Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 26.09.2013, RV/1614-W/09

Dienstverhältnis einer Fitnesstrainerin


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Miterledigte GZ:
RV/1625-W/09

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HRätin Dr. Anna Maria Radschek und die weiteren Mitglieder HR Mag. Wolfgang Tiwald, Werner Just und Mag. Robert Steier im Beisein der Schriftführerin Gerlinde Maurer über die Berufung der Bw., W, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2004 bis 2006 sowie Einkommensteuer 2004 bis 2006 nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) war im Streitzeitraum als Fitnesstrainerin bei der Firma FitnesscenterGmbH als Fitnesstrainerin nichtselbständig beschäftigt. Im Rahmen einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA-Prüfung) beim Sportverein kam hervor, dass die Bw. für einzelne bei der Firma FitnesscenterGmbH abgehaltene Trainingsstunden vom Sportverein unter dem Titel Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Vereinsmitglieder bezahlt wurde und diese Beträge wiederum von der FitnesscenterGmbH dem Verein ersetzt wurden.

In der Folge erstellte das Betriebsfinanzamt über die vom Verein ausbezahlten Beträge Lohnzettel und übermittelte diese dem zuständigen Wohnsitzfinanzamt der Bw., welches die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2006 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufnahm und die Bemessungsgrundlage der gleichzeitig neu erlassenen Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006 um die in diesen Lohnzetteln ausgewiesenen Beträge erhöhte.

In der fristgerecht eingebrachten Berufung wandte die Bw. ein, die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO aufgrund eines neu übermittelten Lohnzettels setze voraus, dass die Vorfrage, ob ein Dienstverhältnis vorliege, gegenüber der Partei des wieder aufzunehmenden Verfahrens bindend (rechtskräftig) geworden sei. Da dies aufgrund des vorliegenden Bescheides nicht der Fall sei, liege kein Wiederaufnahmsgrund vor, weshalb die Wiederaufnahme rechtswidrig erfolgt sei. Folglich seien auch die Wiederaufnahms- und Einkommensteuerbescheide vom aufzuheben.

Für die Tätigkeit im Sportverein bestehe aufgrund der fehlenden persönlichen Arbeitspflicht sowie aufgrund der Anwendbarkeit der Vereinsrichtlinien (Auszahlung lediglich von Kilometer- und Taggeldern) keine Einkommensteuerpflicht. Die Vergütungsvereinbarung sowie ein Muster der Abrechnung der Vergütung wurden beigelegt.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei aufgrund der vom Betriebsfinanzamt am elektronisch übermittelten Lohnzettel durchgeführt worden. Diese seien anlässlich einer GPLA-Prüfung erstellt worden, da die Bezüge der Bw. als lohnsteuerpflichtige Einkünfte gewertet worden seien. Laut Auskunft des Betriebsfinanzamtes seien zwar vom genannten Verein Berufungen gegen die den Prüfungsfeststellungen folgenden Bescheide eingebracht worden, diese seien aber nach Lage des Falles nicht erfolgsversprechend. Einer späteren Änderung der Lohnzettel würde im Rahmen einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens Rechnung getragen werden.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag blieb die Bw. bei ihrer Argumentation in der Berufung.

Mit Schreiben des Unabhängigen Finanzsenates vom wurde der Bw. mitgeteilt, dass sie den Feststellungen der GPLA-Prüfung beim Sportverein zufolge in den Jahren 2004 bis 2006 folgende Beträge erhalten habe:

2004: 1.280,51 €

2005. 3.864,73 €

2006: 905.45 €

Unabhängig davon, ob diese Einnahmen im Rahmen eines Dienstverhältnisses erzielt worden seien, handle es sich jedenfalls um Einnahmen aus einer weiteren Einkunftsquelle. Da diese Einkünfte dem Finanzamt bei Erlassung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide nicht bekannt gewesen seien, sei davon auszugehen, dass im Zuge der GPLA-Prüfung Tatsachen neu hervorgekommen seien, die bisher nicht geltend gemacht worden und geeignet seien, im Spruch anders lautende Einkommensteuerbescheide herbeizuführen, womit der Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 4 BAO erfüllt werde.

Hinsichtlich Ihrer Berufung auf die Vereinsrichtlinien wurde der Bw. mitgeteilt, dass es sich bei diesen mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs um keine beachtliche Rechtsquelle handle. Erlässe der Finanzverwaltung würden keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen.

