Keine Anwendbarkeit des § 24 Abs. 6 EStG (Hauptwohnsitzbefreiung) bei Betriebsveräußerung
Rechtssätze
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RV/0120-S/09-RS1 | Der Einwand, dass auch bei Betriebsveräußerungen soziale Härtefälle möglich sind, die die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 24 Abs. 6 EStG rechtfertigen würden, trifft dann nicht zu, wenn die nicht realisierten stillen Reserven im zurückbehaltenen Vermögen (Betriebsgebäude) wesentlich niedriger als die realisierten stillen Reserven im veräußerten Betrieb sind. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, Ort, StraßeA, vertreten durch WT, Ort, StraßeB, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO betreffend 2006 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die öffentliche Apotheke in Ort, StraßeA (Apotheke) wurde bis auf Grund der dem persönlich haftenden Gesellschafter K mit Bescheid vom erteilten Konzession in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (Bw) unter der bis dato zu FN y des Landesgerichtes Ort2 eingetragenen Firma Apotheke K KG betrieben.
Mit Kaufvertrag vom verkauften die Verkäuferin Apotheke K sowie K, Apotheker, das oben genannte Apothekenunternehmen mit Stichtag an Käufer. Als Kaufpreis wurden gemäß § 3 des Kaufvertrages EUR 2,401.000,00 netto zuzüglich des Wertes des Warenlagers und abzüglich dort näher genannter Ansprüche des Personals vereinbart.
Gemäß § 2 des Kaufvertrages umfasst das kaufgegenständliche Apothekenunternehmenalles tatsächliche und rechtliche Zubehör, alle Sachwerte (Anlage- und Umlaufvermögen), insbesondere auch die Rezepturen für die von der Verkäuferin geführten Hausspezialitäten, sowie immaterielle Vermögenswerte gemäß Jahresabschluss zum . Ausgenommen von diesem Kauf sind sämtliche Passiven der Gesellschaft sowie das der Verkäuferin zustehende Finanzumlaufvermögen (liquide Mittel, Forderungen), die Firmen PKWs, die zur Deckung der Abfertigungsrückstellung angeschafften Wertpapiere sowie sämtliche im Anlagenverzeichnis enthaltenen Gebäude und Grund und Boden.
Gemäß §11 legt K die zum Betrieb des kaufgegenständlichen Apothekenunternehmens erteilte Konzession unter der Bedingung zurück, dass eine Konzession zum Betrieb dieses Apothekenunternehmens unter Aufrechterhaltung des bisherigen Standortes an den oben genannten Käufer verliehen wird. Gleichzeitig erklärt er, dass die rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsgewalt an dem gegenständlichen Apothekenunternehmen mit gemäß § 46 Abs 2 ApG auf den Käufer übergeht.Die Rechtswirksamkeit des gegenständlichen Vertrages ist für den Fall der Nichterteilung der Konzession an den Käufer auflösend bedingt.
Mit Bescheid der Österreichischen Apothekerkammer wurde dem Käufer mit Wirksamkeit zum die Konzession zum Betrieb der öffentlichen Apotheke, in Ort, StraßeA unter Aufrechterhaltung des bisherigen Standortes erteilt.
Die Liegenschaft EZ, GrundbuchOrt, welche im Eigentum von K steht und zu 65% betrieblichen Zwecken dient (Betrieb der Apotheke), wurde nicht an den Erwerber des Apothekenunternehmens verkauft, sondern mit Stichtag in das Privatvermögen von K übernommen. Mit Mietvertrag vom vermietete Letztgenannter an den Erwerber des Apothekenunternehmens beginnend ab auf unbestimmte Dauer die unter Punkt 1 des Vertrages näher beschriebenen Räumlichkeiten, welche ausschließlich zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke samt damit in Zusammenhang üblicherweise geführten Nebengewerben verwendet werden dürfen. Einvernehmlich wird festgehalten, dass sich in dem gegenständlichen Haus drei selbständige Bestandobjekte befinden (Geschäftslokal, Arztordination und Privaträumlichkeiten des Vermieters). Nach Punkt 2 des Mietvertrages verzichtet der Mieter darauf, das Bestandverhältnis zu einem Termin aufzukündigen, der vor dem liegt. In Punkt 14 des Vertrages räumt der Vermieter dem Mieter auf die Dauer des aufrechten Bestehens dieses Mietverhältnisses für den Verkaufsfall ein Vorkaufsrecht ein.
