Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSS vom 08.10.2013, RV/0277-S/09

Anträge auf Wiederaufnahme eines abgeleiteten Verfahrens bzw auf Erlassung eines neuen abgeleiteten Bescheides


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Miterledigte GZ:
RV/0278-S/09


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0277-S/09-RS1
Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die mit der Personenumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal (vgl zB ).
RV/0277-S/09-RS2
Die Abgabenschuld geht auf den Gesamtrechtsnachfolger dann über, wenn der Abgabenanspruch vor dem die Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis (zB Tod) entstanden ist. Nach dem Tod des Erblassers ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft, nach der Einantwortung an die Erben als Rechtsnachfolger zu richten (vgl ).
RV/0277-S/09-RS3
Sind zur Entrichtung einer Abgabe mehrere Personen als Gesamtschuldner verpflichtet, so kann gegen sie ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden. Einheitliche Abgabenbescheide haben alle Gesamtschuldner im Spruch zu nennen, die Gemeinschaft als solche kann nicht Bescheidadressat sein. Vielmehr müssen die einzelnen Mitglieder der Schuldnermehrheit bereits im Abgabenbescheid mit der ihnen zukommenden zivilrechtlichen Klassifikation individuell angesprochen werden (vgl zusammenfassend mwN).
RV/0277-S/09-RS4
§ 295 Abs 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide – hier der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 – dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid (und der materiellen Rechtslage) entsprechen. Die grundsätzliche Funktion der genannten Vorschrift besteht darin, abgeleitete Bescheide mit den aktuellen Inhalten der zu Grunde liegenden Feststellungsbescheide in Einklang zu bringen (vgl , mwN). Eine Abänderung (oder Aufhebung) nach § 295 Abs 1 BAO setzt aber stets voraus, dass nachträglich (nach Erlassung des „abgeleiteten“ Bescheides, hier also im Jahr 1997) ein Feststellungsbescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird (vgl Ritz, BAO4, § 295 Tz 3; ).
RV/0277-S/09-RS5
Soweit zum einen angeführt wird, dass der verfahrensgegenständliche (von einem nichtigen Grundlagenbescheid) abgeleitete Einkommensteuerbescheid selbst nichtig sei und zum anderen, dass § 252 BAO einer Berufung gegen diesen Einkommensteuerbescheid entgegengestanden wäre, wird die Rechtlage verkannt, zumal die Abweisung einer Berufung aufgrund des § 252 BAO voraussetzt, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (), was jedoch im vorliegenden Fall gerade nicht zutraf ().

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Gabriele Soini-Wolf und die weiteren Mitglieder Dr. Peter Unger, Mag. Gottfried Warter und Martina Blaha im Beisein der Schriftführerin Roswitha Riefler über die folgenden Berufungen von Bw:

1. Berufung vom gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Mag. Dieter Lukesch, vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1989 sowie

2. Berufung vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Mag. Dieter Lukesch, vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides hinsichtlich Einkommensteuer 1989,

nach der am in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung

zu 1 beschlossen: Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen Die Berufungsvorentscheidung vom wird aufgehoben;

zu 2 entschieden: Die Berufung wird abgewiesen Der angefochtene Zurückweisungbescheid vom bleibt unverändert.

Gegen diesen Bescheid ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, ein ordent¬liches Rechtsmittel nicht zulässig.

Hinweis:

Den Berufungswerbern und den im Berufungsverfahren Beigetretenen steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieses Bescheides eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichts¬hof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin, Steuerberaterin oder Wirtschaftsprüferin oder durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingebracht werden.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diesen Bescheid innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Läuft diese Beschwerdefrist mit Ende des noch und wurde gegen diesen Bescheid nicht bereits bis zum Ablauf des Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann gegen ihn vom 1. Jänner bis zum Ablauf des Revision beim Verwaltungsgerichtshof (Art. 133 Abs 1 Z 1 B-VG) oder Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 144 Abs 1 B-VG) erhoben werden (§ 4 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), sowie § 6 Abs. 1 VwGbk-ÜG). Wurde gegen einen solchen Bescheid vor Ablauf des Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben und läuft die Beschwerdefrist mit Ende des noch, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG (§ 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG). Wurde gegen einen solchen Bescheid vor Ablauf des Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben und läuft die Beschwerdefrist mit Ende des noch, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG (§ 6 Abs. 1 VwGbk-ÜG).

