Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.08.2011, RV/3642-W/10

Umschulungskosten einer Angestellten zur Psychotherapeutin

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13. und 14. Bezirk und Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) ist Angestellte eines Finanzunternehmens und machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2009 die Kosten für den Besuch eines Universitätslehrganges für Psychotherapie iHv. € 6.812,00 geltend.

Gegen die Nichtanerkennung der geltend gemachten Aufwendungen wurde in der fristgerechten Berufung eingewendet:

"Gemäß § 2 Psychotherapiegesetz setzt die selbständige Ausübung der Psychotherapie, die Absolvierung einer allgemeinen und einer besonderen Ausbildung voraus. Sowohl der allgemeine Teil (psychotherapeutisches Propädeutikum) als auch der besondere Teil {psychotherapeutisches Fachspezifikum) wird durch eine theoretische und praktische Ausbildung vermittelt.

Die Bw. habe von 2004 bis 2008 das psychotherapeutische Propädeutikum (allgemeine Teil) absolviert und mit Erfolg im September 2008 abgeschlossen. Damit würde die Voraussetzung für das Ansuchen um Zulassung zur Absolvierung des psychotherapeutischen Fachspezifikums vorliegen. Mit Bescheid vom wurde vom Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend die Zulassung zur Absolvierung des psychotherapeutischen Fachspezifikums gemäß § 10 Abs. 2 Z 6 Psychotherapiegesetz erteilt (siehe Beilage 1). Im Wintersemester 2008/2009 hätte die Bw. das psychotherapeutische Fachspezifikum "Psychodrama" (besondere Teil), (das vom ÖAGG in Kooperation mit der U. angeboten wird, inskribiert."

Im Rahmen eines Vorhalteverfahrens des Finanzamtes wurde von der Bw. ergänzend eingewendet:

"1. Zu § 16 Abs. 1 Zi 10 EStG 88

Das Psychotherapiegesetz sieht für die selbständige Ausübung der Psychotherapie den Beruf der Psychotherapeutin vor, der vergleichbar anderen Berufen, wie etwa Ärztinnen oder Psychologinnen, als freier Gesundheits- und Heilberuf eingerichtet ist. Meine Umschulungsmaßnahmen zielen daher auf eine neue berufliche Tätigkeit, die mit meiner bisherigen Tätigkeit als Angestellte im Dienstleistungssektor Finanzierungen nicht verwandt ist, ab. Gemäß § 1 des Psychotherapiegesetzes handelt es sich um eine Grund- und Spezialausbildung, in der jeweils theoretische und praktische Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden. Die Befähigung und Berechtigung zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie wird über die Absolvierung einer umfassenden und zielgerichteten, qualifiziert-wissenschaftlichen Ausbildung erreicht.

2. Zu § 20 Abs. 1 Zi 2 EStG 88

Erfahrungsgemäß wird der Beruf der Psychotherapeutlnnen weit über das gesetzliche Pensionsalter hinaus ausgeübt, da geistige Reife und Lebenserfahrung eine wichtige Voraussetzung für diesen Beruf sind. Daher habe ich mich im Jahre 2004 mit 45 Jahren für eine berufliche Neuorientierung entschieden. Mein Ziel, die Befähigung und Berechtigung zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie zu erreichen, erforderte und erfordert erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand und ist mit hohem sozialem Engagement verbunden. Zum Nachweis möchte ich Ihnen die von mir seit 2004 erbrachten Leistungen im Rahmen der Psychotherapieausbildung auflisten. Bitte beachten Sie, dass ich diese Arbeiten neben meiner beruflichen Vollzeittätigkeit ausübe (Abende, Wochenenden, Urlaub). Nicht angeführt habe ich das umfangreiche Literaturstudium, das ebenfalls für die Ausbildung unabdingbar ist.

