Haftungsbescheid und gemeinsamer Haushalt als Voraussetzungen für eine Haftung des anderen Elternteils, wenn der Mehrkindzuschlag zu Unrecht bezogen wurde.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der XX, gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch HR Dr. Josef Inwinkl, betreffend Haftungsbescheid gemäß § 26 Abs. 3 FLAG entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw) lebt mit ihrem Ehemann und den vier Kindern im gemeinsamen Haushalt. Den Anträgen des Ehemannes der Bw auf Mehrkindzuschlag für den Zeitraum 2006 bis 2009 wurde seitens der Abgabenbehörde erster Instanz stattgegeben und die Beträge dem Antragsteller ausbezahlt.
In der Folge langten bei der Abgabenbehörde erster Instanz auch Anträge der Bw auf Mehrkindzuschlag für den Zeitraum 2006 bis 2009 ein, die stattgebend zu erledigen waren, da im Zuge der Überprüfung dieser die Abgabenbehörde erster Instanz feststellen musste, dass die Familienbeihilfenbezieherin die Bw ist und keine zugunsten ihres Ehemannes vorliegende Verzichtserklärung iSd § 9b Familienlastenausgleichsgesetz beigebracht wurde. Die ausbezahlten Beträge wurden daher vom Ehemann der Bw bescheidmäßig rückgefordert. Diese Rückforderung blieb allerdings erfolglos.
Der Mehrkindzuschlag 2009 wurde von der Abgabenbehörde erster Instanz an die Bw ausbezahlt. Die noch nicht an die Bw ausbezahlten Mehrkindzuschläge 2006 bis 2008 sollten nach Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz zur Verrechnung der mittels Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten/Mehrkindzuschlag 2006 bis 2009 verwendet werden. Die Bw ist Familienbeihilfenbezieherin (Eigenanspruch), wodurch weitere Beträge für eine Anrechnung zur Verfügung stehen.
Die Abgabenbehörde erster Instanz erließ in der Folge einen Haftungsbescheid, in dem die Bw als Haftungspflichtige gemäß § 26 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten ihres Ehemannes im Ausmaß von € 3.749,20 in Anspruch genommen und aufgefordert wurde, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Die Begründung lautet wie folgt:
Herr YY wurde auf Grund der Bescheide vom und zur Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Mehrkindzuschlages verpflichtet. Die entsprechenden Bescheide liegen in Kopie bei. Bei ihm ist der rückgeforderte Betrag uneinbringlich.
Gemäß § 26 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz haften Sie als Elternteil für die Rückzahlung der oben ausgewiesenen zu Unrecht bezogenen Mehrkindzuschläge, da Sie als Mutter der Kinder GG, MM; OO und EE mit dem rückzahlungspflichtigen Herrn YY in dem angeführten Zeitraum in welchem Mehrkindzuschlag zu Unrecht bezogen wurde, im gemeinsamen Haushalt gelebt haben.
Gemäß § 9c Familienlastenausgleichsgesetz sind auf den Mehrkindzuschlag die Bestimmungen betreffend Familienbeihilfe sinngemäß anzuwenden.
Die Bw erhob mit Schriftsatz vom Berufung (Ergänzung ) und führte darin aus, dass sie nicht für die Schuld anderer hafte.
Die Abgabenbehörde erster Instanz legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz direkt vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 sind auf den Mehrkindzuschlag die Bestimmungen betreffend die Familienbeihilfe sinngemäß anzuwenden, soweit in den §§ 9 bis 9b nichts anderes bestimmt ist.
Dies gilt insbesondere auch für die Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Mehrkindzuschlägen.
§ 26 FLAG 1967, der die Rückforderung regelt, lautet wie folgt:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (Abs. 1).
Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden (Abs. 2).
Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat (Abs. 3).
Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre (Abs. 4).
Eine Rückzahlungspflicht trifft daher zunächst denjenigen, der den Mehrkindzuschlag zu Unrecht bezogen hat.
Im § 26 Abs 3 FLAG 1967wird aber auch eine weitgehende Haftung des anderen Elternteiles normiert, sofern er in der Zeit des zu Unrecht bezogenen Mehrkindzuschlages mit dem Rückzahlungspflichtigen im gemeinsamen Haushalt gelebt hat .
Für die Inanspruchnahme muss der andere Elternteil von der Abgabenbehörde erster Instanz durch Erlassung eines Haftungsbescheides zur Haftung herangezogen werden.
Gegen die Haftung kann nicht eingewendet werden, dass der Haftende aus dem unrechtmäßigen Bezug des anderen Elternteiles keine Vorteile gezogen hat.
