Eigenbezug von Familienbeihilfe und Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/16/0159 eingebracht.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/0072-I/12-RS1 | Aus § 94 ABGB resultiert grundsätzlich die Unterhaltspflicht des Ehegatten. Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung des § 6 Abs 1 lit b FLAG 1967 spricht eindeutig dafür, dass jeder Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten die Gewährung der Familienbeihilfe ausschließt (vgl Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 6 Rz 9). |
RV/0072-I/12-RS2 | Bei der Prüfung der Unterhaltsverpflichtung ist eine vom Unterhaltspflichtigen bezogene Ausgleichszulage in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (vgl ). |
RV/0072-I/12-RS3 | Eine Unterhaltspflicht des Ehegatten besteht jedenfalls dann, wenn das heranzuziehende Einkommen jene Grenzen übersteigt, welche eine – notfalls auch streitige – Hereinbringung des zustehenden Unterhalts durch die Unterhaltsberechtigte oder den Unterhaltsberechtigten verunmöglichen würden. Aus den jährlich angepassten, vom Bundesministerium für Justiz veröffentlichten Existenzminimumverordnungen ergibt sich diesbezüglich der unpfändbare Betrag. Dieser orientiert sich an den für das jeweilige Kalenderjahr gültigen Ausgleichszulagenrichtsätzen. Dabei ist zu beachten, dass für Unterhaltsforderungen eine Unterschreitung dieser Richtsätze um 25% vorgesehen ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, Wohnort, Straße, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe ab entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Am brachte die Beihilfenwerberin beim Finanzamt das Formular "Beih 3" ein, welches mit "Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung" überschrieben ist. In diesem wurde vermerkt, dass die rückwirkende Gewährung ab Jänner 2006 im Eigenbezug begehrt werde.
Das Finanzamt wertete diese Eingabe als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung rückwirkend ab Jänner 2006 und veranlasste die Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens und einer Bescheinigung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag abgewiesen. Das Finanzamt bezog sich auf die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 (gemeint wohl § 6 Abs 5 iVm Abs 2 lit d) und "§ 8 Abs 5 ff" FLAG 1967. Sodann wurde festgehalten, dass im "Gutachten des Bundessozialamts" vom die dauernde Erwerbsunfähigkeit (erst) ab bestätigt werde, weshalb "kein Anspruch auf Familienbeihilfe und erhöhte Beihilfe" bestehe.
In der Berufung gegen diesen Bescheid führte die Einschreiterin aus, dass sie "sehr wohl vor dem 21. Lebensjahr schwer drogenabhängig" gewesen sei und "dieses auch belegen" könne.
Das Finanzamt veranlasste die Erstellung eines weiteren Gutachtens und einer Bescheinigung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.
Mit Vorhalt vom wurde der Berufungswerber aufgefordert, weitere Nachweise vorzulegen. In Beantwortung dieses Vorhaltes gab die Berufungswerberin unter anderem an, dass sie und ihr Ehemann ausschließlich von der Pension des Ehegatten leben würden.
Sodann wurde die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung übermittelt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Die Berufungswerberin wurde am 15. April [JJ] geboren. Im Jänner 2011 beantragte sie die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Eigenbezug rückwirkend ab Jänner 2006.
Die gesetzlichen Regelungen für den Eigenbezug von Familienbeihilfe finden sich in § 6 FLAG 1967. Demnach haben volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie
- im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, - ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und - für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist,
wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. (ab , BGBl I 2010/111: 25.) Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden (§ 6 Abs 5 iVm Abs 2 lit d FLAG 1967).
Im vorliegenden Fall, in dem es keinen anderen erkennbaren Anspruchsgrund geben kann, wäre Familienbeihilfe nur dann zu gewähren, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind und keiner der genannten oder andere Ausschlussgründe vorliegen.
Fest steht, dass die Berufungswerberin nach Vollendung des 21. Lebensjahres nicht mehr in Berufsausbildung gestanden ist.
Unbestreitbar ist auch, dass die Berufungswerberin seit dem Jahr [JJ+27] verheiratet ist, gemeinsam mit ihrem Ehegatten lebte und in den Jahren ab 2006 selbst keine Einkünfte erzielte. Der Lebensunterhalt der Familie wurde durch die Pensionsbezüge (inklusive Ausgleichszulage) des Ehegatten bestritten.
