Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 06.09.2012, RV/0522-I/09

Ansässigkeit bzw. Mittelpunkt der Lebeninteressen eines in der Schweiz tätigen Arbeitnehmers

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0522-I/09-RS1
wie RV/0213-F/09-RS1
Mit dem Wegfall der sogenannten "Grenzgängerregelung" gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz ist die Auswirkung verbunden, dass das Besteuerungsrecht im Bereich der unselbständigen Einkünfte nun auch österreichische Pendler nach der Schweiz umfasst, die nicht im grenznahen Bereich wohnen bzw. tätig sind, was eine arbeitstägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz ausschließt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Einkommensteuer 2007 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (kurz: Bw), mittlerweile österreichischer Staatsbürger, stammt aus Griechenland und war seit 1996 bis Oktober 2007 mit einer Inländerin verheiratet. Seit der Wintersaison 2003/2004 bis zum Herbst 2007 war er als Kellner bei verschiedenen Arbeitgebern in O (Kanton Graubünden) in der Schweiz beschäftigt. Seinen Hauptwohnsitz hat er in Innsbruck. Zwischen den Saisonen, im Frühjahr und im Herbst, hat er sich in Österreich aufgehalten und hier auch Arbeitslosenunterstützung bezogen. Während der Beschäftigung in der Schweiz ist er nach dem vorliegenden Fahrtenbuch nahezu jeden arbeitsfreien Tag nach Innsbruck gefahren (rd. 220 km) und hat dort seine Freizeit verbracht. Ab November 2007 hatte der Bw in Zürich eine Jahresstelle angenommen und dort eine kleine Wohnung gemietet.

Am reichte der Bw Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2007 beim Finanzamt ein. Für das hier strittige Jahr 2007 machte er Kosten für doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten in der Höhe von 11.538,90 € geltend. In dem am erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2008 berücksichtige das Finanzamt dafür Werbungskosten von 4.286,23 € (Mietaufwendungen für die ab 15. Oktober in Zürich angemietete Wohnung von 1.725,46 € sowie pauschale Werbungskosten für Familienheimfahrten von 2.560,77 €). Insgesamt kam es durch die Besteuerung der in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Anrechnung der in der Schweiz entrichteten Lohnsteuer zu einer Abgabennachforderung von 2.162,55 €. In der Begründung führte das Finanzamt aus, bei der Veranlagung seien die Kosten der doppelten Haushaltsführung (Miete) sowie die Familienheimfahrten im höchstmöglichen Ausmaß (höchstes Pendlerpauschale) berücksichtigt worden. Weiters werde mitgeteilt, dass aufgrund des in den Jahren 2004 bis 2006 geltenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Österreich im vorliegenden Fall für die Jahre 2004 bis 2006 in Österreich keine Steuerpflicht bestehe.

