Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 30.09.2013, RV/0003-F/11

Abstandnahme von einer Abgabenfestsetzung auf der Grundlage von Regelungen in den Einkommensteuerrichtlinien

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des X., vertreten durch die Morik Schertler Nägele Wirtschaftstreuhand OG, 6900 Bregenz, Römerstraße 30, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) erzielte ab dem Jahr 1997 gewerbliche Einkünfte aus dem Vertrieb und der Montage von "EgoKiefer Fenstern und Türen".

Da er für die Jahre 2007 und 2008 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, führte das Finanzamt im Jahre 2010 eine Betriebsprüfung durch. Dabei wurde der Bw. zum Finanzamt vorgeladen. Gleichzeitig wurde er darüber informiert, dass im Falle seines Nichterscheinens die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt würden (Tz. 1 des Prüfberichtes vom ). Nachdem der Bw. zum vorgeschriebenen Termin nicht erschienen war, schätzte das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für diese Jahre. Für das Jahr 2008 ermittelte es diese Einkünfte mit 15.000 €. Dazu stellte die Betriebsprüfung unter Tz. 3 des Prüfberichtes fest, der Betrieb des Bw. sei mit ruhend gemeldet worden. Laut Rücksprache mit der gewerblichen Sozialversicherungsanstalt habe er mit den Betrieb wieder angemeldet. Es liege daher keine Betriebsaufgabe vor. Die Schätzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfolge nach den Lebenshaltungskosten. Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb sei auch ein vortragsfähiger Verlust von insgesamt 52.764,20 € zu berücksichtigen. Ferner seien die in einem Lohnzettel der L-GmbH für den Zeitraum vom bis zum ausgewiesenen Lohneinkünfte zu berücksichtigen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen setzte das Finanzamt die Einkünfte für das Jahr mit Bescheid vom mit -496,73 € fest.

Der steuerlich vertretene Bw. erhob gegen diesen Bescheid Berufung und beantragte, die Einkommensteuer auf der Grundlage der mit der Berufung vorgelegten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 zu veranlagen. In dieser Einkommensteuererklärung erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 152.372,47 €, die sich aus einem zum ermittelten Aufgabegewinn in Höhe von 176.327,11 € und einem Verlust aus der laufenden gewerblichen Tätigkeit bis zur Aufgabe des Betriebes in Höhe von -23.954,64 € zusammensetzten.

Der Aufgabegewinn resultierte aus einem Nachlass von Lieferantenverbindlichkeiten durch die EgoKiefer AG in Höhe von 199.489,06 abzüglich einer Abschlagszahlung auf diese Verbindlichkeiten in Höhe von 20.000 € zuzüglich Erträgen aus dem Verkauf von Anlagevermögen in Höhe 4.138,05 € und unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 7.300 €.

Für den Schuldnachlass in Höhe von 179.489,06 € (nachgelassene Lieferantenverbindlichkeiten in Höhe 199.489,06 € abzüglich Abschlagszahlung in Höhe 20.000 €) machte er die begünstigte Besteuerung für aus einem Schulderlass resultierende Gewinne gemäß § 36 EStG 1988 geltend. Dazu führte er aus, die negative Entwicklung des Unternehmens sei auf die verstärkte Konkurrenzsituation im Bereich des Vertriebes und der Montage von Fenstern und Türen in Vorarlberg ab dem Jahr 2004 zurückzuführen. Weiters habe der Bw. familiäre Probleme gehabt, die schlussendlich im Juli 2005 zur Scheidung von seiner Ehegattin geführt hätten. In den Jahren 2006 und 2007 sei in Zusammenarbeit mit der EgoKiefer AG nach Sanierungsmaßnahmen gesucht worden, um die offenen Lieferantenverbindlichkeiten gegenüber der EgoKiefer AG begleichen zu können. Im Jahr 2007 sei ein weiterer Verlust in Höhe von -31.949,03 € erzielt worden und habe daher keine Möglichkeit bestanden, diese Verbindlichkeiten abzudecken. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation ab dem Jahr 2005 und der damit absehbaren Uneinbringlichkeit der Forderungen habe die EgoKiefer AG einem Verzicht auf 90% ihrer offenen Forderungen zugestimmt.