Damit ist über die Berufung aber bereits entschieden. Wie oben ausgeführt, besteht ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe dann nicht, wenn Kindern Unterhalt von ihrem Ehegatten zu leisten ist. Der Ehegatte der Berufungswerberin hat in den streitgegenständlichen Jahren eine Pension inklusive Sonderzahlungen und Ausgleichszulage bezogen und wurde mit diesen finanziellen Mitteln der Lebensunterhalt des Ehegatten und der einkommenslosen Berufungswerberin bestritten. Aus § 94 ABGB resultiert grundsätzlich die Unterhaltspflicht des Ehegatten. Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung des § 6 Abs 1 lit b FLAG 1967 spricht eindeutig dafür, dass jeder Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten die Gewährung der Familienbeihilfe ausschließt (vgl Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 6 Rz 9). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 50/128; SZ 52/6) hat bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit der Ehegatten der Ehegatte mit niedrigerem (oder keinem) Einkommen einen Unterhaltsanspruch gegen den besser verdienenden Ehegatten in der Höhe, die ihm die Deckung der den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse ermöglicht. Bei der Prüfung der Unterhaltsverpflichtung ist eine vom Unterhaltspflichtigen bezogene Ausgleichszulage in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (vgl ). Dies ist umso mehr einsichtig, als sich der entsprechende Richtsatz gerade wegen der Tatsache, dass der Pensionsberechtigte mit einer Ehegattin, einem Ehegatten oder einer eingetragenen Partnerin bzw Partner im gemeinsamen Haushalt lebt, nicht unbeträchtlich erhöht. Wenn nun aber fest steht, dass die Berufungswerberin dem Grunde nach einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten hat, ist weiters zu prüfen, ob vom Ehegatten auch Unterhalt zu leisten war. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn das heranzuziehende Einkommen jene Grenzen übersteigt, welche eine - notfalls auch streitige - Hereinbringung des zustehenden Unterhalts durch die Unterhaltsberechtigte oder den Unterhaltsberechtigten verunmöglichen würden. Aus den jährlich angepassten, vom Bundesministerium für Justiz veröffentlichten Existenzminimumverordnungen ergibt sich diesbezüglich der unpfändbare Betrag. Dieser orientiert sich an den für das jeweilige Kalenderjahr gültigen Ausgleichszulagenrichtsätzen. Dabei ist zu beachten, dass für Unterhaltsforderungen eine Unterschreitung dieser Richtsätze um 25% vorgesehen ist. So ergibt sich bspw für das Jahr 2007 bei einem Ausgleichszulagenrichtsatz von € 726,00 ein unpfändbarer Betrag von € 544,50.
Die Einkünfte des Ehegatten der Berufungswerberin betrugen in allen Jahren im Monatsschnitt mehr als den (vollen) Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende. Damit ist offensichtlich, dass der Ehegatte der Berufungswerberin in den streitgegenständlichen Jahren Unterhalt zu leisten hatte und sie ihren Unterhaltsanspruch - was gegenständlich ohnehin nicht notwendig war, da die Berufungswerberin selbst ausführte, dass die finanziellen Mittel von ihrem Ehegatten bereit gestellt wurden - auch durchzusetzen in der Lage gewesen wäre.
Liegt nun - wie vorstehend aufgezeigt - der einem Eigenanspruch entgegenstehende Ausschlussgrund des § 6 Abs 1 lit b FLAG 1967 vor, könnte für die gegenständliche Entscheidung eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Berufungswerberin alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllen würde, unterbleiben. Dennoch darf darauf hingewiesen werden, dass ein Anspruch der im Jahr [JJ] geborenen Berufungswerberin auf Familienbeihilfe nur dann bestehen könnte, wenn sie als volljähriges "Kind" auf Grund einer erheblichen Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres voraussichtlich dauernd außer Stande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Berufungswerberin vollendete das 21. Lebensjahr im April [JJ+21]. Für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Falles wäre es daher generell und allenfalls auch für zukünftige Zeiträume entscheidend, ob die Berufungswerberin zu diesem Zeitpunkt bereits auf Grund einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung und die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Aus der Rechtsprechung der Höchstgerichte (vgl , , und ) ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt hat, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.
Gegenständlich hat das für die Beurteilung zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zwei Gutachten verfassen lassen und entsprechende Bescheinigungen erstellt. In beiden kamen die sachkundigen Mediziner zum Schluss, dass der Eintritt einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (und eine damit verbundene dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen) vor Vollendung des 21. Lebensjahres auf Grund der vorliegenden Befunde nicht festgestellt werden kann.
Das Vorbringen der Berufungswerberin, welches sich darauf beschränkt festzuhalten, dass sie bereits vor dem 21. Lebensjahr "schwer drogenabhängig" gewesen sei, ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Bescheinigungen und der diesen zu Grunde liegenden Gutachten insbesondere hinsichtlich deren Rückwirkung in Zweifel zu ziehen. Vielmehr wäre es an der Berufungswerberin gelegen gewesen, objektive Beweismittel anzubieten oder vorzulegen, welche einen wissenschaftlich fundierten Rückschluss auf eine behinderungsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres ermöglichen würden. Nur mit einer konkreten inhaltlichen Auseinandersetzung unter Vorlage entsprechender zeitpunktbezogener Beweismittel hätte nämlich die Möglichkeit bestanden, Zweifel an den gutachterlichen Schlussfolgerungen zu erwecken (vgl , unter Hinweis auf ).
Im vorliegenden Fall steht somit fest, dass vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen keine Bescheinigung ausgestellt wurde, mit welcher bestätigt wird, dass die Berufungswerberin bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außer Stande gewesen wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Da eine solche Bescheinigung aber die unverzichtbare Voraussetzung (vgl § 8 Abs 6 FLAG 1967) für die Gewährung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 iVm Abs 2 lit d FLAG 1967 darstellen würde, mangelt es im vorliegenden Fall auch an den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung.
Besteht nun wegen des Ausschlussgrundes des § 6 Abs 1 lit b FLAG 1967 und mangels Eintritt der "dauernden Erwerbsunfähigkeit" vor Vollendung des 21. Lebensjahres kein Anspruch auf Familienbeihilfe, kann, auch wenn bei der Berufungswerberin in den entscheidungsrelevanten Jahren ein Grad der Behinderung von 50% bzw - lt. zweiter Bescheinigung ab 2007 - 70% festgestellt wurde, der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung nicht zuerkannt werden, da dessen Gewährung vom Bezug des "Grundbetrages" abhängig ist (vgl Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, § 8 Rz 5).
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 94 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
WAAAD-29266