zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 17.11.2010, RV/0204-L/10

Familienbeihilfenanspruch eines in Österreich beschäftigten EU-Bürgers, Haushaltsgemeinschaft mit der im EU-Ausland lebenden Familie.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Familienbeihilfe (Differenzzahlung nach Art 76 EWG-VO 1408/71) für den Zeitraum bis entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber ist ungarischer Staatsbürger und in Österreich erwerbstätig. Seine Ehegattin und sein Kind leben in Ungarn. Für das Jahr 2008 stellte er einen Antrag auf Differenzzahlung nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72. In diesem Zusammenhang wurden die ausgefertigten Formulare E 401 und E 411, eine EU-Freizügigkeitsbestätigung und Arbeitsbestätigungen vorgelegt. Da im Formular E 411 die Rubrik "(Früherer) Ehegatte oder sonstige Person(en), deren Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Familienangehörigen ermittelt werden soll" durchgestrichen war, zog das Finanzamt hieraus den Schluss, dass kein gemeinsamer Haushalt mit der Ehegattin vorlag. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache des Berufungswerbers beim Finanzamt wurde die Frage, warum die Rubrik im Formular E 411 durchgestrichen wurde, nicht beantwortet und eine weitere Frage, ob in Ungarn ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind und der Kindesmutter vorliege, zunächst ebenfalls nicht beantwortet und schließlich nach mehrfacher Fragestellung verneint. Das Finanzamt wies hierauf mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Gewährung der Differenzzahlungen ab.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber sinngemäß aus: Er arbeite seit 1987 in Österreich, habe hier jedoch nur einen temporären Wohnsitz. Er lebe mit seiner Familie in Ungarn im gemeinsamen Haushalt. Er fahre regelmäßig jedes Wochenende oder manchmal zweiwöchentlich für mehrere Tage nach Hause. Gleichzeitig wurde eine Bestätigung des Bürgermeisteramtes Budapest vorgelegt, mit der die Meldung des Berufungswerbers zusammen mit der Ehegattin und dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung in Budapest bestätigt wurde.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass aufgrund der widersprüchlichen Ausführungen des Berufungswerbers im Verwaltungsverfahren der Nachweis eines gemeinsamen Haushaltes nicht erbracht wurde, wiederholte der Berufungswerber in einem Vorlageantrag seine bisherige Erklärung, dass er in Ungarn in gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin lebe, und führte ergänzend aus: Wie er der Begründung der Berufungsvorentscheidung entnehme, werde ein Widerspruch zwischen den Angaben in Formular E 401 und E 411 gesehen. Im Allgemeinen hole er sich Hilfe, wenn ein offizielles Schreiben zu beantworten sei, da er die deutsche Sprache nicht so gut beherrsche. Bei Ausfüllen des Formulares E 411 habe er dies nicht gemacht. Wahrscheinlich habe er hiebei etwas falsch verstanden und daher das Formular nicht der Wahrheit entsprechend ausgefüllt. Tatsache sie, dass er dauerhaft mit seiner Frau und seinem Kind in gemeinsamen Haushalt in Ungarn lebe. Dies entspreche der Wahrheit, alle andere Angaben seien aus sprachlichem Mißverständnis gemacht worden. Er lege daher ein nunmehr hoffentlich richtig ausgefülltes Formular E 411 bei.

Neben dem erwähnten Formular lag auch ein Schreiben des Ungarischen Schatzamtes bei, in dem von diesem bestätigt wurde, dass im ursprünglichen Formular die Ehegattin wegen eines Mißverständnisses nicht unter Punkt 2 sondern zusammen mit dem Kind unter Punkt 3 angeführt wurde. Sie sei mit dem Berufungswerber verheiratet und die beiden hätten nie getrennt gelebt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgende Bestimmungen der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom (in der Folge "VO") sind für den gegenständlichen Berufungsfall maßgeblich:

Nach Art. 1 der VO ist "Arbeitnehmer" oder "Selbständiger" u.a. jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder in einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.

