Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 27.07.2011, RV/1762-W/11

Kein gesonderter Freibetragsbescheid

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/1762-W/11-RS1
Wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und Vorauszahlungen festgesetzt werden, kann kein gesonderter Freibetragsbescheid beantragt werden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des E.R., gegen den Bescheid des Finanzamtes XY betreffend Freibetragsbescheid (§ 63 EStG 1988) für das Jahr 2011 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (idF Bw) ist Bezieher von Firmenpensionen. Er stellte mit Datum vom (mit dem Formular L 54) einen Antrag auf einen Freibetragsbescheid.

In diesem Antrag machte er Aufwendungen für eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung bei der NÖGKK von € 4.289,76 sowie für eine freiwillige Weiterversicherungen in der gesetzlichen Pensionsversicherung von € 13.406,40 als Sonderausgaben geltend.

Mit Bescheid vom erließ das Finanzamt einen "Freibetragsbescheid 2011", mit welchem es aussprach: "Gemäß § 63 Abs 1 EStG 1988 wird für das Jahr 2011 kein LOHNSTEUERFREIBETRAG festgesetzt." Der Bescheid enthielt keine Begründung.

Der Bw erhob gegen diesen Bescheid mit Datum vom Berufung, wobei er einen Antrag gemäß § 245 Abs 2 BAO auf Mitteilung der fehlenden Begründung stellte. Weiters führte er ua aus, gemäß § 63 Abs 1 Z 4 EStG sei ein Freibetragsbescheid nicht zu erlassen, wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteige und Vorauszahlungen festgesetzt würden. Dies treffe in seinem Fall nicht zu. Sinn und Zweck der Bestimmung sei wohl, von vornherein absehbare Steuernachzahlungen zu verhindern. Es seien zwar Vorauszahlungen festgesetzt worden, jedoch erreichten die (unversteuerten) Zahlungen der T.-Versicherung Pensionskasse (2009: € 4.415,40) seine Zahlungen für freiwillige Versicherungen (2009: € 15.381,06) bei weitem nicht, sodass eine Steuerschuld nicht denkmöglich sei. Zur Nachzahlung laut Einkommensteuerbescheid für 2009 sei es deswegen gekommen, weil der Freibetragsbescheid für 2009 zu hoch ausgefallen sei. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die Pensionskasse unversteuert auszahle. Es hätte daher richtigerweise ein Freibetrag in Höhe der Zahlungen für freiwillige Versicherungen gemindert um die Zahlungen der Pensionskasse beantragt und bewilligt werden müssen. Da ihm die Zahlungen der Pensionskasse für 2011 noch nicht ziffernmäßig bekannt seien, gehe er von den im Einkommensteuer für 2009 festgestellten Zahlungen aus und beantrage einen Freibetragsbescheid für 2011 wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Freiwillige Versicherungen
15.381,06
abzüglich T.-Versicherung Pensionskasse
4.415,40
Freibetrag sohin
10.965,66

Mit Schreiben vom begründete das Finanzamt seinen Bescheid wie folgt: Gemäß § 63 Abs 1 Z 4 EStG sei ein Freibetragsbescheid nicht zu erlassen, wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und Vorauszahlungen festgesetzt werden. Nachdem beim Bw aufgrund der Veranlagung 2009 für das Jahr 2011 Vorauszahlungen festgesetzt worden seien, habe kein Freibetragsbescheid für das Jahr 2011 erlassen werden können.

