Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSF vom 11.10.2013, RV/0300-F/13

Kleines Pendlerpauschale - Fahrtstrecke?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0300-F/13-RS1
Die Wegstrecke bzw. der Arbeitsweg bemisst sich im Falle der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels grundsätzlich nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen. Dabei ist eine optimale Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen und sind jene Verkehrsmittel bzw. Streckenvarianten zu verwenden, welche nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für die täglichen Fahrten vernünftigerweise gewählt werden. Umwege oder bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvarianten bzw. Verkehrsmittel haben außer Betracht zu bleiben.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Peter Steurer und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Kofler, Prok. Bernd Feldkircher und Mag. Michael Kühne über die am elektronisch eingelangte Berufung des Bw., Gde X, F-Straße xx, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012 nach der am in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw.) bezog im Berufungsjahr ua. nichtselbständige Einkünfte aus seiner Tätigkeit als P mit Dienststelle in Gd Y, S-Straße yy. Sein Wohnsitz befand sich im Berufungsjahr unstrittig in Gde X, F-Straße xx.

Mit am elektronisch eingelangter Einkommensteuererklärung 2012 beantragte der Bw. ua. unter dem Titel "Pendlerpauschale - (Kennzahl 718)" die Berücksichtigung von 1.356,00 € [jährlicher Pauschbetrag (sog. kleines Pendlerpauschale) gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 für eine einfache Fahrtstrecke ab 40 km] als Werbungskosten.

Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2012 vom berücksichtigte das Finanzamt - wie im Übrigen auch schon die Arbeitgeberin des Bw. beim Lohnsteuerabzug - das sog. kleine Pendlerpauschale für eine einfache Fahrtstrecke ab 20 km mit einem jährlichen Pauschbetrag von 696,00 € als Werbungskosten; begründend erklärte das Finanzamt, dass bei Ermittlung der Wegstrecke die kürzeste zumutbare Strecke ermittelt worden sei. Diese führe nicht zum Bahnhof SN, sondern zum Bahnhof X. Laut Abfrage in vmobil.at fahre der Ortsbus ab Schulzentrum regelmäßig in beide Richtungen. Bei dieser Ermittlung würden die 40 km nicht überschritten.

Dagegen erhob der Bw. Berufung (elektronisch eingelangt am ), beantragte, den Pauschbetrag von 1.356,00 € p.a. für die bereits dargelegte Fahrtstrecke (It. Normtext) von 40 bis 60 km zu gewähren und somit die geltende Bestimmung im Sinne einer rechtlich möglichen Exegese anzuwenden, und führte dazu aus, dass aus der geltenden Norm abgeleitet werden könne, dass die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar sei. Eine zeitliche Vorschrift, die in den Bereich menschlicher Grundbedürfnisse reiche, könne jedoch aus dem Normtext nicht abgeleitet werden. Im gegebenen Fall werde die Haltestelle X GZ bevorzugt angenommen und von dort die bereits erklärte Fahrtstrecke mit dem Ortsbus zurückgelegt. Bei der von der Behörde erwünschten Variante würde es sich wohl um den Schülerbus handeln. Dieser fahre derzeit allmorgendlich bis zum Hotel XY und anschließend direkt nach SN. Von dieser Linie habe er bislang aus verständlichen Gründen keinen Gebrauch gemacht. Diese gereiche aber auch der Behörde nicht zum gewünschten Ergebnis.

Mit Einkommensteuerbescheid 2012 (Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO) vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab; begründend führte es dazu im Wesentlichen aus, dass sich die zu errechnende Wegstrecke bzw. der Arbeitsweg im Falle der "kleinen Pendlerpauschale" grundsätzlich nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen bemesse. Im gegenständlichen Fall ergäben sich zwei zumutbare Wegvarianten: Wegstrecke 1: Abfahrt Haltestelle GZ 7.21 Uhr - Ankunft Arbeitsstätte 8.22 Uhr


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Wohnort - Haltestelle (HS) GZ
km
0,60
1
km
Fußweg
HS  GZ - HS Hotel XY
km
1,06
2
km
Ortsbus Linie  yy
HS Hotel XY - Bahnhof X
km
0,426
1
km
Fußweg
BH  X - BH  Y
km
33
33
km
Bahn
BH  Y - HS  G
km
1,1
2
km
Stadtbus
Gesamt
39
km

