zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 22.07.2011, RV/3536-W/08

Rechtzeitigkeit bzw. Zulässigkeit eines im Jahr 2008 gestellten Wiederaufnahmeantrages für Einkommensteuer 1989

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., 1120 Wien, Adresse1, vertreten durch Consultax WT GmbH, Steuerberatungskanzlei, 1030 Wien, Ungargasse 53/13, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, vertreten durch ADir. Elisabeth Braunauer, vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (=Bw.) beantragte mit Eingabe vom die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO hinsichtlich des gem. § 295 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheides 1989, ausgestellt am durch das Finanzamt 6/7/15:

"Wiederaufnahmegrund

Mit Bescheid vom - eingelangt am - wurde festgestellt, dass der dem oben genannten Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid gem. § 188 BAO vom mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehlt und dieser somit keine normative Kraft entfalten konnte. Es handelt sich um einen Nichtbescheid ().

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stellt eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und ist als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt war, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so kann diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten. Den Wiederaufnahmewerber trifft kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes.

Die oben beschriebene Rechtsansicht wird durch die Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom geteilt. Siehe beiliegende Kopie der Erledigung.

Weiters weise ich darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensbescheid 1989 führt.

Begründung

1. Sachverhalt

Grundlagenbescheid

Mit Grundlagenbescheid für das Jahr 1989, datiert mit , wurden meine anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich festgestellt und mir zugewiesen.

Im Jahr 1993 () begann eine den Zeitraum 1989 - 1991 betreffende Betriebsprüfung (BP) die bis - Bericht über die Betriebsprüfung gem. § 150 BAO datiert mit - andauerte. Das Finanzamt erließ am - eingelangt am - einen Bescheid gem. § 188 BAO an die "Y-AG", wobei hinsichtlich des Jahres 1989 eine abweichende Feststellung gegenüber dem Grundlagenbescheid vom getroffen wurde.

Gegen den Bescheid vom wurde zeitgerecht Berufung erhoben. Mit Berufungsentscheidung vom wurde der Grundlagenbescheid vom bestätigt und die Berufung als unbegründet abgewiesen. Gegen die Erledigung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom wurde am eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichthof eingebracht. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom - eingelangt am - wurde die Beschwerde gegen die Erledigung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom zurückgewiesen. Mit Bescheiddatum vom hat die Finanzverwaltung zur Steuernummer ... einen Zurückweisungsbescheid zur Berufung vom erlassen.

Der nunmehr vorliegende Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes für den 6/7/15 Bezirk erklärt den Grundlagenbescheid 1989 vom - mangels gültigem Bescheidadressaten - zu einem Nichtbescheid und weist die Berufung als unzulässig zurück.

Abgeleiteter Bescheid/ Einkommensteuerbescheid 1989

Aufgrund vorhin erwähnter Nichtbescheide - erlassen durch das Finanzamt für den 6/7/15 Bezirk - wurde mein ursprünglicher Einkommensteuerbescheid 1989 gem. § 295 BAO durch den vorliegenden Einkommensteuerbescheid 1989 vom ersetzt.

Aus der Nichtanerkennung der Ergebniszuweisung für das Jahr 1989 der atypisch stillen Beteiligung auf Ebene des abgeleiteten Bescheides resultierten Einkommensteuernachzahlungen.

Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gem. § 295 BAO erfolgte auf Basis eines Nichtbescheides und entspricht damit nicht den gesetzlichen Bestimmungen.

2. Rechtliche Beurteilung

An einer Wiederaufnahme gem. § 303 BAO besteht aus nachfolgenden Gründen ein rechtliches Interesse:

Die Abänderung eines abgeleiteten Bescheides gem. § 295 BAO ist nur dann zulässig, wenn der betreffende Bescheid von einem Grundlagenbescheid abzuleiten ist. Unbestritten ist nunmehr, dass der von der Abgabenbehörde ausgefertigte Bescheid vom als auch der Bescheid vom für das Streitjahr 1989 ins Leere gegangen ist. Damit hat jedoch der Abänderung ein tauglicher Feststellungsbescheid gefehlt. Da der abgeleitete Einkommensteuerbescheid vom rechtswidrig erlassen wurde und auch ein nachträglich rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid diesen Mangel nicht heilt (siehe VwGH 93/14/0203), ist dem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben. Da der Rechtszustand herzustellen ist, der ohne Abänderung gemäß § 295 BAO vorgelegen ist, ist der Einkommensteuerbescheid in der Fassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides zu erlassen.