Das Finanzamt änderte den Einkommensteuerbescheid 2008 mit Berufungsvorentscheidung vom ab und setzte die Einkommensteuer für dieses Jahr mit 17.407,41 € fest. Von der Steuererklärung des Bw. wich es insofern ab, als es die Einkünfte aus Gewerbetrieb um eine Bareinlage in Höhe von netto 4.166,66 €, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte, sowie um einen im Zuge der Betriebsaufgabe erzielten und nichterklärten Veräußerungserlös in Höhe von 2.250 € erhöhte. Den Antrag auf begünstigte Besteuerung des Schulderlasses gemäß § 36 EStG 1988 wie es mit der Begründung ab, diese Begünstigungsbestimmung setze einen in Sanierungsabsicht gewährten Erlass von betrieblichen Schulden im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen eines sanierungsbedürftigen Betriebs voraus. Dabei müsse der Schulderlass geeignet sein, den Betrieb vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Die Betriebseinstellung nach der versuchten Sanierung sowie die Betriebsaufgabe mit sprächen im Berufungsfall sowohl gegen die Sanierungseignung des Schulderlasses als auch gegen eine Sanierungsabsicht.

Mit Schreiben vom stellte die Steuervertretung des Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Gegen die Nichtgewährung der begünstigten Besteuerung der nachgelassenen Schulden wandte sie ein, dem Bw. sei bewusst, dass er keinen Rechtsanspruch auf eine solche begünstigte Besteuerung habe. Es werde jedoch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ersucht, gemäß Rz 7272 der Einkommensteuerrichtlinien 2000 (EStR 2000) von der Abgabenfestsetzung in einer dem § 36 EStG 1988 vergleichbaren Weise Abstand zu nehmen, da die Voraussetzungen eines Schulderlasses im Sinne der Rz 7254 EStR 2000 im Berufungsfall vorlägen. Es werde darauf hingewiesen, dass seitens des Bw. keine unangemessen hohen Entnahmen getätigt worden seien und es für eine allfällige Begünstigung nach § 36 EStG 1988 nicht auf die Betriebsfortführung ankomme.

Einer dem Vorlageantrag beiliegenden Stellungnahme des Bw. sei zu entnehmen, welche persönlichen Umstände zum Schuldnachlass und letztendlich zur nicht beabsichtigten Betriebseinstellung geführt hätten. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz werde daher ersucht, insbesondere auch die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Bw. hat zunächst in der Steuererklärung für das Jahr 2008 für den aus dem Schulderlass der EgoKiefer AG resultierenden Gewinn die Steuerfestsetzung gemäß § 36 EStG 1988 beantragt.

§ 36 EStG 1988 in der im Berufungsfall geltenden Fassung lautet:

§ 36. (1) Sind im Einkommen eines Steuerpflichtigen aus einem Schulderlass resultierende Gewinne enthalten, hat die Steuerfestsetzung in den Fällen des Abs. 2 nach Maßgabe des Abs. 3 zu erfolgen.

(2) Aus dem Schulderlass resultierende Gewinne sind solche, die entstanden sind durch

1. Erfüllung der Ausgleichsquote nach Abschluss eines gerichtlichen Ausgleichs im Sinne der Ausgleichsordnung oder durch

2. Erfüllung eines Zwangsausgleiches (§§ 140ff der Konkursordnung) oder durch

3. Erfüllung eines Zahlungsplanes (§§ 193ff der Konkursordnung) oder durch Erteilung einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens (§§ 199ff der Konkursordnung).

(3) Für die Steuerfestsetzung gilt:

1. Es ist die Steuer vom Einkommen sowohl einschließlich als auch ausschließlich der aus dem Schulderlass resultierenden Gewinne zu berechnen und daraus der Unterscheidbetrag zu ermitteln.

2. Auf den nach Z 1 ermittelten Unterschiedsbetrag ist der nach dem Schulderlass entsprechenden Prozentsatz (100 Prozent abzüglich der Quote) anzuwenden.

3. Der nach Z 2 ermittelte Betrag ist von der Steuer abzuziehen, die sich aus dem Einkommen einschließlich der aus dem Schulderlass resultierenden Gewinne ergibt.

Aus § 36 Abs. 2 EStG 1988 ergibt sich somit, dass die Steuerfestsetzung nach § 36 Abs. 3 EStG 1988 nur dann zur Anwendung gelangt, wenn Gewinne aus einem Schulderlass resultieren, der sich aus den Rechtswirkungen eines Insolvenzverfahrens ergibt. Diese Voraussetzung liegt im Berufungsfall unstrittig nicht vor.

Der Bw. begehrt nunmehr, gestützt auf die EStR 2000, Rzn 7272 und 7254ff, in einer dem § 36 EStG 1988 vergleichbaren Weise gemäß § 206 BAO von der Abgabenfestsetzung abzusehen.

§ 206 BAO lautet: Die Abgabenbehörde kann von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Anstand nehmen,

a) soweit Abgabepflichtige von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes betroffen werden, vor allem soweit abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden (insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermutungs- und Lawinenschäden) veranlasst worden sind; b) soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchzusetzbar sein wird, c) wenn in einer Mehrheit von gleichgelagerten Fällen der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe der festzusetzenden Abgabe steht.

