Taggelder für Fortbildungsveranstaltungen
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe bleiben gegenüber der Berufungsvorentscheidung unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (kurz: Bw.) machte in ihrer elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 Reisekosten von 561 € (396 € Taggeld + 165 € Nächtigungsgeld) geltend.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 (mit Ausfertigungsdatum ) wurden nur 192 € (132 € Taggeld + 60 € Nächtigungsgeld), und zwar für die Zeit vom 15. bis , anerkannt. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Veranlagung anhand der vorgelegten Unterlagen erfolgt sei. Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 kämen Tages- und Nächtigungsgelder als Fortbildungskosten nur bei Vorliegen einer Reise iSd Z 9 in Betracht. Allerdings komme es infolge der über einen längeren Zeitraum zum Schulungsort erfolgten Fahrten zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit. Ein neuer Mittelpunkt der Tätigkeit liege vor, wenn man regelmäßig wiederkehrend an einem Einsatzort tätig werde. Tages- und Nächtigungsgelder stünden daher nur für die Anfangsphase von 15 Kurstagen zu.
In der Berufung vom wurde dagegen eingewendet, dass lediglich 15 Taggelder und 11 Nächtigungsgelder geltend gemacht wurden. Diese stünden jedenfalls zu. Aus der vorliegenden Bescheidbegründung sei absolut nicht nachvollziehbar, weshalb die Abzüge erfolgt seien. Der angefochtene Bescheid erscheine daher in wesentlichen Teilen unbegründet und rechtswidrig.
In der (am ausgefertigten) Berufungsvorentscheidung wurden - neben unbestrittenen weiteren Werbungsosten von 556 € - nur mehr 132 € an Taggeldern anerkannt. Dies mit folgender Begründung:
1. Tagesgebühren (siehe auch Rz 300 ff. LStR): Nach § 16 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft sind bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG auch Werbungskosten. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 EStG ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen.
Eine Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige zwecks Verrichtung beruflicher Obliegenheiten oder sonst aus beruflichem Anlass mindestens 25 Kilometer vom Mittelpunkt der Tätigkeit entfernt und eine Reisedauer von mehr als drei Stunden vorliegt und kein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird. Von einem längeren Zeitraum ist in folgenden Fällen auszugehen: Der Arbeitnehmer wird an einem Einsatzort durchgehend tätig und die Anfangsphase von fünf Tagen wird überschritten. Erfolgt innerhalb von sechs Kalendermonaten kein Einsatz an diesem Mittelpunkt der Tätigkeit, ist mit der Berechnung der "Anfangsphase" von fünf Tagen neu zu beginnen. Oder der Arbeitnehmer wird an einem Einsatzort regelmäßig wiederkehrend (mindestens einmal wöchentlich) tätig und die Anfangsphase von fünf Tagen wird überschritten. Erfolgt innerhalb von 6 Kalendermonaten kein Einsatz an diesem Mittelpunkt der Tätigkeit, ist mit der Berechnung der "Anfangsphase" von fünf Tagen neu zu beginnen. Oder der Arbeitnehmer wird an einem Einsatzort wiederkehrend, aber nicht regelmäßig tätig und überschreitet dabei eine Anfangsphase von 15 Tagen im Kalenderjahr. Die Anfangsphase von 15 Tagen steht pro Kalenderjahr zu.
Dies gilt auch, wenn der Aufenthalt zu Fortbildungszwecken des Arbeitnehmers erfolgt.
Im gegenständlichen Fall wird die Berücksichtigung von Tagesgeldern für die Aufenthalte in Wien vom 15.-19.10., 4.-6.11., 17.11-20.11. und 29.11-, also insgesamt an 15 Tagen als Werbungskosten beantragt. Da die Anfangsphase von fünf Tagen bereits mit dem ersten Aufenthalt in Wien (15.-) erreicht wird, stehen Tagesgelder nur für die ersten fünf Tage, insgesamt also 132 € zu.
