Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 20.09.2013, RV/0027-W/13

Geschäftsführerhaftung bei mangelnder Zustellung der Abgabenbescheide

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt, 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 10, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Haftung für nachstehende Abgaben auf € 2.764,51 herabgesetzt:


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Abgabe
Betrag
Lohnsteuer 08/2010
423,30
Dienstgeberbeitrag 08/2010
225,67
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2010
20,06
Lohnsteuer 09/2010
1.263,96
Dienstgeberbeitrag 09/2010
396,68
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2010
35,26
Säumniszuschlag 2010
52,58
Dienstgeberbeitrag 11/2010
302,71
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2010
44,29

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Beschlüssen des Landesgerichtes Krems an der Donau wurde am Datum-1 das Sanierungsverfahren über das Vermögen der S-GmbH eröffnet und am Datum-2 in ein Konkursverfahren umgewandelt. Am Datum-3 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Berufungswerber (Bw.) als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft um Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises. Dieses Schreiben wurde abgesehen von mehreren Fristverlängerungsansuchen nicht beantwortet.

Mit Bescheid vom wurde der Bw. gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm. § 80 BAO als Geschäftsführer der S-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 12.807,62, nämlich


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Abgabe
Betrag
Fälligkeit
Dienstgeberbeitrag 2006
135,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006
12,60
Dienstgeberbeitrag 2007
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007
75,60
Dienstgeberbeitrag 2008
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2008
75,60
Dienstgeberbeitrag 2009
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009
73,80
Umsatzsteuer 2009
5.118,08
Körperschaftsteuer 07-09/2010
1.119,62
Lohnsteuer 08/2010
441,80
Dienstgeberbeitrag 08/2010
235,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2010
20,94
Lohnsteuer 09/2010
1.319,19
Dienstgeberbeitrag 09/2010
414,01
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2010
36,80
Säumniszuschlag 2010
54,88
Dienstgeberbeitrag 11/2010
315,94
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2010
46,23
Dienstgeberbeitrag 2010
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010
72,00

zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass der vom Finanzamt ausgewiesene Saldo immer lediglich € 5.000,00 betragen hätte. Selbst zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am wären schließlich lediglich € 5.391,83 an Verbindlichkeiten verbucht gewesen. Erst nach Konkurseröffnung wären sodann die Tagessaldi stark angestiegen. Hieraus wäre deutlich ersichtlich, dass er während seiner Geschäftsführungstätigkeit immer bemüht gewesen wäre, die laufenden Verbindlichkeiten zu decken, sodass es zu keinem Zeitpunkt zu einem exorbitanten Anwachsen des Saldos gekommen wäre.

Allein aus diesem Umstand ergebe sich, dass die Forderungen des Finanzamtes regelmäßig besser bedient worden wären und damit das Finanzamt eine Besserbehandlung gegenüber den anderen Gläubigern erfahren hätte, weshalb allein aus diesem Grund die Haftung nicht in Frage kommen könne.

Der nunmehr im Haftungsbescheid ausgewiesene Endsaldo von € 39.941,41 ergebe sich schlichtweg daraus, dass nach Konkurseröffnung - unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters - die Saldi entsprechend angewachsen wären. Es wäre somit klar ersichtlich, dass der Bw. als Geschäftsführer das Finanzamt im Rahmen der bestehenden und bekannten Verbindlichkeiten laufend bedient hätte. Der ihm nun angelastete Rückstand wäre erst nach Konkurseröffnung aufgekommen.

Gemäß § 9 BAO hafte der Geschäftsführer einer GmbH für die diese treffenden Abgaben nur insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung nicht eingebracht werden könnten. In diesem Zusammenhang wäre zu betonen, dass die nunmehr vom Finanzamt geltend gemachten Abgaben erst im Rahmen einer Prüfung aufgekommen wären und der Bw. über die Entstehung dieser Abgaben, vor der Prüfung, keine Kenntnis hätte haben müssen. Diese Abgaben wären in der Buchhaltung weder errechnet noch vermerkt worden, weshalb er in keiner Weise von der Entstehung dieser Abgaben Kenntnis hätte erlangen können.

Zur Errechnung dieser Abgaben hätte sich die GmbH einer fachkundigen Kraft bedient und hätte der Bw. davon ausgehen dürfen, dass diese Person die Abgaben korrekt und vollständig errechne. Im Vertrauen auf die korrekte Arbeit dieser Person wären sodann die Abgabenverbindlichkeiten beglichen worden. Erst im Nachhinein, als der Konkurs bereits eröffnet gewesen wäre, wären diese Verbindlichkeiten aufgekommen und treffe ihn daher kein Verschulden an der fehlenden Bezahlung dieser Abgaben.

