Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 29.07.2011, RV/3208-W/10

Beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung auch bei Arbeitslosigkeit der am Familienwohnsitz wohnhaften Ehegattin

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/3208-W/10-RS1
wie RV/0342-K/05-RS2
Die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, in dem er einen (Familien-)Wohnsitz führt bzw. unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Für einen in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ist zumindest für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren jedenfalls eine Familienwohnsitzverlegung in den Einzugsbereich des neuen Beschäftigungsortes nicht zuzumuten. Eine Erwerbstätigkeit des Lebensgefährten am (Familien-)Wohnsitz stellt einen berücksichtigungswürdigen Umstand dar, der eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen kann. Ist eine berufliche Tätigkeit des (Ehe-) Partners am Familienwohnsitz durch eine vorübergehende Arbeitslosigkeit unterbrochen und ist dieser als Arbeitssuchender beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt, so ist darin keine Ursache von Relevanz zu erblicken, die für die Auflösung bzw. Verlegung des Familienwohnsitzes spricht. Darüber hinaus sind auch Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (zB. Notstandshilfe) als von wirtschaftlicher Bedeutung für das Partnerschaftseinkommen (Familieneinkommen) zu werten.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., W, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2009 die Berücksichtigung der Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten in Höhe von 4.600,00 €.

Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2009 vom lediglich Kosten in Höhe von 1.800,00 €.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung brachte der Bw. vor, er sei 44-mal nach Hause gefahren. Die Hin- und Rückfahrt betrage insgesamt rund 800 km. Eine Fahrt koste ihn rund 96 €, weshalb insgesamt Fahrtkosten in Höhe von 4.224,00 € entstanden seien. Mit dem Differenzbetrag zu 4.600,00 € werde die doppelte Haushaltsführung abgegolten. Er ersuche um Verständnis, er habe seine Frau öfter besuchen müssen, weil diese wegen ihrer Arbeitslosigkeit an Depressionen leide und er deshalb sehr besorgt sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2009 abgeändert und nur mehr das Werbungskostenpauschale in Höhe von 132,00 € in Abzug gebracht. Begründet wurde dies unter Verweis auf § 16 EStG 1988 damit, dass die Berücksichtigung einer doppelten Haushaltführung nur dann möglich sei, wenn die Ehegattin des Bw. am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte von mehr als 2.200,00 € jährlich erziele. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt werde, sei auch eine Berücksichtigung der bisher in Ansatz gebrachten Werbungskosten in Höhe von 1.800,00 € nicht möglich. Vorübergehend könnten diese Werbungskosten bei einem verheirateten Steuerpflichtigen für einen Zeitraum von zwei Jahren gewährt werden. Dies sei in den Jahren 2007 und 2008 geschehen.

Der Bw. beantragte fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Im Rahmen des vom Unabhängigen Finanzsenat durchgeführten Ermittlungsverfahrens legte der Bw. eine Bestätigung des Arbeitsamtes P vom vor, aus der hervorgeht, dass seine Gattin seit als Arbeitslose registriert sei und in der Zeit vom bis an einer Schulung teilgenommen habe, und übermittelte eine Bestätigung der polnischen Steuerbehörde, dass seine Gattin im Jahr 2009 276 Zl. verdient habe.

Darüber hinaus führte der Bw. an, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes für ihn unzumutbar sei, da seine Gattin einen Umschulungskurs zur Blumenbinderin gemacht habe und in Polen ein eigenes Blumengeschäft eröffnen möchte. Außerdem wohne er in einer Fremdenherberge. Wenn seine Gattin zu ihm ziehen würde, müsste er eine Wohnung mieten, was mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Letztlich sei er auch 58 Jahre als und erhalte einen Pensionsvorschuss, weil er arbeitsunfähig sei. Ein entsprechendes Verfahren sei bereits anhängig. Wenn er eine reguläre Pension bekomme, werde er sich in seine Heimat zurückziehen. Aus all diesen Gründen lebten seine Gattin in Polen und er in Wien.