In einem weiteren, ebenfalls als Berufung bezeichneten Schriftsatz vom brachte der Bw vor, der von ihm beantragte Freibetragsbescheid für das Jahr 2011 betreffe unstrittige Sonderausgaben gemäß § 63 Abs 1 Z 2 EStG, nämlich freiwillige Weiterversicherungen in der Kranken- und Unfallversicherung und in der gesetzlichen Pensionsversicherung. Die Anwendung des § 63 Abs 1 Z 4 EStG sei nicht rechtsrichtig erfolgt. Die gesamte Regelung des § 63 Abs 1 EStG sei im Kontext der weiteren Bestimmungen des § 63 EStG zu verstehen, in denen verschiedene der Billigkeit entsprechende Tatbestände festgelegt würden (zB Abs 2, Abs 4 und Abs 8). Als Sinn und Zweck der ganzen Bestimmung des § 63 EStG könne wohl nur derjenige verstanden werden, dass einerseits von vornherein absehbare Steuernachzahlungen und andererseits aber auch Steuerguthaben nicht entstehen sollten. Mit anderen Worten: § 63 EStG schaffe die Möglichkeit durch einen Freibetragsbescheid vorweg das Ergebnis der Veranlagung zumindest annäherungsweise zu erreichen. Die Regelung des Abs 1 Z 4 betreffe nur jenen Fall, dass sich trotz Vorliegen von Absetzposten iSd Abs 1 Z 1 bis 3 nach Veranlagung eine Steuerschuld ergebe. Dies treffe jedoch bei näherer Betrachtung bei seinem Fall nicht zu. Bei inhaltlicher Betrachtung habe nämlich die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer nicht überstiegen. Zur Nachzahlung laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 sei es aus einem anderen Grund gekommen. Der Freibetragsbescheid für das Jahr 2009 sei zu hoch ausgefallen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die Zahlungen der Pensionskasse unversteuert erfolgen würden. Für diesen Sachverhalt sei daher § 63 Abs 1 Z 4 EStG nicht anwendbar. Der zu hohe Freibetragsbescheid für das Jahr 2009 könne aber nicht eine Pönalisierung für das Jahr 2011 zur Folge haben. Die (unversteuerten) Zahlungen der T.-Versicherung Pensionskasse (2009: € 4.415,40) erreichten seine Zahlungen für freiwillige Versicherungen (2009: € 15.381,06) bei weitem nicht. Dieses Verhältnis werde sich auch in den folgenden Jahren kaum verändern, sodass auch in Zukunft aus diesem Grund eine Steuerschuld seinerseits nicht denkmöglich sei. Es hätte daher richtigerweise ein Freibetrag in Höhe der Zahlungen für freiwillige Versicherungen gemindert um die Zahlungen der Pensionskasse bewilligt werden müssen. Er stelle daher die Anträge: 1. den Bescheid vom aufzuheben und 2. gemäß § 63 Abs 2 EStG aufgrund der laut Einkommensteuerbescheid für 2009 festgestellten Ziffern einen Freibetragsbescheid für 2011 in Höhe von € 10.965,66 zu erlassen, welcher sich wie folgt ergebe:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Freiwillige Versicherungen
15.381,06
abzüglich T.-Versicherung Pensionskasse
4.415,40
Freibetrag sohin
10.965,66

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, in welcher es ausführte, ein Freibetragsbescheid sei gemäß § 63 Abs 1 Z 4 EStG ua nicht zu erlassen, wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und Vorauszahlungen festgesetzt werden. Gemäß § 63 Abs 4 EStG könne in einem von einem Veranlagungsverfahren losgelösten Antrag ein Freibetragsbescheid für das laufende Kalenderjahr erlassen werden, wenn a) erstmalig Werbungskosten geltend gemacht würden, die mindestens 900 € betrügen, oder b) zusätzliche Werbungskosten gegenüber dem bisherigen Freibetragsbescheid von mindestens 900 € oder c) Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden vorlägen. Nachdem im Streitfall § 63 Abs1 Z 4 EStG zutreffe, sei der Berufung der Erfolg zu versagen gewesen.

Der Bw beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vom wurden € 3.761,12 als sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag und € 11.619,94 als Sonderausgaben berücksichtigt. Es ergab sich aus diesem Bescheid eine Abgabennachforderung von € 1.726,89 (die Einkommensteuer überstieg in dieser Höhe die angerechnete Lohnsteuer).

Weiters wurde mit selbem Datum ein Vorauszahlungsbescheid erlassen, mit welchem die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2011 und Folgejahre mit € 1.749,33 festgesetzt wurden.

Ein Freibetragsbescheid wurde nicht erlassen.

Mit Datum vom hat der Bw den streitgegenständlichen Antrag auf Erlassung eines Freibetragsbescheides gestellt.

§ 63 EStG bestimmt auszugsweise:

Freibetragsbescheid

(1) Das Finanzamt hat für die Berücksichtigung bestimmter Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlicher Belastungen beim Steuerabzug vom Arbeitslohn gemeinsam mit einem Veranlagungsbescheid einen Freibetragsbescheid und eine Mitteilung zur Vorlage beim Arbeitgeber zu erlassen. Der Freibetragsbescheid und eine Mitteilung sind jeweils für das dem Veranlagungszeitraum zweitfolgende Jahr zu erstellen, wenn bei der Veranlagung mindestens einer der folgenden Beträge berücksichtigt wurde:

1. Werbungskosten, die weder gemäß § 62 noch gemäß § 67 Abs 12 oder § 77 Abs 3 zu berücksichtigen sind,

2. Sonderausgaben im Sinne des § 18 Abs 1 Z 1, 6 und 7 und Sonderausgaben im Sinne des § 18 Abs 1 Z 2 nur hinsichtlich der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen.

