Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSS vom 03.08.2011, RV/0255-S/10

Wie und wann wird der Pflichtteil geltend gemacht, sodass die Steuerschuld entsteht?


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Miterledigte GZ:
RV/0256-S/10

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Schatzl und die weiteren Mitglieder Dr. Johann Taferner, Dr. Johannes Dock und Mag. Peter Lederer über die Berufungen des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, vertreten durch Mag. Schmutzhart, Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, vom , StNr., betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und Erbschaftssteuer nach der am in 5026 Salzburg-Aigen, Aigner Straße 10, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens wird stattgegeben.

Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Erbschaftssteuer wird als nachträglich unzulässig geworden zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Vater des Bw ist am verstorben und hat seine Ehegattin als Alleinerbin eingesetzt. Den Kindern wurden testamentarisch Legate zugewendet, mit der Anordnung auf Anrechnung auf den Pflichtteil.

Mit Bescheid vom , StNr., wurde die Erbschaftssteuer dem Bw gegenüber vom zugewendeten Legat (Liegenschaft) festgesetzt.

In der Berufung der Alleinerbin gegen ihren eigenen Erbschaftssteuerbescheid machte diese geltend, dass sie an den Bw einen Betrag in Höhe von Euro 588.275,31 zu bezahlen hatte. Aufgrund einer tel. Anfrage der Abgabenbehörde wurde die diesbezügliche Bestätigung des Rechtsvertreters des Bw vom vorgelegt.

Mit den Bescheiden vom , StNr., nahm die Abgabenbehörde I. Instanz das den Bw betreffende Verfahren betreffend Erbschaftssteuer wieder auf und setzte die Erbschaftssteuer mit Euro 73.650,73 fest.

Gegen beide Bescheide richtet sich die Berufung vom . Darin wurde vorgebracht, dass der Bw seinen Pflichtteilergänzungsanspruch der Erbin gegenüber erst im April 2009 geltend gemacht habe. Der vertretende Rechtsanwalt sei vor allem für seinen Bruder tätig geworden und habe für diesen die Anträge in der Tagsatzung vom gestellt. Er selbst habe mit dem Legat seine Ansprüche erfüllt gesehen. Erst durch die Bewertung der Verlassenschaft habe sich herausgestellt, dass ihm weitere Ansprüche zustünden. Diese habe er danach gegenüber der Erbin geltend gemacht.

Mit Berufungsvorentscheidung vom , StNr., wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach der Aktenlage der Bw bereits vor dem Auslaufen der Erbschaftssteuer durch seinen Rechtsvertreter zu erkennen gegeben habe, dass er seinen Pflichteilsergänzungsanspruch wahren und nicht darauf verzichten möchte. Mit Schreiben vom habe der Anwalt seine Bevollmächtigung und das Einschreiten für den Bw als Pflichtteilsberechtigten dem Gericht mitgeteilt. In der Tagsatzung vom habe der Anwalt die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses beantragt. Die Steuerschuld sei somit am entstanden.

Im Vorlageantrag vom wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Inhaltlich wurde darauf verwiesen, dass ein Anspruch nur geltend gemacht werden könne, wenn zu erkennen sei, ob überhaupt ein Anspruch (nach Art und Umfang) bestehe. Dafür sei es erforderlich die Zusammensetzung und die Werte des Nachlasses zu kennen. Erst danach könne der Pflichtteilsberechtigte ernstlich zu erkennen geben, dass er aus seinem Anspruch Rechte ableiten möchte. Dies sei nachweislich erst im April 2009 erfolgt.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:

# Das Legat des Bruders B. sei mit einer Nacherbfolge belastet gewesen, sodass sich dieser in seinen Pflichtteilsrechten verletzt gefühlt habe. In der ersten Phase des Abhandlungsverfahrens sei es nur um diese Frage der Bewertung der dem Bruder B. vererbten Firmenanteile und der angeordneten Substitution gegangen. Der Anwalt Dr. Sch. habe die Anträge aufgrund dieser Umstände für seinen Bruder gestellt.