A.) Psychotherapeutisches Propädeutikum (allgemeiner Teil der Psychotherapieausbildung) Zeitraum: September 2004 bis September 2008 - positiv abgeschlossen.

a.) Teilnahme an 890 Stunden theoretischem Unterricht in monatlichen Blockveranstaltungen von Do. 17:00 bis 20:30 - Fr. u. Sa. 9:00 bis 20:00 - So. 9:30 bis 12:30 über einen Zeitraum von 3 Jahren, die Monate Juli/August waren unterrichtsfrei.

b.) Absolvierung von 230 Stunden Selbsterfahrung in Gruppen mit dem Ziel der Persönlichkeits- und Qualifikationsentwicklung über einen Zeitraum von 4 Jahren.

c.) Praktische Tätigkeiten im Ausmaß von 457 Stunden - unbezahlt - in Form eines klinischen Praktikums. Über einen Zeitraum von 11 Monaten im Wochenstundenausmaß von 10 Stunden war meine Aufgabe die Betreuung von älteren und alten Menschen mit psychischen Belastungsstörungen und Krankheiten.

d.) Absolvierung von 28 Stunden Praktikumsbegleitender Supervision.

e.) Verfassung einer wissenschaftlichen Arbeit unter Einbeziehung der Praktischen Tätigkeit zur Erlangung des Abschlusszertifikates für das Psychotherapeutische Propädeutikum Universitären Charakters.

f.) Erlangung der Zulassung zum besonderen Teil der Psychotherapieausbildung (psychotherapeutisches Fachspezifikum). In diesem Ansuchen musste ich neben der Vorlage des Abschlusszertifikates des Psychotherapeutischen Propädeutikum glaubhaft machen, dass ich Psychotherapeutin werden möchte und die erforderliche Eignung mitbringe. Der Psychotherapiebeirat im Ministerium für Gesundheit, Familie und Jugend hat ein positives Gutachten beschlossen und mir die Zulassung zum besonderen Teil (= 2. Teil = Fachspezifikum) der Ausbildung mit Bescheid vom erteilt.

g.) Aufnahmeverfahren - dabei musste ich ein Aufnahmeverfahren durchlaufen, in dem von der Fachsektion für Psychodrama im ÖAGG neben den gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme die persönliche Eignung von 3 Lehrtherapeutlnnen geprüft wurde.

B.) Psychotherapeutisches Fachspezifikum "Psychodrama" (besonderer Teil der Psychotherapieausbildung) Zeitraum: seit Wintersemester 2008/2009 Der Universitätslehrgang an der U. umfasst 7 Semester und findet seine Ergänzung und Fortsetzung im ÖAGG-Teil der Ausbildung. Für die gesamte Ausbildung im theoretischen und praktischen Teil (ca. 2000 Stunden) inklusive der Verfassung der schriftlichen Arbeit - Masterthesis, ist laut Mitteilung der Ausbildungseinrichtung erfahrungsgemäß mit einer Ausbildungsdauer von 8 - 10 Semestern zu rechnen.

a.) Teilnahme an 470 Stunden theoretischem und praktischem Unterricht in monatlichen (manchmal auch 3wöchigen) Blockveranstaltungen von Fr 14:00 - 19:30, Sa 9:00 bis 18:00, So 9:00 bis 12:30 in W. und U.

b.) Praktische Tätigkeit im Ausmaß von 180 Stunden - unbezahlt - innerhalb eines Monats im Wochenstundenausmaß von 40 Stunden im Psychiatrischen Krankenhaus während meines Urlaubes.

C.) Zusammenfassung

Die lange Ausbildungsdauer, der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand, die erforderlichen sozialen Kompetenzen, hohe persönliche Belastbarkeit, die Auseinandersetzung mit Psychotherapie als Wissenschaft, die im Psychotherapiegesetz gesetzlich geregelte Ausbildung belegen einerseits, dass eine Umschulung im Sinne des § 16 EStG vorliegt, weil die Maßnahmen derart umfassend sind, dass sie auf eine neue berufliche Tätigkeit, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist und auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen. Anderseits möchte ich damit glaubhaft belegen, dass meine Psychotherapieausbildung weit über die Befriedigung meiner privater Interessen und Neigungen hinausgeht, sondern darauf abzielt, dass ich künftig als Psychotherapeutin selbständig arbeiten werde."

