Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 01.08.2011, RV/2003-W/11

Kinderbetreuungskosten wegen Berufstätigkeit beider Elternteile keine außergewöhnliche Belastung (Vlg 2008)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, Wohnadresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 entschieden:

Der Berufung wird teilweise (im Umfang der Berufungsvorentscheidung) Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw) beantragte im Zuge der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung neben Werbungskosten die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten in der Höhe von 5.640,00 Euro.

Nachdem die Bw einen Vorhalt des Finanzamtes betreffend die Werbungskosten unbeantwortet ließ, erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid. Es wurde nur das Werbungskostenpauschale in Abzug gebracht. Die Kinderbetreuungskosten fanden keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung. Begründend führte das Finanzamt aus, dass Beaufsichtigungskosten von Kindern nur berücksichtigt werden könnten, wenn eine allein stehende Person mit Kind einer Berufstätigkeit nachgehen müsse, weil sie für sich keine ausreichenden Unterhaltsleistungen erhalte. Da dies im Falle der Bw nicht zutreffe, könne dem Antrag nicht entsprochen werden.

Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Im Zuge der Berufung wurden die fehlenden Nachweise betreffend Werbungskosten beigebracht. Hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung wurde von der Bw in einer persönlichen Vorsprache dargelegt, dass sie aus Gründen der sonstigen Existenzgefährdung zum Unterhalt der Familie beitragen müsse.

Das Finanzamt entschied mit teilweise stattgebender Berufungsvorentscheidung. Die beantragten Werbungskosten wurden zum Abzug gebracht. Die Kinderbetreuungskosten fanden weiterhin keine Berücksichtigung.

Die Bw stellte einen Vorlageantrag. Begründend führte sie aus, dass der Ehegatte der Bw im Streitjahr gerade dabei gewesen sei, seine Firma aufzubauen und daher wenig Geld hätte entnehmen können. Seine Bezüge seien sehr gering gewesen und die Auszahlung sei auch nur unregelmäßig erfolgt, um den Cashflow der Firma nicht zu gefährden. Die Einnahmen des Ehegatten hätten bei weitem nicht die Ausgaben für die vierköpfige Familie decken können. Außerdem habe ihr nur der sehr rasche Wiedereinstieg in ihr Berufsleben ihren qualifizierten Job gesichert und die Vereinbarung von Beruf und Familie ermöglicht. Sie beantrage daher die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten.

Das Finanzamt legte die Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Unabhängige Finanzsenat ist bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Die Bw lebt mit ihrem Ehegatten und den beiden mj. Kindern im gemeinsamen Haushalt.

Beide Eltern sind erwerbstätig.

Die Betreuungskosten betragen pro Kind und pro Monat 235 Euro, im Jahr 2008 insgesamt daher 5640 Euro.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist insoweit nicht strittig.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Alle drei Voraussetzungen (Abs 2, 3 und 4) müssen gleichzeitig gegeben sein. Das Fehlen nur einer der im § 34 Abs 1 leg cit genannten Voraussetzungen schließt den Anspruch auf die Steuerermäßigung bereits aus. Liegt z.B. das Merkmal der Außergewöhnlichkeit nicht vor, erübrigt sich eine Prüfung der Zwangsläufigkeit.

Gemäß Abs 2 leg cit ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Das Gesetz stellt auf die Verhältnisse der Mehrzahl der Steuerpflichtigen ab. Aufwendungen, die bei der Mehrzahl der Steuerpflichtigen auftreten, sind keine außergewöhnliche Belastung. Das Merkmal der Außergewöhnlichkeit ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen. Dem rein subjektiven Empfinden des Abgabepflichtigen kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.

Das Merkmal der Außergewöhnlichkeit von Kinderbetreuungskosten ist ganz allgemein schon deshalb nicht gegeben, da die im Gesetz ganz allgemein verankerte Verpflichtung der Eltern zur Beaufsichtigung ihres Kleinkindes für dieselben in jedem Falle Belastungen mit sich bringt, die keinesfalls außergewöhnlich sind. Diese Belastung ist im Gegenteil der geradezu typische Fall einer "gewöhnlichen", das heißt unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffenden Belastung. Diese Belastung wird keineswegs dadurch zur "außergewöhnlichen", dass sie in einem konkreten Fall nicht durch Aufgabe oder Einschränkung der beruflichen Tätigkeit eines der Elternteile, sondern durch die Betreuung des Kindes durch Dritte gegen Entgelt bewältigt wird (vgl. ).