Ist jedoch in einem Mehrparteienverfahren ein Bescheid bis zum Ablauf des zwar gegenüber mindestens einer Partei, aber nicht gegenüber allen Parteien, denen gegenüber er zu erlassen war, erlassen worden, so kann von den Parteien, denen gegenüber dieser Bescheid nach Ablauf des erlassen wird, innerhalb von sechs Wochen in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Gegen einen solchen Bescheid bis zum Ablauf des erhobene Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gelten als rechtzeitig erhobene Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG. Gegen einen solchen Bescheid bis zum Ablauf des erhobene Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof gelten als rechtzeitig erhobene Beschwerden gemäß Art. 144 Abs 1 B-VG.

Nach dem wirksam werdende Erledigungen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes (§ 323 Abs. 38 letzter Satz BAO). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Zustellung erhoben werden (§ 4 Abs. 2 VwGbk-ÜG und § 6 Abs. 2 VwGbk-ÜG).

Die Revision gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 VwGbk-ÜG ist unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Werden Revisionen ungeachtet des § 4 Abs. 5 erster Satz VwGbk-ÜG beim Bundesfinanzgericht rechtzeitig eingebracht, gelten sie auch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof als rechtzeitig eingebracht; sie sind vom Bundesfinanzgericht unverzüglich an den Verwaltungsgerichtshof weiterzuleiten (§ 28 Abs. 5 BFGG).

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom stellte die berufungswerbende Erbengemeinschaft (in Folge Berufungswerberin) als Gemeinschaft der eingeantworteten Erben nach der am verstorbenen [Mutter], diese als eingeantwortete Erbin nach dem am verstorbenen [Vater] den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989, welches mit Bescheid vom rechtskräftig veranlagt worden ist. Hierbei wurde als Begründung ua unter der Überschrift "Wiederaufnahmegrund" folgendes ausgeführt:

"Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stellt eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und ist als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt war, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so kann diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als ,neu hervorgekommen' gelten. Den Wiederaufnahmewerber trifft kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstands."

Mit Erledigung vom wurde dieser Antrag von der Abgabenbehörde erster Instanz zurückgewiesen, da die Frist gem § 304 lit b BAO abgelaufen sei. Diese Erledigung richtete sich an die "Erben nach [Vater] ".

Dagegen wurde am Berufung erhoben, in welcher der Rechtsansicht der Abgabenbehörde erster Instanz, wonach im gegenständlichen Fall bereits Verjährung eingetreten sei, widersprochen wurde.

Unter einem wurde im selben Schriftsatz von der Berufungswerberin ein Antrag auf Erlassung eines (neuen) abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO betreffend Einkommensteuer 1989 gestellt, da es dem Einkommensteuerbescheid des Jahres 1989 vom an einem rechtmäßigen Grundlagenbescheid mangle.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung vom als unbegründet abgewiesen, da nach eingehender Begründung, sowohl die Dreimonatsfrist des § 303 Abs 2 BAO als auch die Fristen des § 304 BAO zum Zeitpunkt der Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrag auf Wiederaufnahme bereits abgelaufen waren.

Mit Bescheid vom selben Tage, , wurde der Antrag der Berufungswerberin vom auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO betreffend Einkommensteuer 1989 als unzulässig ua deswegen zurückgewiesen, da § 295 Abs 1 BAO kein Antragrecht auf eine Maßnahme nach § 295 BAO vorsehe.

Gegen die Berufungsvorentscheidung vom stellte die Berufungswerberin am den Antrag auf Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Ebenso am erhob die Berufungswerberin gegen den Zurückweisungsbescheid vom betreffend einen Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO Berufung.

Die Abgabenbehörde erster Instanz legte die Akten der beiden Berufungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz vor und beantragte die Abweisung der Berufungen.

Nach entsprechendem Hinweis auf das, auch die vorliegenden Berufungsverfahren betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/15/0064, übermittelte die Abgabenbehörde zweiter Instanz auf Ersuchen von Frau [Erbin1], dieser am die verfahrensgegenständlichen Schriftsätze der Berufungswerberin und Bescheide des Finanzamtes zur Ansicht und Erwägung der weiteren Verfahrensführung.

Am teilte Frau [Erbin1] im Zuge einer persönlichen Vorsprache beim Referenten, nach dessen Erläuterung der wesentlichsten Entscheidungsgründe des übermittelten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/15/0064, ua mit, dass ihre Geschwister und sie nicht die verfahrensgegenständlichen Berufungen zurückziehen würden wollen, dass sie nicht (mehr) die Vertreterin ihrer Geschwister sei und dass auch die gestellten Anträge auf Senatszuständigkeit und mündliche Verhandlung weiterhin aufrecht bleiben würden.