In der gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 eingebrachten Berufung vom brachte der Bw unter Vorlage einer Reihe von Unterlagen vor, er arbeite seit 2003 in der Schweiz und bezahle dort die Quellensteuer als Angestellter. Seit Juni 2007 habe er in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung "B" (für 5 Jahre) und sei in der Schweiz ansässig. Vorher habe er die Bewilligung "L" (09/2003 bis 06/2008) gehabt. Sein Lebensmittelpunkt liege in der Schweiz. Im Jahr 2007 habe er mit seiner österreichischen Frau in Scheidung gelebt, trotzdem habe er eine doppelte Haushaltsführung angegeben, da er öfter nach Innsbruck gefahren sei. Er habe keine Kinder; sei nicht unterhaltspflichtig und habe die Zwischensaisonen nicht bei seiner Frau verbracht. Im Jahr 2007 habe er sich durchgehend in der Schweiz aufgehalten. 2007 sei er vom Engadin nach Zürich übersiedelt und auch von Innsbruck habe er einige Sachen nach Zürich übersiedelt. In der Schweiz habe er keine Unterstützung bekommen. Er habe nichts doppelt bekommen. Seit sei er geschieden, es würden aber noch immer Sachen von ihm in einem Lager seiner Exfrau liegen. Er habe 2007 ca. 2 Mal im Monat wegen Scheidungsangelegenheiten nach Innsbruck fahren müssen und habe daher diese Kosten als Kosten der doppelten Haushaltsführung eingereicht, das aber in seinem Fall nur eine doppelte Lagerführung bei seiner Exfrau gewesen sei. Er habe keinen Grenzgängerstatus, da er vom Anfang an (seit 2003) als Saisonarbeiter im Engadin eine Aufenthaltsbewilligung "L" gehabt habe und nur in der Zwischensaison manchmal in Innsbruck gewesen sei. Meistens habe es sich jedoch wegen der Jobsuche für die nächste Saison in der Schweiz aufgehalten. Er habe mehrmals den Arbeitgeber gewechselt. Er sei auch nicht bei der österreichischen Krankenkasse gemeldet sondern zahle in die Schweizer Krankenkasse ein. Seit Oktober 2007 habe er eine Ganzjahresstelle in der Schweiz. Nach seinem Wissensstand sei es unerheblich, ob er in Innsbruck noch einen Zweitwohnsitz gehabt habe, da dort nicht mehr sein Lebensmittelpunkt sei. Er möchte sich daher beim Finanzamt abmelden, damit er keine jährlichen Einkommensteuererklärungen machen müsse.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wird dazu ausgeführt, laut Abfrage aus dem zentralen Melderegister sei der Bw seit 2000 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Daraus könne geschlossen werden, dass er seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Jahr 2007 in Österreich gehabt habe. Dass er sich bisher nicht meldebehördlich abgemeldet habe, sei ein Hinweis dafür, dass er nicht endgültig in die Schweiz gezogen sei, sondern nach wie vor seinen Wohnsitz in Österreich innehabe. Laut eigenen Angaben des Bw lebe er in Zürich in einer sehr kleinen Wohnung, die Wohnung in Österreich sei daher auch diesbezüglich als Hauptwohnsitz zu betrachten, weil sie im Vergleich zur Schweizer Wohnung eine wesentlich bessere Wohnqualität biete. Er habe im Jahr 2007 bis Bezüge vom Arbeitsmarktservice bezogen. Diese Bezüge hätten ihm nicht gewährt werden können, wenn er bereits in der Schweiz den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gehabt hätte. Die doppelte Haushaltsführung könne nur bei Vorliegen des Hauptwohnsitzes Berücksichtigung finden. Der Vollständigkeit halber dürfe darauf hingewiesen werden, dass der Bw bis zum nur eine Kurzaufenthaltsbewilligung für die Schweiz gehabt habe. Die Aufenthaltsbewilligung für die ganze Schweiz bis zum sei ihm erst am ausgestellt worden. Da sämtliche Indizien eindeutig den österreichischen Mittelpunkt der Lebensinteressen belegen würden, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Im Vorlageantrag vom brachte der Bw ergänzend vor, er sei griechischer Abstammung und es halte ihn nichts in Österreich, obwohl er vor einigen Jahren Österreicher geworden sei. Urlaub mache er in Griechenland, wo er auch rentenversichert sei. Den Nachweis, dass er in der Schweiz lebe, habe er erbracht (Aufenthaltsbewilligungen und Arbeitszeugnisse). Das Problem ergebe sich dadurch, dass man in der Schweiz nicht gleich für 5 Jahre eine Aufenthaltsbewilligung bekomme. Im Jahr 2007 habe er in der Schweiz drei Arbeitsstellen gehabt. Jeweils eine in der Winter- und Sommersaison (mit einer Pause im April-Mai und Oktober) und dann ab Herbst eine Jahresstelle in Zürich, bei der er auch das ganze Jahr 2008 gewesen sei. Es habe also im April-Mai eine Pause gegeben, die von ihm zum Abbrechen der Zelte in Österreich, Erledigung von Scheidungsangelegenheit und die neue Jobsuche in der Schweiz genutzt worden sei. Seit Ende 2006 lebe er nicht mehr in der Wohnung seiner Exfrau und müsse nur wegen der Scheidungsangelegenheiten nach Österreich. Bei einer 2-Zimmer Wohnung in Innsbruck (57 m²) sei wenig Platz für eine Frau und zwei Männer. Außerdem fühle er sich sehr wohl in seiner Wohnung in Zürich (42 m²). Er sei zwar noch unter der Adresse, wo er und seine Frau gemeinsam gewohnt hätten, gemeldet, denn er habe in Österreich noch einen Kredit laufen und eine Leasingrate für das Auto zu bezahlen. Solange er noch Rsa- und Rsb-Briefe bekomme, sei es wohl sinnvoll, wenn er in Österreich noch eine Adresse habe. Seine Exfrau sei damit einverstanden, dass ihre Adresse seine Postadresse in Österreich sei. In Innsbruck sei er so gut wie nie - außer wegen Finanzamtsangelegenheiten, der Kredite und des Besuches alter Freunde. Man müsse ja auch gemeldet sein, wenn man ein österreichisches Kfz-Kennzeichen habe, denn soviel er wisse, müssten Polizeistrafen ja auch zustellbar sein. Es sei ein Leasingauto und er könne es nicht auf ein Schweizer Kennzeichen ummelden. Die Trennung von Tisch und Bett sei keine Sache, die man gleich erledigt habe. Damit man im guten Einvernehmen auseinander gehen könne, brauche es doch etwas Zeit. Die doppelte Haushaltsführung bestehe hauptsächlich aus Fahrten, denn bei einer Scheidung seien einige Dinge zu erledigen und er habe deswegen öfter hin und her fahren müssen. Die Wohnung unter der er gemeldet sei, gehöre seiner Exfrau. Es sei logisch, dass er nach der Trennung dort nicht mehr wohne, oder solle er sich neben ihrem neuen Freund aufs Sofa setzen. In ihrem Keller habe er ein paar Sachen einstellen dürfen, die er mit seinem Auto nach und nach abtransportiert habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen wurde zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Abkommen BGBl. 1975/64 in der Fassung der Abänderungsprotokolle BGBl. 1995/161, BGBl. III 2001/204, BGBl. III 2007/22 (in der Folge kurz: DBA-CH) geschlossen.