2. Nächtigungsgelder (siehe auch Rz 315 f LStR): Voraussetzung für Werbungskosten ist das Vorliegen einer tatsächlichen Nächtigung, die mit Aufwendungen verbunden ist. Der Pauschbetrag kann nicht zum Ansatz kommen, wenn Aufwendungen für den Arbeitnehmer (zB durch unentgeltliche Zurverfügungstellung eines Nächtigungsquartiers durch den Arbeitgeber oder durch andere Personen) gar nicht anfallen.
Auf telefonische Abfrage des Finanzamtes gaben Sie bekannt, Sie hätten während der fortbildungsbedingten Aufenthalte in Wien unentgeltlich bei Ihrer Schwester genächtigt. Somit kann ein pauschaler Nächtigungsaufwand mangels entsprechender Ausgaben nicht berücksichtigt werden.
Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurden irrtümlich Reisekosten in Höhe von 192 € als Werbungskosten anerkannt (Tages- und Nächtigungsgelder für fünf Tage). Tatsächlich sind jedoch nur Tagesgelder für fünf Tage in Höhe von 132 € zu berücksichtigen, weshalb der Einkommensteuerbescheid im Zuge der Berufungserledigung entsprechend zu berichtigen war.
Im Vorlageantrag (vom ) wurde vorgebracht: Die Behörde gehe von der irrigen Annahme aus, dass der Aufenthalt in Wien durchgehend gewesen sei und die Anfangsphase von fünf Tagen überschritten worden sei. Wie sie selbst darlege, sei jedoch die Anzahl von fünf Tagen nur erreicht, aber nicht überschritten worden. Aber auch das sei nicht richtig, da für die Berechnung nur Werktage heranzuziehen seien (vgl. ). Der Aufenthalt von 15.10 bis habe von Freitag bis Dienstag gedauert. Das seien nur vier Werktage. Zudem sei der Aufenthalt als wiederkehrend, aber nicht regelmäßig zu beurteilen. Es sei somit von einer abzugsfähigen Anzahl von 15 Tagen auszugehen. Diese 15 Tage seien beantragt worden.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen.
2. Unbestritten ist, dass die Bw. vom 15.-19.10., 4.-6.11., 17.-20.11. und 29.11- Fortbildungskurse in Wien besucht hat, dass der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit in A dabei nicht aufgegeben wurde und es sich um Reisebewegungen über größere Entfernungen iSd Rechtsprechung zu § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 gehandelt hat.
3. Soweit die Bw. auf die Lohnsteuerrichtlinien verweist, ist ihr vorweg entgegen zu halten, dass es sich dabei um keine für den Unabhängigen Finanzsenat beachtliche Rechtsquelle handelt. Der vorliegende Sachverhalt ist daher ausschließlich am Gesetz und an der dazu ergangenen Rechtsprechung der Höchstgerichte zu messen.
4. Mit dem Begriff der "Reise" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 hat sich der VwGH wiederholt auseinander gesetzt. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aufenthalt an einem Ort, der als Mittelpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden muss, keine Reise darstellt, wobei ein Ort auch dann zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit wird, wenn sich der Steuerpflichtige an diesem Ort über längere Zeit aufhält. Der längere Aufenthalt ermögliche es ihm, sich dort über die Verpflegungsmöglichkeiten zu informieren und so jenen Verpflegungsmehraufwand zu vermeiden, der allein die Annahme von Werbungskosten statt nicht abzugsfähiger (üblicher) Verpflegungsaufwendungen der privaten Lebensführung rechtfertige. Erstreckt sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf mehrere Orte in der Weise, dass jeder Ort - für sich betrachtet - Mittelpunkt der Tätigkeit sein könnte, dann sei jeder dieser Orte als Mittelpunkt der Tätigkeit zu qualifizieren und der Aufenthalt an ihm keine Reise. Sowohl eine mit Unterbrechungen ausgeübte Beschäftigung an einem Ort als auch wiederkehrende Beschäftigungen an einzelnen nicht zusammenhängenden Tagen könnten die Eignung eines Ortes zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit begründen, sofern die Dauer einer solchen wiederkehrenden Beschäftigung am selben Ort insgesamt ein Ausmaß erreiche, das zum Wegfall der Voraussetzungen des in typisierender Betrachtungsweise unterstellten Verpflegungsmehraufwands zu führen habe ().