# Der Bw selbst habe sich durch die Legate (Liegenschaft und Wertpapierdepot) in seinem Pflichtteilsrecht nicht verletzt gefühlt.

# B. habe dem Bw, der in Wien lebe und viel unterwegs sei, angeboten, dass Dr. Sch. auch für ihn die Vertretung in der Verlassenschaft übernehme.

# Erst bei der Tagsatzung vom , als das Inventar errichtet worden und die Gutachten und Stellungnahmen zur Firmenbewertung und auch zur Bewertung der Liegenschaften bekannt geworden seien, habe der Bw erkannt, dass die ihm zugedachte Liegenschaft weniger als von ihm angenommen wert sei und dass die Firmen einen höheren Wert hätten, als er bislang angenommen habe. Der Bw sei, da der befreundete Familienanwalt das Testament erstellt habe, immer davon ausgegangen, dass seine Ansprüche ausreichend berücksichtigt worden seien.

# Strittig sei bis zu diesem Zeitpunkt immer nur die Frage des Anteiles von B. und die Belastung mit der Nacherbschaft gewesen.

# Erst 2009 habe der Bw einen selbständigen Auftrag an Dr. Sch. zur Geltendmachung seines Pflichtteilsergänzungsanspruches erteilt und diesen auch erhalten. Der Bw legte die diesbezügliche Honorarnote des Rechtsanwaltes vor, aus der hervorgeht, dass Dr. Sch. von April bis Juni 2009 in der Sache der Pflichtteilsergänzung tätig geworden sei.

Der Amtsbeauftragte beantragte die Abweisung der Berufung.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes:

Der Vater des Bw ist am verstorben und hat seine Ehegattin als Alleinerbin eingesetzt. Dem Bw wurde - wie den anderen Kindern - Legate zugewendet, mit der Anordnung auf Anrechnung auf den Pflichtteil.

Der Bw und sein Bruder B. haben mit Schreiben vom dem Abhandlungsgericht bekannt gegeben, dass sie den Rechtsanwalt Dr. Sch. mit ihrer Vertretung beauftragt haben.

Im Protokoll vom über die Tagsatzung zur Besprechung der weiteren Vorgangsweise, war sowohl der Bw und sein Bruder B. als auch der Rechtsvertreter anwesend. Der Rechtsvertreter bringt dabei zur Todesfallaufnahme vor, dass das erbl. Vermögen noch zur Gänze zu erheben ist, insbesondere hatte der Erblasser auch gekaufte Bilder in seinem Eigentum.

Weiters ist in diesem Protokoll wörtlich angeführt:

"Besprochen wird die Sach- und Rechtslage, insbesonders im Hinblick auf die Pflichtteilsdekkung der erbl. Nachkommen. Festgestellt wird, dass der Pflichtteil den erbl. Nachkommen völlig frei bleiben muss und dass im Falle nicht ausreichender Pflichtteilsdeckung durch die erbl. Zuwendungen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Geld entsteht.

Der Rechtsvertreter beantragt für seine Mandanten die Schätzung und Inventarisierung des erbl. Nachlasses."

Weiters machte der Rechtsvertreter des Bw Vorschläge zu den zu bestellenden Sachverständigen.

Aufgrund des Vorbringens des Bw wird festgestellt, dass diese Anträge vom Rechtsvertreter für den Bruder B. gestellt worden sind, da damit ausschließlich der Zweck der Bewertung der dem Bruder B. unter der Auflage der fideikommisarischen Substitution zugewendeten Vermögenswerte verfolgt werden sollte. Die Tagsatzung vom hatte vor allem diesen Inhalt, inwieweit der Bruder B. durch die angeordnete Nacherbschaft in seinen Pflichtteilsrechten verletzt ist und wie dies zu ermitteln ist. Während der Bw der Ansicht war, durch die ihm zugewendeten Vermögenswerte (Liegenschaft und Depot) in seinen Ansprüchen voll befriedigt worden zu sein.