Wegstrecke 2: Abfahrt Haltestelle GZ 6.46 Uhr - Ankunft Arbeitsstätte 7.48 Uhr


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Wohnort - HS  GZ
km
0,60
1
km
Fußweg
HS  GZ - HS  AK
km
1,46
2
km
Ortsbus Linie  yy
HS  AK - BH  X
km
0,20
1
km
Fußweg
BH  X - BH  Y
km
33
33
km
Bahn
BH  Y - HS  G
km
1,1
2
km
Stadtbus
Gesamt
39
km

Die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Bw. betrage daher bei optimaler Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel und nach Aufrundung der einzelnen Wegstrecken 39 km. In Bezug auf das Vorbringen des Bw, dass es sich bei dem Bus mit Abfahrt 7.21 Uhr um einen Schülerbus handle und dieser ihm nicht zumutbar sei, stellte das Finanzamt noch fest, dass es sich um einen öffentlichen Bus handle, der laut Fahrplan als Ortsbus "SN-X" fahre. Darüber hinaus dauere diese Busfahrt laut Fahrplan gerade einmal drei Minuten, weshalb diese jedenfalls auch mit "vielen Schülern" zumutbar sei.

Mit Schreiben vom beantragte der Bw., die gegenständliche Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen, wodurch die Berufung wiederum als unerledigt galt. Gleichzeitig begehrte er eine Entscheidung durch den gesamten Senat (§ 282 BAO) und wiederholte unter Verweis auf seine bereits im Berufungsverfahren angeführte Begründung seinen Berufungsantrag; in Erwiderung auf die obgenannte Berufungsvorentscheidung führte er Nachstehendes aus: ""Grundsätzlich darf angemerkt werden, dass die Behörde in ihrer Zusammenfassung wesentliche Inhalte meines Begehrens nicht wiedergegeben hat. Dies führt zu Verzerrungen des vorgebrachten Inhaltes. Ungewöhnlich erscheint, dass die Behörde in ihren Ausführungen eine Fußwegvariante vorschlägt und somit die Fortsetzung der Fahrt mit dem Ortsbus zum Zielbahnhof ( SN) außerplanmäßig unterbricht. Es darf jedoch angemerkt werden, dass die beiden behördlich verordneten Varianten zu keiner Verkürzung der Gesamtfahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln führen. Im Ergebnis kommt es zu einer Wartezeit im offenen Bahnhofsgelände in X. Ob sich für diese Varianten eine vernünftig denkende Mehrheit der Bevölkerung finden lässt, mag stark bezweifelt werden. Die Behörde beschreibt diese Vorgangsweise als "zumutbare Wegvariante(n)" und verkennt, dass die Zumutbarkeit lediglich im Hinblick auf die generelle Benützung eines Massenbeförderungsmittels im Normtext abstellt. Korrekt hat die Behörde hingegen den Normtext für die Berechnung der Wegstrecke bzw. den Arbeitsweg wiedergegeben. Lediglich in der Ausarbeitung der Wegvarianten wurden die Gehwege nicht vollständig dargelegt. So fehlen u.a. die Gehwege zwischen dem Bahnhof Y und dem Busbahnhof Y sowie der Gehwege von der HS G zum Amtsgebäude. Bereits diese Ergänzungen führen dazu, dass die Fahrtstrecke 40 Kilometer überschreitet. Unklar und nicht begründet erscheinen die in den behördlichen Verordnungen vorgeschriebenen Abfahrtszeiten. Gerade die Verbindung mit der Abfahrtszeit um 7:46 (HS GZ) wurde nicht erwähnt. Mit dieser Busverbindung ist eine Ankunft in SN - Bahnhof (Vorplatz) bereits um 7:55 möglich. Diese schnelle und angenehme Verbindung wurde aus unerklärlichen Gründen nicht in Erwägung gezogen. Die von der Behörde angedachten Varianten sehen jeweils eine Unterbrechung der Busfahrt mit dem Ortsbus mit unterschiedlichen Fußwegen und Wartezeiten vor. Im Ergebnis kommt es jedoch zu keinem Zeitgewinn.""