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung mit folgender Begründung ab:

<Auf Grund Ihres Antwortschreibens geht das Finanzamt davon aus, dass die Absicht besteht, den neu erlernten Beruf auch tatsächlich auszuüben. Keine Stellungnahme haben Sie abgegeben, ob Ihr bisher ausgeübter Beruf im Finanzdienstleistungssektor konkret gefährdet ist, und ob durch den Berufswechsel Ihre Berufschancen oder Verdienstmöglichkeiten sich verbessern werden. Das Finanzamt geht daher davon aus, dass weder eine konkrete Gefährdung Ihrer bis dato ausgeübten Berufstätigkeit vorliegt, noch dass sich Ihre Verdienstchancen verbessern werden auf Grund der tatsächlichen Höhe Ihrer nicht selbständigen Einkünfte lt. Jahreslohnzettel der Fa. X für 2009 und der Tatsache, dass bei Ausübung einer selbständigen Tätigkeit am Anfang häufig mit Anlaufverlusten zu rechnen ist. Ihre Aufwendungen für die Umschulung zur Psychotherapeutin stellen daher mangels konkreter Umstände, die über die Absichtserklärung, den neu erlernten Beruf auszuüben, hinaus gehen, keine Werbungskosten dar, weil anzunehmen ist, dass die Entscheidung zu dieser Umschulung nicht aus Gründen erfolgt ist, die der bisherigen Berufsausübung zuzuordnen sind.

Im Rahmen des Vorlageantrages gab die Bw. folgende Stellungnahme ab und stellte den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz: Eine Gefährdung meines bisher ausgeübten Berufes im Finanzdienstleistungssektor ist für mich potentiell gegeben:

1. Ich bin als einzige Spezialistin für die so genannten steuerindizierten Beteiligungsmodelle bei der X eingesetzt. Seit 1999 wird in diesem Bereich kein Neugeschäft mehr gemacht. Meine Aufgabe besteht darin, die noch bestehenden Beteiligungsmodelle zu verwalten und diese im Rahmen der vertraglichen Möglichkeiten zu beenden.

2. Ein weit reichender Umstrukturierungsprozess in unserem Konzern, deren Auswirkungen und Maßnahmen mir im Detail noch nicht bekannt sind, wird mit implementiert. Umstrukturierungsprozesse in dieser Größenordnung haben immer auch einen Personalabbau zur Folge.

Zusammenfassung: Aufgrund des "Auslaufmodell-Charakters" meiner bisherigen Tätigkeit ist das Ende absehbar. Aufgrund meines Spezialwissens, bin ich in anderen Bereichen ohne umfangreiche Einschulung nicht adäquat einsetzbar. Ich kann auch nicht davon ausgehen, dass die neue Unternehmensführung das langjährige Engagement meiner bisherigen Tätigkeit entsprechend würdigt. Ich bin daher potentiell gefährdet freigesetzt zu werden."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004 sind Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, Werbungskosten.

In der Begründung des Finanzausschusses des Nationalrates zu dieser Gesetzesänderung, welche im Wesentlichen gleichlautend auch in § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 hinsichtlich der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben ihren Niederschlag findet, wird unter anderem ausgeführt, dass Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen ergänzend zur bisherigen Regelung des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 abzugsfähig sind, wenn sie derart umfassend sind, dass sie einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglichen, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist und auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Aufwendungen für einzelne Kurse oder Kursmodule für eine nicht verwandte berufliche Tätigkeit sind nicht abzugsfähig, wenn diese Kurse bzw. Kursmodule nicht "umfassend" sind (z.B. Aufwendungen für den Besuch eines einzelnen Krankenpflegekurses, der für sich allein keinen Berufsumstieg sicherstellen). Derartige Aufwendungen sind nur abzugsfähig, wenn sie Aus- oder Fortbildungskosten darstellen.

Der Begriff "Umschulung" setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat (Wiesner/Grabner/Wanke, EStG-Kommentar, § 16 Anm 141 und 142).

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Die Kosten für Umschulungsmaßnahmen sind gemäß § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 nur dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn sie umfassend sind und auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abstellen. Das heißt, es muss (neben dem Umfang der absolvierten Ausbildung) die ernsthafte Absicht zur Ausübung des neuen Berufes zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten bestehen (siehe Doralt, EStG, [9], § 16, Rz 203/4/2). Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen ist nach dem Gesetzeswortlaut an drei Voraussetzungen geknüpft:

1. es muss sich um Umschulungsmaßnahmen handeln,

2. diese Maßnahmen müssen umfassend sein, und

3. müssen diese Maßnahmen auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Eine Definition des Begriffes der umfassenden Umschulungsmaßnahmen die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, enthält das Einkommensteuergesetz nicht.