Die Höhe der Wohnungskosten wurde vom Vermieter und die Anzahl der Familienheimfahrten von Arbeitskollegen, die in derselben Fremdenherberge wohnen, bestätigt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bw. war im Streitzeitraum 58 Jahre alt, in Wien beschäftigt und wohnte in einem Zimmer in einer Fremdenpension, wofür er monatlich 150,00 € Miete bezahlte. Er beantragte im Jahr 2010 seine Pensionierung, erhält seither einen Pensionsvorschuss und will als Pensionist an seinen Familienwohnsitz in Polen zurückkehren.

Seine Ehegattin wohnte am Familienwohnsitz in Polen. Sie war im Jahr 2009 arbeitslos und besuchte in der Zeit vom bis eine vom regionalen Arbeitsamt zugewiesene Schulung. Sie beabsichtigt, nach Abschluss der vom Arbeitsamt gesetzten Umschulungsmaßnahmen zur Blumenbinderin ein Blumengeschäft aufzumachen.

Der Bw. besuchte seine Ehefrau im Jahr 2009 44-mal am rund 400 km vom Dienstort entfernten Familienwohnsitz in Polen, wobei er für die Fahrten sein eigenes KFZ benutzte. Die Benzinkosten betrugen pro Heimfahrt rund 96 €, woraus sich im Jahr 2009 insgesamt Kosten in Höhe von 4.224 € ergeben.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Bw. vorgelegten Unterlagen und seinen glaubwürdigen Ausführungen. Er ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkunftsarten nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c leg. cit. angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.

Nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 in der für das Streitjahr gültigen Fassung beträgt der berücksichtigungsfähige Höchstbetrag 3.372 Euro jährlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien-) Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (vgl. z.B. , und , 2005/15/0079). Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten (vgl. etwa ). Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. z.B. ).

Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. ).

Der Bw. begründet die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung einerseits damit, dass seine Ehegattin während ihrer Arbeitslosigkeit Umschulungskurse besucht hat, aufgrund derer sie nunmehr hofft, am Familienwohnsitz wiederum einer Beschäftigung nachgehen zu können, und andererseits mit seinem Alter und seiner Absicht im Jahr 2011 die Alterspension antreten zu können.

Da die Ehegattin des Bw. nachweislich die vom Arbeitsamt angebotenen Umschulungsmaßnahmen in Anspruch genommen hat, womit ihre ernstliche Absicht dokumentiert wird, wieder eine Beschäftigung am polnischen Arbeitsmarkt zu finden und damit wieder einen zum Familieneinkommen relevanten Beitrag leisten zu können, kann im Jahr 2009 aus dem Umstand der seit Dezember 2007 dauernden Arbeitslosigkeit nicht auf eine dauernde Arbeitslosigkeit geschlossen werden. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass sich die Ehegattin des Bw. berechtigte Hoffnungen auf eine berufliche Tätigkeit an ihrem Familienwohnsitz macht, weshalb es ihr in dieser Situation nicht zumutbar ist, ihren Wohnsitz aufzugeben, und am Arbeitsort des Bw. neu anzufangen.

Darüber hinaus ist aber auch Folgendes zu beachten:

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom , Zl. 88/14/0081, aus, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes auch dann nicht zumutbar sei, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet sei. Diese Aussage präzisierte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 95/14/0124, dahingehend, als davon auszugehen sei, dass einem Arbeitnehmer nach Erreichen des 60. Lebensjahres die Verlegung des Wohnsitzes an den Tätigkeitsort nicht zumutbar sei, wenn von vornherein feststehe, dass er die Berufstätigkeit spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen werde.

Im zu beurteilenden Fall war der Bw. im Jahr 2009 zwar erst 58, beabsichtigte aber ebenfalls innerhalb der nächsten fünf Jahre seine Berufstätigkeit einzustellen. Da der Bw. davon ausgehen konnte, spätestens 2013 in Pension gehen zu können, ist ihm im Jahr 2009 (innerhalb von fünf Jahren vor der angestrebten Pensionierung) die Aufgabe des ausländischen Familienwohnsitzes und die Verlegung an den inländischen Beschäftigungsort nicht mehr zumutbar.

Es sind demgemäß die Kosten des Zweitwohnsitzes in Höhe von 1.800,00 € sowie von Familienheimfahrten in der gemäß § 20 Abs. 1 Zif. 2 lit. e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzten Höhe von 3.372,00 € und somit insgesamt von 5.172,00 € als Werbungskosten anzuerkennen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

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