Diese Neuerlassung ist auch dann zwingend, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid vorliegt, der im Ergebnis dem abgeänderten Einkommensteuerbescheid vom entspricht. Verfahrensrechtlich berechtigt dieser neue Grundlagenbescheid nämlich nur zur Abänderung des aufgrund der Wiederaufnahme neu erlassenen Bescheides. Die beantragte Wiederaufnahme ermöglicht diese rechtswidrige Abänderung gem. § 295 BAO zu korrigieren.

Verjährung

Allgemein weise ich darauf hin, dass abgeleitete Abgabenbescheide - im Gegensatz zu Feststellungsbescheiden - der Verjährung unterliegen und damit dem Rechtsunterworfenen grundsätzlich ein Rechtsverlust droht (siehe "Ritz Kommentar zur Bundesabgabenordnung 3. Auflage", Seite 608 RdZ bzw. BMF SWK 2004, S 878)

Die beantragte Wiederaufnahme ermöglicht dem Steuerpflichtigen seine Ansprüche innerhalb der Verjährung geltend zu machen.

3. Anträge

Im Sinne der obigen Ausführungen beantrage ich die Wiederaufnahme des Verfahrens."

Das Finanzamt wies den Antrag zurück:

"Die Zurückweisung erfolgte, weil die Eingabe aus folgendem Grund nicht zulässig ist:

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gem. § 303 Abs. 1 zugrunde liegt (§ 304 BAO)"

Der Bw. erhob Berufung:

"Begründung:

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt meinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend das Jahr 1989 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antrag auf Wiederaufnahme nicht rechtzeitig eingebracht wurde, da hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1989 bereits Verjährung eingetreten ist. Dies ist jedoch - wie sich aus folgenden Ausführungen ergeben wird - unrichtig:

Ich habe mich im Jahr 1989 an der Y-AG. beteiligt. Hinsichtlich der Einkünfte 1989 wurde am eine einheitlich und gesonderte Feststellungserklärung abgegeben.

Mit Bescheid vom wurde die Mitunternehmerschaft erklärungsgemäß veranlagt. Im Jahr 1997 wurde das Verfahren hinsichtlich der Einkünfte 1989 wieder aufgenommen und es wurde am ein neuer einheitlich und gesonderter Feststellungsbescheid erlassen. Gegen diesen wurde das Rechtsmittel der Berufung erhoben, welches mit Bescheid vom von der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland abgewiesen wurde. Gegen diese Berufungsentscheidung wurde eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde erhoben und mit Entscheidung vom die Beschwerde zurückgewiesen, da es sich bei der Erledigung der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland um einen nichtigen Bescheid gehandelt hat. In weiterer Folge wurde auch die Berufung gegen den einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid 1989 vom mit Bescheid vom zurückgewiesen, da auch dieser Bescheid nichtig war.

1. Keine Verjährung, da die einheitlich und gesonderte Feststellungserklärung 1989 nie bescheidmäßig erledigt wurde

Grund für die nichtigen Bescheide waren Fehler in der Adressierung, insbesondere wurden in dem einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbene Personen angeführt. Diesbezüglich ist zu beachten, dass auch in dem Bescheid vom bereits verstorbene Personen angeführt sind, so zum Beispiel ... (Anmerkung: Der Bw. führte Namen und Adressen von 4 im Jahr 1990 verstorbenen Beteiligten an.).