Da die Bw. in ihrer Berufung aber auf Kilometergelder und Tagesdiäten verweise, werde ihr hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der genannten Frist bekannt zu geben, ob ihr bisher nicht geltend gemachte Werbungskosten erwachsen seien, und Ihr Vorbringen durch geeignete Unterlagen zu belegen.

Mit Schreiben vom übermittelte die damalige steuerliche Vertretung der Bw. die als Unterlagen betreffend Tagesdiäten und Kilometergeld bezeichneten "Aufzeichnungsblätter" des Vereins über die von der Bw. abgehaltenen Trainingsstunden. Die steuerliche Vertretung der Bw. sei sich zwar im Klaren, dass die Vereinsrichtlinien kein Gesetz darstellen würden, weshalb im Zuge der GPLA-Prüfung neue Tatsachen hervorgekommen seien, es sei aber zu prüfen, ob es sich bei der Einkunftsquelle um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handle oder nicht, da dies bei der Berücksichtigung der Aufwände, die mit der Erzielung dieser Einnahmen verbunden seien, von Bedeutung sei.

Wie im Zuge einer dem Gesetz entsprechenden Sachverhaltsermittlung wohl eindeutig ersichtlich sein müsse, handle es sich insbesondere aufgrund folgender Punkte keinesfalls um ein Dienstverhältnis:

Alle Beträge, die geflossen seien und im Rahmen der GPLA-Prüfung als Zahlungen aufgrund eines Dienstverhältnisses dargestellt worden seien, seien lediglich Spesenersätze, die den Vereinsrichtlinien entsprächen und "kein Dienstverhältnis darstellen" würden. Es sei, ohne "den Berufungswerbern" entsprechend Parteistellung zu geben, "deren" Tätigkeit im Rahmen des Vereins offensichtlich als Scheinhandlung dargestellt worden. Bei genauer Betrachtung sei festzustellen, dass kein Dienstvertrag vorliege, nach dem der Leistungserfolg (im konkreten Fall keine vom Ausfall der Stunden unabhängige Vergütung) vergütet worden sei. Davon unabhängig müsse jedes in § 4 Abs. 4 ASVG genannte Tatbestandsmerkmal auch wirklich vorliegen. Als Dienstnehmer gälten Personen, die sich zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichteten und diese persönlich erbrächten. Im Vereinsleben gebe es keine Verpflichtung für ehrenamtlich Tätige, im konkreten Fall hätten sich die Trainer gegenseitig vertreten. Es gäbe keine Sanktionen bei einem Fernbleiben. Darüber hinaus sei die Leistung gefragt, die der Trainer aufgrund seiner Spezialisierung selbst definiere.

Aus den dargestellten Gründen sei sowohl die Sozialversicherungsbeitragsvorschreibung als auch der daraus resultierende Steuerbescheid sowie die Beurteilung der Auszahlungen als Entgelt als Dienstnehmer rechtswidrig. Im Bescheid sei nicht angeführt, welcher Sachverhalt als erwiesen angenommen worden sei. Es sei nicht zu erkennen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliege und nicht ein anderer. Die Bescheidbegründung habe überdies in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung zu bestehen, nach welcher die Behörde die Verwirklichung welcher abgabenrechtlicher Tatbestände durch den in der Begründung angeführten Sachverhalt als gegeben erachte.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung gab die nunmehr steuerlich unvertretene Bw. an, sie habe in den einzelnen Jahren ihre Aerobic-Stunden über den Verein abgerechnet. Mit dem Verein selbst habe sie ansonsten nichts zu tun gehabt, weil dieser in A tätig gewesen sei. Herr X sei damals zu ihnen in das Fitnesscenter in Langenrohr gekommen und habe erklärt, man könne einige Stunden über den Verein steuerfrei abrechnen. Von diesem Angebot habe sie gebraucht gemacht.

FA-Vertreter erklärt, die Bw. sei nichtselbständig tätig gewesen und daher seien die Einkünfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steuerpflichtig. Er beantrage daher, die Berufung gegen die Wiederaufnahmsbescheide sowie Einkommensteuerbescheide abzuweisen.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Bw. war in den Jahren 2004 bis 2006 als Fitnesstrainerin bei der FitnesscenterGmbH nichtselbständig beschäftigt, von welcher dem zuständigen Finanzamt auch Lohnzettel übermittelt wurden. Für die von ihr ebenfalls in den Räumlichkeiten der FitnesscenterGmbH abgehaltenen Aerobic-Stunden erhielt sie ihren Lohn vom Sportverein, der diese Beträge aber von der FitnesscenterGmbH ersetzt bekam. Über diese Bezüge wurde kein Lohnzettel ausgestellt.