Gegenständlich regeln die Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 23 Abs. 1 und 2 des DBA-CH die Besteuerung der schweizerischen unselbständigen Einkünfte des Bw im Hinblick auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Artikel 4 lautet: "1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen)......" 3. Gilt eine natürliche Person nur für einen Teil des Jahres als im Sinne dieser Artikels in einem Vertragsstaat ansässig (Wohnungswechsel), endet die Steuerpflicht, soweit sie an die Ansässigkeit anknüpft, in dem ersten Staate mit dem Ende des Kalendermonats, indem der Wohnsitzwechsel vollzogen ist. Die Steuerpflicht beginnt, soweit sie an die Ansässigkeit anknüpft, im anderen Staate mit dem Beginn des auf den Wohnsitzwechsel folgenden Kalendermonats.

Artikel 15 lautet: "1. Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden......"

Artikel 23 lautet: "1. Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.2. Ungeachtet des Absatzes 1 darf Österreich Einkünfte im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt......"

2) Mit dem am mit der Schweiz unterzeichneten Abänderungsprotokoll (das grundsätzlich ab dem in Wirkung getreten ist, jedoch bei Personen für die sich aufgrund dieses Protokolls eine höhere Gesamtbelastung als nach dem bisherigen Stand des Abkommens ergibt, erst ab Anwendung findet) ist u. a. der Abs. 4 des Artikel 15 DBA-CH, die sogenannte "Grenzgängerregelung" entfallen. Das brachte auf österreichischer Seite eine Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens auf sämtliche Einkünfte aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-CH mit sich. Konkret bedeutet dies: Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 (= Einkünfte aus unselbständiger Arbeit) und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in Österreich und in der Schweiz besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht. Der österreichische Besteuerungsanspruch bei in Österreich ansässigen Personen mit Beschäftigungsort in der Schweiz hängt somit nicht mehr davon ab, dass die Betroffenen den Grenzgängerstatus besitzen. Sie unterliegen dem uneingeschränkten Besteuerungsrecht der Schweiz (bisher wurde von der Schweiz lediglich eine Quellensteuer in Höhe von 3% im Abzugswege erhoben, die von Österreich auf die österreichische Steuer angerechnet wurde). Für Österreich ergibt sich, wie oben ausgeführt, die Verpflichtung, die in der Schweiz nach dem allgemeinen Tarif ermittelte Steuer, die in der Regel höher sein wird als die bisherige 3%-ige Quellensteuer, auf die österreichische Steuer anzurechnen.