In der Bilanz bzw. Darstellung der Betriebsveräußerung zum sind insbesondere unter der Position Verkauf Firmenwert und Betriebs- und Geschäftsausstattung abzüglich Buchwerte stille Reserven von EUR 2,376.713,35 ausgewiesen.
Im Rahmen der Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass im Zuge der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes zum betreffend den Verkauf des Apothekenunternehmens die Erfassung der stillen Reserven des entnommenen Betriebsgrundstückes unterblieben worden sei, da die Bestimmung des § 24 Abs 6 EStG 1988 in Anspruch genommen worden wäre. Wie im Betriebsprüfungsbericht weiter ausgeführt wurde, sei Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung die Aufgabe eines Betriebes und die aus diesem Anlass erfolgte Übernahme eines Gebäudes (Gebäudeteile) in das Privatvermögen. Die Bestimmung wäre nicht auf Betriebsveräußerungen anwendbar, die die Übereignung der wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetze. Da das gesamte Apothekenunternehmen (Firmenwert, Kundenstock, Warenlager, Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens) verkauft worden sei, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen durch den Erwerber übernommen worden seien, handle es sich um eine Betriebsveräußerung, weshalb die stillen Reserven des betrieblich genutzten Teiles des Gebäudes steuerlich zu erfassen wären. Die Betriebsprüfung errechnete betreffend die Entnahme der Betriebsliegenschaft unter Ansatz eines Verkehrswertes von EUR 370.000,00 abzüglich Buchwert des Gebäudes von EUR 178.127,00 und Buchwert Grund und Boden von EUR 13.459,00 einen Veräußerungsgewinn von EUR 178.414,00.
In der innerhalb offener Frist eingebrachten Berufung wurde die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung und die Abänderung des angefochtenen Bescheides beantragt mit dem Begehren der "Anwendung der Begünstigungsbestimmung des § 24 Abs 6 EStG 1988 auf den Liegenschaftsanteil der EZGrundbuchOrt, welcher zu 65% betrieblichen Zwecken der Apotheke diente und welcher im Rahmen der Betriebsveräußerung in das Privatvermögen übernommen wurde."
Die Bw zieht die höchstgerichtliche Rechtsprechung betreffend den Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs 6 EStG an. "Demnach sollten durch diese Begünstigungsbestimmung soziale Härten vermieden werden, wenn der Unternehmer im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz hat und anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven versteuern müsste, die er nicht realisieren kann, ohne gleichzeitig seinen Wohnsitz aufzugeben. Zwar wird in § 24 Abs 6 EStG von Betriebsaufgabe gesprochen, doch könne eine soziale Härte auch bei Betriebsveräußerung durch die Versteuerung stiller Reserven entstehen, wenn der Veräußerungsgewinn, der aus der Veräußerung der sonstigen Anlagegüter entsteht, nicht ausreicht, um die Steuerlast aus den stillen Reserven zu entrichten und er zum Verkauf des Gebäudes gezwungen wäre, das seinen Hauptwohnsitz darstellt. Die Einschränkung der Begünstigung auf die Betriebsaufgabe führt zu widersprüchlichen Ergebnissen. Im Gegenstandsfall beträgt der Veräußerungsgewinn der betreffenden Liegenschaft EUR 178.414,00, die darauf entfallende Steuerbelastung zirka EUR 44.000,00. Würde der Veräußerungsgewinn der restlichen Anlagegüter zB lediglich EUR 10.000,00 betragen, was in Einzelfällen durchaus möglich sein könnte, wäre man, um die Steuerlast bezahlen zu können, gezwungen, den Hauptwohnsitz zu veräußern. An diesem Beispiel zeige sich, dass es auch bei einer Betriebsveräußerung und nicht nur bei einer Betriebsaufgabe zu einer sozialen Härte kommen kann.In der Literatur wird nun auch die Zurückbehaltung und die Privatentnahme des Gebäudes aus Anlass einer Betriebsveräußerung, wie sie sich im zugrunde liegenden Fall darstellt, an sich als teilweise Betriebsaufgabe beurteilt (vgl Kofler, Handbuch der Betriebsaufgabe, S 164). Isoliert man demnach die Betriebsveräußerung von der Betriebsaufgabe, indem man die Zurückbehaltung und die Privatentnahme des Gebäudes als (Teil-)Betriebsaufgabe beurteilt, muss die Anwendbarkeit der Begünstigungsbestimmung des § 24 Abs. 6 EStG möglich sein."
Unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung führt die Bw des weiteren aus, dass "die Veräußerung eines Betriebes im Ganzen nicht den Verkauf des gesamten Betriebsvermögens sondern die Übereignung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes voraussetzt. Werden nicht alle Wirtschaftsgüter des Betriebes veräußert, sondern wird ein Teil zurückbehalten und an den Erwerber der übrigen Wirtschaftsgüter bloß vermietet, steht dies der Annahme einer Veräußerung des Betriebes nicht entgegen, wenn diese Wirtschaftsgüter wertmäßig von untergeordneter Bedeutung sind und der Betrieb auch ohne sie weitergeführt werden kann. Die Betriebsprüfung stellte fest, dass das Gebäude keinen wesentlichen Teil des Unternehmens darstellt. Es stellt sich die Frage, inwieweit das Gebäude nun wertmäßig von untergeordneter Bedeutung sei und ob und wie der Betrieb auch an anderer Stelle weitergeführt werden könnte oder oder das Gebäude (zB an einer Hauptgeschäftsstraße) nicht doch eine wesentliche Grundlage des Betriebes darstellt. Es sei in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Betriebstypus (zB ortsgebundene Tätigkeit, kundengebundene Tätigkeit, Produktionsunternehmen usw) abzustellen. Betriebsgrundstücke wären in der Regel keine Wirtschaftsgüter von untergeordneter Bedeutung. Vor allem die örtlichen und räumlichen Gegebenheiten ermöglichten im Gegenstandsfall dem Erwerber, mit dem bisherigen Kundenstock und vom bisherigen Standort aus das Unternehmen fortzuführen".
Im Rahmen des Verfahrens vor dem Unabhängigen Finanzsenat legte die Bw noch den Bescheid über die Konzessionserteilung an den Betriebsnachfolger sowie den Kaufvertrag betreffend das Apothekenunternehmen und den Mietvertrag über die Betriebsräumlichkeiten vor. Des weiteren wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurückgezogen.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 24 Abs 6 EStG lautet:
Wird der Betrieb aufgegeben und werden aus diesem Anlass Gebäudeteile (Gebäude) ins Privatvermögen übernommen, so unterbleibt auf Antrag die Erfassung der darauf entfallenden stillen Reserven. Voraussetzung ist, dass das Gebäude bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen ist, auf das Gebäude keine stillen Reserven übertragen worden sind und einer der folgenden Fälle vorliegt:
Z 3.: Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. Eine Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn der Gesamtumsatz aus den ausgeübten Tätigkeiten 22.000 Euro und die gesamten Einkünfte aus den ausgeübten Tätigkeiten 730 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.
Wird das Gebäude (der Gebäudeteil) nach Betriebsaufgabe durch den Steuerpflichtigen oder einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger zur Erzielung von Einkünften verwendet, ist sein steuerlicher Wertansatz um die unversteuerten stillen Reserven zu kürzen. Wird das Gebäude (der Gebäudeteil) innerhalb von fünf Jahren nach Aufgabe des Betriebes durch den Steuerpflichtigen oder einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger veräußert, gilt die Veräußerung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung , das beim Steuerpflichtigen zur Erfassung der stillen Reserven höchstens im Umfang der Bemessungsgrundlage bei Betriebsaufgabe führt. Die zu erfassenden stillen Reserven sind als Aufgabegewinn zu versteuern. Wurde das Gebäude (der Gebäudeteil) vor der Veräußerung bereits zur Erzielung von Einkünften verwendet, ist der steuerliche Wertansatz um die versteuerten stillen Reserven wieder zu erhöhen.
Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2010, § 24 Rz 121 führt zur Gebäudebegünstigung bei Betriebsaufgabe Folgendes aus:
Gemäß Abs 6 können im Falle einer Betriebsaufgabe stille Reserven von in das Privatvermögen überführten Gebäuden (Gebäudeteilen) auf Antrag des Steuerpflichtigen unbesteuert bleiben. Zweck der Norm ist es, Betriebsaufgaben zu erleichtern (siehe dazu ErlRV zum AbgÄG 1980, 457 BlgNR XV. GP; Quantschnigg/Schuch § 24 Rz 130). Ein betriebliches Gebäude, das dem Steuerpflichtigen zugleich als Hauptwohnsitz dient, kann im Zuge einer Betriebsaufgabe praktisch nicht bzw. nicht ohne Aufgabe seines Hauptwohnsitzes veräußert werden; der Steuerpflichtige verfügt folglich über keine Mittel zur Bezahlung der aufgrund der Überführung ins Privatvermögen anfallenden Einkommensteuer. Der Gesetzgeber verzichtet daher unter bestimmten Umständen auf die steuerliche Erfassung der stillen Reserven (vgl. auch ; , 2000/14/0178; Quantschnigg/Schuch § 24 Rz 130; EStR 5698). Abs 6 ist an gebäudebezogene und personenbezogene Voraussetzungen geknüpft. Die Voraussetzungen müssen in der Person des Steuerpflichtigen erfüllt sein (steuersubjektbezogene Auslegung, vgl RV/0150-F/04). Die Begünstigung ist antragsgebunden. Sie kann bei Erfüllung der Voraussetzungen unabhängig von der sonstigen Behandlung des Aufgabegewinnes in Anspruch genommen werden.
Die Begünstigung gilt nur im Rahmen einer Betriebsaufgabe, nicht auch im Rahmen einer Betriebsveräußerung (vgl. ; kritisch Doralt § 24 Rz 229; Huber SWK 05, S 501). Bei Veräußerung eines gesamten Betriebes fließen in der Regel mehr Mittel zu als im Rahmen einer Betriebsaufgabe, so dass der Veräußerer weniger schutzwürdig erscheint (vgl ). Abs 6 ist nur bei Aufgabe des gesamten Betriebes anwendbar, nicht bei Aufgabe eines Teilbetriebs (siehe EStR 5705; Quantschnigg/Schuch, § 24 Rz 130).
Die Begünstigung steht nur zu, wenn die Betriebsaufgabe auf einen "echten" Beendigungsfall (siehe § 37 Rz 31) zurückzuführen ist. Ein solcher liegt ua. bei Vollendung des 60. Lebensjahres und Einstellung der Erwerbstätigkeit vor.
Bei Mitunternehmerschaften kann Abs 6 im Rahmen einer Betriebsaufgabe sowohl für Gebäude(teile) im Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft als auch für solche im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters zur Anwendung kommen. Die Begünstigung ist gesellschafterbezogen auszulegen, die Anwendungsvoraussetzungen müssen gesellschafterbezogen erfüllt sein (siehe EStR 5702; Quantschnigg/Schuch § 24 Rz 136).
Das Gebäude muss bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sein. Eine Weiternutzung des Gebäudes als Hauptwohnsitz nach Betriebsaufgabe ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht gefordert (s G. Kofler/H. Kofler/Urnik Handbuch der Betriebsaufgabe und Wechsel der Gewinnermittlung, 69; kritisch im Hinblick auf den Gesetzeszweck Doralt § 24 Rz 236; Atzmüller/Herzog/Mayr RdW 04, 621gilt).
Die Begünstigung ist antragsgebunden. Mangels Festlegung einer gesetzlichen Frist kann der Antrag bis zur Rechtskraft des Einkommensteuer- bzw. Feststellungsbescheids für das Kalenderjahr der Betriebsaufgabe gestellt und auch im Rechtsmittelverfahren nachgeholt werden (vgl. HR/Hofstätter/Büsser § 24 Rz 32.2.2).
Die Veräußerung eines Betriebes im Ganzen liegt vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen, somit alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, in einem einheitlichen Vorgang übernimmt (vgl ). Voraussetzung ist die Übereignung eines in sich organisch geschlossenen Komplexes von Wirtschaftsgütern, der die wesentliche Grundlage eines (lebenden) Betriebes bildet und der den Erwerber objektiv in die Lage versetzt, den Betrieb (die Betätigung) fortzuführen (vgl. ; , 96/15/0211). Ob der Erwerber den Betrieb tatsächlich fortführt, ist für die Besteuerung beim Übertragenden unmaßgeblich (vgl ua ).