Rz 7272 der EStR 2000 lautet:

Die Abgabenbehörden sind gemäß § 206 BAO ab der Einkommensteuerveranlagung 2006 befugt, bei Schuldnachlässen im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleichs von der Abgabenfestsetzung in einer dem § 36 EStG 1988 vergleichbaren Weise Abstand zu nehmen; dies setzt voraus, dass der Schuldnachlass die Voraussetzungen eines Sanierungsgewinnes erfüllt (vgl. Rz 7254 ff), wobei es aber auf die Betriebsfortführung nicht ankommt. Dabei wird allerdings darauf Bedacht zu nehmen sein, inwieweit die dem Schuldnachlass zu Grunde liegende wirtschaftliche Situation auf unangemessen hohe Entnahmen zurückzuführen ist bzw. inwieweit sich die zum Schuldnachlass Anlass gebenden Verluste bereits steuerlich ausgewirkt haben. Zur Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung für Einkommensteuerveranlagungen bis 2005 sowie hinsichtlich Körperschaftsteuer siehe Rz 7268.

Als Voraussetzungen eines Sanierungsgewinnes nennen die Rzn 7254ff das Vorliegen eines Schulderlasses (Rz 7254), Allgemeiner Sanierungsmaßnahmen (Rz 7255), einer Sanierungsbedürftigkeit (Rz 7266), einer Sanierungsabsicht (Rz 7257) sowie einer Sanierungseignung oder Sanierungsfähigkeit (Rzn 7258 bis 7264).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die mit § 206 BAO den Abgabenbehörden in deren Ermessen gegebene Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung sind im Berufungsfall nicht gegeben. Weder ist der Bw. von einem Notstand im Sinne der lit. a leg. cit. betroffen, noch ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass die festgesetzte Einkommensteuer uneinbringlich ist (lit. b leg. cit.), noch liegt ein Anwendungsfall der lit. c leg. cit. vor. Damit scheidet eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 206 BAO im Berufungsfall aus.

Aber auch dem vom Bw. auf Rz 7272 EStR 2000 gestützten Begehren, auch bei Schuldnachlässen im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleichs gemäß § 206 BAO von der Abgabenfestsetzung in einer dem § 36 EStG vergleichbaren Weise abzusehen, kann nicht entsprochen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermögen Erlässe der Finanzverwaltung keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen zu begründen. Bei den Einkommensteuerrichtlinien handelt es sich nämlich mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt um keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle (vgl. ; , 2002/14/0139).

Ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof ist auch der Unabhängige Finanzsenat nur an ordentlich kundgemachte Rechtsquellen gebunden und sind die vom Bw. ins Treffen geführten Bestimmungen der Einkommensteuerrichtlinien mangels Kundmachung auch für den Unabhängigen Finanzsenat daher nicht beachtlich (vgl. z.B. -F/02).

Zudem stellen auch die EStR 2000 selbst klar, dass es sich bei ihnen lediglich um einen Auslegungsbehelf zum EStG 1988, der im Interesse einer einheitlichen Vorgehensweise mitgeteilt werde, handle, und über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten aus den Richtlinien nicht abgeleitet werden könnten (vgl. die Einleitung zu den EStR 2000 idF GZ 06 0104/9-IV/6/00 vom und GZ BMF-010203/0252-VI/6/2013 vom ).

Die Berufung war daher bereits aus diesem Grunde als unbegründet abzuweisen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Begünstigung auch unter Anwendung der in Rede stehenden Regelungen der EStR 2000 zu versagen gewesen wäre. Eine Voraussetzung für eine Nichtfestsetzung der Abgabe ist nämlich gemäß Rz 7257 EStR 2000, dass der Schulderlass mit Sanierungsabsicht bei Vorliegen einer Sanierungseignung erfolgt ist. Die Sanierungsabsicht muss auf Seiten der Gläubiger bestehen. Diese müssen die Absicht haben, durch den Schulderlass das Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren (vgl. VwGH 23.5.000, 99/14/0311; , 93/15/0042). Eine solche Absicht ist im Berufungsfall nicht zu erkennen. Den erläuternden Anmerkungen zur Steuererklärung 2008 zufolge wurde der Schulderlass gewährt, weil nach dem Scheitern von Sanierungsmaßnahmen aus der Sicht des Gläubigers, der EG AG, keine Aussicht auf Einbringung der offenen Forderungen mehr bestand. Eine im Hinblick auf die Aussichtlosigkeit der Einbringung gewährte Nachsicht stellt aber keine mit Sanierungswillen erfolgte Sanierungsmaßnahme dar (Vgl. ; , 98/15/0037; Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III, § 36 Anm 9).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 36 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 206 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at