Mit dem Entfall des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH ist jedoch die Auswirkung verbunden, dass das Besteuerungsrecht im Bereich der unselbständigen Einkünfte erheblich ausgeweitet worden ist. Betroffen von dieser Ausweitung sind etwa österreichische Saisonarbeiter nach der Schweiz, die sich für mehrere Monate durchgehend in der Schweiz aufhalten, sowie Pendler, die nicht im grenznahen Bereich wohnen bzw. tätig sind. Diese Personen unterliegen nach der beschriebenen Neuregelung erstmals dem österreichischen Besteuerungsrecht (SWI 10/2006, 469).

3) Insoweit der Bw im Jahr 2007 im Inland ansässig war bzw. den Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte unterliegt er der unbeschränkten inländischen Steuerpflicht. Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, wo der Bw im Sinne des oben angeführten Artikel 4 DBA-CH im Streitjahr ansässig war, bzw. wo er den Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte.

4) Unstrittig ist, dass der Bw im Streitjahr, wie auch in den Vorjahren, in der Schweiz Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat. Da er nicht im grenznahen Bereich wohnhaft und tätig war, was eine arbeitstägliche Rückkehr an seinen (rd. 220 km entfernten) Wohnsitz nach Innsbruck ausschloss, unterlag er - wie der Bw zu Recht einwendet - zu keiner Zeit einer Besteuerung als Grenzgänger. Steuerlich war für ihn bis zur Änderung des DBA mit der Schweiz (BGBl. III 2007/22) die Befreiungsmethode des Art. 23 Abs. 1 DBA-CH maßgeblich, dh, er war bis Ende 2006 in der Schweiz steuerpflichtig und in Österreich von der Besteuerung ausgenommen. Durch die oben beschriebene Ausweitung der Anrechnungsregel des Art. 23 Abs. 2 DBA-CH auf sämtliche Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DBA CH, wird für den Bw erstmals im Streitjahr die Ansässigkeit zum maßgeblichen Anknüpfungskriterium für die innerstaatliche Besteuerung.

Für die Auslegung des Begriffes "Wohnsitz" iSd § 1 EStG 1988 ist § 26 BAO maßgebend, wonach jemand dort über einen solchen verfügt, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Die Räumlichkeiten müssen nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sein und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, dh, er muss sie grundsätzlich jederzeit für eigene Wohnzwecke nutzen können, ohne die Zustimmung einer anderen Person einholen zu müssen, er muss - kurz gesagt - die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Wohnung haben. Für die Erfüllung des Kriteriums des "Beibehaltens und Benützens" ist eine gewisse tatsächliche Mindestnutzung der Wohnung erforderlich (vgl. Jakom/Marschner EStG, 2012, § 1 Rz 29 ff). Eine Schlafstelle am Arbeitsplatz stellt laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung ausdrücklich keine Wohnung dar ().

