Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 24.09.2013, RV/0483-I/12

Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wegen behaupteter erheblicher Behinderung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, Adr, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes F. vom betreffend Gewährung erhöhter Familienbeihilfe ab März 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die am geborene Berufungswerberin stellte am einen Eigenantrag auf rückwirkende Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe. Als Begründung wurde das Vorliegen einer erheblichen Behinderung (rezidivierende mittelgradige Depression, ADHS) angegeben.

Das Finanzamt holte beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Bundessozialamt) eine Bescheinigung nach § 8 Abs. 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) ein. Darin wurde der Berufungswerberin das Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH, voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend, attestiert und als Rahmensatzbegründung die zahlreichen stationären Aufnahmen, die laufende Pharmako- und Psychotherapie sowie die Berufsunfähigkeitspension angeführt. Als Zeitpunkt der Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung wurde aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde der November 2010 anerkannt. Die Untersuchte sei voraussichtlich dauernd außerstande, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen. Weiters wurde angeführt, dass die Behinderung nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sei. Der Krankheitsbeginn wurde mit dem Jahr 1998 angegeben.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe daraufhin mit Bescheid vom mit der Begründung, dass die Krankheit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei, ab.

Dagegen wurde mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Begründend wurde vorgebracht, dass die Berufungswerberin bereits im Jahr 1994 an Depressionen gelitten habe. Gleichzeitig wurde die erste Seite eines Arztbriefes der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Innsbruck vom vorgelegt, indem berichtet wird, dass am dritten postoperativen Tag (nach einer Sectio) ein psychiatrisches Konsilium eingeleitet und dabei eine "reaktiv depressives Syndrom" festgestellt worden sei, wobei sich kein weiteres Procedere anschloss.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, weil die Berufungswerberin verheiratet und deshalb von ihrem Ehegatten Unterhalt zu leisten sei. Ob die Behinderung schon vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei, komme daher keine Bedeutung zu.

Mit der als Vorlageantrag zu wertenden Eingabe vom führte die Berufungswerberin ergänzend aus, dass sie zum Zeitpunkt des Ausbruches der Krankheit im Jahr 1994 noch nicht verheiratet gewesen sei. Sie beziehe aufgrund der Krankheit eine Berufsunfähigkeitspension. Mit ihren Exgatten sei vereinbart worden, gegenseitig auch im Falle der Not auf Unterhalt zu verzichten. Die Beschlüsse wurden in Kopie beigelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 in der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen einen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

§ 8 Abs. 4 bis 6 FLAG 1967 gilt nach § 8 Abs. 7 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Der Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 steht bei Vorliegen einer erheblichen Behinderung demnach nur zu, wenn auch die Voraussetzungen für die Gewährung des Grundbetrages an Familienbeihilfe vorliegen. Auf den Grad der Behinderung kommt es bei der Beurteilung des Anspruches auf den Grundbetrag nicht an. Besteht keine vor Vollendung des 21. Lebensjahres (im Falle einer Berufsausbildung bis spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, ab bis spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag zu (vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 19ff).

Im vorliegenden Fall liegt zwar ab November 2010 unstrittig ein Grad der Behinderung von 70 vH vor. Dass jedoch bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres, also bereits vor dem , die Krankheit einen Grad erreicht hätte, dass es der Berufungswerberin unmöglich gewesen war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, kann dem Gutachten des Bundessozialamtes, an das die Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe ua. ) gebunden ist, nicht entnommen werden.

Die Bescheinigung erweist sich auch nicht als unschlüssig. Die Anmerkung im Arztbrief der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Innsbruck vom April 1994, dass ein "reaktiv depressives Syndrom" festgestellt worden sei, vermag die Bescheinigung nicht in Zweifel zu ziehen. Abgesehen davon, dass diese Diagnose offensichtlich vorerst keine weitere Behandlung erforderlich machte - im Arztbrief wird angeführt, dass kein weiteres Procedere folgte - handelt es sich bei der aktuellen Diagnose um eine "rezidivierende depressive Störung". Allein aufgrund dieser Anmerkung im Arztbrief kann daher nicht abgeleitet werden, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Stadium der Erkrankung vorlag, die es der Berufungswerberin unmöglich machte, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für diese Ansicht sprechen auch die Ausführungen von Univ.-Doz. DrP., der von einer Verschlechterung des Zustandes und des Eintrittes der Arbeitsunfähigkeit erst mit Juli 2011 (nach einem Rehabilitationsaufenthalt) ausgeht. Dementsprechend wurde auch die Berufsunfähigkeitspension erst ab diesem Zeitpunkt gewährt.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass beim vorliegenden Sachverhalt einer Depression, bei der Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit in unterschiedlichster Ausprägung vorliegen können, es Sache der Berufungswerberin gewesen wäre, durch Vorlage entsprechender Beweismittel den Sachverständigen in die Lage zu versetzen, eine verlässliche Beurteilung im relevanten Zeitpunkt (vor August 1995) vornehmen zu können. Auf die Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Beweismittel wird im Antragsformular auch deutlich hingewiesen. Auf einen entsprechenden Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates vom hat die Berufungswerberin nicht reagiert. Es ist daher davon auszugehen, dass keine weiteren Unterlagen und Nachweise beigebracht werden können, mit denen das Vorliegen der Voraussetzungen im maßgeblichen Zeitraum belegt werden könnte.

Im Übrigen würde ab dem auf die Eheschließung folgenden Kalendermonat - der genaue Zeitpunkt wurde der Behörde nicht bekannt gegeben - nach § 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ohnehin kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestehen und ein allfälliger Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe könnte nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 auch nur höchstens für fünf Jahre rückwirkend gewährt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

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