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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 20.07.2011, RV/0219-L/08

"Großes Pendlerpauschale", wenn der PKW für Fahrten zwischen mehreren Arbeitsstätten benötigt wird.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung Berufungswerberin, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer 2006 entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin, welche neben ihren nichtselbständigen Einkünften, solche aus Vermietung und Verpachtung bezieht, wurde mit dem Bescheid datiert vom antragsgemäß zur Einkommensteuer 2006 veranlagt.

Dagegen richtet sich die Berufung vom , in welcher sie ersuchte, Kilometergeld für Fahrten zwischen dem Hauptstandort der Schule, an welcher sich unterrichte und deren Zweigstelle, welche sie in der Einkommensteuer nicht als Werbungskosten geltend gemacht habe, für 917 km und daher in der Höhe von € 344,79 anzuerkennen.

In der Berufungsvorentscheidung datiert vom folgte das Finanzamt dem Begehren der Berufungswerberin, kürzte jedoch die Werbungskosten um das bereits im Lohnzettel berücksichtigte Pendlerpauschale (€ 270,00) und begründete dies damit, dass über dieses Thema bereits ein Telefongespräch geführt worden sei. Für die Fahrten zwischen der Wohnung der Berufungswerberin und ihrer Arbeitsstätte sei nämlich die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar.

Die Berufungswerberin wurde dazu aufgefordert, ab 2008 bei ihrem Dienstgeber die Berücksichtigung des Pendlerpauschales zu widerrufen und für 2007 im Zuge der Einkommensteuererklärung die zu beantragenden Werbungskosten dementsprechend zu kürzen.

Gegen die beschriebene Berufungsvorentscheidung datiert vom richtet sich der als Berufung bezeichnet Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz datiert vom eingelangt am .

Darin brachte die Berufungswerberin vor, dass ihr die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar sei, da zum Beginn und zum Ende des Unterrichts kein solches verkehre. Außerdem müsse sie auch in der Zweigstelle der Schule unterrichten. Für diesen Weg gebe es kein öffentliches Verkehrsmittel. Würde sie für den Weg zum Hauptstandort der Schule ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen, könne sie die Zweigstelle nicht erreichen.

Anlässlich der Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat brachte die Berufungswerberin mit Schreiben vom noch vor, dass für sie unmöglich oder nicht zweckmäßig sei, ein vorhandenes öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, um zu ihrer Arbeitsstätte zu gelangen.

Das Hauptgebäude der Schule, an welcher sie unterrichte sei 3,5 km von der Expositur entfernt und habe sie in beiden Gebäuden zu unterrichten. Für den Wechsel zwischen den beiden Arbeitsorten würde ihr nur die zehnminütige Pause zur Verfügung stehen, wenn sich Unterrichtstunden am Hauptgebäude und in der Expositur unmittelbar aneinander anschließen. Sie sei auf ihren PKW angewiesen, da ein allfälliges öffentliches Verkehrsmittel ihr nicht erlaube, den Ortswechsel in diesem Zeitraum durchzuführen und wäre dafür das amtliche Kilometergeld auch als Werbungskosten anerkannt worden. Ihr werde aber für die Fahrt vom Wohnort zum Hauptgebäude oder der Expositur das Nutzen des öffentlichen Verkehrsmittels vorgeschrieben. Für die Fahrt zwischen beiden Gebäuden sei sie aber gezwungen ihren PKW zu verwenden. Es sei unschlüssig von ihr zu erwarten, ein öffentliches Verkehrsmittel für den Weg zum ersten Arbeitsort zu verwenden, wenn sie für den Wechsel zwischen den Arbeitsorten einen PKW benötige.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach den Angaben verschiedener Routenplaner ist Fahrtstrecke zwischen der Wohnung der Berufungswerberin und ihren beiden Arbeitsstätten jeweils kleiner als 20 km, was auch von der Berufungswerberin nicht bestritten wird. Die Entfernung zwischen den beiden Arbeitsorten beträgt 3,6 km (Fahrzeit mit dem PKW etwa sieben Minuten).

Es ist sowohl der Berufungswerberin als auch dem Finanzamt darin zuzustimmen, dass die Aufwendungen für Fahrstrecken zwischen mehreren Arbeitsorten, welche bei der Berufungswerberin gleichzeitig mehrere Mittelpunkte derselben nichtselbständigen Tätigkeit bilden, jedenfalls als Werbungskosten gemäß § 16 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) anzusehen sind (ständige Rechtsprechung vergleiche etwa zuletzt: UFS RV/2635-W/10, ).