In der daraufhin am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:

Zur Berufung gegen den Bescheid gem § 303 BAO:

Beim Zurückweisungsbescheid vom hinsichtlich eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich Einkommensteuer 1989 handelt es sich um einen Nichtbescheid.

Die Parteien des streitgegenständlichen Verfahrens sind sich einig, dass die Berufung zurückzuweisen ist.

Auf Anfrage des Amtsbeauftragten, ob der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zurückgezogen wird, wird von Seiten der Partei vorgebracht, dass der Antrag aufrecht bleibt.

Zur Berufung gegen den Bescheid gem § 295 BAO:

Es hätte im Jahre 2008 eine Verpflichtung zur amtswegigen Berichtigung und amtswegigen Erlassung des abgeleiteten Bescheides gegeben, da Verwaltungsbehörden gem§ 63 VwGG verpflichtet sind, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dies ist im Jahr 2008 nicht erfolgt. Ich beziehe mich diesbezüglich auf das Erkenntnis des , 0225. Nach der Rechtsprechung des VfGH liegt Ermessenmissbrauch vor, wenn eine Änderung nur zu Lasten und nicht auch zu Gunsten des Abgabepflichtigen vorgenommen wird. Es hätte daher von Amtswegen der abgeleitete ESt-Bescheid vom aufgehoben werden müssen. Alle Steuerbescheide meines Vaters waren nur vorläufig erlassene Bescheide. Nach dem Tod der Mutter am sind die Bescheide endgültig erklärt worden. Der Grundlagenbescheid war ein Nichtbescheid. Da ein nichtiger Bescheid gar nicht in Rechtskraft erwachsen kann, kann er auch nicht verjähren und können auch die auf seiner Grundlage bezahlten Steuerbeträge nicht verjähren. Die Nichtigkeit des Grundlagenbescheides führt notwendigerweise auch zur Nichtigkeit des abgeleiteten Bescheides. Und diese Rechtswirkungen des nichtigen Bescheides sind von Amts wegen zu beseitigen. Es ist daher die von meinem Vater auf Grund des Bescheides vom geleistete Nachforderung in Höhe € 13.421,58 wie eine irrtümlich ohne Rechtsgrund geleistete Zahlung zurückzuerstatten. Hierfür beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Aus dem VwGH-Erkenntnis vom geht nicht eindeutig hervor, dass der abgeleitete Bescheid nur anfechtbar aber nicht auch nichtig ist, wenn der Grundlagenbescheid ein Nichtbescheid ist.

Im Übrigen verweise ich auf meine Berufungsschrift vom und den Antrag vom selben Tag. Auch verweise ich auf den Vorlageantrag vom .

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass mein Vater weder Berufungswerber, noch Beschwerdeführer im Verfahren vor dem VwGH war, das zum Erkenntnis vom geführt hat und dass zum Zeitpunkt der Einbringung der VwGH-Beschwerde mein Vater bereits verstorben und der Nachlass noch nicht vertreten war. Die Einantwortung erfolgte erst am .

Die Amtspartei gibt diesbezüglich keine Stellungnahme ab und verweist auf den Zurückweisungsbescheid vom und das VwGH-Erkenntnis vom , GZ. 2010/15/0064.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Mit Bescheid vom wurde der bisherige Einkommensteuerbescheid des [Vater] für das Jahr 1989 gemäß § 295 Abs 1 BAO rechtskräftig abgeändert.

Mit rechtskräftiger Einantwortungsurkunde vom wurde der Nachlass des am verstorbenen [Vater] der erblasserischen Witwe, Frau [Mutter] eingeantwortet. Mit rechtskräftiger Einantwortungsurkunde vom wurde der Nachlass der am verstorbenen [Mutter] ihren - die berufungswerbende Erbengemeinschaft bildenden - vier Kindern zu je einem Viertel eingeantwortet.

Im Jahr 2002 wurde gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland betreffend das Berufungsverfahren gegen jenen Feststellungsbescheid nach § 188 BAO, der die Grundlage des oben bezeichneten Einkommensteuerbescheides bildete, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ 2002/13/0224 erhoben, welche dieser mit Erkenntnis vom zurückgewiesen hat, da es sich beim Anfechtungsobjekt um keinen Bescheid handelte.