Die Geltendmachung einer Haftung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Rückzahlungspflichtige zur Rückzahlung nicht in der Lage ist.
Wie den Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates (XIV. GP zu § 26 Abs. 3 FLAG) zu entnehmen ist, haben die im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern in Bezug auf die Auszahlung des Mehrkindzuschlages (adaptiert gemäß § 9c FLAG 1967) ein Wahlrecht. Als Folge dieses Wahlrechtes sieht Abs. 3 des § 26 vor, dass für einen unrechtmäßigen Bezug an Mehrkindzuschlag beide Teile haften. In den Fällen, in denen der Mehrkindzuschlag zu Unrecht bezogen wurde und der Elternteil, der den Mehrkindzuschlag ausgezahlt erhalten hat, den zu Unrecht bezogenen Betrag nicht zurückzahlen kann, wird demnach der andere Elternteil für die Rückzahlung haftbar gemacht werden können. Die Haftung des anderen Elternteiles findet ihre Begründung darin, dass mit dem Mehrkindzuschlag ein Teil der Haushaltsausgaben bestritten wird und dies auch dem Elternteil, der den Mehrkindzuschlag nicht selbst bezogen hat, zugute kommt (s Wittmann/Papacek, § 26, A).
Werden Haftungsbescheide nach Inanspruchnahme des Erstschuldners erlassen, so setzt die Inanspruchnahme nicht die Rechtskraft im formellen Sinn des an den Erstschuldner gerichteten Abgabenbescheides voraus (s Ritz, BAO, § 224 Rz 5).
Die Erlassung eines Haftungsbescheides liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Bei der Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen.
(Zu den obigen Ausführungen s auch Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 26 Tz 13ff).
Dies bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:
Die Abgabenbehörde erster Instanz hat in einem ersten Schritt den primären Rückzahlungspflichtigen, nämlich den Ehemann der Bw, an den seitens der Abgabenbehörde erster Instanz der Mehrkindzuschlag zu Unrecht ausbezahlt wurde, in Anspruch genommen.
In diesem Zusammenhang ist auf die abschließende Erledigung des Unabhängigen Finanzsenates Außenstelle Salzburg RV/0428-S/11 zu verweisen, aus deren Begründung hervorgeht, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der Ehemann der Bw der primäre Rückzahlungspflichtige ist.
Da die Inanspruchnahme des Erstschuldners durch die Abgabenbehörde erster Instanz erfolglos blieb, wurde mit dem streitgegenständlichen Bescheid die Bw zur Haftung herangezogen. Die Abgabenbehörde erster Instanz hat mit dieser Vorgangsweise das zentrale Ermessenskriterium der Nachrangigkeit der Haftung berücksichtigt. Nach Lehre und Rechtsprechung ist es nämlich nicht unbillig, wenn die Behörde einen Elternteil, dem der Mehrkindzuschlag für einen bestimmten Zeitraum zusteht, zur Haftung für den für diesen Zeitraum unrechtmäßigen Bezug des Mehrkindzuschlages durch den anderen Elternteil heranzieht, wenn der Rückforderungsbetrag bei diesem Elternteil uneinbringlich ist.
Unstrittig ist, dass die Bw während der Zeit in der der Mehrkindzuschlag zu Unrecht bezogen wurde in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Rückzahlungspflichtigen lebte. Die Bw erfüllt somit eine weitere Voraussetzung für ihre Inanspruchnahme.
Der Gesetzgeber begründet die Haftung des anderen Elternteiles, hier der Bw, damit, dass mit den Geldern ein Teil der Haushaltsausgaben bestritten werden, und dieser Umstand auch dem Elternteil, der die Gelder nicht selbst bezogen hat, zugute kommt. Dies ist im streitgegenständlichen Fall nicht anders. Mit der hier anzuwendenden Norm verhindert der Gesetzgeber den Doppelgenuss an Mehrkindzuschlag in einem gemeinsamen Haushalt.
Die Einbringlichkeit der mittels Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten ist bei der Bw insofern gegeben, als die seitens der Abgabenbehörde erster Instanz noch nicht ausbezahlten Mehrkindzuschläge 2006 bis 2008 zur Verrechnung anstehen und fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen, für die die Bw einen Eigenanspruch besitzt, für eine weitere Anrechnung zur Verfügung stehen (§ 26 Abs. 2 FLAG 1967).
Da der angefochtene Haftungsbescheid der zitierten Rechtslage entspricht, war spruchgemäß zu entscheiden.
Auf eine mögliche Anwendung der §§ 24 Abs. 4 FLAG 1967 bzw § 236 BAO, die nicht Gestand dieses Verfahrens sind, darf abschließend verwiesen werden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 26 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at