In der Tagsatzung vom wurden die Gutachten und die Erinnerungen der Rechtsvertreter und die weiteren Stellungnahmen der Gutachter vorgestellt und Erklärungen abgegeben. Weiters wurde das Inventar errichtet.

In dieser Tagsatzung sind erstmals die Ansprüche des Bw durch die erstellten Gutachten und Berechnungsgrundlagen zutage getreten, erörtert worden und es hat sich der Bw entschlossen, den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend zu machen.

Aus der Rechnung des Rechtsvertreters geht hervor, dass dieser für den Bw im Zeitraum April bis Juni 2009 zur Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruches tätig geworden ist.

2.) Beweiswürdigung:

Vorweg ist anzumerken, dass die im Protokoll über die Tagsatzung vom dargelegten Anträge prima facie ein anderes Bild ergeben. Diese Anträge dienten der Ermittlung, ob überhaupt ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht.

Der Bw hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass die vom gemeinsamen Anwalt gestellten Anträge ausschließlich im Auftrag und Interesse des Bruders des Bw erfolgt sind, da nur die Frage der Bewertung der Firmen und der angeordneten Nacherbfolge strittig war.

Er selbst hat seine eigenen Pflichtteilsansprüche durch die ausgesetzten Legate ausreichend erfüllt gesehen.

Erst durch die Bewertung der Liegenschaften und der Firmen, deren Ergebnis ihm nachweislich erst nach dem relevanten Stichtag bekannt geworden sind, hat er erkannt, dass auch ihm ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht. Zur Durchsetzung dieses Anspruches hat der Bw an den Rechtsanwalt einen gesonderten Auftrag erteilt. Für diese anwaltliche Vertretung im Zeitraum April bis Juni 2009 hat der Rechtsanwalt dem Bw Rechnung gelegt.

Das Vorbringen des Bw in der mündlichen Verhandlung ist gerade auch hinsichtlich dessen, was in den Protokollen über die Tagsatzungen des Verlassenschaftsverfahrens niedergelegt ist bis hin zum Einantwortungsbeschluss, nicht widersprüchlich sondern aufgrund der schlüssigen Darstellung der Geschehensabläufe eine glaubhafte Ergänzung beziehungsweise Konkretisierung. Der Bw hat dieses Vorbringen auch durch die vorgelegten Unterlagen belegt.

In der Tagsatzung vom wird u.a. ausgeführt, dass der Bruder B. das ihm vermachte Legat annimmt und die Anfechtung der angeordneten fideikommisarischen Substitution ankündigt.

In der Begründung des Einantwortungsbeschlusses vom sind die unterschiedlichen Anträge hinsichtlich der Aufnahme der Nacherbschaft in den Einantwortungsbeschluss und in das Firmenbuch dargestellt. Daraus ist ersichtlich, dass tatsächlich der Hauptstreitpunkt die Frage des Pflichtteilsergänzungsanspruches des Bruders B. und die Bewertung der Firmen und der Nacherbschaft war.

Der Unabhängige Finanzsenat gelangte daher zu dem Ergebnis, dass der Bw glaubhaft und schlüssig dargelegt hat und mit Unterlagen untermauert hat, dass er erst aufgrund der Bewertungsergebnisse hinsichtlich der Liegenschaften und Firmen trotz seiner bisher gegenteiligen Überzeugung in seinen Ansprüchen voll befriedigt worden zu sein, erkannt habe, dass dem nicht so sei und ihm ein Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils zustehe. Erst danach hat er den Anspruch der Erbin gegenüber geltend gemacht und in der Folge einen diesbezüglichen Vertretungsauftrag erteilt.

Dieser Zeitpunkt des Erkennens und Durchsetzenwollens und der tatsächlichen Geltendmachung lag eindeutig nach dem und kann frühestens mit der relevanten Tagsatzung vom angesetzt werden.

3.) Rechtslage:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 54/06, den Grundtatbestand der Erbschaftssteuer als verfassungswidrig aufgehoben.

Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist das Gesetz jedoch weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis nichts anderes ausspricht.

Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden. Der VfGH hat diese Frist mit Ablauf festgesetzt. Damit trat die Erbschaftssteuer für Erwerbe von Todes wegen mit Ablauf dieser Frist außer Kraft.

Der Erbschaftssteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG Erwerbe von Todes wegen und als solche gelten gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 Erwerbe durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltendgemachten Pflichtteilsanspruches.

Nach § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG entsteht die Steuerschuld für den Erwerb eines geltendgemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung.

4.) Rechtliche Ausführungen:

Strittig ist ausschließlich die Frage, wann der Bw seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht hat und damit die Steuerpflicht nach § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b ErbStG entstanden ist.

Der Pflichtteilsanspruch wird steuerlich beachtet, sobald der Pflichtteilsberechtigte seinen Entschluss, den Pflichtteil zu verlangen, erkennbar gemacht hat. Als Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteiles ist jener anzunehmen, in dem der Pflichtteilsberechtigte oder dessen Vertreter nach außen hin - auch außergerichtlich - zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren und nicht darauf verzichten (; , 0130).

Die Erbschaftssteuerpflicht für den Pflichtteil entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte ernstlich zu erkennen gibt, dass er aus seinem Anspruch Rechte ableiten will (; ).

So hatte der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 2066/55, ausgeführt, die Noterbin habe zwar nicht ausdrücklich dem Gericht gegenüber erklärt, den Pflichtteil in Anspruch zu nehmen, jedoch bereits ungefähr einen Monat nach dem Tod des Erblassers eine Vollmacht ihres Anwalts vorgelegt und gebeten, sie vom Fortgang der Verlassenschaft zu verständigen. Laut VwGH müsse daraus geschlossen werden, dass die Noterbin ihren Pflichtteilsanspruch schon zu diesem Zeitpunkt geltendgemacht hat.

Der Umstand, dass bloß die Auszahlung der Pflichtteilsforderung durch die Erbin hinausgeschoben ist, ist für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ohne Bedeutung (Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz. 16 zu § 12 ErbStG mit weiteren Judikaturverweisen; Dorazil, Handkommentar zum ErbStG, 3. Aufl., Abschn. 5. zu § 12).

Im Erkenntnis vom , 2277/75, kommt der VwGH zum Ergebnis, dass der Pflichtteilsanspruch zwar erhoben werden müsse, die Beschwerdeführer jedoch irren, wenn sie meinen, dass der Pflichtteilsanspruch erst mit der Einbringung der gerichtlichen Klage geltendgemacht worden sei; kann doch - so der VwGH - unter der Erhebung des Pflichtteilsanspruches nicht nur seine gerichtliche Geltendmachung verstanden werden, und weiter:

"Vielmehr erscheint der Pflichtteilsanspruch schon dann erhoben, wenn der Berechtigte dem Erben auch auf andere Weise ernsthaft zu erkennen gibt, dass er seinen Pflichtteil in Anspruch nehmen will."

Im Erkenntnis vom , 88/16/0163, führt der VwGH - auch unter Verweis auf das zitierte Erkenntnis vom , 2066/55 - Folgendes aus:

"Die Bf gelangt zu der auch vom VwGH geteilten Ansicht, dass der Steuergesetzgeber das Entstehen der Steuerschuld an die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches und nicht an den Zeitpunkt des Entstehens, der Fälligkeit, der wirklichen Zuteilung oder der Auszahlung anknüpfen habe wollen. Als Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils ist jener anzunehmen, in dem der Pflichtteilsberechtige oder dessen Vertreter nach außen hin - auch außergerichtlich - zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren und nicht darauf verzichten."

