Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 25.10.2013, RV/1871-W/10

Berichtigung gemäß § 293b BAO wegen Nichtzustehen des Verlustabzuges (§ 18 Abs. 6 EStG 1988)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der B, vertreten durch S, vom gegen die gemäß § 293b BAO berichtigenden Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Körperschaftsteuer 2005, 2006 und 2007 entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheiden vom , bzw. setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer für die Jahre 2005, 2006 und 2007 fest. In den Bescheiden wurde jeweils ein Verlustabzug (2005: 5.827,85 €, 2006: 4.319,14 €, 2007: 101.007,98 €) berücksichtigt. Die Körperschaftsteuer wurde für die Jahre 2005, 2006 und 2007 jeweils mit 1.750,00 € festgesetzt.

Im Anschluss an eine bei der Berufungswerberin durchgeführte Außenprüfung (§ 147 BAO) wurden mit Bescheiden vom die Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 nach § 293b BAO insoweit berichtigt, als die Verlustabzüge außer Ansatz gelassen wurden.

Im Prüfungsbericht wird dazu ausgeführt, die im Wege des Verlustabzuges geltend gemachten Verluste stammten aus einem Mantelkauf gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 und seien demnach nicht vortrags- und ausgleichsfähig.

Bereits im August 2005 habe das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg aufgrund einer Mitteilung des Firmenbuches Kenntnis vom Umstand eines eventuellen Mantelkaufes erlangt und einen dementsprechenden elektronischen Vermerk für die Veranlagung der Körperschaftsteuer 2005 gesetzt.

Nach Eingang der Körperschaftsteuererklärung für 2005 am sei aufgrund der Verlegung des Firmensitzes der Akt an das Finanzamt Wien 8/16/17 abgetreten worden.

Am sei der Körperschaftsteuerbescheid 2005 vom Finanzamt Wien 8/16/17 unter Berücksichtigung eines Verlustabzuges aus den Vorjahren - ohne Beachtung der bereits im Jahr 2005 amtsbekannten Tatsache des Mantelkaufes - erlassen worden.

Nach der neuerlichen Verlegung des Firmensitzes sei der Akt im März 2009 wieder an das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg abgetreten worden.

Da eine offensichtliche Unrichtigkeit vorliege, seien die Körperschaftsteuerbescheide von der Abgabenbehörde im Prüfungszeitraum 2005 bis 2007 gemäß § 293b BAO von Amts wegen zu berichtigen.

Eine offensichtliche Unrichtigkeit liege vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsmäßiger Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen (; ; ; ; ). Im gegenständlichen Fall sei die Veranlagung von der Abgabenbehörde ohne Beachtung des elektronischen Vermerkes durchgeführt worden.

Eine Übernahme einer offensichtlichen Unrichtigkeit liege vor, wenn die Abgabenbehörde den widersprüchlichen, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Sachverhalt dem Bescheid zugrunde legt, weil sie die Unrichtigkeit mangels entsprechender Prüfung nicht erkennt. Sei der Sachverhalt durchaus denkbar, führe er aber als Folge einer offenbar unrichtigen Rechtsauffassung des Abgabepflichtigen zu einem unrichtigen Ergebnis, so sei § 293b BAO anwendbar, wenn die Abgabenbehörde die Unrichtigkeit der Rechtsauffassung (die an den Sachverhalt geknüpfte unrichtige Rechtsfolge) nicht wahrnehme.

§ 293b BAO sei auch anwendbar, wenn die offensichtliche Unrichtigkeit mehrfach übersehen wurde. "Das weitgehende ungeprüfte Übernehmen des Inhaltes von Abgabenerklärungen in Abgabenbescheide ist nämlich durchaus nichts Unübliches und kann daher auch mehrmals wiederholt erfolgen. Inwieweit die Abgabenbehörde dabei gegen Verfahrensvorschriften verstößt, ist für die Berichtigungsmöglichkeit unerheblich" (vgl. ).

Seien die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 293b BAO gegeben, so liege diese im Ermessen (vgl. 1162 BlgNR 17 GP, 16; ). Bei der Ermessensübung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen (; ; ). Seien die Folgen der Unrichtigkeit bloß geringfügig, so werde in der Regel keine Berichtigung gemäß § 293b BAO vorzunehmen sein (vgl. zB Ritz, ÖStZ 1990, 184 f). Im gegenständlichen Fall seien jedoch ungerechtfertigte Verlustabzüge in Höhe von 111.154,97 € in den Bescheiden berücksichtigt worden. Ein behördliches Verschulden an der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen spreche nicht gegen eine Berichtigung (vgl. Ritz, ÖStZ 1990, 185; ähnlich Oberleitner, FJ 2001, 108).

Die Berufungswerberin erhob gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 vom Berufungen mit folgender Begründung:

In der von ihr beim Finanzamt eingereichten Körperschaftsteuererklärung für 2005 sei kein Verlustvortrag aus den Vorjahren beantragt worden. Im Körperschaftsteuerbescheid 2005 vom seien jedoch die Verlustvorträge aus den Vorjahren berücksichtigt worden.