Die Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz vom , womit der Antrag betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1989 zurückgewiesen wurde, richtete sich an die "Erben nach [Vater] " als Adressaten.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Nach Feststellung des obigen Sachverhalts hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz über die vorliegende Berufung rechtlich erwogen:

Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die mit der Personenumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal (vgl zB ).

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Die Abgabenschuld geht auf den Gesamtrechtsnachfolger dann über, wenn der Abgabenanspruch vor dem die Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis (zB Tod) entstanden ist. Nach dem Tod des Erblassers ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft, nach der Einantwortung an die Erben als Rechtsnachfolger zu richten (vgl ).

Sind zur Entrichtung einer Abgabe mehrere Personen als Gesamtschuldner verpflichtet, so kann gegen sie ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden. Einheitliche Abgabenbescheide haben alle Gesamtschuldner im Spruch zu nennen, die Gemeinschaft als solche kann nicht Bescheidadressat sein. Vielmehr müssen die einzelnen Mitglieder der Schuldnermehrheit bereits im Abgabenbescheid mit der ihnen zukommenden zivilrechtlichen Klassifikation individuell angesprochen werden (vgl zusammenfassend mwN).

Die unter Punkt 1. angeführte, von der Berufungswerberin angefochtene Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz, welche als Adressaten eine Gemeinschaft "Erben nach [Vater] " aufweist, konnte somit keine Rechtswirkungen entfalten, weshalb jedoch auch die dagegen erhobene (ho. unter der GZ RV/0277-S/09 erfasste) Berufung als unzulässig zurückzuweisen war (vgl ).

Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gemäß § 295 Abs 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

§ 295 Abs 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide - hier der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 - dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid (und der materiellen Rechtslage) entsprechen. Die grundsätzliche Funktion der genannten Vorschrift besteht darin, abgeleitete Bescheide mit den aktuellen Inhalten der zu Grunde liegenden Feststellungsbescheide in Einklang zu bringen (vgl , mwN). Eine Abänderung (oder Aufhebung) nach § 295 Abs 1 BAO setzt aber stets voraus, dass nachträglich (nach Erlassung des "abgeleiteten" Bescheides, hier also im Jahr 1997) ein Feststellungsbescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird (vgl Ritz, BAO4, § 295 Tz 3; ).

Ein derartiger Fall liegt hier aber gerade nicht vor ():

Der "Feststellungsbescheid", auf den sich der abgeleitete Einkommensteuerbescheid 1989 stützte, wurde nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides nicht abgeändert oder aufgehoben; es wurde auch kein Feststellungsbescheid (erstmals) erlassen. Es wurde vielmehr durch Zurückweisung der Berufung gegen diesen "Feststellungsbescheid" im Rahmen der Begründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete. Dieser Umstand führt zwar dazu, dass sich der Einkommensteuerbescheid 1989 als rechtswidrig erweist, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO im Jahr 1998 die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs 1 BAO, nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies wäre aber in einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen gewesen (vgl zB ; ). Der Einkommensteuerbescheid 1989 erwuchs aber unstrittig unangefochten in Rechtskraft.

Soweit die Berufungswerberin in diesem Zusammenhang zum einen anführt, dass der verfahrensgegenständliche (von einem nichtigen Grundlagenbescheid) abgeleitete Einkommensteuerbescheid des Jahres 1989 selbst nichtig sei und zum anderen, dass § 252 BAO ihrer Berufung gegen diesen Einkommensteuerbescheid entgegengestanden wäre, verkennt sie somit die Rechtlage, zumal die Abweisung einer Berufung aufgrund des § 252 BAO voraussetzt, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (), was jedoch im vorliegenden Fall gerade nicht zutraf ().

Aufgrund des Gesagten ist die wesentlichste Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs 1 BAO nicht gegeben, weshalb der Abgabenbehörde erster Instanz schon deshalb nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie den Antrag der Berufungswerberin auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO zurückgewiesen hat.

Die Bestimmung des § 295 Abs 4 BAO (eingeführt durch BGBl I 2011/76 mit Wirksamkeit ab ) war im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden.

Somit war die unter Punkt 2. angeführte Berufung als unbegründet abzuweisen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Wiederaufnahmeantrag
Bescheidadressat
Antrag auf § 295 BAO
Verjährung
Grundlagenbescheid
Nichtbescheid
Verweise





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