Nach dieser Rechtsprechung ist der Pflichtteil bereits dann im Sinne des § 12 Abs. 1 Z.1 lit. b ErbStG geltend gemacht, wenn der Pflichtteilsberechtigte Maßnahmen zur Wahrung seines Anspruches setzt. Dabei muss der Anspruch weder der Höhe nach bekannt oder beziffert werden. Die für die Ermittlung der Höhe des Anspruches erforderlichen Anträge im Verlassenschaftsverfahren sind bereits jene Maßnahmen anhand derer der Entschluss des Pflichtteilsberechtigten nach außen in Erscheinung tritt - er somit objektiv zu erkennen gibt, dass er seinen Anspruch "wahren" und nicht von vorneherein darauf verzichten möchte.

Megow/Michel formulieren im Kommentar zum ErbStG, Beck`sche Steuerkommentare, 6. Auflage, § 9 Abs.1 Z. lit. b dErbStG, RZ 5: Ein Pflichteilsanspruch ist in dem Zeitpunkt geltend gemacht, in dem der Pflichtteilsberechtigte dem Belasteten zu erkennen gibt, dass er aus seinem Anspruch Rechte herleiten will.

Gerade auch der vom Bw zitierte Kommentar, Dorazil/Taucher, ErbStG, § 2, 4.11, interpretiert die Rechtsprechung des VwGH (, 2066/55) so, dass es für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches ausreicht, dass der Berechtigte konkludente Handlungen setzt. Und zu § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b, 3.15, ErbStG führen die Kommentatoren aus, dass es nicht erforderlich sei, dass der Berechtigte eine ausdrückliche Erklärung abgebe, es vielmehr genüge, dass der Berechtigte auch auf andere Weise ernsthaft zu erkennen gibt, dass er seinen Pflichtteil in Anspruch nehmen will. Eine Bezifferung sei nicht Voraussetzung.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich klar, dass der Bw seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch der Alleinerbin gegenüber erst nach dem geltend gemacht hat.

Demnach ist im Sinne des § 12 Abs. 1 Z.1 lit. b ErbStG die Steuerschuld für den Pflichtteilsergänzungsanspruch erst zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem keine Steuerpflicht mehr bestanden hat.

5.) Wiederaufnahme des Verfahrens:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Weder aus dem Gerichtsakt noch aus dem Abgabenakt ist eine Vereinbarung über den Pflicht teilsergänzungsanspruch und dessen Höhe ersichtlich.

Die Abgabenbehörde I. Instanz hat erstmals durch die Berufung der Erbin vom Umstand, dass Pflichtteilsergänzungsforderungen erfüllt worden sind, Kenntnis erlangt. Die Berufung datiert vom , die Kenntnisnahme erfolgte somit nach Bescheiderstellung an den Bw.

Die Abgabenbehörde I. Instanz hat daher zurecht das Vorliegen von neuen Tatsachen bejaht.

Zweite Tatbestandsvoraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, ob die Kenntnis dieser neuen Tatsachen einen im Spruch anderen Bescheid herbeigeführt hätte.

Aufgrund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hat der Bw seine Pflichtteilsergänzungsansprüche erst nach dem Auslaufen der Erbschaftssteuer geltend gemacht hat. Die neu hervorgekommene Tatsache des empfangenen Geldbetrages kann daher zu keiner Änderung des ursprünglichen Erbschaftssteuerbescheides vom führen.

Die Auszahlung einer Pflichtteilsergänzung hat keine Auswirkung auf die Steuerpflicht des Vermächtnisses, das unzweifelhaft angeommen wurde und für das die Steuerschuld mit dem Tod des Erblassers entstanden ist.

Da somit die zweite Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegt, weil die Kenntnis der neu hervorgekommen Tatsache keine Auswirkung auf den ursprünglichen Erbschaftssteuerbescheid hat, war der Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens ersatzlos aufzuheben.

6.) Erbschaftssteuerfestsetzung:

Gemäß § 307 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Damit ist aber der ursprüngliche Bescheid betreffend Erbschaftssteuer vom , StNr., wieder in Kraft. Der gleichzeitig mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid erlassene Bescheid betreffend Erbschaftssteuer vom , StNr., ist mit der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.

Aus diesem Grunde war die diesbezügliche Berufung des Bw als nachträglich unzulässig geworden zurückzuweisen.

Salzburg, am

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