3. außergewöhnliche Belastungen gemäß § 34 Abs 6 mit Ausnahme von Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden,

4. Freibeträge gemäß §§ 35 und 105, sofern sie nicht gemäß § 62 vom Arbeitgeber berücksichtigt werden.

Dem Freibetragsbescheid sind die gemäß Z 1 bis 4 im Einkommensteuerbescheid berücksichtigten Beträge zugrunde zu legen.

Ein Freibetragsbescheid ist jedoch nicht zu erlassen:

- Nach dem 30. November des Kalenderjahres, für das der Freibetragsbescheid zu ergehen hätte,

- bei Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht,

- bei einem jährlichen Freibetrag unter 90 Euro,

- wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und Vorauszahlungen festgesetzt werden.

(2) Auf Antrag des Arbeitnehmers hat das Finanzamt keinen Freibetragsbescheid zu erlassen oder einen betragsmäßig niedrigeren als den sich gemäß Abs 1 ergebenden Freibetrag festzusetzen.

(3) ...

(4) Das Finanzamt hat auf Antrag des Arbeitnehmers losgelöst von einem Veranlagungsverfahren einen Freibetragsbescheid für das laufende Kalenderjahr zu erlassen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass im Kalenderjahr

- zusätzliche Werbungskosten im Sinne des Abs 1 Z 1 von mindestens 900 Euro oder

- Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden im Sinne des § 34 Abs 6 vorliegen.

Der Antrag muss bis zum 31. Oktober gestellt werden. Gleichzeitig mit der Erlassung eines solchen Freibetragsbescheides ist eine Mitteilung zur Vorlage beim Arbeitgeber im Sinne des Abs 1 zu erstellen. Die Einschränkung des Abs 1 Z 3 ist bei diesem Freibetragsbescheid nicht anzuwenden.

(5) - (8) ...

§ 63 Abs 1 EStG legt fest, unter welchen Voraussetzungen gemeinsam mit dem Veranlagungsbescheid ein Freibetragsbescheid zu erlassen bzw nicht zu erlassen ist. Kein Freibetragsbescheid ist nach dieser Bestimmung (§ 63 Abs 1 aE letzter Teilstrich EStG) zu erlassen, "wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und Vorauszahlungen festgesetzt werden".

§ 63 Abs 4 EStG regelt, wann darüber hinaus auf Antrag des Abgabenpflichtigen losgelöst von einem Veranlagungsverfahren einen Freibetragsbescheid für das laufende Kalenderjahr zu erlassen ist. Dies dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass im Kalenderjahr - zusätzliche Werbungskosten im Sinne des Abs 1 Z 1 von mindestens 900 Euro oder - Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden im Sinne des § 34 Abs 6 vorliegen.

Die Voraussetzungen des Abs 1 aE letzter Teilstrich, wonach bei jener Veranlagung, auf Grund derer der Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer nicht die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und keine Vorauszahlungen festgesetzt werden, müssen dabei auch bei einer von einem Veranlagungsverfahren losgelösten Erlassung eines Freibetragsbescheides erfüllt sein.

Andernfalls hätte es der Steuerpflichtige nämlich in der Hand, durch einen Antrag gemäß Abs 2 im Rahmen der Veranlagung und anschließende gesonderte Beantragung eines Freibetragsbescheides gemäß Abs 4 diese Voraussetzung des Abs 1 zu unterlaufen.

Mit anderen Worten: Wenn bei jener Veranlagung, auf Grund derer ein Freibetragsbescheid zu erlassen wäre, die Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer übersteigt und Vorauszahlungen festgesetzt werden, kann kein gesonderter Freibetragsbescheid beantragt werden (in diesem Sinne auch LStR 2002, Rz 1048).

Im Streitfall steht jedoch außer Streit, dass bei der Veranlagung 2009 die festgesetzte Einkommensteuer die angerechnete Lohnsteuer überstiegen hat und Vorauszahlungen festgesetzt wurden.

Das Finanzamt hat damit zu Recht den Antrag des Bw auf Erlassung eines Freibetragsbescheides abgewiesen.

Die Berufung erweist sich damit als unbegründet und war daher gemäß § 289 Abs 2 BAO abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 1048

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at