Somit ist aufgrund der Judikatur des VwGH auch der Bescheid vom als Nichtbescheid zu qualifizieren. Als Ergebnis der o.a. Auflistung ist ersichtlich, dass mit Erklärung vom für meine Beteiligung eine einheitlich und gesonderte Feststellungserklärung abgegeben wurde, aber bis zum heutigen Tage, diese Erklärung nicht bescheidmäßig veranlagt wurde.

Somit kann hinsichtlich des Jahres 1989 keine Verjährung eingetreten sein, weil gem. § 209 a Abs. 2 BAO meine Einkommensteuerveranlagung mittelbar von der Erledigung der abgegebenen einheitlich und gesonderten Feststellungserklärung abhängt (siehe Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz in Bundesabgabenordnung zu § 209 a BAO Anmerkung 11; Ritz Bundesabgabenordnung § 209 a Rdz 7)

Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die wesentlichen Daten nochmals tabellenartig angeführt:

1991 einheitlich und gesonderte Feststellungserklärung für das Jahr 1989 vom

1997 Wiederaufnahme des Verfahrens 1989 und neuer einheitlich und gesonderter Feststellungsbescheid vom

Berufung gegen diese Bescheide vom

Einkommenssteuerbescheid von 1997

2002 Berufungsentscheidung vom der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland

Fristgerechte Einreichung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde am

2008 Mit Zurückweisung der VwGH-Beschwerde, da die Erledigung der Finanzlandesdirektion als nichtiger Bescheid zu qualifizieren ist

Mit Zurückweisung der Berufung vom , da auch der Bescheid des Finanzamtes als nichtiger Bescheid zu qualifizieren ist

Mit Wiederaufnahmeantrag

2. Keine Verjährung, da die Einkommensteuerveranlagung 1989 von einem Rechtsmittelverfahren abhängig ist

Im Übrigen ist zu erwähnen, dass selbst, wenn man den Bescheid vom nicht als nichtigen Bescheid qualifizieren würde hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1989 keine Verjährung eingetreten sein kann. Denn dann müsste die Behörde aufgrund der Zurückweisungsbescheide gem. § 295 BAO einen neuen abgeleiteten Bescheid erlassen, da sie ja den abgeleiteten Bescheid rechtswidrig aufgrund eines Nichtbescheides neu erlassen hat. Als zwingendes Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens gegen die nichtigen Bescheide, wären somit neue abgeleitete Bescheide zu erlassen.

Auch aus diesem Grund kann gem. § 209 a BAO keine Verjährung eingetreten sein, da mein Einkommensteuerbescheid 1989 somit indirekt von der Erledigung der Berufung abhängig war. Jede andere Auslegung der §§ 295 bzw. § 209 a BAO wäre denkunmöglich, denn es kann nicht sein, dass aufgrund von Fehlern, die die Finanzverwaltung zu vertreten hat (nämlich die Erlassung von Nichtbescheiden) auf die die Steuerpflichtigen im Rahmen des Berufungsverfahrens sogar aufmerksam gemacht haben und aufgrund des langen Rechtsmittelverfahrens, Verjährung zu Lasten des Steuerpflichtigen eintritt. Aus diesem Grund beantrage ich auch ausdrücklich, einen abgeleiteten Bescheid zu erlassen, der den Rechtszustand wiederherstellt, der vor Erlassung des rechtswidrigen abgeleiteten (weil von einem nichtigen Bescheid abgeleitet) Bescheides bestanden hat."

Das Finanzamt legte daraufhin die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde 2. Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Aus der Berufung des Bw. und dem Akteninhalt ergibt sich folgender Sachverhalt:

Im ersten offenbar 1991 erlassenen Einkommensteuerbescheid für 1989 wurden dem Bw. Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer atypisch stillen Beteiligung an der Y-AG. zugerechnet. Der im Rahmen dieses Bescheides erfasste Betrag ergab sich aus der erklärungsgemäßen Verarbeitung der Erklärung der einheitlichen und gesonderten Einkünfte der Mitunternehmerschaft gem. § 188 BAO vom .

Aufgrund einer Betriebsprüfung (Bp) betreffend die Jahre 1989 - 1991 bei der Y-AG. erließ das zuständige FA am einen geänderten Grundlagenbescheid für 1989, welcher mittels Berufung vom bekämpft wurde.