Dem Finanzamt war daher zum Zeitpunkt der Erlassung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006 in den Jahren 2006 bis 2007 nicht bekannt, dass die Bw. neben jenen Bezügen, über die Lohnzettel ausgestellt wurden, auch aus der Betätigung für den Sportverein Einnahmen erzielte.

Erst im Rahmen der beim Sportverein in den Jahren 2008 und 2009 durchgeführten GPLA-Prüfung kam der Umstand hervor, dass die Bw. neben den bekannten Einnahmen weitere Einnahmen für die Abhaltung von Aerobic-Stunden erzielte. Das zuständige Finanzamt erhielt hiervon erst durch die Übermittlung weiterer Lohnzettel mit Datum 5.9.52009 über die diesbezüglich erzielten Einnahmen Kenntnis. Die in der Folge erlassenen Wiederaufnahmsbescheide nennen dementsprechend als Wiederaufnahmsgrund die Übermittlung berichtigter oder neuer Lohnzettel, wobei den gleichzeitig neu erlassenen Einkommensteuerbescheiden entnommen werden kann, dass es sich bei den neu übermittelten Lohnzetteln um jene handelt, die über die beim Sportverein erzielten Bezüge Auskunft geben.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich hinsichtlich des Kenntnisstandes des Finanzamtes anlässlich der ursprünglichen Veranlagung zu Einkommensteuer 2004 bis 2006 sowie des Umstandes, wann die Abgabenbehörde von den weiteren Einnahmen erfahren hat, aus den im Abgabeninformationssystem des Bundes gespeicherten Daten. Er wird von der Bw. nicht in Streit gestellt und ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO unter den Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. a und c BAO und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz, BAO4, § 303, Tz 7 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (vgl. Ritz, aaO, § 303, Tz 10 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Im gegenständlichen Fall kam der Umstand, dass die Bw. in den Jahren 2004 bis 2006 bisher nicht bekannte Einkünfte im Rahmen eines Dienstverhältnisses beim Sportverein erzielte, erstmals durch die Übermittlung von Lohnzetteln mit Datum neu hervor. Dies war dem zuständigen Finanzamt zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht bekannt. Die Einbeziehung dieser Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuerbescheide für 2004 bis 2006 führt, wie sich aus den gleichzeitig mit den Wiederaufnahmsbescheiden erlassenen Einkommensteuerbescheiden der genannten Jahre erkennen lässt, zu im Spruch anders lautenden Bescheiden.

Es lagen damit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen vor, die erst später hervorgekommen sind und deren Kenntnis zu im Spruch anders lautenden Bescheiden geführt hätte. Das Finanzamt hat daher, indem es die Übermittlung der Lohnzettel als Wiederaufnahmsgrund anführte, einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund herangezogen.

Die Verfügung der Wiederaufnahme liegt im Ermessen. Wie bei allen Ermessensentscheidungen kommt dem Gleichheitssatz, dem Normzweck und den im § 20 BAO genannten Kriterien Bedeutung zu. Stets hat eine Abwägung aller für die Ermessensübung relevanten Umstände zu erfolgen.

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung. Ausdrücklich sind sie in der betreffenden Bestimmung nur ausnahmsweise genannt. In der Regel sind sie lediglich erschließbar aus dem Zweck der Norm (z. B. das insgesamt richtige Besteuerungsergebnis als Zweck des § 303 Abs. 4 BAO, , vgl. Ritz, aaO, § 20, Tz 5).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben

Die "Billigkeit" gebietet etwa die Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei. Zur "Zweckmäßigkeit" gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, aaO, § 20, Tz 7).

Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (Orientierung an der Intention des Gesetzgebers). Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. Ritz, aaO Tz 10 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs). Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis.

Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Wiederaufnahme letztlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde (vgl. Ritz, aaO, § 303, Tz 38).

Im gegenständlichen Fall kann ein berechtigtes Interesse der Bw. an der Beibehaltung der bisherigen Einkommensteuerbescheide insofern nicht erkannt werden, als durch die Nichtbesteuerung der beim Sportverein erzielten Einkünfte eine nicht begründbare Besserstellung gegenüber anderen Steuerpflichtigen eintreten würde, bei denen sämtliche Einkünfte von vorneherein offen gelegt werden.