Dementsprechend ist der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2006 insofern wie in der Berufungsvorentscheidung vom abzuändern als € 344,79 an tatsächlichen Fahrtkosten entsprechend der von der Berufungswerberin geführten Aufzeichnen für Fahrten zwischen den beiden Arbeitsorten geschätzt gemäß § 184 BAO mit € 0,376 /km für 917 km als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 anzusetzen waren.

Zu prüfen ist allerdings noch, ob die Pauschalierungsregelung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angewendet werden kann.

Anders als bei den betrieblichen Einkünften, sind bei den nichtselbständigen Einkünften die Aufwendungen für Fahrten vom Wohnort zur Arbeitsstätte nicht die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen, sondern sind diese Aufwendungen in der Regel durch den Verkehrsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 5 EStG 1988 abgegolten. Dieser hatte im Jahr 2006 eine Höhe von € 291,00, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Steuerbelastung der Berufungswerberin Werbungskosten von ungefähr € 1.084,00 entspricht.

Kommt aufgrund der unter 20 km liegenden Wegstrecke zwischen dem Wohnort und den Arbeitsorten der Berufungswerberin es nicht in Betracht § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 anzuwenden, ist nur noch zu beurteilen, ob bei der Berufungswerberin im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benutzung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrstrecke nicht zumutbar war (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988). In diesem Fall wäre ein Pauschbetrag von € 270,00 ("großes Pendlerpauschale" für eine Wegstrecke von 2 bis 20 km) zu berücksichtigen.

Zweck der letztgenannten Bestimmung ist, es jene Arbeitnehmer zu fördern, die an Orten arbeiten oder wohnen, wo auf der Wegstrecke von und zum Arbeitsplatz keine ausreichende öffentliche Verkehrsinfrastruktur vorhanden ist. Dabei handelt es sich um eine abstrahierte Globalbetrachtung, welche auf den Einzelfall nur bedingt Rücksicht nimmt.

So wird etwa der angestellte Vertreter, der jeden Tag mit seinem privaten PKW zu seinem Arbeitgeber fährt, um dort Unterlagen mitzunehmen oder abzugeben, um dann den ganzen Tag Kunden zu besuchen, nicht anders behandelt, wie jemand der die Jahreskarte der Verkehrsbetriebe einer größeren Stadt (zum Beispiel Straßenbahn, U-Bahn et cetera) nutzen kann. Dies gilt, obwohl der angestellte Vertreter vernünftigerweise jedenfalls mit seinem PKW zum Arbeitgeber fahren wird, egal wie günstig die öffentlichen Verbindungen sind.

Gleiches gilt auch im Fall der Berufungswerberin. Entscheidend ist daher nicht, ob sie ihren PKW im Laufe des Tages benötigt, um zwischen verschiedenen Arbeitsstätten hin- und herzufahren, sondern nur, ob diese Arbeitsstätten nach den Kriterien des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 abstrakt betrachtet zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind.

Dies ist abgesehen von den Fällen körperlichen Behinderung des Arbeitnehmers dann der Fall, wenn die einfache Wegstrecke unter 20 km mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur in mehr als 1,5 Stunden bewältigt werden kann (ständige Judikatur siehe etwa : "Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0001). Zur Auslegung des Begriffes der ,Zumutbarkeit' iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG hat der Verwaltungsgerichtshof die Gesetzesmaterialien herangezogen (vgl. die hg Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Nach den Gesetzesmaterialien ist im Nahbereich von 25 km die Benützung des Massenbeförderungsmittels jedenfalls zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt.").

Lag die Fahrtzeit der Berufungswerberin an die beiden Arbeitsstätten mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Jahr 2006 zwischen 12 und 38 Minuten und standen diese Verkehrsmittel in der Zeit ab 6:45 Uhr bis 21:55 Uhr (für die Rückfahrt nur bis 18:17 Uhr) in der Regel zwei mal in der Stunde zur Verfügung (Quelle: Fahrpläne der ÖBB 2006), muss davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerberin zumutbare öffentliche Verkehrsmittel zu den erforderlichen Zeiten im Jahr 2006 zur Verfügung gestanden sind.

Unter dem Blickwinkel der durch § 16 Abs. 1 lit. c EStG 1988 vorgegebenen abstrahierten Betrachtungsweise blieben daher die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar, auch wenn die Berufungswerberin später für Fahrten zwischen den beiden Arbeitsstätten einen PKW benötigt hat und war der angefochtene Einkommensteuerbescheid wie in der Berufungsvorentscheidung vom insofern abzuändern, als ein Pauschbetrag nach § 16 Abs. 1 lit. c EStG 1988 nicht zuerkannt wird.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Wohnort
Arbeitsstätte
zumutbar
Wegstrecke
abstrakt
Betrachtungsweise
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at