Bachelorstudium eigenständiges Studium?
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2036-W/11-RS1 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., A., gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln betreffend Familienbeihilfe ab entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Strittig ist im vorliegenden Berufungsfall, ob die Berufungswerberin (Bw.) nach den ab geltenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG Anspruch auf Familienbeihilfe für ihren Sohn F., geb. 1987, bis zur Vollendung seines 25. Lebensjahres hat.
F. absolvierte ab dem Wintersemester 2006/07 bis Juli 2009 ein Bachelorstudium. Im Wintersemester 2010 begann er im Ausland ein Masterstudium (Europäische Politik), das er voraussichtlich im September 2012 beenden wird.
Das Finanzamt gewährte die Familienbeihilfe bis Juli 2011, also bis zum Ablauf des Monats, in dem der Sohn der Bw. das 24. Lebensjahr vollendete.
Die Bw. stellte den Antrag auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab August 2011.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (gültig ab ) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.
Eine Verlängerung des Anspruches auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ist nur unter den im § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannten Voraussetzungen möglich.
Demnach ist eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis längstens zum 25. Lebensjahr möglich, wenn sie bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben und die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt und die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wurde.
Ein Bachelorstudium gilt als eigenes Studium. Der Abschluss ist bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) möglich. Eine Zusammenrechnung von Bachelor-, Master und Doktorstudium ist nicht zulässig.
Ihr Sohn F. hat mit sein Bachelorstudium beendet, weshalb Ihrem Antrag auf Weitergewährung der Familienbeihilfe über das 24. Lebensjahr hinaus nicht stattgegeben werden kann."
Die Bw. erhob gegen den Abweisungsbescheid mit folgender Begründung Berufung:
"Mit Verwunderung habe ich die Begründung Ihrer Ablehnung gelesen, die ich jedoch so nicht zur Kenntnis nehmen kann.
Mein Sohn studiert Europäische Politik ... (Masterstudium), welches er im Sommer nächsten Jahres abschließen wird. Er war übrigens seit Beginn seines Studiums immer Kursbester. Das Erreichen des Bachelorgrades als vollständig abgeschlossenes Hochschulstudium zu werten, betrachte ich sowohl als unfair wie unlogisch. Bekanntlich ist es noch immer für eine Stellung beim Bund (also auch in Ihrem Ministerium) als Akademiker nicht ausreichend. Mein Sohn erfüllt somit bei den notwendigen 10 Semestern seines Studiums sehr wohl die Erfordernisse für die Verlängerung der Familienbeihilfe.
Er hat übrigens im Studienjahr 2009/2010 als Präsident der Hochschülerschaft von B. zusätzliche Erfahrung für die spätere Karriere erworben. Er wurde in diesem Jahr selbstverständlich als Student der Universität geführt. Es fehlen jetzt noch 2 Semester zur Erreichung des Mastergrades. Der Abschluss mit dem ph. D. wird ohnedies sein und unser privates Vergnügen bleiben..."
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.Gesetzliche Bestimmungen
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl. I 111/2010) wurde die Altersgrenze in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, bis zu der bei Vorliegen einer Berufsausbildung Familienbeihilfe bezogen werden kann, ab vom 26. auf das 24. Lebensjahr herabgesetzt. Der Verfassungsgerichtshof hat dies im Erkenntnis G 6/11, als verfassungskonform angesehen.
Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 1 lit. j und k FLAG 1967 zwei Verlängerungstatbestände bis zum 25. Lebensjahr geschaffen. Nach der hier interessierenden Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
"j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird."
Dass ein anderer Verlängerungstatbestand anwendbar sein könnte (zB § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 bei Ableistung von Präsenz- oder Zivildienst), hat die Bw. nicht vorgebracht.
2. Feststehender Sachverhalt
Der Sohn der Bw. ist 1987 geboren. Er hat vom Wintersemester 2006/07 bis zum ein Bachelorstudium absolviert. Im Wintersemester 2010/11 hat er im Ausland mit dem Masterstudium Europäische Politik begonnen.
3. Rechtlich folgt daraus:
Festgehalten sei zunächst, dass die sublit aa) bis cc) des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 durch "und" verbunden sind. Dies bedeutet somit, dass die darin normierten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.
Strittig ist im Berufungsfall ausschließlich, ob es sich beim (bereits abgeschlossenen) Bachelorstudium um ein eigenständiges Studium handelt, oder ob für die Berechnung, ob die gesetzliche Studiendauer zehn oder mehr Semester beträgt, auch das Masterstudium miteinzubeziehen ist.
Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I 111/2010 führen hierzu aus:
"Die Familienbeihilfe soll nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, wird die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht. Im Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen führt die Herabsetzung der Altersobergrenze für den Bezug der Familienbeihilfe grundsätzlich vom abgeschlossenen 26. auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit der Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen...
Für Mütter bzw. Schwangere sowie für Personen, die den Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienst absolvieren bzw. absolviert haben und für erheblich behinderte Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, wird die Altersgrenze - analog zur bisherigen Rechtslage - mit der Vollendung des 25. Lebensjahres festgelegt.
Ergänzend zu diesen Verlängerungsgründen wird auch die besondere Situation bei Studierenden berücksichtigt, deren Studium mindestens zehn Semester dauert. Des Weiteren wird auch eine Ausnahmeregelung für jene Personen aufgenommen, die vor dem Studium eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle ausgeübt haben. Bei den genannten Personenkreisen wird demzufolge bei der Altersgrenze ebenfalls auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abgestellt..."
Aus den Erläuterungen geht somit eindeutig hervor, dass gerade die Einführung des Bachelorstudiums als eigenständiges Studium, das bereits nach sechs Semestern abgeschlossen werden kann, ein (Mit-)Grund für die Herabsetzung der Altersgrenze war.
Auch aus § 54 Universitätsgesetz 2002 (UG) ergibt sich nichts Gegenteiliges; nach § 54 Abs. 1 UG sind Universitäten berechtigt sind, Diplom-, Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien einzurichten. § 54 Abs. 3 UG regelt sodann den Arbeitsaufwand für Bachelor- und für Masterstudien. Der Arbeitsaufwand für Bachelorstudien hat demzufolge 180 ECTS-Anrechnungspunkte, in Ausnahmefällen 240 ECTS-Anrechnungspunkte, zu betragen.
Nach dem UG ist somit ein Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen. Ohne Bedeutung ist es also, ob Arbeitgeber für bestimmte Einstufungen weitergehende Qualifikationen fordern.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | G 6/11 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at