Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 30.12.2009, RV/1621-W/05

Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem tatsächlichen Wert

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz, 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , ErfNr., betreffend Grunderwerbsteuer entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs. 2 BAO abgeändert wie folgt: Die Grunderwerbsteuer wird festgesetzt mit € 101,00 (gemäß § 7 Z 1 GrEStG 2 % von der Gegenleistung von € 5.050,00).

Entscheidungsgründe

Mit am beurkundetem Übergabsvertrag erwarb der Berufungswerber (Bw.) unter Beitritt seines Onkels (Sohn der Übergeberin) von seiner Großmutter die Liegenschaft EZ, KG samt Einfamilienhaus gegen ein Ausgedinge zu Gunsten der am xxx.1920 geborenen Übergeberin und des am xxx.1945 geborenen Beitretenden.

Bei dem Ausgedinge handelt es sich um Pflege und Betreuung der Übergeberin und des Beitretenden, um das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht zu Gunsten der Übergeberin und um das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht zu Gunsten des Beitretenden, jedoch nur für den Fall des Vorablebens der Übergeberin.

Für Zwecke der Gebühren- und Steuerbemessung wurde die Gegenleistung mit € 7.200,00 sinngemäß wir folgt erklärt: Pflegeleistung für die Übergeberin € 100,00 mtl. x voraussichtliche Dauer der Pflegeleistungen von 12 Monate im Hinblick auf das Alter der Übergeberin; Pflegeleistung für die beitretende Vertragspartei € 100,00 mtl. x voraussichtliche Dauer der Pflegeleistungen von 24 Monate im Hinblick auf eine schwere Krebserkrankung; Wohnungsrecht zu Gunsten der Übergeberin € 150,00 mtl. x 12 Monate und Wohnungsrecht zu Gunsten der beitretenden Vertragspartei € 150,00 mtl. x 12 Monate.

Auf Grund dieser Angaben setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (FAG) mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid Grunderwerbsteuer mit 3,5 % der erklärten Gegenleistung von € 7.200, somit mit € 252,00 fest.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wendete der Bw. ein, dass er der Enkelsohn der Übergeberin sei, sodass der Steuersatz von 2% zur Anwendung komme, und die Grunderwerbsteuer somit € 144,00 betrage.

Der Berufung wurde vom FAG mit Berufungsvorentscheidung hinsichtlich des Steuersatzes Folge gegeben, die Bemessungsgrundlage wurde jedoch auf € 27.149,44 berichtigt und somit die Grunderwerbsteuer mit € 542,99 festgesetzt. In der Begründung führte das FAG dazu aus, dass das Bewertungsgesetz eine Schätzung der Lebenserwartung unter Berücksichtigung von Erkrankungen nicht vorsehe. Das Wohnungsrecht errechnete das FAG ausgehend vom erklärten mtl. Wert dieses Rechtes von € 150,00 unter Berücksichtung des Lebensalters der beiden begünstigten Personen mit € 23.549,44. Für die Pflege und Betreuung wurde der erklärte Wert von € 3.600,00 angesetzt.

In dem dagegen eingebrachten Vorlageantrag wendete der Bw. ein, der Wert des Wohnrechtes betrage nur € 3.600,00. Es sei unzutreffend, dass es für den Kapitalwert wiederkehrender Nutzungen und Leistungen nur auf die statistische Erlebenswahrscheinlichkeit ankomme und dass eine Schätzung der Lebenserwartung unter Berücksichtigung von Erkrankungen nicht vorgesehen sei. Das ergebe sich gerade aus § 16 Abs. 3 BewG. Weiters wendete der Bw. ein, dass der Wert des Wohnungsrechtes auch deshalb unrichtig errechnet worden sei, weil die Erlebenswahrscheinlichkeiten der Übergeberin und der beigetretenen Vertragspartei addiert worden seien. Beim Wohnungsgebrauchsrecht der beigetretenen Partei handle es sich um einen bedingten, ungewissen Anspruch.