Der Unabhängige Finanzsenat vertritt die Auffassung, dass Kinderbetreuungskosten in der heutigen Zeit wohl generell die Außergewöhnlichkeit fehlt (vgl. auch Quantschnigg/Schuch: Einkommensteuer-Handbuch, Tz 38 zu § 34, S 1287), da es allgemein üblich ist, dass Kinder ab dem dritten Lebensjahr einen Kindergarten besuchen. Mittlerweile besteht sogar die Pflicht, Kindern im letzten Jahr vor Eintritt der Schulpflicht einen Kindergartenbesuch zu ermöglichen. Da das Fehlen der Außergewöhnlichkeit die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ausschließt und die Abgabenbehörde davon entbindet, zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht (Hofstätter-Reichel: Einkommensteuer-Kommentar, III C, Tz 1 zu § 34 Abs 1), ist die Berücksichtigung der von der Bw geltend gemachten Kinderbetreuungskosten im Jahr 2008 als außergewöhnliche Belastung schon deshalb ausgeschlossen.

Unterhaltsleistungen für ein Kind sind nach § 34 Abs 7 Z 1 EStG 1988 in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung des BG BGBl I Nr. 79/1998 durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a und c EStG 1988 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf diese Beträge hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 93/13/0272, VwSlg 7.055/F, ausgesprochen, dass die Annahme der Außergewöhnlichkeit von Belastungen für die Beaufsichtigung von Kindern auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechtes zu einer weiteren Ausdehnung ohnehin schon bestehender Diskriminierungen der auf das Einkommen nur eines der Ehepartner angewiesenen Familien führte. Dies deswegen, weil die im Gesetz ganz allgemein verankerte Verpflichtung der Eltern zur Beaufsichtigung ihres Kleinkindes für sie in jedem Falle (ob nun beide Elternteile oder nur ein Elternteil berufstätig sind) Belastungen mit sich bringe, die keinesfalls außergewöhnlich, sondern im Gegenteil der geradezu typische Fall einer "gewöhnlichen", dh unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffenden, Belastung sind. Diese Belastung werde keineswegs dadurch zur "außergewöhnlichen", dass sie in einem konkreten Fall nicht durch Aufgabe oder Einschränkung der beruflichen Tätigkeit eines der Elternteile, sondern durch Aufnahme einer bezahlten Aufsichtsperson bewältigt wird, wenn dieser Weg nach den bestehenden Familien- und Erwerbsverhältnissen der leichter gangbare und vor allem für die Eltern wirtschaftlich vorteilhaftere ist (vgl. ).

Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 1340/00, VfSlg 16.026, ausgesprochen, dass die von der Verfassung geforderte steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für den Regelfall durch die Transferleistungen der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages erfolgt. Der Verfassungsgerichtshof hat in der von ihm geprüften Bestimmung des § 34 Abs 7 EStG 1988 in der auch für die Streitjahre anzuwendenden Fassung des BG BGBl I Nr. 79/1998 angesichts der vorgesehenen (erhöhten) Transferleistungen keine Verfassungswidrigkeit gesehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im erwähnten Erkenntnis auch seine frühere Rechtsprechung wiederholt und erwähnt, dass die Regelung der Kinderbetreuung (ob beide Eltern berufstätig sind und für die Kinderbetreuung anderweitig sorgen oder ob ein Teil, statt erwerbstätig zu sein, die Hauptlast der Kinderbetreuung übernimmt) grundsätzlich Sache der privaten Lebensgestaltung ist.

Gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ergibt sich schon aus der Wortfolge "wenn er (der Steuerpflichtige) sich ihr . . . nicht entziehen kann" mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG 1988 ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. Aus diesem Grund können auch Aufwendungen, die sich als Folge einer Ehescheidung darstellen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 sein, weil sie in jedem Fall auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Eheteil aus freien Stücken entschlossen haben muss (vgl. ).

Die Bw hat vorgebracht, dass sich die Notwendigkeit ihrer Berufsausübung daraus ergeben hätte, dass die Einkünfte ihres Ehegatten für den familiären Unterhalt nicht ausreichten. Die Notwendigkeit, ihren Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern und die sich daraus ergebenden Kosten der Kinderbetreuung sind somit eine Folge der von den beiden Ehegatten freiwillig herbeigeführten Entscheidung, für den familiären Lebensunterhalt in dieser Form zu sorgen. Es fehlt damit auch am Merkmal der Zwangsläufigkeit.

Da Kinderbetreuungskosten aus den oben ausführlich dargelegten Gründen sowohl das Merkmal der Außergewöhnlichkeit iSd § 34 Abs 2 EStG 1988 als auch das Merkmal der Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs 3 EStG 1988 fehlt, sind die angefallenen Kosten an Kinderbetreuung gemäß § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung nicht in Abzug zu bringen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at