO voraus. Weiters wären sie verspätet, wenn sie erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung (§§ 207 ff BAO) bzw. (betreffend § 293 BAO) nach Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 2 lit. a BAO eingebracht werden. Selbst wenn, was nicht der Fall ist, einer der oben genannten Verfahrenstitel auf Antrag anwendbar wäre, stünde dem jedenfalls die mangelnde Rechtzeitigkeit des Antrages entgegen. Selbst wenn die angeführten Berichtigungs- bzw. Abänderungsbestimmungen an sich anwendbar wären, müsste der Antrag vom als verspätet zurückgewiesen werden, weil der Antrag nach Eintritt der Bemessungsverjährung (Ende 2009) gestellt wurde. Dies deswegen, weil die letzte die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO (Berufungsentscheidung vom , RV/1364-W/08) im Jahr 2008 erfolgte.

Die bescheidmäßige Zurückweisung unzulässiger und/oder nicht rechtzeitig gestellter Anträge obliegt jener Behörde, an die sie gestellt wurden. Für die Zurückweisung des an das Finanzamt für den 9., 18., und 19. Bezirk und Klosterneuburg gestellten Antrages vom wäre somit das genannte Finanzamt (sachlich und örtlich) zuständig gewesen. Diese Zuständigkeit ist als Folge des Devolutionsantrages (§ 311 Abs. 2 BAO) nunmehr auf den unabhängigen Finanzsenat übergegangen.

Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrecht) ändert nichts daran, dass nationales Verfahrensrecht gilt, um diesem Vorrang zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. zB Lang, Getränkesteuer und Rechtskraftdurchbrechung, ÖStZ 2006, 486 ff). Die Partei, die eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit (bzw. nunmehr: Unionsrechtswidrigkeit) eines Bescheides behauptet, hat dies mit den Verfahrensinstrumenten der betreffenden nationalen Rechtsordnung geltend zu machen. Solche Instrumente sind insbesondere die Berufung und der Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO. Nationales Verfahrensrecht verdrängendes bzw. ergänzendes Unionsrecht zur Geltendmachung einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit abgabenrechtlicher Bescheide existiert nicht.

Die das Jahr 2003 betreffenden Umsatzsteuerbescheide gehen von der Unternehmereigenschaft der Bescheidadressatin aus. Die rechtliche Relevanz der Punkte 2 und 3 des Antrages vom ist daher nicht nachvollziehbar.

Der Begriff des absoluten Scheingeschäfts ist in der Fachliteratur (vgl. zB Ellinger/Iro/Kramer/ Sutter/Urtz, Bundesabgabenordnung, 3. Auflage, § 23 Anm 3) üblich. Weshalb er ein absoluter Unsinn sein soll, ist nicht erkennbar. Dieser Begriff wurde im Übrigen weder in der Berufungsentscheidung des , noch in dem die Beschwerde gegen diese Entscheidung abweisenden Erkenntnis des , verwendet.

Die Unternehmereigenschaft (§ 2 UStG 1994) richtet sich primär nach Unionsrecht bzw. nach § 2 UStG 1994 (in unionsrechtskonformer Auslegung). Die Unternehmereigenschaft bestreiten die Umsatzsteuerbescheide 2003 nicht. Die Frage, ob eine Tätigkeit einkommensteuerlich als "Liebhaberei" oder als Einkunftsquelle zu qualifizieren ist, ist für die Unternehmerqualifikation im umsatzsteuerlichen Sinn nicht maßgebend. Der diesbezügliche (zutreffende) Hinweis (Punkt 5) des Antrages vom ändert allerdings nichts am oben dargelegten Ergebnis, dass der Antrag zurückzuweisen ist.

Weiters ist auf § 289 Abs. 3 BAO und auf § 63 VwGG hinzuweisen. Die dort normierten Bindungswirkungen wären jedenfalls zu beachten, selbst wenn - was gegenständlichenfalls nicht zutrifft - ein rechtzeitiger und zulässiger Antrag auf Aufhebung oder Abänderung der Berufungsentscheidung vom , RV/2073-W/05, vorliegen würde.

Soweit sich der Antrag vom auf den Umsatzsteuer-Erstbescheid 2003 vom bezieht, ist er im Übrigen deshalb unzulässig, weil dieser Bescheid - infolge der Berufungsentscheidung vom - nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 311 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 300 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 207 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 2 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 311 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 289 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at