Aufhebung von Haftungs- und Abgabenbescheiden
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/15/0170 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/0029-K/11-RS1 | § 299 BAO gestattet Aufhebungen wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes, was dann gegeben ist, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden) ist für die Anwendbarkeit der genannten Bestimmung nicht Ausschlag gebend. Sie muss auch nicht offensichtlich sein. |
RV/0029-K/11-RS2 | Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, die bloße Möglichkeit reicht nicht aus. |
RV/0029-K/11-RS3 | Die Rechtsansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates bei der Beurteilung eines Sachverhaltes, der auch abgabenrechtlich zu beurteilen ist (hier Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit einer für die Bw. tätigen Person) ist für das Finanzamt nicht bindend, weil unterschiedliche Rechtsbereiche betroffen sind (Verwaltungsstrafgesetz/ASVG und BAO/EStG). |
RV/0029-K/11-RS4 | Die Definition des Dienstverhältnisses nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 ist eine eigenständige des Steuerrechts und mit den korrespondierenden Bestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts nicht immer deckungsgleich. Die Finanzbehörden haben daher die Beurteilung, ob die für oder gegen die Nichtselbständigkeit sprechenden Merkmale überwiegen, immer nach abgabenrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der xyOG, K,L40, vertreten durch Omega Steuerberatungs OG, Steuerberatungskanzlei, 9074 Keutschach, Höhe 36, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt, vertreten durch ADir Barbara Kropfitsch, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Bei der xyOG (in der Folge Bw.) wurde im Jahr 2009 eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben für die Jahre 2005 bis 2008 durchgeführt. Im Zuge dieser Prüfung stellte die Prüferin u.a. fest, dass die an die Fa.FGesmbH (in der Folge FGesmbH) zur Auszahlung gebrachten Beträge HJF (in der Folge F.) zuzurechnen seien, da auf Grund der festgestellten Umstände von einem Dienstverhältnis des Genannten zur Bw. auszugehen sei.
Im Prüfungsbericht vom ist diesbezüglich Folgendes festgehalten: "Den in der Buchhaltung aufscheinenden Fremdleistungen der FGesmbH mit Sitz in B (Drittland) wird hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit nicht gefolgt und auf Grund des Sachverhaltes eine unselbständige Tätigkeit bzw. ein echtes Dienstverhältnis unterstellt. Folgendes wurde festgestellt: In der Buchhaltung des geprüften Unternehmens (Bw. vormals BOEG, in der Folge der Einfachheit halber Bw.) scheinen Fremdleistungen auf. Diese Fremdleistungen betreffen allesamt Dienstleistungen der FGesmbH. Die Verrechnung erfolgte in Form von Eingangsrechnungen der FGesmbH an die Bw. Diese Eingangsrechnungen sind keine Rechnungen im Sinne des Rechnungslegungsgesetzes. Die Bezahlung der verrechneten Stunden erfolgte durch die Bw. mittels Überweisung auf ein österreichisches Bankkonto (siehe Überweisungslisten). Ing.MB (in der Folge Ing. M.B., Geschäftsführer der Bw.) gab dazu an, dass die FGesmbH (mit Sitz in B ) als Subunternehmer für ihn tätig war. Hiezu wird angeführt, dass bei einer Überprüfung durch die KIAB sowie in den vorhandenen Unterlagen in der Buchhaltung der der Bw. Arbeitsstundennachweise vorgefunden wurden. Laut Aussage des F. wurde ihm von Ing. M.B. aufgetragen, genaue Stundenaufzeichnungen zu führen und die geleisteten Stunden mit einem Stundensatz in Höhe von € 25,00 in 14tägigen Abständen abzurechnen. Die Aufträge hatte F. immer von Ing. M.B. erhalten. Dieser hätte ihm auch mitgeteilt, wo sich die diversen Baustellen befinden und für welche Firma er zu arbeiten habe. Die zu führenden Arbeitsstundennachweise beinhalten folgende Angaben: Tag, Datum, von - bis (07.00 - 16.00 inkludiert ist eine 30 minütige Pause), Normalstunden, Überstunden 50% und Überstunden 100%, Anmerkung Gesamtstundenzahl. Als Arbeitnehmer scheint F. auf, als Kunde die Fa. KAG Aufzüge. Weiters sind die Lohnwoche, der Einsatzort, eine Vereinbarung, wonach die o.a. Arbeiten auf Anweisung des Kunden durchgeführt wurden, angeführt. Unterfertigt sind diese Arbeitsstundennachweise immer von F. und vom jeweiligen zuständigen Bauleiter, Monteur, Meister oder Obermonteur des Kunden. Geleistete Überstunden wurden ebenfalls aufgezeichnet und mit deinem 50% Zuschlag verrechnet. Um den Kontakt mit Ing. M.B. und der Bw. jederzeit sicherzustellen, wurde F. ein firmeneigenes kostenloses Diensthandy zur Verfügung gestellt. Die oben angeführten Kriterien (Bindung an Arbeitsort, Arbeitszeit, Stundenaufzeichnungen, Art der Ausführung der Arbeit, Kontrollunterworfenheit, persönliche Anwesenheitspflicht) sprechen für eine nichtselbständige Tätigkeit des F. Dies deshalb, weil es hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft einer Person auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhaltes und nicht auf die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes ankommt."