In den in der Folge eingereichten Körperschaftsteuererklärungen für 2006 und 2007 sei von ihr - in Anlehnung an die finanzamtliche Erledigung für 2005 - die Berücksichtigung der restlichen Verlustvorträge aus den Vorjahren (für 2006 in Höhe von 114.780,81 €, für 2007 in Höhe von 110.461,67) beantragt worden. Die Körperschaftsteuerbescheide für 2006 (vom ) und für 2007 (vom ) seien den eingereichten Steuererklärungen gefolgt. Die beantragten Verlustvorträge seien gemäß den für diese Jahre geltenden Bestimmungen (Deckelung mit 75 % des Einkommens) berücksichtigt worden.

In den Richtlinien zur Berichtigung gemäß § 293b BAO vom werde vom BM für Finanzen festgelegt, dass eine Berichtigung von Bescheiden insoweit vorzunehmen ist, als deren Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht. Eine Unrichtigkeit sei dann offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchung im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist ().

Im Zuge der elektronischen Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für 2005 sei von ihr kein Verlustvortrag als Sonderausgabe beantragt worden. Schon aus diesem Grund sei eine Berichtigung gemäß § 293b BAO nicht möglich (). Entscheidend sei, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt.

In weiterer Folge sei daher bei der Abgabe der Körperschaftsteuererklärungen für 2006 und 2007 der vom Finanzamt ohne Antrag in der Körperschaftsteuererklärung 2005 berücksichtigte Verlustvortrag dem Grundsatz von Treu und Glauben folgend beantragt worden.

Es werde daher der Antrag gestellt, die Berichtigungen der Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 gemäß § 293b BAO wieder aufzuheben und die Körperschaftsteuer wie in den Bescheiden 2005, 2006 und 2007 vor den Berichtigungen festzusetzen.

Über die Berufungen wurde erwogen:

Nach § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 steht der Verlustabzug (§ 18 Abs. 6 EStG 1988) ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Tatbestand des Mantelkaufs verwirklicht ist und der Verlustabzug nach § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 nicht mehr zusteht. In Streit steht, ob es zulässig war, die Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007, in denen die Vorjahresverluste zu Unrecht als Sonderausgaben abgezogen wurden, nach § 293b BAO zu berichtigen.

Nach § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

Eine Unrichtigkeit ist dann offensichtlich, wenn sie auf einer nicht vertretbaren Rechtsansicht beruht (vgl. ; ). Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechtsauffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen (vgl. zB ; ; ).

Eine Unrichtigkeit ist offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchung im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (vgl. ; ; ). Eine offensichtliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsmäßiger Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen (vgl. zB ; ; ). Ist die Unrichtigkeit erst nach Durchführung eines diesbezüglichen (über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausreichenden) Ermittlungsverfahrens erkennbar, so ist sie nicht gemäß § 293b BAO beseitigbar (vgl. ; ; ).

Offensichtliche Unrichtigkeiten sind dann gemäß § 293b BAO beseitigbar, wenn sie aus Abgabenerklärungen übernommen sind. Eine solche Übernahme liegt vor, wenn die Abgabenbehörde den widersprüchlichen, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Sachverhalt dem Bescheid zugrunde legt, weil sie die Unrichtigkeit mangels entsprechender Prüfung nicht erkennt (vgl. Ritz, BAO4, § 293b Tz 7).

Zur Abgabenerklärung gehören nicht nur der ausgefüllte amtliche Vordruck, sondern auch diesbezügliche Beilagen, wie etwa jene gemäß § 44 EStG 1988 (vgl. Ritz, BAO4, § 133 Tz 6).

Der Umstand, dass im gegenständlichen Fall der Tatbestand des Mantelkaufs verwirklicht ist, hat sich - ohne Erfordernis von Ermittlungen - bereits aus der Aktenlage ergeben. Das Finanzamt hätte bei der Körperschaftsteuerveranlagung für 2005, 2006 und 2007 erkennen müssen, dass nach § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 kein Verlustabzug zusteht.

Für das Jahr 2005 wurde von der Berufungswerberin zwar im elektronischen Körperschaftsteuererklärungsformular kein Verlustabzug als Sonderausgabe geltend gemacht, jedoch ist in den in Papierform beim Finanzamt eingereichten Beilagen zur Körperschaftsteuererklärung für 2005 (in der Gewinn- und Verlustrechnung) ein Verlustvortrag aus den Vorjahren in Höhe von 201.558,49 € ausgewiesen.

Für 2006 und 2007 wurden von der Berufungswerberin in den elektronischen Körperschaftsteuererklärungsformularen offene Verlustabzüge aus den Vorjahren in Höhe von 114.780,81 € bzw. 110.461,67 € beantragt.

Die Verlustabzüge wurden vom Finanzamt ohne ordnungsmäßige Prüfung in die Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 übernommen. Die Beseitigung dieser Unrichtigkeit durch eine Berichtigung der Bescheide nach § 293b BAO war somit gesetzeskonform.

Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben versteht man, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (; ; ; Doralt /Ruppe , Steuerrecht II5, Tz 371). Dieser Grundsatz ist auch im Abgabenrecht zu beachten (vgl. zB ; ; Doralt /Ruppe , Steuerrecht II5, Tz 371).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ; ) ist das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (zB ; ; ).

Der Grundsatz von Treu und Glauben stand daher der Berichtigung der Bescheide nach § 293b BAO nicht entgegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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