Elektromobil ist Hilfsmittel gemäß § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/15/0145 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/1740-W/11-RS1 | Die Kosten für ein Elektromobil sind als außergewöhnliche Belastung aufgrund eigener Behinderung zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn für einen PKW der Pauschbetrag nach § 3 Abs. 1 Verordnung über die außergewöhnlichen Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 gewährt wird, da das Elektromobil ein Hilfsmittel im Sinn des § 4 der Verordnung ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des X, vertreten durch Y, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Z vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 wird abgeändert.
Die getroffenen Feststellungen sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe und dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) ist Pensionist und beantragte im Rahmen seiner Arbeitnehmererklärung für das Jahr 2009 die Kosten für die Anschaffung eines Elektromobiles "Neptun" in Höhe von € 5.300,- als außergewöhnliche Belastung. Außerdem beantragte der Bw. den Freibetrag für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benutzen, zu berücksichtigen.
Der Bw. legte eine Rechnung der Firma P. vom betreffend den Kauf eines E-mobil 4 Rad, 12 km/h mit Federung, Komfortsitz, Ladegerät etc. über den Betrag von € 5.600,- vor. Auf der Rechnung ist vermerkt, dass für die Retournahme des Elektromobiles Komet ein Betrag von € 300,- vom Kaufpreis in Abzug gebracht wird.
Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 und anerkannte darin den Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung in Höhe von € 2.676,- und nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 1.096,41.
Die Aufwendungen für das Elektromobil wurden nicht anerkannt, da es sich nach Ansicht des Finanzamtes bei demselben um keinen Heilbehelf handelt.
Der Bw. erhob Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 und beantragte die Kosten für das Elektromobil in Höhe von € 5.300,- als nicht regelmäßig anfallende Ausgaben für Hilfsmittel im Rahmen der außergewöhnlichen Belastung aufgrund eigener Behinderung anzuerkennen.
Zur Begründung bezog sich der Bw. auf den § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBL 303/1996, wonach Hilfsmittel nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen sind, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit der Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen (z. B. Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel).
Der Bw. erklärte, dass in seinem Fall das Elektromobil als Hilfsmittel anzusehen sei, da es ihm aufgrund seiner Behinderung sonst nicht möglich sei, sich außerhalb seines Hauses fortzubewegen. In seinem Fall sei das Elektromobil jedenfalls notwendig, um die mit seiner Gehbehinderung verbundene Beeinträchtigung zu beseitigen.
Ein Rollstuhl alleine hätte in seinem Fall keinen Sinn, da der Bw. so weit außerhalb des Ortskernes wohnhaft sei, dass er eine derart weite Strecke nicht mit einem Rollstuhl bewältigen könne. Ohne Elektromobil sei es ihm nicht möglich, täglich anfallende Tätigkeiten, wie Einkaufen oder die Erledigung von Bankgeschäften alleine zu erledigen und an einem Gesellschaftsleben außerhalb seines Hauses teilzunehmen.
Laut Aktenlage ist der Bw. zu 70% behindert, es ist ihm die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bescheinigt und er besitzt einen § 29b STVO Ausweis.
Der Bw. legte ergänzend eine Ablichtung des auf ihn lautenden Zulassungsscheines für einen PKW Citroen, sowie eine Erklärung betreffend Befreiung von der Versicherungssteuer und den Beleg über die Bezahlung des Kaufpreises des Elektromobiles vor.
Das Finanzamt erließ am eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte aus, dass im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 der Freibetrag als außergewöhnliche Belastung für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung eine eigenes Kraftfahrzeug benützen berücksichtigt worden sei, die Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils als zweites Behindertenkraftfahrzeug jedoch nicht steuermindernd berücksichtigt werden.
Der Bw. stellte den Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte aus, dass nach seiner Ansicht das Elektromobil kein zweites Behindertenfahrzeug darstelle, sondern als ergänzendes Hilfsmittel im Sinn der Verordnung anzusehen sei. Das Elektromobil sei mit einem herkömmlichen PKW nicht vergleichbar, da es über keine geschlossene Karosserie und nur über eine maximale Geschwindigkeit von 12 km/h verfüge.
Der Freibetrag für die Benützung eines PKW sei aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen im vorliegenden Fall auf jeden Fall zu berücksichtigen. Die Kosten, die nicht mit dem Betrieb des Fahrzeuges verbunden seien und für Hilfsmittel anfallen seien zusätzlich anzuerkennen.
Der Bw. verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des UFS RV/1151-W/05 vom betreffend die behindertengerechte Adaptierung eins Kraftfahrzeuges.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall ob die Aufwendungen für die Anschaffung eines Elektromobils in Höhe von € 5.300,- als außergewöhnliche Belastung aufgrund eigener Behinderung nach § 4 der Verordnung als Kosten für ein Hilfsmittel anzuerkennen sind.
Der unabhängige Finanzsenat geht im vorliegenden Fall von folgendem Sachverhalt aus:
Der im Jahr 1921 geborene Bw. ist Pensionist und zu 70% behindert. Er hat eine Gehbehinderung.