Weiters brachte der Bw. vor, dass die Inanspruchnahme einer Geschäftsführerhaftung eine Ermessensentscheidung wäre. Dieses Ermessen wäre nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Wahrung aller in Betracht kommenden Umstände gemäß § 20 BAO zu treffen. Dabei wäre neben dem öffentlichen Interesse auch auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen Bedacht zu nehmen. Der Bw. hätte auf Grund des Insolvenzverfahrens der GmbH lediglich ein geringfügiges, kaum pfändbares Einkommen. Dieses Einkommen wäre durch laufende Exekutionen bis auf das Existenzminimum herabgepfändet, sodass ihm zum Überleben gerade das Nötigste verbleibe. Insbesondere auf Grund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse wäre in diesem Fall ein Entfall oder zumindest eine Herabsetzung der Abgabenschuld gerechtfertigt. Abschließend beantragte er, dass insbesondere wegen der bereits beschriebenen berücksichtigungswürdigen Umstände auch mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden könnte.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zeitpunkt, für den zu beurteilen wäre, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hätte, sich danach bestimme, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben wäre der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit maßgebend, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt worden wären. Die schuldhafte Verletzung der Pflicht, Selbstbemessungsabgaben dem Finanzamt zum gesetzlichen Fälligkeitstermin bekanntzugeben und zu entrichten, werde nicht dadurch aufgehoben, dass in weiterer Folge im Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung dieser Abgaben zu den Zahlungsterminen gemäß § 210 Abs. 4 BAO keine Gesellschaftsmittel mehr vorhanden wären.

Für nicht abgeführte Lohnsteuer werde auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 hingewiesen, aus der sich ergebe, dass jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen würden, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstelle.

Die Lohnabgaben für die Monate August, September und November 2010 wären auch der Abgabenbehörde gemeldet, aber nicht entrichtet worden. Anlässlich der durchgeführten Prüfung wäre anhand der vorgelegten Verrechnungskonten festgestellt worden, dass laufend Entnahmen ohne korrekte Besteuerung getätigt worden wären. Wäre der Bw. seinen abgabenrechtlichen Pflichten gesetzmäßig nachgekommen, wäre es zu keiner dementsprechenden Nachforderung gekommen, nachdem die haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben Fälligkeitszeitpunkte aufweisen würden, die lange vor Beginn der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft gelegen wären.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung wäre es unbestritten, dass der Bw. im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden einziger Geschäftsführer der GmbH, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO gewesen wäre, und dass diese Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden könnten. Dem öffentlichen Anliegen des Staates an der Einbringung der Abgaben wäre somit der Vorzug gegenüber den Interessen des Bw. zu geben.

Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass die Feststellungen des Finanzamtes im Rahmen des Prüfungsverfahrens nicht richtig wären. Vom Finanzamt wären sämtliche Beträge, wie sie den Verrechnungskonten des Bw. und seines Vaters H.S. angelastet worden wären, als Gewinnausschüttungen einerseits und als Lohnzahlungen andererseits qualifiziert worden, was den Denkgesetzen widerspreche.

Tatsache wäre es, dass es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise selbstverständlich gewesen wäre, die unbelegten Ausgaben als Betriebsausgaben zu qualifizieren, da anders die Betriebsleistung gar nicht hätte erbracht werden können. Weiters wäre es Tatsache, dass der Bw. im Rahmen des Betriebes der Gesellschaft gezwungen gewesen wäre, ausländische Gesellschaften und Firmen mit der Durchführung von Subaufträgen zu beschäftigen, wobei er erst zu spät hätte feststellen müssen, dass diese Firmen nicht bereit, willens oder fähig gewesen wären, buchungsfähige Rechnungen auszustellen. Dies ändere jedoch grundsätzlich nichts daran, dass die diesbezüglichen Ausgaben sehr wohl als Betriebsausgaben zu qualifizieren und nicht in der Form steuerlich zu behandeln gewesen wären, wie dies offensichtlich mit dem Grundlagenbescheid geschehen wäre.

In diesem Zusammenhang halte der Bw. fest, dass ihm der Grundlagenbescheid bisher nicht zugestellt worden wäre, dessen Zustellung er somit beantrage. Er kündige bereits jetzt an, gegen diesen Grundlagenbescheid ebenfalls Berufung zu erheben.

Des Weiteren halte der Bw. fest, dass zuletzt immer wieder durch den Insolvenzverwalter sowohl gegen seinen Vater als auch gegen ihn Forderungen herangetragen würden, die klagsweise geltend gemacht und auch exekutiv betrieben werden würden. Tatsache wäre es, dass die gegen ihn geführte Exekution teilweise erfolgreich gewesen wäre und dass weiters seitens des Insolvenzverwalters beabsichtigt werde, die gegen ihn gerichteten Forderungen aus den Verbindlichkeiten auf Basis der Verrechnungskonten einbringlich zu machen.

Dies bedeute nichts anderes, als dass diese Beträge niemals nach außen geflossen wären und eventuell seitens der Konkursmasse noch vereinnahmt werden würden. Nach den ihm zur Verfügung stehenden Informationen beabsichtige der Insolvenzverwalter ernsthaft, die gegen seinen Vater und ihn gerichteten Forderungen zu verkaufen, sodass auch aus diesem Anlassfall der gegen ihn erhobene Vorwurf der Verwendung dieser Mittel zur verdeckten Gewinnausschüttung oder zur Auszahlung als Lohn haltlos würde und seine Berechtigung verliere.