Das Finanzamt folgte der Auffassung der Prüferin und rechnete Beträge in Höhe von € 8.250,20/2006, € 43.753,08/2007 und € 49.193,76/2008 der Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer, sowie in Höhe von € 9.615,20/2006, € 52.139,64/2007 und € 57.776,88/2008 der Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu, welche in den Haftungs- und Abgabenbescheiden für die Jahre 2006, 2007 und 2008 jeweils vom entsprechenden Niederschlag fanden.
Die angeführten Bescheide blieben von der Bw. unbekämpft und erwuchsen in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom stellte die Bw. im Wege ihrer steuerlichen Vertreterin den Antrag auf "Aufhebung der durchgeführten Prüfung". Dabei berief sie sich auf den Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , mit dem der Berufung des Ing. M.B. stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz aufgehoben wurde. Nach Auffassung der Bw. seien nunmehr die fälligen Abgabenhöhen wieder auf den ursprünglichen Stand - wie korrekt gemeldet - zurückzustellen und die Erhöhung der Abgaben durch die falsche rechtliche Beurteilung zurückzunehmen. Zum angeführten Verfahren führte die Bw. aus, dass das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren (durch Organe des Finanzamtes Innsbruck KIAB) oberflächlich und mangelhaft geführt worden und keine für eine abschließende Beurteilung ausreichende Entscheidungsgrundlage abgegeben habe. Der Unabhängige Verwaltungssenat sei von keiner persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des F. ausgegangen, sondern sei vielmehr zum Schluss gekommen, dass F. als Subunternehmer tätig geworden sei und somit eine Verletzung der Meldepflicht des Ing. M.B. im Sinne des § 33 ASVG nicht vorliege.
Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde der Antrag der Bw. auf Aufhebung der in Rede stehenden Haftungsbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass die Aufhebung die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraussetze, die bloße Möglichkeit jedoch nicht ausreiche. Die Definition des Dienstverhältnisses in § 47 Abs. 2 EStG sei eine eigenständige des Steuerrechts und daher mit den korrespondierenden Begriffen des Sozial- und Arbeitsrechtes nicht immer deckungsgleich. Das Rechtsverhältnis sei nach abgabenrechtlichen Gesichtspunkten darauf zu untersuchen, ob die für oder gegen die Nichtselbständigkeit sprechenden Merkmale überwiegen (). Aus abgabenrechtlicher Hinsicht sei gegenständlich von einem Dienstverhältnis auszugehen und liege keine Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes vor. Der Unabhängige Verwaltungssenat sei nicht Abgabenbehörde zweiter Instanz und vermag dessen Erkenntnis vom daran nichts zu ändern.
Mit Eingabe vom erhob die Bw. im Wege ihrer steuerlichen Vertreterin "Einspruch" gegen den Bescheid des Finanzamtes vom . Begründend führte sie darin aus, dass zuerst festgestellt werden müsse, dass die ermittelnden Behörden das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren unzureichend und zum Nachteil des Geprüften geführt hätten. Sinngemäß führte die Bw. darin weiters aus, dass F. in das Unternehmen der Bw. nicht eingegliedert gewesen sei, weil er seine Arbeitzeit selbst habe bestimmen und auch nach Belieben in Urlaub habe gehen können; dies nur unter Rücksichtnahme auf die ihm aufgetragenen Arbeiten. Er sei auch nicht weisungsgebunden gewesen, weil er keine Vorgabe über seine Arbeitsabwicklung gehabt habe und sei auch nicht jederzeit verfügbar gewesen. Zwecks Erreichbarkeit sei F. von der Bw. ein Handy zur Verfügung gestellt worden. Die Stundenaufzeichnungen seien aus Kontrollgründen geführt worden. Die Ermittlung durch die Prüferin sei einseitig in Richtung Nichtselbständigkeit von F. und daher zu Lasten der Bw. erfolgt, eine Befragung von F. sei nicht erfolgt; darin sehe die Bw. einen Verstoß gegen § 43 BDG und ein grob fahrlässiges Verhalten der Prüferin. Zudem habe die Prüferin einen Fremdvergleich (bei einem Stundensatz von F von € 25,00) nicht angestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Im gegenständlichen Fall steht in Streit, ob die Abweisung des Antrages der Bw. auf Aufhebung der Haftungs- und Abgabenbescheide vom für die Jahre 2006 bis 2008 zu Recht erfolgt ist oder nicht.
