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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 26.09.2013, RV/0779-W/13

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger und die weiteren Mitglieder Hofrat Dr. Walter Mette, Mag.FH Oliver Bruckner und Gerhard Mayerhofer sowie der Schriftführerin Diana Engelmaier über die Berufung des Bw, vertreten durch HM, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 17.576,83 anstatt € 17.772,71 eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der M-GmbH im Ausmaß von € 17.772,71 in Anspruch.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw aus, dass er laut Firmenbuchauszug vom bis unternehmensrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH gewesen sei. Am sei der Antrag auf Konkurseröffnung über das Vermögen der Gesellschaft mangels Vermögens beim Firmenbuchgericht abgewiesen worden. Am  April 2011 sei die amtswegige Löschung der Gesellschaft erfolgt. Die liquidierte Gesellschaft besitze kein verwertbares Vermögen.

Auf Grund der Vermögenslosigkeit und der Beendigung der Gesellschaft sei die Vermögenslosigkeit der aufgelösten Kapitalgesellschaft nachgewiesen.

Der Geschäftsführer hafte für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeit verwendet habe, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Die Behörde führe im Punkt 11des gegenständlichen Haftungsbescheides aus, dass die von dem Haftungspflichtigen ins Treffen geführte Gründe nicht als haftungsbefreiend anerkannt würden, weil dieser im haftungsrelevanten Zeitraum als vollverantwortlicher Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen gewesen sei.

Hierzu sei festzuhalten, dass der Bw noch nicht befragt worden sei und auch keine Möglichkeit gehabt habe, eine Stellungnahme abzugeben. Die Ausführungen der Behörde hinsichtlich der vom Bw ins Treffen geführten Gründe gingen daher ins Leere (Pkt. 11 der Bescheidbegründung). Das Gebot des Parteiengehörs sei daher offenkundig verletzt. Dem in Anspruch genommenen Vertreter sei bislang sein Recht auf Parteiengehör verwehrt worden.

Die M-GmbH habe einen Schuldenstand von rd. € 700.000,00 gehabt. Beispielhaft seien die Großgläubiger EG, die Steuerberatungsgesellschaft L, die RB und SC genannt. Für diese Gläubiger sei es zu einem Totalausfall gekommen, eine Konkursquote habe mangels Masse nicht festgesetzt werden können.

Nach dem Grundsatz der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; , 98/17/0038) gelte unter den Gläubigern ein strenger Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Vertreter habe die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen. Wenn er über (wenn auch nicht ausreichende Mittel) verfüge, so dürfe der Vertreter bei der Tilgung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (; , 2003/14/0094; , 2005/13/0040). Nur die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten berechtige zur Haftungsinanspruchnahme.

Wenngleich die Beweislast über das Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung beim Haftungspflichtigen liege, treffe diesen dann keine Haftung, wenn schon aus der Aktenlage ersichtlich sei, dass mangels liquider Mittel eine Zahlung der offenen Abgabenschulden unmöglich gewesen sei. Da die Abweisung des Konkurses mangels Vermögens aktenkundig sei, sei die Vermutung einer Pflichtverletzung des Vertreters widerlegt. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liege im gegenständlichen Fall unzweifelhaft nicht vor, die anderen Gläubiger hätten ebenfalls einen Totalausfall zu beklagen.

Weiters werde darauf hingewiesen, dass der Bw über kein Einkommen über das gesetzliche Existenzminimum hinaus verfüge, sodass eine Haftungsinanspruchnahme schon aus diesem Grund scheitere. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen sei jedenfalls bei der pflichtgemäßen Ermessensübung zu berücksichtigen (vgl. ; , 2003/14/0040; , 99/15/0199).

Im Laufe des weiteren Verfahrens werde der Bw gegebenenfalls eine detaillierte Nachweisführung über das Nichtvorliegen einer pflichthaften Schuldverletzung (gemeint wohl: schuldhaften Pflichtverletzung) darlegen.

Der Bw stelle den Berufungsantrag, den angeführten Haftungsbescheid als gegenstandslos zu erklären.