Auf Grund einer Rückfrage gab das Bezirksgericht Neusiedl am See gegenüber dem Unabhängigen Finanzsenat (UFS) bekannt, dass die Übergeberin am xxx.2006 und der dem Vertrag beigetretene Onkel am xxxx.2006 verstorben sei.

Anlässlich eines Erörterungsgespräches mit dem FAG wurde diesem vom UFS unter Hinweis auf die Bekanntgabe des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vorgehalten, dass die tatsächliche Nutzungen weniger als die Hälfte der nach § 16 Abs. 1 und 2 BewG ermittelten Werte betragen hätten. Dazu erklärte das FAG, dass die tatsächliche Leistung zu ermitteln sei. Auf Grund der Angaben des Bw. ergebe sich eine Leistung für die Pflege und das Wohnungsrecht von € 250,00 mtl. x 13 Monate (= € 3.250,00), für die Pflege des Beitretenden von € 100,00 mtl. x 15 Monate (= € 1.500,00) und für das Wohnungsrecht des Beitretenden € 150,00 mtl. x 2 Monate (= € 300,00).

Über die Berufung wurde erwogen:

Fest steht, dass der Bw. mit seiner Großmutter als Übergeberin am den oben dargestellten Übergabsvertrag abgeschlossen hat, dass die am xxx.1920 geborene Übergeberin am xxx.2006 und der am xxx.1945 geborene Onkel des Übergebers, der dem Vertrag beigetreten war, am xxxx.2006 verstorben ist. Der monatliche Wert der jeweiligen Gegenleistungen ist unbestritten. Strittig ist lediglich die Höhe der Gegenleistung, im Besonderen die Berechnung der Kapitalwerte der wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen.

§ 16 BewG idF BGBL. 71/2003 lautet:

"(1) Der Wert von Renten, wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen sowie dauernden Lasten, die vom Ableben einer oder mehrerer Personen abhängen, ergibt sich aus der Summe der von der Erlebenswahrscheinlichkeit abgeleiteten Werte sämtlicher Rentenzahlungen, der einzelnen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen, sowie dauernden Lasten abzüglich der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen (versicherungsmathematische Berechnung). Dabei ist der Zinssatz gemäß § 15 Abs. 1 anzuwenden. (2) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, an Hand anerkannter Methoden durch Verordnung festzusetzen, von welchen Erlebenswahrscheinlichkeiten auszugehen ist. (3) Hat eine Rente, wiederkehrende Nutzung oder Leistung sowie dauernde Last tatsächlich weniger als die Hälfte des nach Abs. 1 und 2 ermittelten Wertes betragen und beruht der Wegfall auf dem Tod des Berechtigten oder Verpflichteten, so ist die Festsetzung von nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag nach der wirklichen Höhe der Rente Nutzung, Leistung oder Last zu berichtigen. § 5 Abs. 2 zweiter und dritter Satz gelten entsprechend. Ist eine Last weggefallen, so bedarf die Berichtigung keines Antrages".

§ 16 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 ist nach § 86 Abs. 8 BewG erstmals für Abgabentatbestände anzuwenden, auf Grund derer die jeweilige Abgabenschuld nach dem entsteht. § 16 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 ist auf Grund des § 86 Abs. 9 BewG auf Berichtigungen von Renten, wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen sowie dauernden Lasten anzuwenden, die nach den Vorschriften des § 16 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 bewertet wurden. In allen anderen Fällen ist § 16 Abs. 3 in der Fassung vor der Kundmachung BGBl. I Nr. 165/2002 maßgebend.

Maßgeblich für die Bewertung der als Gegenleistung vereinbarten wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen sind im Hinblick darauf, dass die Steuerschuld für den gegenständlichen Erwerbsvorgang mit Vertragsabschluss am entstanden ist, die Bestimmungen des § 16 BewG in der oben dargestellten Fassung in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur verbindlichen Festsetzung von Erlebenswahrscheinlichkeiten zum Zwecke der Bewertung von Renten und dauernden Lasten (ErlWS-VO 2004) idF BGBl. 627/2003.

Der Bw. hat bei der Berechnung des Kapitalwertes der Ausgedingeleistungen für die Übergeberin den einfachen Jahreswert dieser Nutzungen und Leistungen herangezogen. Der Bw. ist dabei offensichtlich von einer früheren Fassung des § 16 BewG ausgegangen.