Von diesem Grundlagenbescheid abgeleitet erließ das für die Einkommensteuererhebung des Bw. zuständige FA - lt. Berufungsschrift, S. 2, im Jahr 1997, lt. Wiederaufnahmeantrag dagegen erst mit - einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1989, welcher mangels Erhebung eines Rechtsmittels ein Monat nach Zustellung in formelle Rechtskraft erwuchs.

Über die Berufung gegen die Feststellungsbescheide gem. § 188 BAO erging im Jahr 2002 eine abweisende Berufungsentscheidung. Gegen diese wurde eine Beschwerde beim VwGH eingebracht.

In der gegen die den Grundlagenbescheid betreffenden abweisende Berufungsentscheidung vom zu Zl 2002/13/0224 eingebrachten und mit Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesenen VwGH - Beschwerde vom , stellt der Bw. (= Beschwerdeführer Nr. 214) durch seinen ausgewiesenen Vertreter dar, dass der Feststellungsbescheid 1989 (Grundlagenbescheid) vom falsch adressiert gewesen sei.

Wörtlich wird ausgeführt: "Wie oben nachgewiesen, sind die Feststellungsbescheide [...], die infolge der Betriebsprüfung [...] erlassen wurden, nicht rechtswirksam ergangen, da die Voraussetzungen [...] hinsichtlich der korrekten Benennung des Bescheidadressaten nicht -erfüllt sind."

Aufgrund des Zurückweisungsbescheides des betreffend die Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung vom , wies das für die Erlassung des Grundlagenbescheides zuständige FA 6/7/15 die den Grundlagenbescheid bekämpfende Berufung vom mit Bescheid vom als unzulässig zurück, weil dem bekämpften Schriftstück mangels gültigem Bescheidadressaten kein Bescheidcharakter zukomme.

Aus der oben zitierten Formulierung der VwGH-Beschwerde vom ist eindeutig erkennbar, dass das Finanzamt mit der Zurückweisung der Berufung gegen den Grundlagenbescheid vom lediglich einen Mangel bestätigte, der dem Bw. bzw. seinem Vertreter schon spätestens am bekannt und bewusst war.

Ein Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich Einkommensteuer 1989 wurde vom Bw. vor dem streitgegenständlichen Antrag vom nicht gestellt.

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag hinsichtlich Einkommensteuer 1989 ist nur zulässig, wenn betreffend dieses Verfahrens nicht bereits Verjährung eingetreten ist.

Nach § 209 Abs. 3 BAO idgF verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO). Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO insbesondere mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.

Bei der veranlagten Einkommensteuer für 1989 trat mit Ablauf des Jahres 1999 die absolute Festsetzungsverjährung ein. Am Eintritt der absoluten Verjährung ändert auch der Umstand nichts, dass die absolute Verjährungsfrist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I 2004/57 ab von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, trat doch die absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 selbst nach Maßgabe einer fünfzehnjährigen absoluten Verjährungsfrist jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2004 - und damit jedenfalls vor Antragstellung auf Wiederaufnahme - ein.

Dem Vorbringen des Berufungswerbers, dass nach Maßgabe des § 209a Abs. 2 BAO die Verjährung nicht eingetreten sei, ist entgegenzuhalten:

§ 209 a Abs. 1 und 2 BAO lauten:

"(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde."

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass diese den Eintritt der Verjährung nicht verhindern, sondern unter den dort genannten Voraussetzungen eine Abgabenfestsetzung trotz des Eintrittes der Verjährung zulassen. Damit kann die Rechtsansicht des Berufungswerbers, dass Verjährung noch nicht eingetreten sei, nicht geteilt werden.

Für den strittigen Wiederaufnahmeantrag kommt nur § 209a Abs. 2 BAO zur Anwendung, wenn dieser trotz eingetretener Verjährung rechtzeitig iSd § 304 eingebracht wurde. Der Umstand, dass allenfalls die Abgabenfestsetzung noch auf Grund anderer noch nicht erledigter Anträge trotz Eintritt der Verjährung zulässig sein könnte, bedeutet noch nicht, dass die Abgabenfestsetzung auf Grund des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages zulässig sein muss. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahmeantrages vom .