Mit Vorlagebericht (Verf46) vom legte das Finanzamt der Abgabenbehörde zweiter Instanz (Unabhängiger Finanzsenat) die gegenständliche Berufung zur Entscheidung vor.

Mit E-Mail vom verwies der zuständige Referent den Bw. auf die Ausführungen in den Berufungsentscheidungen vom betreffend Einkommensteuer 2010 sowie vom betreffend Einkommensteuer 2009, worin ua. ausgeführt werde, dass lt. höchstgerichtlicher Rechtsprechung eine Aufteilung der einfachen Fahrtstrecke in Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel und privater Verkehrsmittel gerade vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlautes "der halben Fahrtstrecke" zulässig sei und damit die Unterstellung einer optimalen Kombination zwischen Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel der Anordnung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 entspreche.

Der Bw. erwiderte dazu mit E-Mail vom Folgendes: ""Diese Argumentationslinie ist nur beim großen Pendlerpauschale zutreffend!

In meiner Causa geht es um die Fahrtstecke. Diese bestimmt sich im Falle der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen. Nur im Falle der Unzumutbarkeit (gr. PP) ist die kürzeste Straßenverbindung heranzuziehen. Die Berechnung der Entfernung ist im "Sailer/Bernold/Mertens" unter 16/22 Ausgabe 2008 schön abgebildet. Übrigens gibt es auch eine UFS-Entscheidung zur optimalen Gestaltung der Ankunfts- bzw. Abfahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel. Maßgeblich ist nach dem Gesetz die Fahrtstrecke, gemeint ist aber die Wegstrecke (vgl. LStR 2002 Rz 253). Ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann bemisst sich die Wegstrecke nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- und Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen (LStR 2002 Rz 258). Nicht einmal beim großen PP ist die kürzeste Straßenverbindung heranzuziehen (E des VwGH). Mit dieser Frage haben sich nach meinen Informationen aber nur zwei Entscheidungen wirklich seriös befasst. Auch im "Wiesner/Grabner/Wanke" kann nachgelesen werden, dass bei Zumutbarkeit das PP nach lit. b auch dann zusteht, wenn mit dem Pkw eine kürzere Strecke gefahren wird. Und zum Abschluss darf noch auf ein schönes Beispiel zu verschieden schnellen Verkehrsmitteln im "Sailer/Bernold/Mertens" verwiesen werden (Ausgabe 2008, S 211, 16/14). Ich glaube, dass ich zu diesem Thema wirklich alles gelesen habe. Mein Antrag begründet sich aber auch auf eine Rücksprache mit dem FB-Lohnsteuer und auch ein Richter des Höchstgerichtes hat mein Ansinnen bestätigt. Nach reiflicher Überlegung, tiefer Überzeugung und der Fürsprache von ausgewählten Experten möchte ich den eingeschlagenen Weg fortsetzen .... Im Anhang befindet sich noch mein aktuelles "L 34". Dieses wurde auf Basis des vorliegenden Programmes und ohne persönlichen Einfluss ausgefüllt!""

Entsprechend dem vorgelegten Formular L 34 (Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros ab ) berechnet sich die Wegstrecke nach Auffassung des Bw. wie folgt:


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Wegstrecke von der Wohnung zur Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels:
0,6
km
Öffentliches Verkehrsmittel (Art): Ortsbus  yy (siehe Beilage)
6,2
km
Öffentliches Verkehrsmittel (Art): YX-S-Bahn S4 u. ÖBB S-Bahn S1 (siehe Beilage)
33,4
km
Öffentliches Verkehrsmittel (Art): Stadtbus  xxY (siehe Beilage)
1,2
km
Wegstrecke von der Aussteigstelle zur Arbeitsstätte
0,1
km
Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt (bitte auf ganze Kilometer aufrunden)
42
km

Mit Anbringen (E-Mail) vom bzw. vom legte der Bw. nochmals seinen Standpunkt dar (auf die diesbezüglichen Ausführungen wird an dieser Stelle verwiesen); dabei führte er ua. (zu den Überlegungen des Referenten in der E-Mail vom ) aus, dass im gegenständlichen Fall nicht die lit. c (großes Pendlerpauschale), sondern die lit. b (kleines Pendlerpauschale) beantragt werde. Im Hinblick darauf, dass die Norm zu Unrecht angewendet werde, liege Rechtswidrigkeit vor. Alle vorgebrachten Argumente könnten nur der Literatur zu lit. c zugeordnet werden.