Da - wie aus einem Vergleich der ursprünglichen mit den neu erlassenen Sachbescheiden ersichtlich - die steuerlichen Auswirkungen absolut und relativ nicht bloß geringfügig sind, ergibt sich doch eine Einkommensteuernachforderung von insgesamt 2.566,72 €, war die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren auch nicht unzweckmäßig.

2. Betreffend Einkommensteuer 2002 bis 2004:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Bw. war als Fitnesstrainerin bei der FitnesscenterGmbH nichtselbständig beschäftigt. Die im Rahmen dieses Dienstverhältnisses von ihr abgehaltenen Aerobic-Stunden wurden ihr vom Sportverein abgegolten, der die Lohnzahlungen wiederum von der FitnesscenterGmbH erstattet erhielt. Von der Bw. wurden in den Aerobic-Stunden die Kunden der FitnesscenterGmbH in den Räumlichkeiten der GmbH betreut. Die Aerobic-Stunden wurden - wie auch die übrigen Trainingsstunden - mit einem einheitlichen Stundensatz abgegolten.

Mit Ausnahme des Umstandes, dass die Bw. für die Aerobic-Stunden vom Sportverein bezahlt wurde, hatte diese keinerlei Verbindung mit dem Verein. Sie war weder über dessen Aktivitäten informiert noch hatte sie eine Funktion inne.

Der Bw. erwuchsen über die bisher geltend gemachten Werbungskosten hinaus im Zusammenhang mit der Abhaltung der Aerobic-Stunden keine weiteren Ausgaben.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung von der Bw. gemachten Angaben, mit denen sie die im Rahmen der GPLA-Prüfung getroffenen Feststellungen bestätigte.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Wenn diese beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos) Bedacht zu nehmen ().

Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen ().

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers. Ein Tätigwerden nach den jeweiligen zeitlichen Gegebenheiten bringt eine Eingliederung in den Unternehmensorganismus zum Ausdruck, was dem Vorliegen eines Werkverhältnisses zuwider läuft (vgl. etwa ).

Wesentliches Merkmal eines Dienstverhältnisses ist, dass fortlaufende, im Wesentlichen gleich bleibende Arbeiten mit einem fortlaufenden, gleich bleibenden Betrag entlohnt werden (vgl. Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 47, Tz 4.3).

Ein vereinbarter Stundenlohn spricht grundsätzlich, auf Grund des Fehlens einer erfolgsabhängigen Leistungskomponente, für das Vorliegen eines Dienstverhältnissen (vgl. u , 97/13/0164). Die Vereinbarung eines Stundenhonorars stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Indiz dafür dar, dass die im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Personen nicht einen bestimmten Arbeitserfolg geschuldet, sondern ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt haben. Monatliche Einnahmenschwankungen auf Grund einer unterschiedlich hohen Zahl geleisteter Arbeitsstunden sprechen nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses (vgl. ; , 2009/15/0200).

Alleine die Möglichkeit, die Höhe der Einnahmen durch entsprechende Leistungen zu beeinflussen, bedingt noch kein Unternehmerwagnis, wenn der Steuerpflichtige nicht auch die mit der Leistungserbringung verbundenen Kosten tragen muss (vgl. Doralt, EStG6, § 47, Tz 60).

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist von einer Eingliederung der Bw. in den geschäftlichen Organismus der FitnesscenterGmbH auch bei der Abhaltung der Aerobic-Stunden auszugehen. Da die Entlohnung nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und mit vom Arbeitgeber bereitgestellten Arbeitsmitteln erfolgte und die Bw. auch nicht behauptet, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Aerobic-Trainerin die Einnahmen- und Ausgabenseite maßgeblich beeinflussen und so den finanziellen Erfolg ihrer Tätigkeit weitgehend hätte gestalten können, ist als erwiesen anzunehmen, dass auch die Aerobic-Stunden von der Bw. im Rahmen ihres Dienstverhältnisses mit der FitnesscenterGmbH abgehalten wurden und diesbezüglich weder ein Werkvertrag abgeschlossen wurde noch die Bw. als Funktionärin des Sportverein tätig wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise







Ritz, BAO4, § 303, Tz 7, 10, 38
Ritz, BAO4, § 20, Tz 5,7, 10
Hofstätter/Reichel, EStG § 47, Tz 4.3.
Doralt, EStG6. 3 47, Tz 60

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at