Weiters stelle der Bw den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat (§ 282 BAO) und auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass laut Ritz, BAO-Kommentar, bei der Haftungsinanspruchnahme die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen zu berücksichtigen seien. Dazu werde vorgebracht, dass der Bw ein monatliches Einkommen von € 1.016,00 netto beziehe, dies bei Sorgepflichten für ein Kind, sodass sich ein monatlich pfändbarer Betrag von ca. € 12,00 ergeben würde. Im Insolvenzverfahren sei es nicht zur Ausschüttung einer Quote gekommen, sodass jeder Betrag der hier an die Abgabenbehörde zu zahlen wäre, zu einer Begünstigung führen würde.

Im Kridaverfahren sei seitens des Gerichtes nur ein geringfügiges Verschulden des Bw am Eintreten der Insolvenz festgestellt und über ihn deswegen ein dreijähriges Berufsverbot ausgesprochen worden.

Es werde ersucht, diese Umstände im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 20 BAO zu berücksichtigen und wenn möglich von einer Haftungsinanspruchnahme gänzlich Abstand zu nehmen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bw als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit mit Beschluss des Gs vom fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer ergibt sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten durch deren Nichtabfuhr durch den Bw nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 90/13/0143) aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG, wonach jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstellt.

Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch, dass bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt, daher war die Lohnsteuer 4/2009 in Höhe von € 444,25 und Lohnsteuer 7/2009 in Höhe von € 0,20 ungeachtet einer allfälligen Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Gänze zu entrichten.

Dass für die Entrichtung der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bw zwar mit dem Hinweis auf die Abweisung des Konkurses mangels Vermögens und einen Schuldenstand von rd. € 700.000,00 behauptet, doch hat er mit dieser allgemeinen Behauptung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keineswegs ausreichend konkret das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung dargetan.

Dies deshalb, weil der Hinweis auf einen Schuldenstand von rd. € 700.000,00 nicht zielführend ist, weil es nicht auf eine Überschuldung sondern die Liquiditätslage der Gesellschaft ankommt (), und wegen der zwischen den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten und dem Beschluss auf Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH schon verstrichenen Zeitspanne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keine Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben.

Vielmehr hätte das Fehlen der Mittel im maßgeblichen Zeitraum der Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten zu deren vollständiger Entrichtung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () tauglich nur durch Darstellung auch der Einnahmesituation der Primärschuldnerin aufgezeigt werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entbindet auch eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht; eine solche Pflicht besteht etwa dann, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben.

Laut Kontoabfrage wurden bis (€ 582,06) Zahlungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin geleistet. Auch wurden bis einschließlich Mai 2010 Umsatzsteuervoranmeldungen eingebracht, aus denen infolge der für Mai 2010 vorangemeldeten Zahllast von € 2.312,13 die Erzielung von Umsätzen noch im Mai 2010 hervorgeht.

Die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung lässt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar auf das Vorhandensein liquider Mittel, nicht jedoch auf eine aliquote Befriedigung des Abgabengläubigers schließen.

Infolge Einstellung der Zahlungen nach dem bestehen nach der Aktenlage ab diesem Zeitpunkt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung, daher war der Berufung mangels entgegenstehender Feststellungen hinsichtlich der danach fällig werdenden Abgaben (Lohnsteuer 5/2010 in Höhe von € 64,54, Dienstgeberbeitrag 5/2010 in Höhe von € 16,09, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 5/2010 in Höhe von € 1,43, zweiter Säumniszuschlag 2010 in Höhe von € 50,49, Verspätungszuschlag 1/2010 in Höhe von € 63,33) stattzugeben, zumal diese auch nach Ausscheiden des Bw aus seiner Geschäftsführungsfunktion ab fällig wurden.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Sofern der Bw mit dem Hinweis auf sein unter dem Existenzminimum liegendem Einkommen die Ermessensübung des Finanzamtes beanstandet, ist dem zu entgegnen, dass damit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht eine unzweckmäßige Ermessensübung dargelegt wird, da die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können. Laut Firmenbuchauszug war der Bw im haftungsrelevanten Zeitraum einziger Geschäftsführer der Gesellschaft, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinne der § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO, und können diese Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Behörde daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw für die laut Rückstandsaufgliederung vom nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der M-GmbH im Ausmaß von € 17.576,83 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Geschäftsführer
schuldhafte Pflichtverletzung
Uneinbringlichkeit
Ermessen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at