5. Die Geltendmachung eines Verpflegungsmehraufwands (Taggeld) ist ausgeschlossen, wenn sich der Steuerpflichtige - wenn auch mit Unterbrechungen - länger als eine Woche an einem Ort aufgehalten hat (). Entscheidend ist aber nicht der Umstand, ob es sich dabei (ggf. genau) um eine Woche oder um fünf aufeinander folgende Arbeitstage gehandelt hat (vgl. , "rund einer Woche"; , "fünf aufeinanderfolgende Arbeitstage"), sondern darauf, ob davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen die örtlichen Gegebenheiten einschließlich der günstigen Verpflegungsmöglichkeiten typischerweise bekannt geworden sind. Dabei gilt als Einsatzort grundsätzlich die politische Gemeinde. Für Reisen innerhalb Wiens wie auch für Reisen nach Wien wird davon ausgegangen, dass das gesamte Wiener Gemeindegebiet als Einsatzort anzusehen ist.
6. Die Reisen nach Wien dienten der beruflichen Fortbildung der Bw. an der B. Sie reiste am Donnerstag, den nach Wien. Am 15., 16., 18. und 19. Oktober fanden Fortbildungsveranstaltungen statt. Die Rückreise erfolgte noch am 19. Oktober.
a.) Zutreffend ist, dass der strittige Kurs damit nur an vier Werktagen bzw. Arbeitstagen stattgefunden hat. Geht man (mit der Bw.) davon aus, dass ihr am Anreisetag (14.10.) noch keine Verpflegungsmehraufwendungen erwachsen sind und der 17.10. (Sonntag) zur privaten Verwendung zur Verfügung gestanden ist, wäre doch darauf zu verweisen, dass der nächste Kurs desselben Anbieters am selben Veranstaltungsort bereits am 4.11. stattgefunden hat und der weitere Mittelpunkt der Tätigkeit der Bw. in Wien spätestens am 5.11. begründet worden wäre, kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass die bisherigen Kenntnisse der Verpflegungsmöglichkeiten am Fortbildungsort bis zum 4.11. verloren gegangen sind, zumal sich die Bw. auch am 17.10. verköstigen musste (und dieser Tag zur Erlangung solcher Kenntnisse genauso zur Verfügung gestanden ist).
b.) Geht man hingegen - mit der neueren Rechtsprechung des VwGH - davon aus, dass das im Vordergrund stehende "auslösende Moment" der Reisebewegung vom 14.10. (in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Bw.) unzweifelhaft in der beruflichen Sphäre der Bw. gelegen war und dem uneingeschränkten Abzug der Taggelder für diese Reisebewegung nichts im Wege stand (vgl. ; ), wäre die "Anfangsphase" von fünf beruflich veranlassten Aufenthaltstagen mit Ablauf des 19.10. beendet. An der Beurteilung der strittigen Frage würde sich nichts ändern.
7. Soweit die Bw. darauf verweist, dass ihre Aufenthalte in Wien zwar als wiederkehrend, aber - entgegen der Ansicht der Amtspartei (und wohl auch entgegen Rz. 301 der LStR 2002) - nicht als regelmäßig wiederkehrend zu beurteilen sind und daher von einer abzugsfähigen Anzahl von 15 (und nicht fünf) Taggeldern auszugehen wäre, wäre darauf zu verweisen, dass eine solche Unterscheidung in der Rechtsprechung des VwGH keine geeignete Stütze findet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | ARD 6279/10/2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at