Der Unabhängige Finanzsenat (Berufungssenat) hat über die Berufung erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach Z 6 dieser Gesetzesstelle zählen zu den Werbungskosten die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Intention des Gesetzgebers des EStG 1988 war es, durch Neuregelung der Absetzbarkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den bis dahin steuerlich begünstigten, aus umweltpolitischer Sicht aber unerwünschten Individualverkehr einzudämmen und die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen (, 0003). Vor diesem Hintergrund wurde § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 geschaffen und ist diese Bestimmung daher so zu verstehen und auszulegen.

Die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Arbeitsweg) sind grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.

Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 stehen grundsätzlich nur dann zu, wenn

- entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (sog. kleines Pendlerpauschale) oder

- die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (sog. großes Pendlerpauschale).

In zeitlicher Hinsicht müssen die entsprechenden Verhältnisse im Lohnzahlungszeitraum überwiegend (dh. an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum) gegeben sein.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 Kilometer und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann sind die in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b iVm § 124b Z 182 EStG 1988 genannten Pauschbeträge zu berücksichtigen. Danach beträgt das sog. kleine Pendlerpauschale:


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Entfernung
PAUSCHBETRÄGE ab
jährlich
monatlich
täglich
ab 20 km
696,00 €
58,00 €
1,93 €
ab 40 km
1.356,00 €
113,00 €
3,77 €
ab 60 km
2.016,00 €
168,00 €
5,60 €

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c iVm § 124b Z 182 EStG 1988 an Stelle der Pauschbeträge nach lit. b leg. cit. folgende Pauschbeträge (sog. großes Pendlerpauschale) berücksichtigt:


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Entfernung
PAUSCHBETRÄGE ab
jährlich
monatlich
täglich
ab 2 km
372,00 €
31,00 €
1,03 €
ab 20 km
1.476,00 €
123,00 €
4,10 €
ab 40 km
2.568,00 €
214,00 €
7,13 €
ab 60 km
3.672,00 €
306,00 €
10,20 €

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. "Unzumutbarkeit" ist jedenfalls (auch und vor allem) anzunehmen, wenn Massenbeförderungsmittel für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte entweder gar nicht oder nicht zu den erforderlichen Zeiten zur Verfügung stehen (Unzumutbarkeit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit, vgl. ). Die Unzumutbarkeit kann sich außerdem auch aus einer Behinderung ergeben. Ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte solcherart möglich, ist nach den amtlichen Erläuterungen zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 (621 BlgNR XVII. GP, 75) die Frage der Zumutbarkeit auf Grund der Fahrtzeiten zu prüfen. Unzumutbar sind nach den Gesetzesmaterialien jedenfalls im Vergleich zu einem Kfz mehr als drei Mal so lange Fahrtzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrtzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrtzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen. Die Benützung von Massenverkehrsmitteln ist demnach auch dann unzumutbar, wenn die Fahrt mit diesen einerseits im Nahbereich 90 Minuten überschreitet und andererseits die Fahrt mit den Massenverkehrsmitteln mehr als drei Mal so lang dauert wie mit dem PKW (vgl. ; ; -F/11, mit zahlreichen Verweisen). Darüber hinaus hat der Unabhängige Finanzsenat in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass eine Wegzeit von 90 Minuten in eine Richtung, unabhängig von der Wegstrecke, allgemein als Zumutbarkeitsgrenze anzunehmen sei (vgl. ua mit ausführlicher Begründung -F/07; -G/08; F/09; -G/08; ; -F/10; siehe dazu auch ; sowie Doralt, EStG13, § 16 Tz 107; Wanke, "Großes" Pendlerpauschale, wenn die Fahrt mit Massenverkehrsmitteln mehr als drei Mal so lang wie die Fahrt mit dem Pkw dauert, in: UFS aktuell 2006, Seiten 306 ff; Ryda/Langheinrich, Behandlung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie zwischen einem an der Arbeitsstätte begründeten Wohn- und dem Familienwohnsitz, FJ 2006, Seiten 271 ff). In diesem Sinne wurde nunmehr auch die von der Verwaltungspraxis bisher angewandte entfernungsabhängige Zeitstaffel (danach wurde bei einer Fahrtstrecke von unter 20 km eine Zeitdauer von 1,5 Stunden, für eine Fahrtstrecke von 20 bis 40 km eine Zeitdauer von 2 Stunden und bei einer Fahrtstrecke von mehr als 40 km eine Zeitdauer von 2,5 Stunden als Grenze erachtet) wie folgt abgeändert (vgl. LStR 2002, Rz 255, Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit): - Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt. - Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt. - Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert als die Fahrtzeit mit dem Kfz (vgl. dazu auch Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2012, Seiten 184 und 242 f).