Eine Betriebsveräußerung bedingt nicht den Verkauf des gesamten Betriebsvermögens, sondern nur die Übereignung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen (vgl. Doralt § 24 Rz 20). Die Überführung einzelner (unwesentlicher) Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen oder in sein Privatvermögen oder die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter an andere Personen als den Betriebsnachfolger ist unschädlich. Nach steht die Vermietung der Annahme einer Betriebsveräußerung nicht entgegen, wenn die vermieteten Wirtschaftsgüter wertmäßig von untergeordneter Bedeutung sind und der Betrieb auch ohne sie weitergeführt werden kann. Bei Betrieben, die das Vorhandensein eines Betriebsgebäudes voraussetzen, kann eine Betriebsveräußerung nach diesem Judikat nur dann angenommen werden, wenn das Betriebsgebäude mitveräußert oder zumindest vermietet wird (s auch HR/Hofstätter/Büsser § 24 Rz 17). Die Betriebsveräußerung muss in einem einheitlichen Vorgang stattfinden. Die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter vor der Betriebsveräußerung berührt den Veräußerungsgewinn nicht.
Welche Wirtschaftsgüter die wesentlichen Betriebsgrundlage bilden, ist in funktionaler Betrachtungsweise (Funktion der Wirtschaftsgüter innerhalb des Betriebes) nach dem jeweiligen Betriebstypus (Art des Betriebes) zu beantworten (vgl. ). Es können für einen Betrieb auch mehrere wesentliche Betriebsgrundlagen bestehen (vgl. Doralt § 24 Rz 17). Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen ortsgebundenen Tätigkeiten, produktions- bzw. ausstattungsgebundenen Tätigkeiten, deren wesentliche Grundlage das Betriebsgebäude (bzw Mietrecht daran), die Maschinen, Anlagen und Einrichtungen ist, und kundengebundene Tätigkeiten.
Nach Wiesner ua § 24 Rz 32 ist ausschlaggebende Betriebsgrundlage bei Apotheken die standortgebundene Apothekenkonzession, ohne deren Übertragung die Neugründung einer Apotheke nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Im Apothekengesetz (ApG) ist hinsichtlich Konzession und Standort Folgendes normiert:
§ 9: Der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, welche nicht auf einem Realrecht beruht (radizierte, verkäufliche Apotheken), ist nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig. Im Konzessionsbescheid ist als Standort der Apotheke eine Gemeinde, eine Ortschaft, ein Stadtbezirk oder ein Teil eines solchen Gebietes zu bestimmen. Bei Apotheken, welche schon früher betrieben worden sind, ist der bisherige Standort aufrecht zu erhalten. Die Konzession hat nur für den Standort Geltung.
§ 12: Die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ist ein persönliches Betriebsrecht und darf auf andere nicht übertragen werden.
§ 15: Wenn eine öffentliche Apotheke, welche auf Grund einer Konzession betrieben wird, durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder im Erbwege auf einen anderen übergeht, so muss dieser, falls er die Apotheke betreiben will, eine neue Konzession erwirken.
Dazu :
Schon aus dem mehrfachen Hinweis auf den Betrieb bzw. Fortbetrieb des Apothekenunternehmens in § 46 Abs 2 iVm § 15 ApG und der weiteren Voraussetzung der Eignung, Gegenstand des Rechtsverkehrs zu sein (Nachweis des Überganges des GESAMTEN APOTHEKENUNTERNEHMENS gemäß § 46 Abs 2 ApG ), ist zu folgern, daß dem Gesetzgeber als Gegenstand des "Überganges einer Apotheke" iSd § 15 ApG das Apothekenunternehmen als Sachgesamtheit vor Augen stand und nicht das bloße, nicht in die Wirklichkeit umgesetzte Recht zum Betrieb einer Apotheke. Für dieses Ergebnis spricht auch eine am Zweck des ApG orientierte Auslegung. Mehrere Vorschriften des ApG lassen erkennen, daß der Gesetzgeber einerseits den rechtsgeschäftlichen Übergang von "lebenden" Apothekenunternehmen - insbesondere durch Entfall einer neuerlichen Bedarfsprüfung unter Beteiligung von Konkurrenten - erleichtern, andererseits aber dem "Handel mit Konzessionen" ebenso vorkehren will wie dem Blockieren von Apothekenstandorten durch den Erwerb einer - einen Bedarf voraussetzenden - Apothekenkonzession ohne nachfolgende Errichtung eines Apothekenunternehmens (Hinweis § 3 Abs 7, § 16 Abs 1 und § 19 Abs 1 ApG). Diesem Zweck entspricht die - schon durch den Wortlaut nahe gelegte - Auslegung der strittigen Vorschrift, wonach unter der "bestehenden Apotheke" iSd § 46 Abs 2 ApG eine Sachgesamtheit im Sinne einer organisierten Erwerbsgelegenheit zu verstehen ist.