Art. 2 der VO regelt den persönlichen Geltungsbereich. Demnach gilt diese Verordnung für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgledstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Nach Art. 3 der VO haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes vorsehen. Gemäß Art. 4 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, unter anderem die, die Familienleistungen betreffen.

Nach Art. 13 Abs. 2 lit.a der VO unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat.

Nach Art. 73 der VO hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der Berufungswerber ungarischer Staatsbürger ist, im Berufungszeitraum in Österreich nichtselbständig beschäftigt war (eine EU - Freizügigkeitsbestätigung liegt vor), und seine Ehegattin und sein Kind in Ungarn leben. Unstrittig ist, dass die zitierte Verordnung für ihn Gültigkeit hat. Für die Feststellung, inwieweit für ihn Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, war im Berufungsverfahren lediglich strittig, ob er in Ungarn in gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin und seinem Kind lebt.

Hiezu lagen zunächst folgende Unterlagen vor: Die ausgefüllte und bestätigte Familienstandsbescheinigung E 401, in der die Ehegattin in gemeinsamen Haushalt angeführt war, das ausgefüllte und ebenfalls bestätigte Formular E 411 zur Ermittlung des Anspruches auf Familienleistungen, in dem der Pkt. 2., unter dem die Ehegattin anzuführen gewesen wäre, gestrichen war, der Antrag des Berufungswerbers (Formular Beih 1), in dem die Ehegattin wiederum als "nicht dauernd getrennt lebender Ehepartner" angeführt wurde.

Anlass für die Zweifel des Finanzamtes war in erster Linie die Streichung der für die Ehegattin vorgesehenen Rubrik im Formular E 411. Die nachfolgende Vorsprache des Berufungswerbers ergab keinerlei Aufklärung, aus welchem Grund dies erfolgt ist. Überprüft man die sonstigen Angaben in diesem Formular, so kann jedoch festgestellt werden, dass unter Pkt. 3., der für die Angabe der (sonstigen) Familienangehörigen - im gegenständlichen Fall des anspruchsvermittelnden Kindes - vorgesehen war, zusätzlich zum Kind der Name der Ehegattin eingetragen wurde und auch die dort angegebene Wohnadresse mit der des Berufungswerbers in Ungarn übereinstimmt.

Im weiteren Berufungsverfahren wurde durch das Bürgermeisteramt Budapest der gemeinsame Wohnsitz des Berufungswerbers mit seiner Ehegattin und dem Kind bestätigt und weiters durch das Ungarische Schatzamt bestätigt, dass die Ehegatten nie getrennt lebten. Auf Grund dieser Unterlagen in Zusammenhang mit dem Eintrag der Ehegattin in der unrichtigen Rubrik des Formulares E 411 erscheinen die Berufungsausführungen, wonach der Fehler im Formular E 411 auf ein sprachliches Mißverständnis zurückzuführen war, glaubwürdig. Aus welchem Grund die Frage nach dem gemeinsamen Haushalt anlässlich der mündlichen Vorsprache des Berufungswerbers vor dem Finanzamt verneint wurde, ist nicht nachvollziehbar, jedoch erscheint diese Aussage trotz der zuvor abgegebenen Versicherung des Berufungswerbers, er könne die gestellten Fragen verstehen, in Anbetracht der vorliegenden Unterlagen ebenfalls eher durch sprachliche Probleme oder inhaltliches Unverständnis zustande gekommen zu sein. Bei dieser Sachlage kommt der unabhängige Finanzsenat in freier Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass tatsächlich in Ungarn ein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter und dem Kind vorliegt.

Außer Streit steht nach den sonstigen Unterlagen im Verfahren, dass auch nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Wohnstaates für das Kind des Berufungswerbers Familienleistungen zustehen, sodass in Österreich nur Anspruch auf Differenzzahlungen bestehen kann. Dies entspricht auch dem Antrag des Berufungswerbers.

Da nach den oben getroffenen Feststellungen die Gründe für die Abweisung dieses Antrages nicht vorliegen, war wie im Spruch zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Haushaltszugehörigkeit

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at