Die in einer Einzelerledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, ist gem. § 6 Abs. 1 UFSG für den Unabhängigen Finanzsenat nicht bindend und hat aus diesem Grunde die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen.

Für die Bewilligung einer beantragten Wiederaufnahme sieht § 304 BAO Ausnahmen von der grundsätzlich maßgebenden Befristung durch die Verjährung vor.

Die Siebenjahresfrist des § 304 lit. a BAO ist unterbrechbar (bzw. ab 2005 verlängerbar) und hemmbar. Die absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs. 3 BAO) begrenzt auch die Frist des § 304 lit. a BAO (Ritz, BAO³, § 304 Tz. 5 unter Hinweis auf Ellinger ua., BAO³, § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2).

Für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag vom ist ausschlaggebend, dass dieser nicht vor Eintritt der absoluten Verjährung, welche mit (jedenfalls aber mit ) eingetreten ist, eingebracht wurde. Aus diesem Grund ist die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund des Antrages vom nach § 304 lit. a BAO nicht zulässig.

Bei der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO ist unter Rechtskraft die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5). Diese Frist ist vor allem bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit. a BAO im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmeantrages bereits abgelaufen ist (somit insbesondere für nach Ablauf der sog. absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO gestellte Wiederaufnahmeanträge). Im gegenständlichen Fall wurde nicht bestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides für 1989 bereits im Jahr 1997 (lt. Berufung, S.2: ".2007"), lt. Wiederaufnahmeantrag 1 Monat nach dem , somit Mitte März 1999 eingetreten ist. Daraus ergibt sich, dass der nunmehr am eingebrachte Wiederaufnahmeantrag nicht innerhalb der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO eingebracht wurde.

Damit ist dem Finanzamt zuzustimmen, wenn aus diesem Grund der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wurde.

Wäre der Wiederaufnahmeantrag iSd § 209a iVm § 304 BAO als rechtzeitig anzusehen, ist anhand der Kriterien des § 303 Abs. 1 BAO die Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO - worauf sich der strittige Antrag in seiner Begründung ausdrücklich und ausschließlich stützt - ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß Abs. 2 leg. cit. binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Die oben zitierte Dreimonatsfrist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen und ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf ). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient ().

Ein verspätetet geltend gemachter Wiederaufnahmegrund ist zurückzuweisen ().

Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich der Bw. ausdrücklich darauf, die Qualifizierung des Grundlagenbescheides sei eine neu hervorgekommene Tatsache. Dazu hat das Höchstgericht in ständiger Rechtssprechung (vgl. etwa ) ausgesprochen, dass Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände seien, also Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften.

Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen.

Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmegrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind daher keine tauglichen Wiederaufnahmegründe.

Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt weder eine neue Tatsache ( mwN), noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln ().

Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass im Rahmen des Neuerungstatbestandes nicht - wie vom Berufungswerber ins Treffen geführt - die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung vom sondern ausschließlich die Tatsachen und Beweismittel zu beurteilen sind, die zu dieser Entscheidung geführt haben (). Die Entscheidung selbst kann schon deshalb nicht herangezogen werden, da es sich bei ihr um ein nach Erlassung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides neu entstandenes Faktum (novum productum) handelt.

Die Tatsache sowie die Gründe der Falschadressierung des Feststellungsbescheides vom wurden vom Berufungswerber jedenfalls im Rahmen seiner VwGH-Beschwerde vom vorgebracht. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren dem Berufungswerber daher spätestens an diesem Tag bekannt und bewusst.

Der strittige Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989, datiert mit , wurde damit mehr als fünf Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe gestellt, womit dieses Anbringen aus Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls als verspätet zu beurteilen ist.

Der Wiederaufnahmeantrag wurde daher zu Recht vom Finanzamt zurückgewiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at