Auch die Bw versteht unter dem Kaufgegenstand der berufungsgegenständlichen Apotheke gemäß § 2 iVm § 1 des Kaufvertrages ein "Apothekenunternehmen" mit allem tatsächlichen und rechtlichen Zubehör ausgenommen ua. die im Anlagenverzeichnis enthaltenen Gebäude und Grund und Boden.
Wie aus den einschlägigen Bestimmungen des Apothekengesetzes hervorgeht, wird eine Konzession für einen bestimmten Standort verliehen. Gemäß § 9 ApG ist nun als Standort nicht ein bestimmtes Gebäude an einer konkreten Straßenadresse sondern ein - zwar flächenmäßig eingegrenztes - Gebiet zu verstehen. Dies bedeutet, dass der Erwerber die berufungsgegenständliche Apotheke auch an einer anderen Adresse innerhalb des festgesetzten Standortes führen könnte, wobei diesfalls gemäß § 14 Abs 1 ApG die Genehmigung der Verlegung durch die Österreichische Apothekerkammer erforderlich wäre. Die räumlichen und örtlichen Gegebenheiten im Sinne des Beibehaltens der konkreten Gebäudeadresse sind in diesem Sinn nicht essentiell für den Erwerber, um die Apotheke mit dem bisherigen Kundenstock fortzuführen zu können. Vielmehr ist es nicht unüblich, dass eine Apotheke - etwa aus Gründen räumlicher Erweiterung und Modernisierung - innerhalb des Standortes im Sinne des ApG - einige wenige Straßenzüge oder Häuserblöcke weiter ohne Beeinträchtigung des Kundenstockes verlegt wird. Das berufungsgegenständliche Gebäude kann daher im Kontext mit den Regelungen des ApG nicht als "wesentliche Betriebsgrundlage" erachtet werden, weshalb deren Zurückbehaltung im Eigentum des Gesellschafters der Veräußererin nichts an der Beurteilung des Verkaufes des Apothekenunternehmens als Betriebsveräußerung ändert.
Da die Übertragung des gegenständlichen Apothekenunternehmens dem Erwerber ermöglicht, den Betrieb im Sinne einer organisierten Erwerbsgelegenheit fortzuführen, kann die Privatentnahme des Gebäudes aus Anlass der Betriebsveräußerung nicht als Teilbetriebsaufgabe gewertet werden, da der Betrieb als Einheit bestehen bleibt. Im übrigen vermittelt eine Teilbetriebsaufgabe iSd oben angeführten Judikatur nicht die Begünstigung gemäß § 24 Abs 6 EStG.
Überdies hat der VwGH sogar bei einer Fallkonstellation betreffend Betriebe, die ein Betriebsgebäude essentiell voraussetzen, eine Betriebsveräußerung auch dann angenommen, wenn das Betriebsgebäude zwar nicht mitveräußert, aber an den Erwerber vermietet wird (vgl Doralt, EStG, 15. Auflage, § 24 Rz 29, ).
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass im Gegenstandsfall eine Betriebsveräußerung vorliegt und somit die Tatbestandsvoraussetzung einer Betriebsaufgabe für die Anwendbarkeit der Begünstigung gemäß § 24 Abs. 6 nicht gegeben ist.
In der Literatur wird die Einschränkung der Hauptwohnsitzbegünstigung auf die Betriebsaufgabe kritisiert. Dadurch würde der Intention der gesetzlichen Bestimmung, soziale Härten zu verhindern, nicht ausreichend Rechnung getragen.
"Dem liegt - so Huber in SWK 15/2005, S 501- die Unterstellung zugrunde, dass bei einer einheitlichen Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Erwerber - wie dies für eine Betriebsveräußerung oder -schenkung in Abgrenzung zur Betriebsaufgabe kennzeichnend ist - "im Regelfall mehr Mittel zufließen als dies bei einer Betriebsaufgabe (mit etwaiger Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter) der Fall sein wird, sodass der Veräußerer eines Betriebes (in der typisierenden Betrachtungsweise des EStG 1972 und 1988) weniger schutzwürdig erscheint. Solche typisierenden Durchschnittsbetrachtungen sind gesetzlich häufig. Sie sind auch verfassungsrechtlich zulässig, solange sie dem Regelfall entsprechen und die nicht gedeckten Fälle noch einzelne Härtefälle sind.