Die Wegstrecke bemisst sich im Falle der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen. Im Falle der Unzumutbarkeit ist grundsätzlich die kürzeste Straßenverbindung heranzuziehen.

Ist die Wegzeit bei der Hin- oder Rückfahrt unterschiedlich lang, dann gilt die längere Wegzeit. Die Wegzeit umfasst die Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zum Arbeitsbeginn oder vom Verlassen der Arbeitsstätte bis zur Ankunft in der Wohnung, also Geh- oder Anfahrtszeit zur Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels, Fahrtzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, Wartezeiten (bei Anschlüssen) usw. Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen. Darüber hinaus ist eine optimale Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel (zB Park and Ride) zu unterstellen (siehe dazu auch weiter unten). Im Falle des Bestehens einer gleitenden Arbeitszeit berechnet sich die Wegstrecke nach der optimal möglichen Anpassung von Arbeitsbeginn und Arbeitsende an die Ankunfts- bzw. Abfahrtszeit des Verkehrsmittels; dementsprechend bleiben damit zB Wartezeiten zwischen der Ankunft bei der Arbeitsstätte und dem Arbeitsbeginn unberücksichtigt. Liegen Wohnort und Arbeitsstätte innerhalb eines Verkehrsverbundes, wird Unzumutbarkeit infolge langer Reisedauer im Allgemeinen nicht gegeben sein [vgl. Bernold/Mertens, a.a.O., Seiten 184 und 240 ff; Schuch, Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Pendler-Pauschale), in: ÖStZ 1988, Seiten 316 ff].

Die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels ist im Übrigen auch dann zumutbar, wenn man einen Teil der Wegstrecke zB mit einem eigenen Fahrzeug zurücklegen muss. Nur wenn dieser Anfahrtsweg (zB mit dem Pkw) mehr als die Hälfte der Gesamtfahrtstrecke beträgt, ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar. Einer derartigen Aufteilung der einfachen Fahrtstrecke in Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel und privater Verkehrsmittel ist daher vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlautes "der halben Fahrtstrecke" nicht entgegen zu treten; die Unterstellung einer optimalen Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel entspricht damit durchaus der Anordnung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 [vgl. Doralt, EStG13, § 16 Tzen 108 ff; Bernold/Mertens, a.a.O., Frage 16/12 zu § 16 EStG 1988; Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 2002, Rz 257; zur Kombination eines privaten Verkehrsmittels mit Massenbeförderungsmitteln siehe auch ; ; ].

Unstrittig ist gegenständlich, dass für den Bw. die Benützung eines Massenbeförderungsmittels möglich bzw. zumutbar war und er daher (nur) Kosten im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 geltend machen konnte.