Des Weiteren müsse seitens des Finanzamtes und insbesondere seitens der Berufungsbehörde berücksichtigt werden, dass in keiner Weise feststehe, dass aus dem Insolvenzverfahren keine Mittel zu Gunsten des Finanzamtes fließen würden. Tatsache wäre jedenfalls, dass die vom Masseverwalter zu Beginn des Verfahrens angezeigte Masseunzulänglichkeit längst weggefallen wäre und zwischenzeitig alle Masseforderungen einschließlich der Verfahrenskosten hätten befriedigt werden können.

Auch die vom Finanzamt angebrachte Begründung in der Berufungsvorentscheidung im Rahmen des zu tätigen und anzuwendenden Ermessens eine Minderung des Haftungsbetrages auszuschließen, wäre mangelhaft und gesetzwidrig. Seitens des Finanzamtes wären keinerlei Erhebungen über die finanzielle und wirtschaftliche Situation seiner Person gepflogen worden, sodass das Verfahren auch aus diesem Grund mangelhaft geblieben wäre.

Angesichts der ungeklärten Situation des Haftungsbetrages, die sich aus dem anhängigen Insolvenzverfahren der Firma ergebe, herrsche zum derzeitigen Zeitpunkt Unsicherheit insoferne, als der Haftungsbetrag nicht festgestellt werden könne und daher das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Konkursverfahrens zu unterbrechen bzw. abzubrechen wäre.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO . Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d BAO insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Hinsichtlich der nachstehenden haftungsgegenständlichen Abgaben


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Abgabe
Betrag
Dienstgeberbeitrag 2006
135,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006
12,60
Dienstgeberbeitrag 2007
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007
75,60
Dienstgeberbeitrag 2008
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2008
75,60
Dienstgeberbeitrag 2009
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009
73,80
Umsatzsteuer 2009
5.118,08
Dienstgeberbeitrag 2010
810,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2010
72,00

war festzustellen, dass diesen Abgaben Festsetzungsbescheide zu Grunde liegen, die dem Bw. seitens des Finanzamtes nicht spätestens mit dem Haftungsbescheid übermittelt wurden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist damit aber mangels Berufungsmöglichkeit nach § 248 BAO eine Haftungsinanspruchnahme für diese Abgaben ausgeschlossen, da ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist. Laut VwGH ist der Haftungsbescheid (hinsichtlich der betroffenen Abgaben) aus diesem Grund aufzuheben ().

Auf den Einwand des Bw., dass die Nachforderungen auf Schätzungen der Betriebsprüfung basieren würden und ihm keine Möglichkeit eingeräumt worden wäre, zu den Feststellungen Stellung zu nehmen, war daher nicht mehr einzugehen. Ohnehin wäre aber daraus nichts zu gewinnen gewesen, weil Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Berufungsverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch ().

Ebenso wenig war das Vorbringen des Bw., dass die haftungsgegenständlichen Abgabennachforderungen erst im Zuge des Insolvenzverfahrens auf Grund von abgabenbehördlichen Betriebsprüfungen festgesetzt worden wären, zielführend. Aber auch hier wäre entgegenzuhalten gewesen, dass sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (). Bei Selbstbemessungsabgaben ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird ().

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit in Höhe von 95,813391 % fest, da mit Beschlüssen des Landesgerichtes Krems an der Donau am Datum-1 das Sanierungsverfahren über das Vermögen der S-GmbH eröffnet und am Datum-2 in ein Konkursverfahren umgewandelt wurde. Am Datum-3 wurde der Konkurs nach Verteilung einer Quote von 4,186609 % aufgehoben.

Diese Konkursquote war bei den verbleibenden haftungsgegenständlichen Abgaben (die entgegen dem Einwand des Bw. bereits vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig wurden) zu berücksichtigen:


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Abgabe
Betrag
Abzüglich
Konkursquote
Lohnsteuer 08/2010
441,80
423,30
Dienstgeberbeitrag 08/2010
235,53
225,67
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2010
20,94
20,06
Lohnsteuer 09/2010
1.319,19
1.263,96
Dienstgeberbeitrag 09/2010
414,01
396,68
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2010
36,80
35,26
Säumniszuschlag 2010
54,88
52,58
Dienstgeberbeitrag 11/2010
315,94
302,71
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2010
46,23
44,29
gesamt
2.764,51

Unbestritten ist auch, dass dem Bw. als Geschäftsführer der genannten GmbH ab die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall bringt der Bw. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass dem Bw. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal jedenfalls noch Löhne ausbezahlt wurden. Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies vom Bw. zu behaupten und zu beweisen gewesen.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bw. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die vom Bw. geltend gemachten "Billigkeitsgründe", deren Berücksichtigung er bei der Ermessensübung vermisst, nämlich seine angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse, stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Soweit der Bw. vorträgt, dass die belangte Behörde nach der Aktenlage von der Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten bei ihm ausgehen hätte müssen, weshalb die Heranziehung zur Haftung in Ausübung des Ermessens nicht zweckmäßig sei, ist er darauf hinzuweisen, dass die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die im Spruch genannten Abgabenschuldigkeiten der S-GmbH im Ausmaß von nunmehr € 2.764,51 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at