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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 25.10.2013, RV/1295-W/13

Ständiger Aufenthalt der Kinder im Ausland (Türkei)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder ADir. Romana Wimmer, Mag. Belinda Maria Eder und Mag. Martin Saringer über die Berufung des Bw., Y., gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für


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A.
geb. 1998
Sept. 2007 bis Okt. 2012
B.
geb. 1994
Sept. 2007 bis Mai 2012
C.
geb. 1992
Sept. 2007 bis März 2010

nach der am durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der Rückforderungsbescheid, soweit er die Monate September 2007 bis Februar 2008 betrifft, aufgehoben wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Rückforderungsbetrag:

Durch die Stattgabe der Berufung für die Monate September 2007 bis Februar 2008 verringert sich der Rückforderungsbetrag um 3.335,20 € (2.419 € Familienbeihilfe, 916,20 € Kinderabsetzbetrag) von bisher 30.985,20 € auf 27.650 € (20.166,20 € Familienbeihilfe, 7.483,80 € Kinderabsetzbetrag).

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) bezog für seine drei Kinder Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge. Durch eine Mail der Polizei X. wurde dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht, dass sich die Kinder des Bw. seit August 2007 ständig in der Türkei aufhalten.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Bw. die für


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A.
für den Zeitraum Sept. 2007 bis Okt. 2012
B.
für den Zeitraum Sept. 2007 bis Mai 2012
C.
für den Zeitraum Sept. 2007 bis März 2010

bezogenen Beträge mit der Begründung zurück, dass gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, keine Familienbeihilfe zustehe.

Die steuerliche Vertreterin des Bw. brachte gegen den Rückforderungsbescheid Berufung ein und führte darin - soweit für das Berufungsverfahren relevant - aus, dass sich seine Kinder wegen einer religiösen Schulausbildung (Imam-Hatip-Schule) seit September 2007 in der Türkei befinden würden. Der Bw. habe sich damals beim Finanzamt erkundigt, ob er weiterhin die Familienbeihilfe beziehen könne und habe die Auskunft erhalten, dass dies kein Problem sei, wenn es sich um eine Schulausbildung handle, die in Österreich nicht angeboten werde. Da in Österreich eine derartige islamisch-religiöse Schulausbildung, wie sie in einer Imam-Hatip-Schule praktiziert werde, nicht angeboten werde, würden sich die Ehefrau und die drei Kinder in der Türkei aufhalten. Die Kinder würden zum Haushalt des Bw. gehören bzw. würden die Unterhaltskosten für die Kinder alleine vom Bw. getragen werden. Sie würden sich zum Zwecke der Schulausbildung notwendigerweise am Ort der Schule (Türkei) aufhalten, weswegen die Haushaltszugehörigkeit nach § 2 Abs. 5 lit. b FLAG 1967 nicht aufgehoben sei. In der Türkei gebe es keine der Familienbeihilfe vergleichbare Leistung, sodass der Bw. Anspruch auf die Familienbeihilfe nach dem FLAG habe.

Die Kinder würden mit dem Bw. ständig in Kontakt stehen; sie würden die Ferienzeiten in Österreich verbringen. Nach Abschluss der Schulausbildung würden die Kinder auch wieder zurückreisen und sich in Österreich um eine Arbeit bemühen. Der Lebensmittelpunkt der Kinder befinde sich daher nach wie vor in Österreich.

Weiters sei bezüglich der Monate September 2007 bis Februar 2008 bereits Verjährung eingetreten. Schließlich rügte der Bw. noch dem Bescheid angeblich anhaftende Verfassungswidrigkeiten.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor. Die steuerliche Vertreterin hat während des Laufes des zweitinstanzlichen Verfahrens ihre Vollmacht zurückgelegt.

Trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung ist der Bw. zur anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung nicht entschieden. Der Senat hat den Beschluss gefasst, die Verhandlung in Abwesenheit des Bw. durchzuführen.

Die Finanzamtsvertreterin wies darauf hin, dass für den Fall, dass keine Hinterziehung unterstellt werden könnte, die Monate September 2007 bis Februar 2008 bereits verjährt wären.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe, für minderjährige Kinder.

Im Sinne des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 5 Abs. 3 FLAG 1967 besagt, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder besteht, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichs-gesetz (FLAG) 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. § 26 leg. cit. gilt gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 bzw. Abs. 4 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen.

Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. , mwN und ).

Unstrittig ist, dass sich die Ehegattin des Bw. sowie die Kinder A., B. und C. in den oben genannten Streitzeiträumen in der Türkei aufgehalten haben um dort die "Imam-Hatip-Schule" zu besuchen.

Der zumindest fünfjährige Aufenthalt von A. und B. sowie der zweieinhalbjährige Aufenthalt von C. in der Türkei kann im Sinne der Abgabenvorschriften nicht mehr als vorübergehender Aufenthalt beurteilt werden (vgl. ; der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis einen sich über zwei Jahre erstreckenden Auslandsaufenthalt als schädlich angesehen).

Selbst wenn davon auszugehen ist, dass sich die Kinder des Bw. - wie in der Berufung ausgeführt - während der Schulferien in Österreich aufgehalten haben, so würde dies den ständigen Aufenthalt im Ausland nicht unterbrechen (vgl. insbesondere das ebenfalls einen mehrjährigen Schulbesuch im Ausland betreffende Erkenntnis des , sowie weiters ; , 2002/13/0079; , 2002/14/0050).

Was das von der steuerlichen Vertretung zitierte österreichisch-türkische Abkommen über Soziale Sicherheit anlangt, so wurde dieses Abkommen von Österreich gekündigt und ist mit außer Kraft getreten, sodass ab diesem Zeitpunkt kein österreichischer Familienbeihilfenanspruch für in der Türkei lebende Kinder mehr gegeben ist.

Wenn der Bw. in seiner Berufung ausführt, dass er sich beim Finanzamt erkundigt hätte, ob er weiterhin Familienbeihilfe beziehen könne, wenn eine Kinder zwecks religiöser Schulausbildung in die Türkei verreisen würden und er die Auskunft erhalten hätte, dass dies "kein Problem" sei, wenn es sich um eine Schulausbildung handle, die in Österreich nicht angeboten werde, so ist ihm entgegen zu halten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit schützt. Der Grundsatz von Treu und Glauben zeitigt nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt ().

Die Kinder des Bw. haben unstrittig im Streitzeitraum eine Schule in der Türkei besucht. Da sich der Aufenthalt von A., B. und C. in der Türkei, und damit in einem Drittstaat (Nicht-EU-/Nicht-EWR-Land bzw. der Schweiz), über einen Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahre erstreckte, hatten die drei Kinder - entsprechend der obigen Ausführungen - in dieser Zeit ihren ständigen Aufenthalt in diesem Land, weshalb für diesen Zeitraum gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Da aber der Rückforderungszeitraum auch die Monate September 2007 bis Februar 2008 umfasst und das Vorliegen von Abgabenhinterziehung nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, war der Berufung für diesen Zeitraum Folge zu geben.

Was schließlich die vom Bw. behaupteten Verfassungswidrigkeiten anlangt, ist auf Artikel 18 B-VG zu verweisen, demzufolge die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Der Unabhängige Finanzsenat als Verwaltungsbehörde ist daher an die Gesetze gebunden. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes liegt in der ausschließlichen Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes. Dem Unabhängigen Finanzsenat steht auch nicht das Recht zu, die mögliche Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes vom VfGH überprüfen zu lassen.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at