5) Wie der Aktenlage und den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist, ist der Bw - wie bereits in den Vorjahren - im Streitjahr sowohl in der Wintersaison als auch in der Sommersaison in Engadin als Kellner beschäftigt gewesen. In den Zeiten zwischen den Saisonen, im Frühjahr und Herbst, hat er sich in Österreich aufgehalten und dort auch Arbeitslosenunterstützung bezogen. So bezog er im Berufungsjahr in der Zeit vom 11. April bis und in der Zeit vom 16. bis inländische Arbeitslosenunterstützung. Nach den vorliegenden Fahrtenbüchern hat der Bw während seiner Beschäftigung in der Schweiz seit Ende 2003 nahezu jeden arbeitsfreien Tag in Innsbruck verbracht. Auch in dem hier strittigen Jahr 2007 ist er - entgegen seien Angaben in der Berufung - sowohl in der Wintersaison als auch bis zum Ende der Sommersaison meist noch in der Nacht nach Dienstschluss vor seinen arbeitsfreien Tagen nach Innsbruck gefahren und nach den freien Tagen (meist 2 oder manchmal auch nur 1 Tag pro Woche) in der Früh vor Arbeitsbeginn wieder zurück in die Schweiz an seinen Arbeitsort gefahren. Am Dienstort ist er während der Saisonen in einer Personalunterkunft (Personalzimmer) bei seinen Arbeitgebern (Wintersaison 2006/2007: Hotel A, Sommersaison 202007: Hotel E) untergebracht gewesen. Für seine saisonalen Beschäftigungen bis zum Herbst 2007 wurde dem Bw von der Schweizer Fremdenpolizei nur eine sogenannte Kurzaufenthaltsbewilligungen "L" mit einer Gültigkeitsdauer für maximal einem Jahr ausgestellt, um die jedes Jahr bzw. vor jeder Saison wieder neu angesucht werden musste und die nur für einen bestimmten Zweck gewährt worden ist. Erst nach Antritt des unbefristeten Dienstverhältnisses in Zürich im Herbst 2007 hat er in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung "B" mit einer Gültigkeitsdauer von 5 Jahren erhalten. Die kleine Wohnung in Zürich hat der Bw am , somit 14 Tage vor dem Antritt des unbefristeten Dienstverhältnisses angemietet. Vorher hatte der Bw in der Schweiz keine eigene Wohnung. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom ist die Ehe des Bw einvernehmlich geschieden worden.

6) Dieser Sachverhalt ist dem Bw bereits im Vorhalt vom zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig ist ihm mitgeteilt worden, dass auf Grund dieser Feststellungen seine Behauptung, wonach er bereits vor seiner Scheidung nicht mehr in Innsbruck gewohnt habe und bereits Ende 2006 endgültig in die Schweiz gezogen sei, nicht glaubwürdig sei. Für den Fall, dass er seine Behauptung aufrechterhalten sollte, ist er ersucht worden, zweifelsfrei nachzuweisen, dass er bereits ab Ende 2006 seinen ständigen Wohnsitz und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Schweiz gehabt habe.

Einen solchen Nachweis hat der Bw nicht erbracht. In der Vorhaltsbeantwortung vom hat er (neben allgemeinen Ausführungen) lediglich darauf hingewiesen, dass er seit Oktober 2007 (richtig: ab ) eine Ganzjahresstelle in der Schweiz angenommen habe und dort auch wohne.

7) Der Bw, der im Streitjahr zumindest bis Ende Oktober über eine inländische Wohnsitz iSd § 26 BAO verfügte, war daher auch noch im Jahr 2007 in Österreich ansässig. Bis Oktober 2007 besaß er in der Schweiz weder eine längerfristige Aufenthaltsbewilligung noch eine ständige Wohnstätte iSd Art. 4 Z 2 lit a DBA-CH. Auch ist davon auszugehen, dass der Bw bis zu seiner Ehescheidung im Oktober 2007 bzw. bis zur Begründung des unbefristeten Dienstverhältnisses im November 2007 in Zürich, den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Inland hatte. Dort leben seine (mittlerweile geschiedene) Ehegattin und auch seine Freunde und Bekannten und dort verbrachte er - soweit es seine Berufstätigkeit erlaubte - seine Freizeit. Auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht war der Bw im Inland verankert, zumal er einen im Inland aufgenommen Kredit zu bedienen hatte und auch der Leasingvertrag für seinen im Inland gemeldeten PKW hier abgeschlossen worden ist. Ebenso bezog er im Inland bis Ende Oktober 2007 Sozialleistungen in Form von Arbeitslosenunterstützung. Mit der Schweiz, wo der Bw nur in Personalunterkünften seiner jeweiligen Arbeitgeber untergebracht war und wo er für seine saisonalen Dienstverhältnisse nur befristete Kurzaufenthaltsbewilligungen besaß, verband ihm im Steitjahr bis zum November 2007 (wie in den Vorjahren) im Wesentlichen nur seine Berufstätigkeit als Kellner. Aufgrund der immer wieder wechselnden Arbeitgeber und Unterkünfte, denen der Charakter einer ständigen Wohnstätte nicht zugesprochen werden kann, ist auch nicht anzunehmen, dass er über das Arbeitsleben hinaus persönliche oder gesellschaftliche Beziehungen gepflegt hat. Andere Anknüpfungspunkte als die Berufstätigkeit, die auf eine Ansässigkeit in der Schweiz hindeuten würden, sind vom Bw nicht aufgezeigt worden.