Die Interpretation des Begriffes der umfassenden Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, hat daher nach der für alle Gesetze geltenden Auslegungsregel des § 6 ABGB auf Basis des Wortsinnes vor dem Hintergrund der hervorleuchtenden gesetzgeberischen Absicht zu erfolgen. Umschulung bedeutet nach dem Wortsinn etwas neues (anderes) zu(er)lernen. Dies setzt nach dem Inhalt voraus, dass bereits ein erlernter Beruf besteht.

Nach der Literatur gelten als Umschulungsmaßnahmen Maßnahmen, wenn sie derart umfassend sind, dass sie auf eine neue berufliche Tätigkeit ausgerichtet sind (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar,36. Lieferung, § 16 Abs.1 Z 10, Tz 2) oder dass sie einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglichen, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist (vgl. Doralt, EStG, Kommentar, § 4 Tz 329/1).

Strittig ist, ob Ausbildungskosten einer Spezialistin für steuerindizierte Beteiligungsmodelle im Rahmen einer Ausbildung zur Psychotherapeutin an der Donauuniversität Krems abzugsfähige Umschulungskosten darstellen und damit abzugsfähige Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 vorliegen.

Die Bw. strebe mit der Qualifikation als Psychotherapeutin nach Abschluss ihrer Ausbildung die selbständige Tätigkeit als Therapeutin an. Die Bw. übt im Streitjahr den Beruf einer Spezialistin für steuerindizierte Beteiligungsmodelle als Angestellte aus. Die Bw. absolvierte in den Jahren 2004 bis 2009 die Ausbildung zur Psychotherapeutin, da auf Grund des Auslaufcharakters derartiger Beteiligungsmodelle das Angestelltenverhältnis als unsicher zu beurteilen sei und mit ein Umstrukturierungsprozess mit Personalabbau stattfinden soll. Erfahrungsgemäß würde zudem der Beruf als Psychotherapeutin weit über das gesetzliche Pensionsalter ausgeübt werden.

Unbestritten ist in rechtlicher Hinsicht, dass die Kosten zur Ausbildung zum Psychotherapeuten im Zusammenhang mit dem bisher seitens der Bw. ausgeübten Beruf einer speziell qualifizierten Angestellten mangels Artverwandtschaft weder abzugsfähige Aus- noch Fortbildungsmaßnahmen darstellen.

Dass Umschulungsmaßnahmen, und zwar umfassende, vorliegen, wird auch vom Finanzamt nicht bestritten: In Bezug auf die Tätigkeit der Bw. dient die Ausbildung zum Psychotherapeuten der Umschulung zu einem gänzlich anderen Beruf.

Die Umschulung manifestiert sich auch nicht in der Absolvierung einzelner, kleinerer Ausbildungseinheiten, sondern erfolgt im Wege eines umfangreichen und strukturierten Studiums. Es liegen daher auch "umfassende" Schulungsmaßnahmen vor.

Strittig ist, ob diese umfassenden Schulungsmaßnahmen "auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen".

Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur "Umschulungsmaßnahmen" abzugsfähig, also Aufwendungen, die auf einen Berufswechsel ausgerichtet sind. Nach dem Gesetzeszweck sind aber auch Aufwendungen abzugsfähig, die auf eine andersgeartete Nebentätigkeit abzielen; gefördert wird nämlich auch der Wechsel "aus Branchen mit rückläufigen Arbeitsmarktchancen"; Voraussetzung kann es danach nicht sein, dass der bisherige Beruf zur Gänze aufgegeben wird; gefördert wird damit auch die Erzielung von Zusatzeinkommen."

Für die Abzugsfähigkeit von umfassenden Umschulungsmaßnahmen als Werbungskosten wird vom Gesetzgeber in der Z 10 des § 16 EStG 1988 jedoch gefordert, dass die Aufwendungen der umfassenden Umschulungsmaßnahmen auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Es ist dem Finanzamt beizupflichten, dass aus dieser ausdrücklich genannten Tatbestandsvoraussetzung des "Abzielens auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes" grundsätzlich zu schließen ist, dass Umstände vorliegen müssen, die über eine bloße Absichtserklärung hinausgehen müssen.