Der sich nach § 16 Abs. 1 und 2 BewG iV mit der ErlWS-VO 2004 ergebende Wert der Ausgedingeleistungen für die Übergeberin beträgt ausgehend von dem vom Bw. erklärten monatlichen Wert von € 250,00 € insgesamt € 11.117,21.

Der sich nach § 16 Abs. 1 und 2 BewG iV mit der ErlWS-VO 2004 ergebende Wert der Pflege des Onkels beträgt ausgehend von dem vom Bw. erklärten monatlichen Wert von € 100,00 insgesamt € 15.390,05.

Das Wohnungsrecht des Onkels wurde nur für den Fall des Vorablebens der Übergeberin eingeräumt und war daher aufschiebend bedingt vereinbart.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. der Berufungsvorentscheidung war die Bedingung noch nicht eingetreten und es hätte daher seinerzeit der Wert des Wohnungsrechtes zu Gunsten des Beitretenden noch nicht berücksichtigt werden dürfen.

Ist der Erwerber eines Grundstücks eine aufschiebend bedingte Verpflichtung eingegangen, die nach allgemeinen Kriterien als Gegenleistung zu betrachten ist, so wird diese Verpflichtung mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung zur Gegenleistung (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer - Kommentar, Rz 10a zu §5 GrEStG).

Der sich nach § 16 Abs. 1 und 2 BewG iV mit der ErlWS-VO 2004 ergebende Wert der Wohnungsrechtes des Onkels zum Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung mit dem Tod der Übergeberin am xxx.2006 beträgt ausgehend von dem vom Bw. erklärten monatlichen Wert von € 150,00 insgesamt € 22.651,71.

Unter Zugrundelegung der erklärten monatlichen Werte ergibt sich der tatsächliche Wert der Ausgedingeleistungen an die Übergeberin mit € 3.250,00 (€ 250,00 mtl. x 13 Monate), der tatsächliche Wert der Pflege des Beitretenden mit € 1.500,00 (€ 100,00 mtl x 15 Monate) und der tatsächliche Wert des Wohnungsrechtes des Beitretenden mit € 300,00 (€ 150,00 x 2 Monate).

Da der Wegfall auf dem Tod der jeweiligen Berechtigten beruht und der tatsächliche Wert der wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen jeweils weniger als die Hälfte der nach § 16 Abs. 1 und 2 ermittelten Werte beträgt, war die Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf Grund des § 16 Abs. 3 BewG zu berichtigen. Da eine Last weggefallen ist, hatte die Berichtigung von Amts wegen zu erfolgen (siehe -F/06).

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Die Berufungsbehörde muss also in ihrer Entscheidung nicht nur über alle jene Punkte absprechen, die der Berufungswerber bekämpfte, sondern sie hat auch in Beachtung der Vorschrift der §§ 114 f und 280 BAO den angefochtenen Bescheid in allen anderen Belangen auf seine Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit einer Prüfung zu unterziehen und deren Ergebnis ihrer Berufungsentscheidung zugrunde zu legen. Sie kann daher über das Berufungsbegehren hinaus den angefochtenen Bescheid sowohl zugunsten wie auch zu Ungunsten des Berufungswerbers abändern ().

Das FAG berücksichtigte im angefochtenen Bescheid bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage das Wohnungsrecht des Beitretenden zu Unrecht, da seinerzeit die Bedingung noch nicht eingetreten war. Da diese Leistung aber bereits Sache des erstinstanzlichen Bescheides war und die Bedingung zwischenzeitig eingetreten ist, war diese Leistung nunmehr bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer mit dem nach § 16 Abs. 3 berichtigten Wert zu berücksichtigen (vgl. -I/02).

Da die mit erstinstanzlichem Bescheid zu Recht fällig gestellte Grunderwerbsteuer die nunmehr berichtigte Grunderwerbsteuer übersteigt, war eine Änderung der Fälligkeit für die auf die bedingte Leistung entfallende Grunderwerbsteuer nicht erforderlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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