Dem Bw. ist die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bescheinigt. Der Bw. ist Eigentümer und Fahrzeughalter eines PKW Citroen. Für diesen PKW steht ihm im Streitjahr 2009 der Freibetrag des § 3 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen BGBL 303/1996 aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen zu.
Am hat der Bw. ein Elektromobil "Neptun", 4Rad, Komfortsitz, 12km/h, Federung, Ladegerät etc. laut vorgelegter Rechnung der Firma P um den Preis von € 5.600,- abzüglich € 300,- für die Retournahme des Elektromobiles Komet gekauft, er bezahlte somit € 5.300,-.
Der Bw. beantragte die Kosten des Elektromobiles von € 5.300,- als nicht regelmäßig anfallende Ausgabe für Hilfsmittel im Sinn des § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Das Elektromobil verfügt über keine geschlossene Karosserie und dient nur zur Beförderung des Fahrzeugführers.
Der Wohnsitz des Bw. liegt außerhalb des Ortskerns der Gemeinde.
Laut Wikipedia Enzyklopädie ist ein Elektromobil ein kleines mehrspuriges, offenes, elektrisch angetriebenes Leichtfahrzeug, das nur den Fahrzeugführer befördern kann und von Gehbehinderten genutzt wird, um längere Strecken zurückzulegen. Anders als ein Elektrorollstuhl ist es auf eine Gehbehinderung ausgelegt und der Unterschied zu diesem besteht in der direkten Lenkung, sodass der Fahrzeugführer beide Hände einsetzen und den Aus- und Einstig in das Fahrzeug selbständig bewältigen können muss.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 18 KFG 1967, BGBL 267/1967 ist ein Invalidenfahrzeug ein Kraftfahrzeug mit einem Eigengewicht von nicht mehr als 300kg mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 30km/h bei einer Belastung von 75kg, das nach seiner Bauart dazu bestimmt ist, von Körperbehinderten gelenkt zu werden.
Ausgehend vom vorliegenden Sachverhalt vertritt der unabhängige Finanzsenat die Auffassung, dass das angekaufte Elektromobil als Hilfsmittel im Sinn der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBL 303/1996 anzusehen ist.
§ 3 der zitierten Verordnung lautet: Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen, für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benutzt werden kann, ein Freibetrag von € 153,- monatlich zu berücksichtigen. Die Körperbehinderung ist durch eine Bescheinigung gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 bs. 3 Z 9 des Versicherungsteuergesetzes 1953 nachzuweisen.
§ 4 der zitierten Verordnung regelt, dass nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.
Zur Begründung der Ansicht, dass das Elektromobil ein Hilfsmittel darstellt, wird darauf verwiesen, dass die Aufzählung im § 4 der zitierten Verordnung, wie sich aus den Worten "zum Beispiel Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel" ergibt, eine beispielhafte ist. Die Meinung, dass der Begriff "Hilfsmittel" weit auszulegen ist vertritt auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis . Die Definition für Hilfsmittel ist dem § 154 ASVG entnommen, auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist eine extensive Auslegung des Begriffes geboten.
Bei Auslegung des § 4 der Verordnung ergibt sich, dass Hilfsmittel Gegenstände und Vorrichtungen sind, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbunden Beeinträchtigungen zu mildern oder zu beseitigen.
Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung ist ein Elektromobil als Hilfsmittel anzusehen, welches geeignet ist, für einen gehbehinderten Menschen die Funktion der unzulänglichen Köperteile (Beine) zu übernehmen und die mit der Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu mildern.
Aus Wanke in Wiesner/Grabner/Lattner/Wanke, MSA, EStG [], § 34 Anm. 57 ergibt sich, dass sowohl ein motorgetriebener Rollstuhl, als auch ein Invalidenkraftfahrzeug unter § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen fällt.
Der Meinung des Finanzamtes, dass die Kosten eines zweiten Behindertenfahrzeuges nicht anerkannt werden können, muss insofern entgegengetreten werden, als hinsichtlich des PKW Citroen dem Bw. der ihm aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen zustehende Freibetrag gemäß § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen gewährt wird. Dies bedeutet jedoch weder, dass die Kosten der Anschaffung dieses PKWs noch, dass die laufenden tatsächlichen Kosten des Betriebs dieses PKWs berücksichtigt werde; es werden damit Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen abgegolten. Bei Anerkennung der Anschaffungskosten des Elektromobiles, welches ein Hilfsmittel im Sinn des § 4 der Verordnung darstellt, werden nur die Kosten der Anschaffung eines Fahrzeuges berücksichtigt.
Die Anschaffungskosten des Elektromobiles stehen nicht mit dem PKW Citroen in Zusammenhang und werden als Aufwendungen für ein nicht regelmäßig anfallendes Hilfsmittel zusätzlich zum geltend gemachten Freibetrag als außergewöhnliche Belastung aufgrund eigener Behinderung des Bw. im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2009 anerkannt.
Der Berufung wird Folge gegeben.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Ergeht auch an das Finanzamt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 3 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Schlagworte | Elektromobil |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2011/05 ARD 6171/7/2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at