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates kann aus der Umschreibung des Begriffes "abzielen" aber auch geschlossen werden, dass das Ziel der Umschulungsmaßnahme die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes sein soll bzw. dass die Ausübung eines anderen Berufes tatsächlich angestrebt wird. Die Z 10 des § 16 EStG 1988 ist daher so auszulegen, dass die vom Steuerpflichtigen getroffenen Maßnahmen für die Umschulung derart umfassend sein müssen, dass sie die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes zum Ziel haben. Der Steuerpflichtige muss somit zum Zeitpunkt der Aufnahme der Umschulungsmaßnahme die ernsthafte Absicht haben, einen anderen Beruf auszuüben. Diese ernsthafte Ansicht muss der Steuerpflichtige dokumentieren bzw. nachweisen oder glaubhaft machen. Die Nachweisführung hat nach den Verfahrensvorschriften der BAO zu erfolgen und unterliegt der Beweiswürdigung der Behörde (vgl. RV/2751-W/07 vom ).

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ist es jedoch nicht als erwiesen anzusehen, dass die Bw. ernsthaft anstrebt, den Beruf der Psychotherapeutin hauptberuflich auszuüben.

Gemäß § 2 Psychotherapiegesetz (BGBl 361/1990) setzt die selbständige Ausübung der Psychotherapie die Absolvierung einer allgemeinen und einer besonderen Ausbildung voraus. Sowohl der allgemeine Teil (psychotherapeutisches Propädeutikum) als auch der besondere Teil (psychotherapeutisches Fachspezifikum) wird durch eine theoretische und praktische Ausbildung vermittelt.

Die Bw. hat ihr Studium im Jahr 2004 begonnen und sei mit dem Abschluss - erfahrungsgemäß nach einer Studiendauer von acht bis zehn Semestern - zu rechnen.

Im Streitjahr studierte die Bw. neben der Tätigkeit als Angestellte an der U.. Nach ihren Angaben absolviert die Bw. im Wintersemester 2009/2010 das Psychotherapeutische Fachspezifikum "Psychodrama". Damit ist die Bw. im Streitjahr noch nicht berechtigt als Psychotherapeutin in Ausbildung selbständig tätig zu sein.

Die Höhe der Aufwendungen und die Dauer der Ausbildung, die eine umfassende berufliche Qualifikation vermittelt, können zwar Indizien dafür darstellen, dass tatsächlich die Ausübung des Berufes als Psychotherapeutin angestrebt und die Ausbildung nicht in der privaten Sphäre liegt.

Die Bw. betreibt zielstrebig eine universitäre Ausbildung bzw. hat diese nahezu abgeschlossen; eine eigene Praxis gibt es jedoch nicht, noch wurden bislang Einkünfte erzielt. Sie setzte daher bislang kein marktkonformes Verhalten in Bezug auf die tatsächliche Ausübung des Berufs des Psychotherapeutin.

Die Bw. hat den im Berufungszeitraum ausgeübten Beruf einer qualifizierten Angestellten der X auch nicht aufgegeben, wie eine Abfrage der Versicherungsdaten ab zeigt. In Bezug auf das Streit- und die Folgejahre ist somit weder die Ausübung eines "anderen" Berufs noch ein Berufswechsel gegeben.

Die eingewendete Absicht der Bw., den Beruf der Psychotherapeutin als Hauptberuf über das Pensionsalter hinaus auszuüben, kann nach Ansicht der Referentin des Unabhängigen Finanzsenates weder in Hinblick auf die langjährige und bislang bestehende Ausübung der Tätigkeit als qualifizierte Angestellte noch dem Alter der Bw. (Geburtsjahrgang 1959) als relevant oder glaubhaft beurteilt werden. Die Verwirklichung dieser Absicht ist nicht objektiv wahrscheinlich. Umschulungsmaßnahmen müssten auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Hauptberufes - d.h. einer Tätigkeit, die zumindest zu einem wesentlichen Teil zur Sicherung des künftigen Lebensunterhalts dienen soll - abzielen.

Auf Grund des Gesamtbildes der Verhältnisse ist im gegenständlichen Fall nicht davon auszugehen, dass die Tätigkeit als Psychotherapeut tatsächlich ausgeübt und daraus auch steuerlich relevante Einkünfte erzielen werden. Die strittigen Umschulungskosten sind daher nicht als Werbungskosten anzuerkennen.

Angemerkt wird, dass im streitgegenständlichen Fall kein Anwendungsfall einer vorläufigen Abgabenfestsetzung nach § 200 BAO vorliegt, da Zweifel an der ernsthaften Ausübung des Berufs des Psychotherapeuten durch die Bw. bestehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Umschulung

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