Die wirtschaftspolitische Entwicklung der letzten 15 Jahre zeige aber, dass die Unternehmen, für die die Hauptwohnsitzbefreiung in Betracht kommt, überwiegend kleinere Unternehmen häufig in Ortskernlagen sind. Dies war ja auch der Grund für die Anpassung der Hauptwohnsitzbefreiung durch das AbgÄG 2004. Diese Unternehmen sind mittlerweile strukturell so benachteiligt, dass sie selbst bei einer Unternehmensübertragung im ganzen keinen wesentlichen Firmenwert mehr realisieren können. Für die Steuerentrichtung ausreichende Veräußerungsgewinne können in der Regel nur bei einer Veräußerung des Betriebsgebäudes selbst erzielt werden. Somit wird der finanzielle Unterschied zwischen Betriebsübertragung (mit Zurückbehaltung des Gebäudes) und Betriebsaufgabe immer geringer. Wird dessen ungeachtet steuerlich weiter zwischen diesen unterschieden, so wird gleiches ungleich behandelt, und entsteht dadurch ein steuerlicher Druck zur Betriebsaufgabe. Die Realität hat somit die - einstmals wohl zutreffende - Durchschnittsbetrachtung überholt. Eine die Sachlichkeit der Hauptwohnsitzbefreiung erhaltende Auslegung würde erfordern, für die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 6 EStG die Abgrenzung zwischen Betriebsaufgabe und Betriebsveräußerung nicht mehr nach funktionalen Merkmalen (wesentlichen Betriebsgrundlagen) sondern auch nach quantitativen Merkmalen vorzunehmen, da letztlich nur diese über die Fähigkeit zur Steuertragung entscheiden. Wenn die nicht realisierten stillen Reserven im zurückbehaltenen Vermögen (Betriebsgebäude) daher höher sind als die realisierten stillen Reserven im veräußerten Betrieb, dann befindet sich der Steuerpflichtige deshalb in einem Steuerzahlungsdilemma, weil quantitativ der illiquide Betriebsaufgabecharakter des Vorganges überwiegt. Dieses Überwiegen ermöglicht aber nun die Anwendung des § 24 Abs. 6 EStG, der ja genau diese Situation erleichtern will und soll. Die verfassungskonforme Interpretation wird auch durch eine neu durchzuführende teleologische Interpretation getragen. Die Novellierung der Hauptwohnsitzbefreiung durch das AbgÄG 2004 ist Ausdruck eines umgewichteten Befreiungszweckes. Aufgewertet wurde das Ziel, dass die Hauptwohnsitzbefreiung der Erhaltung wirtschaftlich aktiver Ortskerne nicht länger im Wege stehen soll. Dies spricht eindeutig dagegen, eine Betriebsaufgabe gegenüber einer Betriebsübergabe zu bevorzugen. Einzige Einschränkung ist allerdings - mangels Befreiungsbedarf - die Fähigkeit, die Steuer aus einem Veräußerungserlös tragen zu können".
Genau dies trifft aber auf den Gegenstandsfall zu: Der aus der Veräußerung des Apothekenunternehmens erzielte Kaufpreis beträgt laut Kaufvertrag EUR 2,401.000,00, die darauf entfallenden stillen Reserven laut Bilanz EUR 2,376.713,35. Die auf die Betriebsliegenschaft durch Entnahme realisierten stillen Reserven betragen hingegen laut Betriebsprüfung lediglich EUR 178.414,00, wobei hier überdies der nicht begünstigungsfähige Grund und Boden mit enthalten ist. Aus diesen Wertrelationen wird ersichtlich, dass im Gegenstandsfall sehr wohl die auf die stillen Reserven des Gebäudes entfallende Steuerbelastung durch den lukrierten Veräußerungsgewinn bestritten werden kann. Die von der Intention der Bestimmung des § 24 Abs 6 EStG getragene Vermeidung von sozialen Härten trifft hier gerade nicht zu.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 24 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 9 ApG, Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2011/04 UFSjournal 9/2011, 326 AFS 2011/8, 243 StExp 2011/236 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at