8) Einsichtig erscheint hingegen (wie bereits im Vorhalt vom zum Ausdruck gebracht), dass der Bw seit seiner Scheidung von seiner Ehegattin Ende Oktober, nicht mehr im Inland ansässig ist, auch wenn er unter der Wohnung seiner geschiedenen Ehegattin noch polizeilich gemeldet ist und sein PKW angeblich noch ein inländisches Kennzeichen trägt. Es ist davon auszugehen, dass sich nach der Trennung von seiner Frau und der Annahme einer Jahresstelle in Zürich, wo er auch eine kleine Wohnung bezogen hat, auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen in die Schweiz verlagert hat, selbst wenn er noch gelegentlich im Inland auf Besuch bei Freunden ist und behördliche oder wirtschaftliche Angelegenheiten abschießend zu erledigen hat.

Der Bw unterlag daher, nicht wie vom Finanzamt angenommen, das ganze Jahr 2007 sondern nur bis Ende Oktober 2007 im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht.

9) Die vom Bw ab von seinem Arbeitgeber in Zürich bezogenen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit waren daher bei der Berechnung der Einkünfte für das Streitjahr nicht in Ansatz zu bringen. Entsprechend konnten die vom Finanzamt als Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend gemachten Aufwendungen für die Wohnung in Zürich nicht als Werbungskosten berücksichtig werden, zumal sie ausschließlich mit dem im Inland nicht mehr steuerbaren neunen Dienstverhältnis ab in Zusammenhang stehen. Auch waren die für die Familienheimfahrten gewährten Werbungskosten um den auf die Monate Oktober bis Dezember 2007 entfallenden Anteil zu kürzen. Für Oktober wurde eine Reise von Innsbruck nach Zürich und retour geltend gemacht, diese steht aber ebenso bereits im Zusammenhang mit dem im Inland nicht mehr steuerbaren Dienstverhältnis in Zürich. Die als Werbungskosten anerkannten Pflichtbeiträge waren, soweit sie das Dienstverhältnis in Zürich betreffen, ebenfalls zu kürzen.

10) Es ergeben sich somit folgende Berechnungsgrundlagen:


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Bruttobezüge lt Veranlagung:
44.263,00 CHF
26.557,80 EUR
-Einkünfte 11-12/2007 (Hotel-K):
-8.097,00 CHF
-4.858,20 EUR
Bruttobezüge lt. BE:
36.166,00 CHF
21.699,60 EUR

.


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Doppelte Haushaltsführung lt. Veranlagung:
1.725,46 EUR
Familienheimfahrten lt. Veranlagung:
2.560,77 EUR
Werbungskosten lt. Veranlagung:
4.286,23 EUR
- doppelte Haushaltsführung lt. BE:
-1.725,46 EUR
- Familienheimfahrten für 10-12/2007 lt. BE:
-718,02 EUR
Werbungskosten (Familienheimfahrten) lt. BE:
1.842,75 EUR

.


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Werbungskosten (Pflichtbeiträge) .t. Veranlagung:
5.380,00 CHF
3.228,00 EUR
-Pflichtbeiträge 11-12/2007
-934,00 CHF
-560,40 EUR
Werbungskosten (Pflichtbeiträge) lt. BE:
4.446,00 CHF
2.667,60 EUR

.


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ausländische Steuer lt. Veranlagung:
2.204,00 CHF
1.322,40 EUR
-Abzug 11-12/2007 (Dienstverhältnis in Zürich):
-391,00 CHF
-234,60 EUR
anzurechnende ausländische Steuer lt. BE:
1.813,00 CHF
1.087,80 EUR

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Ergeht auch an: Finanzamt als Amtspartei

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Art. 4 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 15 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at