Die hier anzuwendende Bestimmung des § 299 BAO lautet wie folgt:
Abs. 1: Die Abgabenbehörde erster Instanz kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Abs. 2: Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Abs. 3: Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.
Die zitierte Bestimmung gestattet demnach Aufhebungen wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes, was dann gegeben ist, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden) ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO nicht Ausschlag gebend. Sie muss auch nicht offensichtlich sein.
Die Aufhebung setzt allerdings Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. Ritz, BAO3, § 299, Tz 13).
Wenn die Bw. sich im gegenständlichen Verfahren auf das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat bezogen und daraus geschlossen hat, dass die vom Finanzamt erlassenen Haftungs- und Abgabenbescheide zufolge dessen Rechtsansicht, dass nämlich bei F. keine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit zur Bw. bestehe, rechtswidrig seien, so kann dieses Argument der Berufung nicht zum Durchbruch verhelfen. Der Bw. übersieht bei seiner Argumentation, dass die vom Unabhängigen Verwaltungssenat (bzw. der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt) und vom Finanzamt abgeführten Verfahren unterschiedliche Rechtsbereiche betreffen, nämlich zum Einen das Verwaltungsstrafgesetz iVm dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz bzw. zum Anderen die Bundesabgabenordnung iVm dem Einkommensteuergesetz.
Die Definition des Dienstverhältnisses ist nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 eine eigenständige des Steuerrechts und mit den korrespondierenden Bestimmungen des Arbeits- und Sozialrechtes nicht immer deckungsgleich; die Finanzbehörden haben daher die Beurteilung, ob die für oder gegen die Nichtselbständigkeit sprechenden Merkmale überwiegen, immer nach abgabenrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen (vgl. ).
Im gegenständlichen Fall ergab die abgabenrechtliche Beurteilung an Hand der der Prüferin zur Verfügung stehenden Unterlagen, dass bei F. die Merkmale der Nichtselbständigkeit überwiegen und daher von einem Arbeitsverhältnis zur Bw. auszugehen ist.
Diese Qualifikation hielt in der Folge einer Beurteilung durch das Finanzamt Stand.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates zutreffenden Ausführungen einerseits im Prüfungsbericht vom und andererseits im Bescheid des Finanzamtes vom verwiesen.
Die von der Bw. nunmehr vorgebrachten Argumente können aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates die von der Prüferin sowie vom Finanzamt vorgenommene Beurteilung nicht erschüttern. Vielmehr sprechen die im gegenständlichen Fall vorliegenden Merkmale aus abgabenrechtlicher Sicht dafür, dass von einem Dienstverhältnis des F. zur Bw. auszugehen ist.
Der vom Finanzamt erlassene und in Rechtskraft erwachsene Bescheid erweist sich somit als rechtsrichtig und ist einer Aufhebung nach § 299 BAO nicht zugänglich.
Der Vorwurf der Bw., das gegenständliche Verfahren sei nicht ordnungsgemäß und ausschließlich zu Lasten der Bw. abgeführt worden, ist im Übrigen unberechtigt. Das Finanzamt ist der ihm nach § 115 BAO auferlegten amtswegigen Ermittlungspflicht ordnungsgemäß und vollständig nachgekommen und besteht für den Unabhängigen Finanzsenat keinerlei Grund für eine Beanstandung. Wenngleich für das gegenständliche Verfahren irrelevant, sei an dieser Stelle noch angeführt, dass die Bw. bei der in Rede stehenden Prüfung auf eine Schlussbesprechung verzichtet hat und die ihr eingeräumte Frist zur Einbringung von Rechtsmitteln gegen die genannten Abgabenbescheide ungenützt verstreichen ließ.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2011/05 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at