Uneinigkeit besteht im konkreten Fall allein darüber, ob die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte über oder unter 40 km liegt. Dazu ist Folgendes zu sagen:

Die Wegstrecke bzw. der Arbeitsweg bemisst sich - wie bereits oben dargelegt - im Falle der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels grundsätzlich nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet - wie oben dargelegt - in Verbindung mit der Frage der Zumutbarkeit eines öffentlichen Verkehrsmittels die Unterstellung einer optimalen Kombination von Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel als gesetzeskonform. Nichts anderes kann nach Ansicht des Berufungssenates hinsichtlich der Bemessung der Wegstrecke im Falle der Gewährung des sog. kleinen Pendlerpauschales gelten. Entgegen der Ansicht des Bw. ist der Berufungssenat der Auffassung, dass § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. c EStG 1988 nicht isoliert betrachtet werden können. Es wäre geradezu widersinnig, einerseits bei Prüfung der Frage, ob die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels auf mehr als der halben Fahrtstrecke zumutbar ist oder nicht, von einer (optimalen, sinnvollen) Aufteilung der (einfachen) Fahrtstrecke bzw. des Arbeitsweges in Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel und privater Verkehrsmittel auszugehen, und andererseits bei Bemessung der Wegstrecke im Zusammenhang mit der Gewährung des sog. kleinen Pendlerpauschales schließlich die Wegstrecke auf andere Weise zu ermitteln.

Eine Aufteilung des gegenständlichen Arbeitsweges derart, dass für die Zurücklegung der Wegstrecke auf den ersten 1,5 km von der Wohnung des Bw. bis zum Bahnhof X ein privates Verkehrsmittel (Pkw, Fahrrad, etc) und für weit mehr als die Hälfte der Gesamtfahrtstrecke zwischen Bahnhof X und Bahnhof Y (33 Tarif km) öffentliche Verkehrsmittel unterstellt werden, entspricht damit dem Gesetz und erscheint im Verhältnis zu der vom Bw. nach Ansicht des Senates bloß aus persönlicher Vorliebe gewählten Variante zum weiter entfernten Bahnhof SN [600 m langer Fußweg samt einer 6,2 km langen Fahrt mit dem Ortsbus (Linie yy) von X GZ über ZN, BA, LE, ZG zum Bahnhof SN] jedenfalls sinnvoller. Nach Auffassung des Senates sind bei Bemessung der Wegstrecke im Falle der Zumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln jene Verkehrsmittel bzw. Streckenvarianten zu verwenden, welche nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für die täglichen Fahrten vernünftigerweise gewählt werden. Umwege oder bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvarianten bzw. Verkehrsmittel haben außer Betracht zu bleiben. Bei Verwendung des Ortsbusses (Linie yy) wäre im Übrigen eine Fahrt von X GZ über SM, RF, Hotel XY bis SN AK samt Fußweg (150 m) zum (nächstgelegenen) Bahnhof X jedenfalls die vernünftigere (kürzere und raschere) Variante und wäre auch damit für den Bw. nichts zu gewinnen. Im Sinne dieser Überlegungen kann auch für die restlichen 1,3 km vom Bahnhof Y zur Arbeitsstätte des Bw. ein Fußweg unterstellt werden.

Entsprechend diesen Ausführungen ist im gegenständlichen Fall für die Zurücklegung der Wegstrecke zwischen der Wohnung des Bw. (Gde X, F-Straße 1) und dem Bahnhof X eine Fahrt mit dem (Privat-)Fahrzeug (nach Routenplaner "ViaMichelin" - empfohlene Strecke: Entfernung: 1,5 km; Pkw: 4 min, Fahrrad: 6 min), weiters eine Fahrt mit der YX-Bahn von Bahnhof X bis Bahnhof BD (12 Tarif km), eine ÖBB-Zugfahrt vom Bahnhof BD nach Bahnhof Y (21 Tarif km mit dem Regionalzug) sowie ein Fußweg (nach Routenplaner "ViaMichelin" - Zu Fuß: Entfernung: 1,3 km) vom Bahnhof Y zur Arbeitsstätte des Bw. (Gd Y, S-Straße 2) zu unterstellen.

Nachdem gegenständlich die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Bw. bei (optimal) kombinierter Benutzung öffentlicher und privater Verkehrsmittel und nach (im Berufungsjahr lt. Verwaltungspraxis noch üblichen) Aufrundung der einzelnen Wegstrecken (vgl. Sailer/Bernold/Mertens, a.a.O., Frage 16/22 zu § 16 EStG 1988) 37 km beträgt, war - gerade auch im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen - spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Krammer in ÖStZ 2013/975

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at